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Zur Festhütte statt in die Kirche

Wenn Olma-Säuli die Blicke auf sich ziehen und eini­ge Besu­che­rin­nen und Besu­cher Trach­ten tragen, dann ist wieder ökume­ni­scher Olma-Gottesdienst. Der evangelisch-reformierte Pfar­rer Stefan Lippu­ner erzählt, wie Besinn­li­ches und Messe­tru­bel zusam­men­pas­sen, und erin­nert sich an seinen ersten Olma-Einsatz vor 19 Jahren.

Am Olma­got­tes­dienst ist Stefan Lippu­ner auch schon in Schwin­ger­kluft aufge­tre­ten. Der evangelisch-reformierte Pfar­rer aus St. Gallen lacht, wenn er an solche Momen­te denkt und sagt: «An einem solch spezi­el­len Gottes­dienst darf so etwas Über­ra­schen­des schon einmal Platz haben. Zumal wir jedes Jahr ein ande­res Thema aufgrei­fen.» Nebst Schwin­gen waren auch schon Tiere, Singen oder Schöp­fung Schwer­punkt des ökume­ni­schen Gottes­diens­tes. In diesem Okto­ber wird es um «Echtes Leben» gehen – ange­lehnt an das dies­jäh­ri­ge Motto «Echt Olma». Den Gottes­dienst gestal­tet Stefan Lippu­ner zusam­men mit dem katho­li­schen St. Galler Seel­sor­ger Matthi­as Wenk. Eine Stun­de lang  werden die beiden am 20. Okto­ber von 10.30 bis 11.30 Uhr in der Olma-Halle 9.2 Raum für Besinn­li­ches, den Glau­ben und inne­re Werte schaffen.

Erin­ne­run­gen aus der Kindheit

«Durch den Olma-Gottesdienst können wir uns als Kirchen präsen­tie­ren und zeigen, dass wir Teil der Gesell­schaft und auch von diesem Volks­fest sind», sagt Stefan Lippu­ner, der die ökume­ni­sche Feier schon rund zehn Mal mitge­stal­tet hat. Nervös, auf dem Olma-Gelände einen Gottes­dienst zu feiern, ist der 62-Jährige nicht. Anders war das vor 19 Jahren, als er von Münchwi­len nach St. Gallen zog und dort seine neue Stel­le als Pfar­rer antrat. Der Olma-Gottesdienst gehör­te fort­an zu seinen Aufga­ben. «Ich wuss­te nicht, was auf mich zukom­men würde, und hatte bis anhin keinen gros­sen Bezug zur Olma. Das war also eine neue Heraus­for­de­rung für mich», sagt Stefan Lippu­ner und erzählt, wie er sich unter ande­rem auf die Kind­heits­er­in­ne­run­gen seiner Frau stüt­zen konn­te. Diese war in einer Bauern­fa­mi­lie im Zürcher Ober­land aufge­wach­sen und kann­te die Olma von Besuchen.

Besinn­lich, fröh­lich und mit viel Platz für Tradi­tio­nel­les und Musik: In diesem Jahr gestal­ten der evangelisch-reformierte Pfar­rer Stefan Lippu­ner (im Bild oben vor Text­be­ginn) und der katho­li­sche Seel­sor­ger Matthi­as Wenk den ökume­ni­schen Olma­got­tes­dienst auf dem Messe­ge­län­de. (Archiv­fo­to 2023)

Abseits vom Trubel

Wenn Stefan Lippu­ner auf seine Anfangs­jah­re zurück­blickt, erin­nert er sich an einen vollen Saal. Rund 200 Perso­nen hätten den Olma-Gottesdienst jeweils besucht. Mitt­ler­wei­le seien es etwas weni­ger gewor­den. «Aber alle, für die der Gottes­dienst zum Olma-Programm dazu­ge­hört, schät­zen jene Stun­de abseits vom Messe­tru­bel und Kommerz sehr», sagt er. Zudem würden auch immer spon­tan eini­ge Gäste dazu­stos­sen.

Mit Säuli-Motiven

Fest­lich und fröh­lich und ein biss­chen wie in ­einer Fest­hüt­te: So beschreibt Stefan Lippu­ner die Stim­mung während des Olma-Gottesdienstes. Vorne auf der Bühne gibt es Tisch, Redner­pult und eine Kerze. Dahin­ter befin­det sich eine Lein­wand, auf der Olma-Bilder etwa mit Säuli-Motiven oder Texte zu sehen sind. Der Saal ist bestuhlt. Auch die Musik spielt eine wich­ti­ge Rolle. In diesem Jahr wird der Alum­ni­chor enart des Gossau­er Gymna­si­ums Fried­berg auftre­ten. Hinzu kommt je eine Kurz­pre­digt von Matthi­as Wenk und Stefan Lippu­ner. «Wir werden der Frage nach­ge­hen, was ein erfüll­tes Leben ausma­chen kann», sagt er und fügt an: «Und wir grei­fen natür­lich den Psalm 23, den Hirten­psalm, auf. Der passt zur Stim­mung an der Olma mit all den Tieren wie Scha­fen und Geissen.»

→ Olma-Gottesdienst, Sonn­tag, 20. Okto­ber 2024, 10.30 Uhr, Halle 9.2., Zugang mit Olma-Billett

Text: Nina Rudnicki

Bilder: zVg/ Micha­el Huwiler

Veröf­fent­li­chung: 23 Septem­ber 2024

Ein ­Lagerfeuer auf dem Olma-Wagen

Von der Anfra­ge bis zur Olma waren es nur ein paar Mona­te, die Zeit dräng­te: «Trotz­dem stand für mich sofort fest: Die Chan­ce, am Olma-Umzug teil­zu­neh­men, darf sich Jubla nicht entge­hen lassen», sagt Andrea Zünd (29) aus Widnau, OK-Präsidentin Jubla am Olma-Umzug und Mitglied der Jung­wacht Blauring-Kantonsleitung. Wider­stän­de und diver­se Heraus­for­de­run­gen bewäl­tig­te sie mit einer gros­sen Porti­on ­«Jubla-Grundvertrauen».

In den ersten Tagen nach dem «Go» für das Projekt Jubla am Olma-Umzug lief bei Andrea Zünd das Tele­fon heiss. «Ich war sofort voller Taten­drang», sagt sie und lacht. «Eine Woche lang habe ich alle mögli­chen Leute kontak­tiert und sie moti­viert, beim Projekt mitzu­ma­chen.» Zu diesem Zeit­punkt waren noch viele Fragen offen: Lassen sich genü­gend Frei­wil­li­ge finden, die mitma­chen? Was genau kommt auf sie zu? Wie sieht der Wagen aus – und wo findet man so einen? Gehol­fen habe ihr dabei ihr Grund­ver­trau­en. «Ich bin seit zwan­zig Jahren bei der Jubla. In Grup­pen­stun­den und Lagern kann es immer wieder einmal passie­ren, dass etwas nicht so läuft wie geplant. Man lernt zu impro­vi­sie­ren und weiss, dass es schliess­lich mit ein biss­chen Einsatz immer doch gut kommt. Die Jubla ist die beste Lebens­schu­le.» Schon nach der ersten OK-Sitzung habe sich die anfäng­li­che Nervo­si­tät beru­higt. In den letz­ten Mona­ten sei ihr eines neu bewusst gewor­den: «Auf das Netz­werk, das man in der Jubla knüpft, kannst du dich verlas­sen.» Sie sagt: «Die Jubla schweisst so viele verschie­de­ne Menschen mit viel­fäl­ti­gem Know-how zusam­men. Wenn man etwas braucht oder sucht, reichen oft ein paar WhatsApp-Nachrichten oder Anru­fe und man landet bei einer Person, die weiter­hel­fen kann. Das war zum Beispiel auch so bei der Heraus­for­de­rung, einen Wagen zu orga­ni­sie­ren – und das möglichst kosten­los. Das Jubla-Motto ‹Lebens­freu­de und Lebens­freun­de› hält, was es verspricht.»

Ein beson­de­rer Schar-Nachmittag: Die Jung­wacht Heilig­kreuz bemalt die Wagen­rä­der für den Olma-Umzug.

