Wenn Olma-Säuli die Blicke auf sich ziehen und einige Besucherinnen und Besucher Trachten tragen, dann ist wieder ökumenischer Olma-Gottesdienst. Der evangelisch-reformierte Pfarrer Stefan Lippuner erzählt, wie Besinnliches und Messetrubel zusammenpassen, und erinnert sich an seinen ersten Olma-Einsatz vor 19 Jahren.
Am Olmagottesdienst ist Stefan Lippuner auch schon in Schwingerkluft aufgetreten. Der evangelisch-reformierte Pfarrer aus St. Gallen lacht, wenn er an solche Momente denkt und sagt: «An einem solch speziellen Gottesdienst darf so etwas Überraschendes schon einmal Platz haben. Zumal wir jedes Jahr ein anderes Thema aufgreifen.» Nebst Schwingen waren auch schon Tiere, Singen oder Schöpfung Schwerpunkt des ökumenischen Gottesdienstes. In diesem Oktober wird es um «Echtes Leben» gehen – angelehnt an das diesjährige Motto «Echt Olma». Den Gottesdienst gestaltet Stefan Lippuner zusammen mit dem katholischen St. Galler Seelsorger Matthias Wenk. Eine Stunde lang werden die beiden am 20. Oktober von 10.30 bis 11.30 Uhr in der Olma-Halle 9.2 Raum für Besinnliches, den Glauben und innere Werte schaffen.
Erinnerungen aus der Kindheit
«Durch den Olma-Gottesdienst können wir uns als Kirchen präsentieren und zeigen, dass wir Teil der Gesellschaft und auch von diesem Volksfest sind», sagt Stefan Lippuner, der die ökumenische Feier schon rund zehn Mal mitgestaltet hat. Nervös, auf dem Olma-Gelände einen Gottesdienst zu feiern, ist der 62-Jährige nicht. Anders war das vor 19 Jahren, als er von Münchwilen nach St. Gallen zog und dort seine neue Stelle als Pfarrer antrat. Der Olma-Gottesdienst gehörte fortan zu seinen Aufgaben. «Ich wusste nicht, was auf mich zukommen würde, und hatte bis anhin keinen grossen Bezug zur Olma. Das war also eine neue Herausforderung für mich», sagt Stefan Lippuner und erzählt, wie er sich unter anderem auf die Kindheitserinnerungen seiner Frau stützen konnte. Diese war in einer Bauernfamilie im Zürcher Oberland aufgewachsen und kannte die Olma von Besuchen.
Besinnlich, fröhlich und mit viel Platz für Traditionelles und Musik: In diesem Jahr gestalten der evangelisch-reformierte Pfarrer Stefan Lippuner (im Bild oben vor Textbeginn) und der katholische Seelsorger Matthias Wenk den ökumenischen Olmagottesdienst auf dem Messegelände. (Archivfoto 2023)
Abseits vom Trubel
Wenn Stefan Lippuner auf seine Anfangsjahre zurückblickt, erinnert er sich an einen vollen Saal. Rund 200 Personen hätten den Olma-Gottesdienst jeweils besucht. Mittlerweile seien es etwas weniger geworden. «Aber alle, für die der Gottesdienst zum Olma-Programm dazugehört, schätzen jene Stunde abseits vom Messetrubel und Kommerz sehr», sagt er. Zudem würden auch immer spontan einige Gäste dazustossen.
Mit Säuli-Motiven
Festlich und fröhlich und ein bisschen wie in einer Festhütte: So beschreibt Stefan Lippuner die Stimmung während des Olma-Gottesdienstes. Vorne auf der Bühne gibt es Tisch, Rednerpult und eine Kerze. Dahinter befindet sich eine Leinwand, auf der Olma-Bilder etwa mit Säuli-Motiven oder Texte zu sehen sind. Der Saal ist bestuhlt. Auch die Musik spielt eine wichtige Rolle. In diesem Jahr wird der Alumnichor enart des Gossauer Gymnasiums Friedberg auftreten. Hinzu kommt je eine Kurzpredigt von Matthias Wenk und Stefan Lippuner. «Wir werden der Frage nachgehen, was ein erfülltes Leben ausmachen kann», sagt er und fügt an: «Und wir greifen natürlich den Psalm 23, den Hirtenpsalm, auf. Der passt zur Stimmung an der Olma mit all den Tieren wie Schafen und Geissen.»