Olma-Wagen bauen

Nebst der Suche nach einem Wagen muss­ten sich die zwölf OK-Mitglieder diesen Sommer eini­gen weite­ren Heraus­for­de­run­gen stel­len – und das alles in ihrer Frei­zeit. «Am Anfang wurde in unse­rem Gremi­um schon der eine oder ande­re Zwei­fel laut: Schaf­fen wir das in dieser kurzen Zeit? Bringt das was?» Finan­zi­el­le Fragen muss­ten geklärt und auch mit den Verant­wort­li­chen des Olma-Umzugs verhan­delt werden. «Zunächst hiess es, dass nur 25 Perso­nen auf dem Wagen mitfah­ren dürfen. Aber in der Ostschweiz gibt es so viele Jubla-Kinder und ‑Jugend­li­che. Eigent­lich hätten es alle verdient, mitzu­fah­ren.» Man habe sich schliess­lich auf einen Kompro­miss von 35 Teil­neh­men­den geei­nigt. Ausge­wählt wurden für diesen promi­nen­ten Auftritt die Blauring- und Jungwacht-Scharen St. Gallen-Heiligkreuz. In Sachen Wagen wurde das OK in Andwil-Arn­egg fündig: Die dorti­ge Jung­wacht gestal­tet jeweils einen Fasnachts­wa­gen und hat auch eini­ge Umzugs­er­fah­rung. Ein paar Mona­te später ist das Projekt auf Kurs: Mehre­re Jungwacht- und Blauring-Scharen sind beim Bau des Wagens, dem Bema­len der Radde­ckel und dem Basteln der Deko­ra­ti­on beteiligt.

… und drin­nen basteln die Jung­wächt­ler die Deko­ra­ti­on für den Wagen.

Lager­stim­mung vermitteln

Die Jubla bringt Lager­stim­mung an den Olma-Umzug: Auf ihrem Wagen wird ein echtes Lager­feu­er bren­nen. Zudem werden Jubla-Lieder zu hören sein. Das wird bei vielen Umzugs­be­su­che­rin­nen und ‑besu­chern eige­ne Lage­r­erin­ne­run­gen wach­ru­fen. «Hoffent­lich macht es aber auch bei vielen Eltern und Kindern, die selbst noch nicht teil­ge­nom­men haben, Lust auf Jubla-Lager», so Andrea Zünd. Die Jubla wird mit ihrem Umzugs­wa­gen auch das aktu­el­le schweiz­wei­te Jubla-Jahresthema «Öko? Logisch!» sicht­bar machen. «Das Thema Ökolo­gie und Nach­hal­tig­keit ist in der Jubla schon lange ein wich­ti­ges Anlie­gen. Wir achten zum Beispiel darauf, bei Grup­pen­stun­den möglichst wenig Mate­ria­li­en einzu­set­zen, und viele Grup­pen­an­läs­se finden sowie­so draus­sen in der Natur statt.»

«Wir machen sicht­bar, wie wich­tig und wert­voll die Kinder- und Jugend­ar­beit in der Kirche ist und dass unglaub­lich viel Frei­wil­li­gen­ar­beit geleis­tet wird.»

Andrea Zünd

Wich­ti­ger Teil der Kirche

«Uf Bsuech dihei» lautet das dies­jäh­ri­ge Olma-Motto – für einmal ist St. Gallen selbst der Gast­kan­ton. Über 50 Grup­pie­run­gen mit rund 1300 Mitglie­dern aus allen Regio­nen des Kantons werden am 12. Okto­ber am Umzug durch die St.Galler Altstadt mitwir­ken. Der Kanton St.Gallen hat dafür verschie­de­ne Orga­ni­sa­tio­nen und Insti­tu­tio­nen ange­fragt, die für den Kanton St. Gallen stehen, darun­ter auch die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St.Gallen und die katho­li­sche Kirche. Die Wahl der katho­li­schen Kirche fiel auf die Jubla: «Die Jubla ist ein wich­ti­ger Teil der Kirche», betont Andrea Zünd. «Wir machen sicht­bar, wie wich­tig und wert­voll die Kinder- und Jugend­ar­beit in der Kirche ist und dass unglaub­lich viel Frei­wil­li­gen­ar­beit geleis­tet wird. In den Jubla-Scharen werden christ­li­che Werte wie Nächs­ten­lie­be, Respekt und Verant­wor­tung gegen­über der Schöp­fung gelebt und das alles sehr konkret und lebens­nah.» Deshalb war sich das OK schnell einig, das Thema Nach­hal­tig­keit auch beim Olma-Wagen in den Fokus zu rücken.

Frei­wil­li­ges Engagement

Nur ein paar weni­ge Fragen sind noch offen. «Wir wollen an die Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er beim Umzug etwas vertei­len», sagt Andrea Zünd. Sie hätten mehre­re Ideen, aber die defi­ni­ti­ve Entschei­dung ist noch nicht gefal­len. «Momen­tan sind wir noch in der Abklä­rung, wie gross unser Budget und die Beiträ­ge vom katho­li­schen Konfes­si­ons­teil des Kantons St.Gallen und der Stif­tung der Jubla sind. Zudem soll­ten die Give-aways umwelt­freund­lich sein – also plas­tik­frei.» Das Projekt Jubla am Olma-Umzug wird vor allem durch frei­wil­li­ges Enga­ge­ment der Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen reali­siert – und das nebst dem übli­chen Jubla-Jahresprogramm, das mit vielen Anläs­sen in den Scha­ren vor Ort und über­re­gio­nal gefüllt ist.

Andrea Zünd fühlt sich bestä­tigt: In der Jubla findet man tatsäch­lich Freund*innen fürs Leben.

Als Erwach­se­ne ein Kind sein

Andrea Zünd sieht in der Teil­nah­me am Olma-Umzug die Chan­ce, die Jubla bekann­ter zu machen: «Wir sind die gröss­te Kinder- und Jugend­be­we­gung in der Ostschweiz. Trotz­dem klickt es nicht gleich bei allen, wenn man sie mit dem Begriff Jubla konfron­tiert.» Oft höre man dann: Ah, ihr seid wie die Pfadi? Andrea Zünd hofft, dass es in Zukunft heisst: «Ah klar, Jung­wacht Blau­ring – kenn ich natür­lich!» Sie ist sich sicher, dass auch für die mitwir­ken­den Kinder und Jugend­li­chen die Teil­nah­me am Umzug eine prägen­de Erfah­rung sein wird. «Für einmal selbst beim Umzug mitfah­ren zu können, das ist ein Erleb­nis, an das man sich ein Leben lang erin­nert.» Andrea Zünd war 2003 zum ersten Mal mit dem Blau­ring Altstät­ten in einem Lager, seit 2010 ist sie Leite­rin. Inzwi­schen wohnt sie in Widnau und ist studier­te Sozi­al­päd­ago­gin. «Die Jubla-Erfahrungen haben sicher­lich meine Berufs­wahl mitbe­ein­flusst.» Bis heute ist sie ein begeis­ter­tes «Blauring-Kind». «Wo sonst als bei der Jubla kannst du auch als Erwach­se­ne noch­mals Kind sein?»

Das Jubla-Moto «Lebensfreu(n)de» passt auch perfekt zur Olma.

Jubla in der ­Ostschweiz boomt

Trotz oder gera­de wegen der Digi­ta­li­sie­rung: Die Ange­bo­te der Jubla stos­sen in der Ostschweiz auf gros­se Nach­fra­ge. Vergleicht man die Mitglie­der­zahl von 2014 mit den aktu­el­len von 2024, so ist sie von 4445 Kindern und Leitungs­per­so­nen auf 4637 gewach­sen – und der Zuwachs hält auch in diesem Jahr an. Hinzu kommen noch um die 110 Enga­gier­te in Regio­nal­lei­tun­gen, Kantons­lei­tung sowie Coaches und Kurs­lei­ten­de. Den Höchst­stand in den vergan­ge­nen zehn Jahren verzeich­ne­te die Jubla Ost im Jahr 2020 mit 4953 Leiten­den und Kindern.

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontou­lis / Clau­dio Bäggli

Veröf­fent­li­chung: 23.09.2024

Kommentar: Umfrage zur Bischofswahl

Volks­nah, jung oder vor allem mutig? Das Bistum St.Gallen woll­te mit einer Umfra­ge von den Gläu­bi­gen erfah­ren, wie der neue Bischof sein soll. Anders als bei den letz­ten Malen wurden sie nicht einge­la­den, Namen von Kandi­da­ten zu nennen, sondern gewünsch­te Eigen­schaf­ten und Fähig­kei­ten einzubringen.

Beim Blick in die Ergeb­nis­se der Umfra­ge, die das SPI im Auftrag des Domka­pi­tels durch­ge­führt hat, fällt eines schnell auf: Die Grund­stim­mung unter den Menschen, die sich betei­ligt haben, scheint nicht so nega­tiv zu sein. Aussa­gen wie «So kann es nicht weiter­ge­hen» oder «Jetzt muss sich alles ändern» fehlen. Es lässt sich heraus­le­sen, dass das Bistum — aus Sicht der Umfrage-Teilnehmenden — grund­sätz­lich am bishe­ri­gen Kurs und Bischofs-Stil fest­hal­ten soll.

Mehr Sensi­bi­li­tät für Menschen aus ande­ren Kulturen

In der Umfra­ge erwähnt wurde das Stich­wort migran­tisch gepräg­te Gesell­schaft: Der neue Bischof müsse über «inter­kul­tu­rel­le Kompe­ten­zen» verfü­gen. Etwa vier­zig Prozent der Katholik*innen im Bistum St.Gallen hat Migra­ti­ons­hin­ter­grund — und fühlen sich oft ausge­schlos­sen. Wie viel von diesen Gläu­bi­gen haben bei der Umfra­ge mitge­wirkt? Das SPI hält in seiner Zusam­men­fas­sung der Umfra­ge fest, dass die distan­zier­te­ren Kirchen­mit­glie­der unter­re­prä­sen­tiert sind. Dies trifft wahr­schein­lich genau­so auf Gläu­bi­ge mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund bzw. anders­spra­chi­ge Gläu­bi­ge zu. Ob die Links zur Umfra­ge auch in den Anderssprachigen-Missionen geteilt wurden?

Am 18. Septem­ber disku­tier­te das Bistum St.Gallen mit einer Experten-Runde die Ergeb­nis­se der Umfra­ge (Bild: Franz Kreissl, Pasto­ral­amts­lei­ter und Domi­nik Michel-Loher, Mitar­bei­ter Pasto­ral­amt, v.r.)

Auf die Wahl wird die Umfra­ge wohl nur mini­mal Einfluss nehmen — schon allein weil die Anzahl der Kandi­da­ten, die für die Nach­fol­ge von Bischof Markus Büchel in Frage kommen, über­schau­bar ist. Z.B. wie viele haben selbst Migra­ti­ons­hin­ter­grund oder Erfah­rung als Seel­sor­ger für Menschen aus ande­ren Kultu­ren? Trotz­dem — wenn das Bistum, der neue Bischof so wie alle betei­lig­ten Gremi­en die Umfra­ge ernst nehmen — kann sie vor und nach der Wahl als Spie­gel und Richt­schnur dienen: Hier steht schwarz auf weiss was zumin­dest 1305 Perso­nen wünschen und als Voraus­set­zung für das Amt des künf­ti­gen Bischofs erachten.

Kompe­ten­zen der Mitarbeitenden

In einem sind sich wohl alle einig: Kein Kandi­dat kann alle Erwar­tun­gen erfül­len. Aber eines darf man vom neuen Bischof sehr wohl erwar­ten: die Bereit­schaft, zu lernen und sich zu entwi­ckeln und Mitar­bei­ten­de an seine Seite zu holen die ihn mit ihren Kompe­ten­zen unter­stüt­zen und ergän­zen. Das Bistum St. Gallen wird nicht müde zu beto­nen, dass Synoda­li­tät (die Betei­li­gungs­mög­lich­kei­ten aller Gläu­bi­gen) im Bistum des Heili­gen Gallus» schon seit mehre­ren Jahr­zehn­ten gelebt wird und fest etabliert ist. Deshalb muss wohl ganz oben in der Prioritäten-Liste stehen: der Bischof muss vor allem durch und durch synodal sein. Dann ist die eine oder ande­re mangeln­de Kompe­ten­zen nicht mehr so dramatisch.

Kommen­tar: Stephan Sigg, leiten­der Redak­tor Pfarreiforum

Hinter­grund:

1305 Perso­nen haben in 173 Gesprächs­grup­pen an der Konsul­ta­ti­on teil­ge­nom­men, so das SPI, das die Umfra­ge im Auftrag des Bistums durch­ge­führt hat. «Die Bischofs­wahl bewegt die Menschen – es haben sich Mitar­bei­ten­de, Ehren­amt­li­che, Frei­wil­li­ge und enga­gier­te Gläu­bi­ge einge­bracht. Über­mensch oder Team­play­er? Auf jeden Fall mutig, offen und volks­nah stel­len sich die Menschen den neuen Bischof vor.»

Der neue Bischof werde sein Amt «in einer Zeit des Umbruchs» antre­ten. In Bezug auf die aktu­el­len und zukünf­ti­gen Heraus­for­de­run­gen der Kirche sind gemäss Umfra­ge «neue Wege zur Vermitt­lung von Glau­bens­wis­sen für Kinder und Erwach­se­ne», sowie «die Entwick­lung der Beru­fe in der Kirche oder neue pasto­ra­le Schwer­punkt­set­zun­gen» nötig.

Das Domka­pi­tel wird in den kommen­den Tagen die Resul­ta­te aus der Konsul­ta­ti­on sowie den Bericht aus dem Austausch mit der Exper­ten­grup­pe studie­ren und disku­tie­ren, teil das Bistum mit. Anschlies­send werden die 13 Kano­ni­ker eine Liste erstel­len mit sechs mögli­chen Kandi­da­ten für das Bischofs­amt. Diese schickt der Domde­kan über den Apos­to­li­schen Nunti­us nach Rom. Dann beginnt die Zeit, in der Rom die Kandi­da­ten ‘prüft’. Papst Fran­zis­kus wird jene Kandi­da­ten bezeich­nen, die eine Ernen­nung zum Bischof erhal­ten würden und schliess­lich die Wahl­lis­te über den Nunti­us zurück ans Domka­pi­tel schi­cken. Der Wahl­tag wird in Abspra­che mit dem Katho­li­schen Kolle­gi­um (dem Parla­ment der Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken im Kantons St.Gallen) fest­ge­legt. Das Parla­ment hat die Möglich­keit, drei von sechs Kandi­da­ten als minder­ge­nehm zu bezeich­nen. Sich orien­tie­rend an der mögli­chen Ernen­nung bzw. dem Minder­ge­nehm wird das Domka­pi­tel schliess­lich die Wahl vorneh­men. Wann das sein wird, ist unge­wiss. Das Bistum wird darüber informieren.

Zur Medi­en­mit­tei­lung Bistum St.Gallen (19.09.2024)

Text +Foto: Stephan Sigg

Veröf­fent­licht: 19.09.2024

Einen Superhelden skizzieren

Was passiert, wenn die Bevöl­ke­rung  zu den Eigen­schaf­ten ihres neuen Wunsch­bi­schofs ­befragt wird? Und wie flies­sen diese Erwar­tun­gen tatsäch­lich in die Bischofs­wahl ein? Eine aktu­el­le Umfra­ge des Bistums St. Gallen soll zeigen, auf welchen Bischof gehofft werden kann.