Von der Anfrage bis zur Olma waren es nur ein paar Monate, die Zeit drängte: «Trotzdem stand für mich sofort fest: Die Chance, am Olma-Umzug teilzunehmen, darf sich Jubla nicht entgehen lassen», sagt Andrea Zünd (29) aus Widnau, OK-Präsidentin Jubla am Olma-Umzug und Mitglied der Jungwacht Blauring-Kantonsleitung. Widerstände und diverse Herausforderungen bewältigte sie mit einer grossen Portion «Jubla-Grundvertrauen».
In den ersten Tagen nach dem «Go» für das Projekt Jubla am Olma-Umzug lief bei Andrea Zünd das Telefon heiss. «Ich war sofort voller Tatendrang», sagt sie und lacht. «Eine Woche lang habe ich alle möglichen Leute kontaktiert und sie motiviert, beim Projekt mitzumachen.» Zu diesem Zeitpunkt waren noch viele Fragen offen: Lassen sich genügend Freiwillige finden, die mitmachen? Was genau kommt auf sie zu? Wie sieht der Wagen aus – und wo findet man so einen? Geholfen habe ihr dabei ihr Grundvertrauen. «Ich bin seit zwanzig Jahren bei der Jubla. In Gruppenstunden und Lagern kann es immer wieder einmal passieren, dass etwas nicht so läuft wie geplant. Man lernt zu improvisieren und weiss, dass es schliesslich mit ein bisschen Einsatz immer doch gut kommt. Die Jubla ist die beste Lebensschule.» Schon nach der ersten OK-Sitzung habe sich die anfängliche Nervosität beruhigt. In den letzten Monaten sei ihr eines neu bewusst geworden: «Auf das Netzwerk, das man in der Jubla knüpft, kannst du dich verlassen.» Sie sagt: «Die Jubla schweisst so viele verschiedene Menschen mit vielfältigem Know-how zusammen. Wenn man etwas braucht oder sucht, reichen oft ein paar WhatsApp-Nachrichten oder Anrufe und man landet bei einer Person, die weiterhelfen kann. Das war zum Beispiel auch so bei der Herausforderung, einen Wagen zu organisieren – und das möglichst kostenlos. Das Jubla-Motto ‹Lebensfreude und Lebensfreunde› hält, was es verspricht.»
Ein besonderer Schar-Nachmittag: Die Jungwacht Heiligkreuz bemalt die Wagenräder für den Olma-Umzug.
Olma-Wagen bauen
Nebst der Suche nach einem Wagen mussten sich die zwölf OK-Mitglieder diesen Sommer einigen weiteren Herausforderungen stellen – und das alles in ihrer Freizeit. «Am Anfang wurde in unserem Gremium schon der eine oder andere Zweifel laut: Schaffen wir das in dieser kurzen Zeit? Bringt das was?» Finanzielle Fragen mussten geklärt und auch mit den Verantwortlichen des Olma-Umzugs verhandelt werden. «Zunächst hiess es, dass nur 25 Personen auf dem Wagen mitfahren dürfen. Aber in der Ostschweiz gibt es so viele Jubla-Kinder und ‑Jugendliche. Eigentlich hätten es alle verdient, mitzufahren.» Man habe sich schliesslich auf einen Kompromiss von 35 Teilnehmenden geeinigt. Ausgewählt wurden für diesen prominenten Auftritt die Blauring- und Jungwacht-Scharen St. Gallen-Heiligkreuz. In Sachen Wagen wurde das OK in Andwil-Arnegg fündig: Die dortige Jungwacht gestaltet jeweils einen Fasnachtswagen und hat auch einige Umzugserfahrung. Ein paar Monate später ist das Projekt auf Kurs: Mehrere Jungwacht- und Blauring-Scharen sind beim Bau des Wagens, dem Bemalen der Raddeckel und dem Basteln der Dekoration beteiligt.
… und drinnen basteln die Jungwächtler die Dekoration für den Wagen.