«Der neue Bischof soll­te gerne führen und entschei­den. Er soll­te seine Gedan­ken und Hand­lun­gen nach vorne rich­ten, Begeis­te­rung für den Glau­ben zeigen und zuhö­ren können», sagt Isabel­la Awad, Kommu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­te des Bistums St. Gallen, auf die Umfra­ge «Was erwar­ten Sie vom Bischof?» ange­spro­chen. In den vergan­ge­nen Wochen konn­ten sich alle Inter­es­sier­ten in Klein­grup­pen ab zwei Perso­nen zusam­men­schlies­sen und im Rahmen der Online­um­fra­ge gewünsch­te Eigen­schaf­ten eines neuen Bischofs mittei­len. Über die Ergeb­nis­se tauscht sich laut Isabel­la Awad aktu­ell eine Grup­pe mit Exper­tin­nen und Exper­ten aus, die sich unter ande­rem aus verschie­de­nen Räten wie dem Laien‑, Priester- und Seel­sor­ge­rat, Enga­gier­ten in der Jung­wacht Blau­ring sowie Seel­sor­gen­den zusam­men­setzt. Die Ergeb­nis­se flies­sen in die Entschei­dun­gen des Domka­pi­tels ein. Dieses setzt sich aus jenen Geist­li­chen zusam­men, die den Bischof wählen werden. Die eingangs erwähn­ten Wunsch­ei­gen­schaf­ten des künf­ti­gen Bischofs fassen die Aussa­gen zusam­men, die die Mitglie­der des Domka­pi­tels in Inter­views auf www.bistum-stgallen.ch mach­ten. Nun wird erwar­tet, was die Umfra­ge Weite­res hervor­bringt. Isabel­la Awad sagt: «An dieser haben sich die verschie­dens­ten Grup­pen betei­ligt. Die Menschen im Bistum haben es posi­tiv aufge­nom­men, dass sie ihre Erwar­tun­gen äussern konn­ten.» Es sei bereits das drit­te Mal, dass im Bistum St. Gallen bei einer Bischofs­wahl eine Umfra­ge durch­ge­führt werde. Zuvor war das bei Bischof Ivo Fürer und Bischof Markus Büchel der Fall.

Isabel­la Awad, Kommu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­te des Bistums St.Gallen

Bekann­te motiviert

An dem Prozess rund um die Umfra­ge mitge­wirkt hat auch die St. Galler Bewe­gung «Refor­men jetzt». Die Theo­lo­gin Ann-Katrin Gäss­lein ist Mitglied von «Refor­men jetzt». Sie sagt: «Beruf­lich und privat hab ich Freun­de und Bekann­te  ange­regt, eine Grup­pe zu bilden und zusam­men die Erwar­tun­gen an den künf­ti­gen Bischof zu formu­lie­ren.» Sie selbst habe zwei Grup­pen bei der Umfra­ge betreut. Es brau­che eine Person, die die Rück­mel­dun­gen sammelt, sortiert, verschrift­licht sowie ins Formu­lar einträgt und so die Verant­wor­tung über­nimmt. Die Grup­pen­tref­fen beschreibt sie als sehr produk­tiv. Aufgrund der unter­schied­li­chen Zusam­men­set­zun­gen hätten sich jeweils ande­re inhalt­li­chen Schwer­punk­te erge­ben. «Nun setzen wir von ‹Refor­men jetzt› uns dafür ein, dass die Ergeb­nis­se der Umfra­ge veröf­fent­licht werden.»

Ann-Katrin Gäss­lein, «Refor­men jetzt»: «Die Forde­rung nach Synoda­li­tät heisst im Umkehr­schluss auch, dass wir Gläu­bi­gen alle in der Verant­wor­tung stehen.»

Verant­wor­tung übernehmen

Und welchen Bischof wünscht sich «Refor­men jetzt»? «Konkret wünschen wir uns, dass der neue Bischof unse­re Anlie­gen und Vorstös­se umsetzt respek­ti­ve dort im Prozess weiter­geht, wo wir dann bei jedem Anlie­gen stehen werden», sagt Ann-Katrin Gäss­lein. Dazu gehö­re etwa, sich in Gesprä­chen mit dem Vati­kan für die Anlie­gen der Schwei­zer Kirche einzu­set­zen, konkret für mehr Spiel­raum bei einer Weihe von Frau­en, oder die Viel­falt von Lebens­for­men bei kirch­li­chen Mitar­bei­ten­den theo­lo­gisch posi­tiv zu würdi­gen. Aber vor allem müsse der neue Bischof ein echtes Beispiel für Synoda­li­tät – also gemein­sa­mes Entschei­den – sein. Zudem sei das Thema Gewal­ten­tei­lung in Bezug auf das Bischofs­amt ein wich­ti­ger Punkt für die Zukunft der Kirche. «Allen ist bewusst, dass die Rück­mel­dun­gen zusam­men­ge­nom­men eine Art Super­hel­den skiz­zie­ren werden, der unmög­lich alle Erwar­tun­gen erfül­len kann», sagt sie. «Trotz­dem werden sich grobe Lini­en abzeich­nen. Und die Forde­rung nach Synoda­li­tät heisst im Umkehr­schluss auch, dass wir Gläu­bi­gen alle in der Verant­wor­tung stehen.»

Text: Nina Rudnicki

Bild: pixabay.com

Veröf­fent­li­chung: 19. Septem­ber 2024

Warten auf St. Nimmerleinstag?

Frau­en­pries­ter­tum, frei­wil­li­ges Zöli­bat, mehr Mitspra­che aller Gläu­bi­gen – geht es jetzt ­endlich vorwärts? Im Okto­ber tagt in Rom die zwei­te und abschlies­sen­de Versamm­lung der Welt­syn­ode. Es geht um Refor­men und neue Mitwir­kungs­mög­lich­kei­ten in der Kirche.

Welche Ziele verfolgt Papst Franziskus?

Papst Fran­zis­kus hat die Welt­syn­ode 2021–2024 initi­iert. Es ist das erste Mal, dass bei einer Synode nicht nur Bischö­fe, sondern alle Gläu­bi­gen mitwir­ken. Im Vorfeld wurden dazu in vielen Ländern Umfra­gen lanciert, auch im Bistum St. Gallen. Die Ergeb­nis­se dieser Umfra­gen sind Teil der Synoden­ver­samm­lun­gen im Vati­kan. Bei der Synode vom 2. bis 27. Okto­ber wirken rund 350 Teil­neh­men­de aus der ganzen Welt mit.

Wie viel Gewicht hat die Schweiz bei der Synode?

Die Synode betrifft die ganze Welt­kir­che – und doch zeigt sich Hele­na Jeppe­sen, eine der drei Perso­nen, die die Katho­li­sche Kirche Schweiz bei der Synode vertre­ten, opti­mis­tisch. Nach einem euro­päi­schen Vorbe­rei­tungs­tref­fen im öster­rei­chi­schen Linz sagte sie gegen­über kath.ch: «Der euro­päi­sche Austausch zeig­te, dass die Schwei­zer Anlie­gen der Dezen­tra­li­sie­rung und der Stär­kung der Rolle der Frau auch bei ande­ren Mitglie­dern der Synode auf Unter­stüt­zung stossen.»

Gibt es Tabus?

Der aus Vorarl­berg stam­men­de Bischof Erwin Kräut­ler (lang­jäh­ri­ger Bischof am Amazo­nas) kriti­siert vor Beginn der abschlies­sen­den Voll­ver­samm­lung die Synode in einem Beitrag scharf: Die Frau­en­wei­he werde verscho­ben auf den Sankt Nimmer­leins­tag. Denn: Die Weihe von Frau­en wurde einfach vom Synoden­pro­gramm gestri­chen. Auch das Thema Frauen-Diakonat, das beim vergan­ge­nen Tref­fen vor einem Jahr disku­tiert wurde, scheint dieses Jahr plötz­lich nicht mehr auf der Agen­da zu stehen. Wie im März über­ra­schend bekannt wurde, hat Papst Fran­zis­kus zehn Themen­kom­ple­xe ausge­klam­mert und Exper­tin­nen und Exper­ten beauf­tragt, sich darüber in Studi­en­grup­pen auszu­tau­schen – darun­ter eben auch das Frau­en­dia­ko­nat und ‑pries­ter­tum. Die Ergeb­nis­se dieser Studi­en­grup­pen sollen im Juni 2025 vorle­gen, also lange nach Abschluss der Weltsynode.

Wird die Synode die Kirche verändern?

Geht es nach Papst Fran­zis­kus: Ja! Der Papst will die katho­li­sche Kirche verän­dern. In der katho­li­schen Kirche soll es nicht mehr Top-down-Herrschaft geben, sondern die Betei­li­gung aller Getauf­ten. So steht es im Arbeits­pa­pier, das vor der Synode veröf­fent­licht wurde. Künf­tig soll es mehr Mitbe­stim­mung, Trans­pa­renz und Rechen­schafts­pflicht geben. Auch der Vati­kan soll Rechen­schaft vor den Orts­kir­chen able­gen. Der inno­va­ti­ve Ansatz der aktu­el­len Welt­syn­ode soll fort­ge­führt werden: Künf­tig soll es in der Kirche keine einsa­men Entschei­dun­gen durch Pfar­rer, Bischö­fe und Papst mehr geben, sondern «synoda­le Bera­tungs­struk­tu­ren» auf allen Ebenen. Trotz­dem: In der Praxis wird es dann doch nicht so weit gehen, denn – das wird im Arbeits­pa­pier schon erwähnt – das Ganze werde trotz­dem nicht iden­tisch mit einer Demo­kra­tie sein.

Naiver Opti­mis­mus oder doch Überraschungen?

Viele Teil­neh­men­de, darun­ter auch Hele­na Jeppe­sen aus der Schweiz, äusser­ten sich nach der Versamm­lung im Okto­ber 2023 in den Medi­en sehr posi­tiv über die Stim­mung und offe­ne Debatten-Kultur. In den Mona­ten danach mach­te sich Ernüch­te­rung breit. Zu viel Opti­mis­mus wäre wohl naiv. Kuri­en­kar­di­nal Jose Tolen­ti­no de Mendon­ca bezeich­net die Welt­syn­ode als eine «epocha­le Verän­de­rung». Der Präsi­dent der öster­rei­chi­schen Bischofs­kon­fe­renz und Salz­bur­ger Erzbi­schof, Franz Lack­ner, plädiert für das «Prin­zip Hoff­nung»: Papst Fran­zis­kus stel­le für die Kirche eine Über­ra­schung  dar. «Die Über­ra­schun­gen werden nicht aufhö­ren. Hoff­nung ist der Glau­be an das, was man noch nicht sieht», zitiert ihn die katho­li­sche öster­rei­chi­sche Pres­se­agen­tur kathpress.

Text: Stephan Sigg

Bild: SBK

Veröf­fent­li­chung: 16.09.2024

Leserfrage: Wie geht christlich wählen?

Urs Bern­hards­grüt­ter, Diakon der katho­li­schen Kirche und Mitglied der Grünen SG, geht darauf ein, was christ­li­ches Poli­ti­sie­ren ausmacht.

Die Frage «Wie geht christ­lich wählen?» setzt zwei ­posi­ti­ve Haltun­gen voraus. Erstens: Der oder die Fragen­stel­len­de will sich bei Wahlen und wahr­schein­lich grund­sätz­lich in gesell­schaft­li­chen Fragen betei­li­gen. Er oder sie bringt sich in poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che Frage­stel­lun­gen ein. Das ist gut so, denn als Chris­tin­nen und Chris­ten haben wir die Aufga­be, Gesell­schaft und Welt im Sinne des Reiches Gottes mitzu­ge­stal­ten. Denn Salz und Licht für die Welt wollen wir sein (vergl. Mt 5,13–16).

Die Schöp­fung schützen

Das zwei­te Posi­ti­vum, das  der Frage voraus­geht, ist die Moti­va­ti­on, wählen in einem christ­li­chen Sinn tun zu wollen. Ich glau­be, unse­re Welt wäre salzi­ger und heller, wenn diese Moti­va­ti­on viel verbrei­te­ter wäre. Der christ­li­che Glau­be darf nicht an der Kirchen­tü­re, beim Hinaus­tre­ten in die Welt, hängen blei­ben. Unser Glau­be, der sich auf Jesus von Naza­reth beruft, geht über das Gebet und die Mystik hinaus. Nämlich hin zu einem heil­brin­gen­den Enga­ge­ment in der Welt. Bevor wir aber das «Wie» ange­hen, möch­te ich meine Karten offen­le­gen: Kaum 20 Jahre alt, war ich zum ersten Mal auf einer Wahl­lis­te des dama­li­gen LdU (Landes­ring der Unab­hän­gi­gen) zu finden. Als sich der LdU auflöste, wech­sel­te ich zu den Grünen. In den Jahren 2000 bis 2008, bevor ich dann ganz in den kirch­li­chen Dienst einstieg, durf­te ich sowohl im Kantons­rat wie auch im Natio­nal­rat viele poli­ti­sche Erfah­run­gen sammeln und mich für welt­wei­te Gerech­tig­keit und den Schutz der Schöp­fung in den beiden Parla­men­ten einset­zen. Sowohl im Kantons- wie auch im natio­na­len Parla­ment gab es eine Gebets­grup­pe, in der es Teil­neh­men­de aus fast allen Partei­en hatte. Es gibt wohl in allen Partei­en Chris­ten und Chris­tin­nen, die gewillt sind, in christ­li­cher Verant­wor­tung Poli­tik zu machen. In Majorz­wah­len ist dies zu berücksichtigen.

Fran­zis­ka­ni­sche Geschwis­ter­lich­keit als Ziel

Eine christ­li­che Poli­tik muss zuerst den einzel­nen Menschen und die welt­wei­te Geschwis­ter­lich­keit im Fokus haben. Benach­tei­lig­te und Schwa­che haben Vorrang, wenn es um die Gestal­tung des Zusam­men­le­bens geht. Es ist egois­tisch und nicht christ­lich, wenn die Poli­tik zuerst einmal dem eige­nen (auch natio­na­len) Reich­tum dienen soll und nicht dem Wohl möglichst aller Menschen. Mein christ­li­ches Poli­ti­sie­ren baut auf die alles umfas­sen­de Geschwis­ter­lich­keit des Heili­gen Franz von Assi­si auf. Darum muss eine christ­li­che Poli­tik in erster Linie sozi­al und umwelt­freund­lich sein. Papst Fran­zis­kus sagt in «Lauda­to si»: «Klima­schutz und Nächs­ten­lie­be gehen Hand in Hand!»

Wegweiser, kein Rezeptbuch

Wie beein­flusst der christ­li­che Glau­be die Poli­tik? Und ist Wohl­stand für alle ohne Wachs­tum möglich? Über diese und weite­re Fragen disku­tie­ren im Septem­ber unter ande­rem ­Ostschwei­zer Bundes­po­li­ti­ke­rin­nen und ‑poli­ti­ker: An einem Podi­um in Nieder­uz­wil sowie anläss­lich des 125-Jahr-Jubiläums der Christ­li­chen Sozi­al­be­we­gung KAB SG in St. Gallen.

«Um das Jahr 1899 herum war gesell­schaft­lich und poli­tisch eini­ges in Bewe­gung», sagt Norbert Acker­mann, Präsi­dent der Christ­li­chen Sozi­al­be­we­gung St. Gallen KAB SG. Das Kürzel KAB steht für Katho­li­sche Arbeiterinnen- und Arbei­ter­be­we­gung. Norbert Acker­mann erzählt, wie er anläss­lich des dies­jäh­ri­gen 125-Jahr-Jubiläums rund um die Grün­dung der KAB SG recher­chier­te. «Unge­fähr zur selben Zeit wurden die Handels­aka­de­mie St. Gallen (heute Univer­si­tät), der St. Galler Anwalts­ver­band sowie das Haus der Roten (Volks­haus) gegrün­det», sagt er. «Die Aufbruch­stim­mung jener Zeit wollen wir in unse­rem Jubi­lä­ums­jahr spür­bar machen. Wir wollen nicht nur zurück­bli­cken, sondern zeigen, wie wich­tig christ­li­che Sozi­al­ethik heute ist.»

Was Wohl­stand ausmacht

Am Jubi­lä­um­fest am 7. Septem­ber 2024 im Pfalz­kel­ler in St. Gallen steht daher die gesell­schafts­po­li­ti­sche Frage im Mittel­punkt, ob Wohl­stand für alle ohne Wachs­tum möglich ist. Einge­la­den sind alle Inter­es­sier­ten. Nebst weite­ren Programm­punk­ten wie dem Refe­rat des Schwei­zer Ökonoms Mathi­as Bins­wan­ger werden die St. Galler PDF-Nationalrätin Susan­ne Vincenz-Stauffacher und Grünen-Nationalrätin Fran­zis­ka Ryser sowie der Sozi­al­ethi­ker Thomas Wallimann-Sasaki darüber disku­tie­ren, was «gutes Leben für alle» bedeutet. 