Lagerstimmung vermitteln
Die Jubla bringt Lagerstimmung an den Olma-Umzug: Auf ihrem Wagen wird ein echtes Lagerfeuer brennen. Zudem werden Jubla-Lieder zu hören sein. Das wird bei vielen Umzugsbesucherinnen und ‑besuchern eigene Lagererinnerungen wachrufen. «Hoffentlich macht es aber auch bei vielen Eltern und Kindern, die selbst noch nicht teilgenommen haben, Lust auf Jubla-Lager», so Andrea Zünd. Die Jubla wird mit ihrem Umzugswagen auch das aktuelle schweizweite Jubla-Jahresthema «Öko? Logisch!» sichtbar machen. «Das Thema Ökologie und Nachhaltigkeit ist in der Jubla schon lange ein wichtiges Anliegen. Wir achten zum Beispiel darauf, bei Gruppenstunden möglichst wenig Materialien einzusetzen, und viele Gruppenanlässe finden sowieso draussen in der Natur statt.»
«Wir machen sichtbar, wie wichtig und wertvoll die Kinder- und Jugendarbeit in der Kirche ist und dass unglaublich viel Freiwilligenarbeit geleistet wird.»
Andrea Zünd
Wichtiger Teil der Kirche
«Uf Bsuech dihei» lautet das diesjährige Olma-Motto – für einmal ist St. Gallen selbst der Gastkanton. Über 50 Gruppierungen mit rund 1300 Mitgliedern aus allen Regionen des Kantons werden am 12. Oktober am Umzug durch die St.Galler Altstadt mitwirken. Der Kanton St.Gallen hat dafür verschiedene Organisationen und Institutionen angefragt, die für den Kanton St. Gallen stehen, darunter auch die evangelisch-reformierte Kirche des Kantons St.Gallen und die katholische Kirche. Die Wahl der katholischen Kirche fiel auf die Jubla: «Die Jubla ist ein wichtiger Teil der Kirche», betont Andrea Zünd. «Wir machen sichtbar, wie wichtig und wertvoll die Kinder- und Jugendarbeit in der Kirche ist und dass unglaublich viel Freiwilligenarbeit geleistet wird. In den Jubla-Scharen werden christliche Werte wie Nächstenliebe, Respekt und Verantwortung gegenüber der Schöpfung gelebt und das alles sehr konkret und lebensnah.» Deshalb war sich das OK schnell einig, das Thema Nachhaltigkeit auch beim Olma-Wagen in den Fokus zu rücken.
Freiwilliges Engagement
Nur ein paar wenige Fragen sind noch offen. «Wir wollen an die Zuschauerinnen und Zuschauer beim Umzug etwas verteilen», sagt Andrea Zünd. Sie hätten mehrere Ideen, aber die definitive Entscheidung ist noch nicht gefallen. «Momentan sind wir noch in der Abklärung, wie gross unser Budget und die Beiträge vom katholischen Konfessionsteil des Kantons St.Gallen und der Stiftung der Jubla sind. Zudem sollten die Give-aways umweltfreundlich sein – also plastikfrei.» Das Projekt Jubla am Olma-Umzug wird vor allem durch freiwilliges Engagement der Jugendlichen und jungen Erwachsenen realisiert – und das nebst dem üblichen Jubla-Jahresprogramm, das mit vielen Anlässen in den Scharen vor Ort und überregional gefüllt ist.
Andrea Zünd fühlt sich bestätigt: In der Jubla findet man tatsächlich Freund*innen fürs Leben.
Als Erwachsene ein Kind sein
Andrea Zünd sieht in der Teilnahme am Olma-Umzug die Chance, die Jubla bekannter zu machen: «Wir sind die grösste Kinder- und Jugendbewegung in der Ostschweiz. Trotzdem klickt es nicht gleich bei allen, wenn man sie mit dem Begriff Jubla konfrontiert.» Oft höre man dann: Ah, ihr seid wie die Pfadi? Andrea Zünd hofft, dass es in Zukunft heisst: «Ah klar, Jungwacht Blauring – kenn ich natürlich!» Sie ist sich sicher, dass auch für die mitwirkenden Kinder und Jugendlichen die Teilnahme am Umzug eine prägende Erfahrung sein wird. «Für einmal selbst beim Umzug mitfahren zu können, das ist ein Erlebnis, an das man sich ein Leben lang erinnert.» Andrea Zünd war 2003 zum ersten Mal mit dem Blauring Altstätten in einem Lager, seit 2010 ist sie Leiterin. Inzwischen wohnt sie in Widnau und ist studierte Sozialpädagogin. «Die Jubla-Erfahrungen haben sicherlich meine Berufswahl mitbeeinflusst.» Bis heute ist sie ein begeistertes «Blauring-Kind». «Wo sonst als bei der Jubla kannst du auch als Erwachsene nochmals Kind sein?»
Das Jubla-Moto «Lebensfreu(n)de» passt auch perfekt zur Olma.
Jubla in der Ostschweiz boomt
Trotz oder gerade wegen der Digitalisierung: Die Angebote der Jubla stossen in der Ostschweiz auf grosse Nachfrage. Vergleicht man die Mitgliederzahl von 2014 mit den aktuellen von 2024, so ist sie von 4445 Kindern und Leitungspersonen auf 4637 gewachsen – und der Zuwachs hält auch in diesem Jahr an. Hinzu kommen noch um die 110 Engagierte in Regionalleitungen, Kantonsleitung sowie Coaches und Kursleitende. Den Höchststand in den vergangenen zehn Jahren verzeichnete die Jubla Ost im Jahr 2020 mit 4953 Leitenden und Kindern.
Volksnah, jung oder vor allem mutig? Das Bistum St.Gallen wollte mit einer Umfrage von den Gläubigen erfahren, wie der neue Bischof sein soll. Anders als bei den letzten Malen wurden sie nicht eingeladen, Namen von Kandidaten zu nennen, sondern gewünschte Eigenschaften und Fähigkeiten einzubringen.
Beim Blick in die Ergebnisse der Umfrage, die das SPI im Auftrag des Domkapitels durchgeführt hat, fällt eines schnell auf: Die Grundstimmung unter den Menschen, die sich beteiligt haben, scheint nicht so negativ zu sein. Aussagen wie «So kann es nicht weitergehen» oder «Jetzt muss sich alles ändern» fehlen. Es lässt sich herauslesen, dass das Bistum — aus Sicht der Umfrage-Teilnehmenden — grundsätzlich am bisherigen Kurs und Bischofs-Stil festhalten soll.
Mehr Sensibilität für Menschen aus anderen Kulturen
In der Umfrage erwähnt wurde das Stichwort migrantisch geprägte Gesellschaft: Der neue Bischof müsse über «interkulturelle Kompetenzen» verfügen. Etwa vierzig Prozent der Katholik*innen im Bistum St.Gallen hat Migrationshintergrund — und fühlen sich oft ausgeschlossen. Wie viel von diesen Gläubigen haben bei der Umfrage mitgewirkt? Das SPI hält in seiner Zusammenfassung der Umfrage fest, dass die distanzierteren Kirchenmitglieder unterrepräsentiert sind. Dies trifft wahrscheinlich genauso auf Gläubige mit Migrationshintergrund bzw. anderssprachige Gläubige zu. Ob die Links zur Umfrage auch in den Anderssprachigen-Missionen geteilt wurden?
Am 18. September diskutierte das Bistum St.Gallen mit einer Experten-Runde die Ergebnisse der Umfrage (Bild: Franz Kreissl, Pastoralamtsleiter und Dominik Michel-Loher, Mitarbeiter Pastoralamt, v.r.)
Auf die Wahl wird die Umfrage wohl nur minimal Einfluss nehmen — schon allein weil die Anzahl der Kandidaten, die für die Nachfolge von Bischof Markus Büchel in Frage kommen, überschaubar ist. Z.B. wie viele haben selbst Migrationshintergrund oder Erfahrung als Seelsorger für Menschen aus anderen Kulturen? Trotzdem — wenn das Bistum, der neue Bischof so wie alle beteiligten Gremien die Umfrage ernst nehmen — kann sie vor und nach der Wahl als Spiegel und Richtschnur dienen: Hier steht schwarz auf weiss was zumindest 1305 Personen wünschen und als Voraussetzung für das Amt des künftigen Bischofs erachten.
Kompetenzen der Mitarbeitenden
In einem sind sich wohl alle einig: Kein Kandidat kann alle Erwartungen erfüllen. Aber eines darf man vom neuen Bischof sehr wohl erwarten: die Bereitschaft, zu lernen und sich zu entwickeln und Mitarbeitende an seine Seite zu holen die ihn mit ihren Kompetenzen unterstützen und ergänzen. Das Bistum St. Gallen wird nicht müde zu betonen, dass Synodalität (die Beteiligungsmöglichkeiten aller Gläubigen) im Bistum des Heiligen Gallus» schon seit mehreren Jahrzehnten gelebt wird und fest etabliert ist. Deshalb muss wohl ganz oben in der Prioritäten-Liste stehen: der Bischof muss vor allem durch und durch synodal sein. Dann ist die eine oder andere mangelnde Kompetenzen nicht mehr so dramatisch.