Als Vorbe­rei­tung auf das Podi­um habe sie für sich den Begriff der «Eigen­ver­ant­wor­tung plus» formu­liert, sagt Susan­ne Vincenz-Stauffacher auf Anfra­ge. Sie stehe dafür ein, dass jeder Mensch in erster Linie für sich selber die Verant­wor­tung zu über­neh­men habe. Nun hätten wir aber nicht alle die glei­chen Chan­cen, Kompe­ten­zen und Möglich­kei­ten. Daraus leite sie die zusätz­li­che Verant­wor­tung der Stär­ke­ren ab, also das «Plus», für Schwä­che­re einzustehen.

Eige­nes Handeln reflektieren

Die St. Galler Grünen-Nationalrätin Fran­zis­ka Ryser nennt in Hinblick auf das Podi­um unter ande­rem den Punkt der Soli­da­ri­tät mit Mitmen­schen auf der ganzen Welt. Dies sei für sie eines der Leit­prin­zi­pi­en. «Soli­da­ri­tät kann als Mess­lat­te heran­ge­zo­gen werden, um das eige­ne Handeln zu reflek­tie­ren und um poli­ti­sche Entschei­dun­gen zu beur­tei­len», sagt sie. Es gelte, soli­da­risch zu sein mit Menschen, die vor Krieg und Leid flie­hen muss­ten, oder mit Menschen, die im globa­len Süden die Folgen unse­res Handelns tragen. «Wenn wir soli­da­risch handeln, dann schaf­fen wir ein gerech­te­res und besse­res Leben für alle.»

Vom Verein zum Netzwerk

Die christ­li­che Sozi­al­leh­re basiert auf den Prin­zi­pen Gemein­wohl, Soli­da­ri­tät und Subsi­dia­ri­tät (Hilfe zur Selbst­hil­fe) sowie Nach­hal­tig­keit. Über allem aber steht die Perso­na­li­tät, also die Würde des Menschen. «Auf dieser Grund­la­ge möch­ten wir poli­ti­sches, gesell­schaft­li­ches und kirch­li­ches Leben mitge­stal­ten. Wobei es sich bei der christ­li­chen Sozi­al­leh­re um einen Kompass und nicht um ein Rezept­buch handelt», sagt Norbert Acker­mann und fügt an, dass die Kirche gesell­schafts­po­li­tisch viel zu sagen habe, aber neue, deut­li­che und auch laute Formen dafür finden müsse. Die KAB SG orga­ni­siert daher regel­mäs­sig Veran­stal­tun­gen wie den öffent­li­chen Ethik-Talk am Tag nach Ascher­mitt­woch sowie das regio­na­le Dialog­for­mat «Ethik bei Wein & Brot». Zudem gilt es laut Acker­mann, ein über­re­gio­na­les Netz­werk aufzu­bau­en, in das sich Inter­es­sier­te und Sympa­thi­san­tin­nen und Sympa­thi­san­ten einbrin­gen können. «Solche neuen Formen braucht wohl jede Orga­ni­sa­ti­on, die heute über­le­ben will. Es wäre schwie­ri­ger, als klas­si­scher Verein Nach­wuchs zu finden», sagt Norbert Acker­mann. Aktu­ell hat die KAB SG 150 Mitglie­der. Das Jubi­lä­um ist ein wich­ti­ger Schritt auf diesem neuen Weg. «Wir wollen nicht in einer Blase leben, sondern nach draus­sen treten. Unse­re Werte wollen wir in die Öffent­lich­keit tragen und Orien­tie­rung bieten.»

KAB im Wandel: 1899 wurden der Katho­li­sche Arbei­ter­ver­ein St. Gallen-Dom und kurz danach der Katho­li­sche Arbei­te­rin­nen­ver­ein gegrün­det. Die Ur-Sektion entwi­ckel­te sich zur Christ­li­chen Sozi­al­be­we­gung KAB SG und zur KAB Schweiz. Ziel der sozi­al­re­for­me­ri­schen Bewe­gung war die Linde­rung sozia­ler Not zu einer Zeit ohne jedes sozi­al­staat­li­che Auffang­netz sowie Behei­ma­tung der Arbeiterinnen- und Arbei­ter­schaft im kirchen­na­hen Umfeld samt poli­ti­scher und reli­giö­ser Bildung. Heute versteht sich die KAB SG als christ­lich veran­ker­tes, offe­nes Netz­werk von Menschen in unter­schied­li­chen sozia­len und wirt­schaft­li­chen Verhältnissen.

→ Alle Infos zum Jubi­lä­um am 7. Septem­ber 2024 ab 8.45 Uhr im Pfalz­kel­ler St. Gallen auf www.kab-sg.ch

Wo sich Glau­be in Poli­tik spiegelt

«Christ­li­cher Glau­be ist auch immer poli­tisch», sagt Paul Gähwiler-Wick, Mitglied im katho­li­schen Kolle­gi­um – dem Parla­ment des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils des Kantons St. Gallen. Am 3. Septem­ber 2024 laden die vier christ­li­chen Kirchen der Regi­on Uzwil daher zu einem Podi­ums­ge­spräch ins evan­ge­li­sche Kirch­ge­mein­de­haus in Nieder­uz­wil ein. «Die katho­li­sche Kirche wird von vielen Menschen bei uns als welt­fremd wahr­ge­nom­men. Da wollen wir mit solchen Anläs­sen Gegen­steu­er geben», sagt Gähwi­ler, der das Podi­um mode­riert. An diesem werden unter ande­rem der St. Galler Mitte-Ständerat Bene­dikt Würth, der Basler SP-Nationalratspräsident Eric Nuss­bau­mer sowie Simo­ne Curau-Aepli, Präsi­den­tin des Schwei­ze­ri­schen Katholischen Frauenbundes, die Frage «Christ­li­che Poli­tik – gibt es das?» disku­tie­ren. Das Pfar­rei­fo­rum hat im Vorfeld nachgefragt:

Bene­dikt Würth: Christ­li­che Poli­tik im Sinne von verbind­li­chen Antwor­ten auf die poli­ti­schen Alltags­the­men gibt es nicht. Das wäre eine unmög­li­che Ziel­set­zung. Aber gute Poli­tik basiert auf einem Werte­fun­da­ment. Und ich glau­be, dass christ­li­che Werte zentral sind für ein gutes Zusam­men­le­ben. Ausgangs­punkt ist für mich insbe­son­de­re die Menschen­wür­de, wie sie auch in der Allge­mei­nen Erklä­rung der Menschen­rech­te zum Ausdruck kommt. 

Eric Nuss­bau­mer: Nein, es gibt keine christ­li­che Poli­tik. Es gibt aber Chris­tin­nen und Chris­ten, die Poli­tik machen, und ich hoffe, dass deren Glau­be und Welt­an­schau­ung auch in den poli­ti­schen Entschei­den erkenn­bar werden.

Simo­ne Curau-Aepli: Poli­tisch tätig zu sein, heisst für mich, mich mit dem zu befas­sen, was «ein gutes Leben für alle» ausmacht. Wir denken und handeln also immer poli­tisch, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. «Das Priva­te ist poli­tisch» ist für mich zudem ein wich­ti­ger Grund­satz der femi­nis­ti­schen Bewe­gung, der einen umfas­sen­den Blick auf Poli­tik meint. Folgen­de zwei Begrif­fe sind mir auch wich­tig: Wirt­schaft und Care. Sie haben hoch­po­li­ti­sche Auswir­kun­gen, weil es dabei expli­zit um die Befrie­di­gung von Bedürf­nis­sen der Menschen geht. Im Gegen­satz zur Care- bzw. Sorge­ar­beit steht bei der Wirt­schaft aber «das gute Leben für alle» leider nicht immer im Zentrum, sondern «der mone­tä­re Erfolg für wenige».

Podi­ums­ge­spräch, 3. Sept. 2024, 19–21 Uhr, Evang. Kirch­gemeindehaus, Kirch­stras­se 1, Niederuzwil

Text: Nina Rudni­cki; Bilder: ZVg.; Veröf­fent­li­chung: 2. Septem­ber 2024

Ein Holzschopf für zwei Heilige

Die Künst­le­rin Carla Hohmeis­ter hat für die Kunst­aus­stel­lung Bad Ragartz zu Nadel und Faden gegrif­fen und gemein­sam mit einer Kolle­gin mehre­re Kunst­wer­ke gefer­tigt. Die Inspi­ra­tio­nen dafür stam­men aus der Klos­ter­kir­che Pfäfers.

Was haben die Heili­ge Anna und Maria Magda­le­na in einem einfa­chen Holz­schopf zu suchen? Nichts, würden viele denken. Eini­ges, sagt hinge­gen Carla Hohmeis­ter. Die in Bad Ragaz gebo­re­ne Künst­le­rin hat in Zusam­men­ar­beit mit Beate From­melt Abbil­der der beiden heili­gen Frau­en gefer­tigt. Als Vorbild dien­ten den Künst­le­rin­nen jene zwei Bilder, die in der Klos­ter­kir­che Pfäfers den Altar­raum schmü­cken. Entstan­den sind drei Pixel­bil­der mit dem Namen «Der Stoff unse­rer Land­schaft». Es sind Bilder, die von nahem nur nach Punk­ten ausse­hen, von weitem aber ein Ganzes erge­ben – eine Spezia­li­tät von Carla Hohmeis­ter. Die Kunst­in­stal­la­ti­on ist noch bis 30. Okto­ber im Rahmen der Bad Ragartz zu sehen.

«Schopf zu sakra­lem Raum geworden»

Bestan­den ihre Pixel­bil­der in der Vergan­gen­heit meist aus ange­mal­ten Holz­leis­ten oder Trämeln, griff sie dies­mal wieder zu Nadel und Faden. Die Sujets wie auch der Ausstel­lungs­ort sind nicht etwa Zufall, sondern wurden bewusst gewählt. Die Künst­le­rin­nen wollen damit die Verbin­dung der Regi­on zum Klos­ter Pfäfers zum Ausdruck brin­gen. «Das Klos­ter hatte über Jahr­hun­der­te einen gros­sen Einfluss auf die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner. Die Geschich­te, unse­re Geschich­te, wurde durch das Klos­ter geprägt. Davon woll­ten wir uns inspi­rie­ren lassen», sagt Carla Hohmeis­ter. Der Schopf dien­te gemäss Über­lie­fe­rung einst als Milch­hof des Klos­ters Pfäfers. Das dane­ben­lie­gen­de Haus gilt als ältes­tes zum Klos­ter gehö­ren­des Gebäu­de. Am Eingang des Holz­schopfs empfängt die Besu­cher eine «verpi­xel­te» Wolke. 

Sie soll den Himmel, der im Barock ein wich­ti­ges Sujet bildet, darstel­len und die Verbin­dung zum Glau­ben zeigen. Carla Hohmeis­ter sagt: «Es ist span­nend: Wenn man die Scheu­ne jetzt betritt, wird man fast ein wenig andäch­tig. Durch die Bilder hat der einfa­che hölzer­ne Raum eine sakra­le Atmo­sphä­re erhalten.»

Stun­den­lan­ge Recherche

Carla Hohmeis­ter ist in einer katho­li­schen Fami­lie aufge­wach­sen. «Nicht allzu fromm, aber christ­lich», sagt die 50-Jährige. Kirchen­be­su­che hat sie zwar immer gerne und oft gemacht, aller­dings weni­ger für die Teil­nah­me an Gottes­diens­ten, denn aufgrund der Archi­tek­tur und Ästhe­tik. «Ich habe mir immer gerne Inspi­ra­ti­on in schö­nen sakra­len Räumen geholt», so die Künst­le­rin, die mitt­ler­wei­le in Dieti­kon im Kanton Zürich wohnt. Für die Ausstel­lung ist sie extra nach Pfäfers gereist und hat Stun­den in der baro­cken Klos­ter­kir­che verbracht. Ein schö­nes Erleb­nis. «Sie ist impo­sant und sehr inspi­rie­rend für mich.» Auch wenn sie nicht mehr im Sargan­ser­land wohnt, verbin­det Carla Hohmeis­ter viel mit der Regi­on. An der Bad Ragartz ist sie regel­mäs­sig anzu­tref­fen. Die Kunst­aus­stel­lung wird von ihren Eltern orga­ni­siert. Mitt­ler­wei­le ist bereits die drit­te Gene­ra­ti­on invol­viert. Die Liebe zur Kunst wurde Carla Hohmeis­ter also in die Wiege gelegt. Auch sie enga­giert sich stark in der Kultur­sze­ne. Carla Hohmeis­ter ist Teil der Kultur­kom­mis­si­on und des Kultur­hau­ses Gleis 21 in Dieti­kon und macht Ausstel­lun­gen im In- und Ausland. «Kultur und Kunst sind mein Leben», sagt Carla Hohmeister.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: zVg.
Veröf­fent­li­chung: 30. August 2024

Ein Holzschopf für zwei Heilige

Die Künst­le­rin Carla Hohmeis­ter hat für die Kunst­aus­stel­lung Bad Ragartz zu Nadel und Faden gegrif­fen und gemein­sam mit einer Kolle­gin mehre­re Kunst­wer­ke gefer­tigt. Die Inspi­ra­tio­nen dafür stam­men aus der Klos­ter­kir­che Pfäfers.

Was haben die Heili­ge Anna und Maria Magda­le­na in einem einfa­chen Holz­schopf zu suchen? Nichts, würden viele denken. Eini­ges, sagt hinge­gen Carla Hohmeis­ter. Die in Bad Ragaz gebo­re­ne Künst­le­rin hat in Zusam­men­ar­beit mit Beate From­melt Abbil­der der beiden heili­gen Frau­en gefer­tigt. Als Vorbild dien­ten den Künst­le­rin­nen jene zwei Bilder, die in der Klos­ter­kir­che Pfäfers den Altar­raum schmü­cken. Entstan­den sind drei Pixel­bil­der mit dem Namen «Der Stoff unse­rer Land­schaft». Es sind Bilder, die von nahem nur nach Punk­ten ausse­hen, von weitem aber ein Ganzes erge­ben – eine Spezia­li­tät von Carla Hohmeis­ter. Die Kunst­in­stal­la­ti­on ist noch bis 30. Okto­ber im Rahmen der Bad Ragartz zu sehen.

«Schopf zu sakra­lem Raum geworden»

Bestan­den ihre Pixel­bil­der in der Vergan­gen­heit meist aus ange­mal­ten Holz­leis­ten oder Trämeln, griff sie dies­mal wieder zu Nadel und Faden. Die Sujets wie auch der Ausstel­lungs­ort sind nicht etwa Zufall, sondern wurden bewusst gewählt. Die Künst­le­rin­nen wollen damit die Verbin­dung der Regi­on zum Klos­ter Pfäfers zum Ausdruck brin­gen. «Das Klos­ter hatte über Jahr­hun­der­te einen gros­sen Einfluss auf die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner. Die Geschich­te, unse­re Geschich­te, wurde durch das Klos­ter geprägt. Davon woll­ten wir uns inspi­rie­ren lassen», sagt Carla Hohmeis­ter. Der Schopf dien­te gemäss Über­lie­fe­rung einst als Milch­hof des Klos­ters Pfäfers. Das dane­ben­lie­gen­de Haus gilt als ältes­tes zum Klos­ter gehö­ren­des Gebäu­de. Am Eingang des Holz­schopfs empfängt die Besu­cher eine «verpi­xel­te» Wolke. Sie soll den Himmel, der im Barock ein wich­ti­ges Sujet bildet, darstel­len und die Verbin­dung zum Glau­ben zeigen. Carla Hohmeis­ter sagt: «Es ist span­nend: Wenn man die Scheu­ne jetzt betritt, wird man fast ein wenig andäch­tig. Durch die Bilder hat der einfa­che hölzer­ne Raum eine sakra­le Atmo­sphä­re erhalten.»

Stun­den­lan­ge Recherche

Carla Hohmeis­ter ist in einer katho­li­schen Fami­lie aufge­wach­sen. «Nicht allzu fromm, aber christ­lich», sagt die 50-Jährige. Kirchen­be­su­che hat sie zwar immer gerne und oft gemacht, aller­dings weni­ger für die Teil­nah­me an Gottes­diens­ten, denn aufgrund der Archi­tek­tur und Ästhe­tik. «Ich habe mir immer gerne Inspi­ra­ti­on in schö­nen sakra­len Räumen geholt», so die Künst­le­rin, die mitt­ler­wei­le in Dieti­kon im Kanton Zürich wohnt. Für die Ausstel­lung ist sie extra nach Pfäfers gereist und hat Stun­den in der baro­cken Klos­ter­kir­che verbracht. Ein schö­nes Erleb­nis. «Sie ist impo­sant und sehr inspi­rie­rend für mich.» Auch wenn sie nicht mehr im Sargan­ser­land wohnt, verbin­det Carla Hohmeis­ter viel mit der Regi­on. An der Bad Ragartz ist sie regel­mäs­sig anzu­tref­fen. Die Kunst­aus­stel­lung wird von ihren Eltern orga­ni­siert. Mitt­ler­wei­le ist bereits die drit­te Gene­ra­ti­on invol­viert. Die Liebe zur Kunst wurde Carla Hohmeis­ter also in die Wiege gelegt. Auch sie enga­giert sich stark in der Kultur­sze­ne. Carla Hohmeis­ter ist Teil der Kultur­kom­mis­si­on und des Kultur­hau­ses Gleis 21 in Dieti­kon und macht Ausstel­lun­gen im In- und Ausland. Am 7. Septem­ber ist ein weite­res Gemein­schafts­werk mit Beate From­melt im «Muse­üm­li» in Buchs SG für einen Tag zu sehen. «Kultur und Kunst sind mein Leben», sagt Carla Hohmeister.

Zum Programm der Bad Ragartz 

Text: Ales­sia Pagani

Bild: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 30.08.2024

Damit es auch bei Erdbeben hält

Wie ist es, mit der St. Lauren­ti­us­kir­che in Flums eine der gröss­ten Kirchen in der Regi­on zu sanie­ren? Wieso wird diese gleich erdbe­ben­si­cher gemacht? Und braucht es so gros­se Kirchen über­haupt? Der Flum­ser Archi­tekt Ralf Eber­le gibt Auskunft.

Mitar­bei­ten­de eines Gipser- und Maler­ge­schäf­tes, die vom Turm der St. Lauren­tiuskirche in Flums das Dorf über­bli­cken. Eine Mauersegler-Kolonie, zu deren Schutz während der Brut­zeit die Bauge­rüs­te teil­wei­se wieder abge­baut wurden. Sowie Berich­te über die «gerich­te­te Wirbel­säu­le», die die Kirche derzeit erhält: Wer sich aktu­ell über die St. Lauren­ti­us­kir­che infor­miert, findet verschie­dens­te Zeitungs­ar­ti­kel sowie Social-Media-Beiträge von mit Bauar­bei­ten beauf­trag­ten Firmen aus der Gegend, die Einbli­cke in die rund 2‑Millionen-Franken-Sanierung geben. Diese dauert noch bis zu kommen­dem Früh­jahr. Mit ihren 160 Jahren und Platz für 1000 Perso­nen gehört die Kirche zu den wich­ti­gen und markan­ten Gebäu­den in der Region.

Inne­re Ruhe im Kirchenraum

«Ich moch­te diese Kirche schon immer gerne. Eini­ge meiner Kind­heits­er­in­ne­run­gen sind mit ihr verbun­den. Noch heute finde ich eine inne­re Ruhe, wenn ich in dem riesi­gen Kirchen­raum voller Elemen­te aus verschie­de­nen Stil­epo­chen stehe und das typi­sche zart­ro­sa Licht­spiel auf mich wirken lasse», sagt Ralf Eber­le von Eber­le & Freu­ler Archi­tek­ten GmbH. Als sie 2021 den Auftrag für die Sanie­rung des Jahr­hun­dert­bau­werks bekom­men hätten, habe sie das geehrt. Für sie sei das eine Vertrau­ens­fra­ge, sagt Eber­le, der seit Anfang Jahr zudem Mitglied im Flum­ser Kirchen­ver­wal­tungs­rat ist.

Ein Mangel nach dem anderen

Wie komplex dieser Auftrag werden würde, ahnte Ralf Eber­le anfangs aber noch nicht. Es galt, verschie­dens­te Meinun­gen etwa von Erdbebenspezialisten und Inge­nieur­bü­ros einzu­ho­len sowie Ansprü­che von Denk­mal­pfle­ge oder Tier­schutz­or­ga­ni­sa­tio­nen zu berück­sich­ti­gen. «Dabei zeich­ne­te sich immer mehr ab, dass die Sanie­rung viel grös­ser werden würde, als zu Beginn einge­schätzt», sagt Eber­le und erzählt, wie zunächst ledig­lich ein Riss in einem Fens­ter­bo­gen fest­ge­stellt worden sei. Die Abklä­run­gen zeig­ten, dass das gesam­te Mauer­werk insta­bil ist. Grund dafür sind im 19. Jahr­hun­dert zu gross berech­ne­te  Kirchen­fens­ter. Zudem wurde die Decke und der Dach­stuhl mit 20 Metern Brei­te zu weit und ohne Abstüt­zung gespannt. 1903 wurde die Dach­kon­struk­ti­on nach­träg­lich verstärkt und durch acht neu erstell­te  Stüt­zen abge­fan­gen. So entstand eine drei­schif­fi­ge Kirche mit einer Gewöl­be­de­cke, eine soge­nann­te Rabitz­de­cken­kon­struk­ti­on. Diese besteht aus einem Metall­netz mit Draht­auf­hän­gun­gen am Dach­stuhl, das mit Gips verklei­det wird. Bei Sanie­rungs­ar­bei­ten 1978 wurden diese Dräh­te laut Eber­le wohl aus Unwis­sen­heit gröss­ten­teils durchschnitten.

Wie auf einem Rütteltisch

Nach der Sanie­rung wird die Kirche unter ande­rem dank Beton­rie­geln an den Mauern, Quer­bal­ken im Kirchen­schiff, stabi­li­sier­ten Fens­ter­bö­gen und einer neuen Draht­auf­hän­gung für die Rabitzdecke erdbe­ben­si­cher sein. An den Kosten betei­ligt sich der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen mit 1,7 Millio­nen Fran­ken. «Eine erdbe­ben­si­che­re Sanie­rung ist notwen­dig, da Rhein­tal und Sargan­ser­land zu den gefähr­de­ten Gebie­ten in der Schweiz gehö­ren», sagt er. «Dort besteht der Boden aus aufge­schüt­te­ten Schich­ten. Bei einem star­ken Erdbe­ben ist das wie auf einem Rüttel­tisch.» Zudem sei eine umfas­sen­de Sanie­rung auch hinsicht­lich Kirchen­um­nut­zun­gen sinn­voll. «Vieler­orts laufen parti­zi­pa­ti­ve Prozes­se, wie man den Kirchen­raum neu gestal­ten kann, sodass diesen als Beispiel örtli­che Musik­ge­sell­schaf­ten für Jubi­lä­ums­fei­ern nutzen können. Kirchen bieten ein gros­ses Poten­zi­al», sagt der 37-Jährige. Für solch welt­li­che Anläs­se würden aller­dings bestimm­te Brand­schutz­vor­schrif­ten gelten und es brau­che eine zeit­ge­mäs­se Elek­tri­zi­tät. Bei der Sanie­rung der St. Lauren­ti­us­kir­che koste Letz­te­res allei­ne 200 000 Fran­ken. Für den Aufbau des Gerüsts rund um die rund 50 Meter lange  Kirche seien 150 000 Fran­ken budge­tiert worden. Die Aufträ­ge für sämt­li­che Arbei­ten gehen laut Eber­le an Firmen aus dem Dorf. Er sagt: «So können wir all jenen etwas zurück­ge­ben, die hier verbun­den sind und es wert­schät­zen, wenn die Kirche noch viele Jahre das Orts­bild prägt.»

Text: Nina Rudni­cki; Bilder: Katia Rudni­cki; Veröf­fent­li­chung: 26. August 2024

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