Kommentar: Stephan Sigg, leitender Redaktor Pfarreiforum
Hintergrund:
1305 Personen haben in 173 Gesprächsgruppen an der Konsultation teilgenommen, so das SPI, das die Umfrage im Auftrag des Bistums durchgeführt hat. «Die Bischofswahl bewegt die Menschen – es haben sich Mitarbeitende, Ehrenamtliche, Freiwillige und engagierte Gläubige eingebracht. Übermensch oder Teamplayer? Auf jeden Fall mutig, offen und volksnah stellen sich die Menschen den neuen Bischof vor.»
Der neue Bischof werde sein Amt «in einer Zeit des Umbruchs» antreten. In Bezug auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Kirche sind gemäss Umfrage «neue Wege zur Vermittlung von Glaubenswissen für Kinder und Erwachsene», sowie «die Entwicklung der Berufe in der Kirche oder neue pastorale Schwerpunktsetzungen» nötig.
Das Domkapitel wird in den kommenden Tagen die Resultate aus der Konsultation sowie den Bericht aus dem Austausch mit der Expertengruppe studieren und diskutieren, teil das Bistum mit. Anschliessend werden die 13 Kanoniker eine Liste erstellen mit sechs möglichen Kandidaten für das Bischofsamt. Diese schickt der Domdekan über den Apostolischen Nuntius nach Rom. Dann beginnt die Zeit, in der Rom die Kandidaten ‘prüft’. Papst Franziskus wird jene Kandidaten bezeichnen, die eine Ernennung zum Bischof erhalten würden und schliesslich die Wahlliste über den Nuntius zurück ans Domkapitel schicken. Der Wahltag wird in Absprache mit dem Katholischen Kollegium (dem Parlament der Katholikinnen und Katholiken im Kantons St.Gallen) festgelegt. Das Parlament hat die Möglichkeit, drei von sechs Kandidaten als mindergenehm zu bezeichnen. Sich orientierend an der möglichen Ernennung bzw. dem Mindergenehm wird das Domkapitel schliesslich die Wahl vornehmen. Wann das sein wird, ist ungewiss. Das Bistum wird darüber informieren.
Was passiert, wenn die Bevölkerung zu den Eigenschaften ihres neuen Wunschbischofs befragt wird? Und wie fliessen diese Erwartungen tatsächlich in die Bischofswahl ein? Eine aktuelle Umfrage des Bistums St. Gallen soll zeigen, auf welchen Bischof gehofft werden kann.
«Der neue Bischof sollte gerne führen und entscheiden. Er sollte seine Gedanken und Handlungen nach vorne richten, Begeisterung für den Glauben zeigen und zuhören können», sagt Isabella Awad, Kommunikationsbeauftragte des Bistums St. Gallen, auf die Umfrage «Was erwarten Sie vom Bischof?» angesprochen. In den vergangenen Wochen konnten sich alle Interessierten in Kleingruppen ab zwei Personen zusammenschliessen und im Rahmen der Onlineumfrage gewünschte Eigenschaften eines neuen Bischofs mitteilen. Über die Ergebnisse tauscht sich laut Isabella Awad aktuell eine Gruppe mit Expertinnen und Experten aus, die sich unter anderem aus verschiedenen Räten wie dem Laien‑, Priester- und Seelsorgerat, Engagierten in der Jungwacht Blauring sowie Seelsorgenden zusammensetzt. Die Ergebnisse fliessen in die Entscheidungen des Domkapitels ein. Dieses setzt sich aus jenen Geistlichen zusammen, die den Bischof wählen werden. Die eingangs erwähnten Wunscheigenschaften des künftigen Bischofs fassen die Aussagen zusammen, die die Mitglieder des Domkapitels in Interviews auf www.bistum-stgallen.ch machten. Nun wird erwartet, was die Umfrage Weiteres hervorbringt. Isabella Awad sagt: «An dieser haben sich die verschiedensten Gruppen beteiligt. Die Menschen im Bistum haben es positiv aufgenommen, dass sie ihre Erwartungen äussern konnten.» Es sei bereits das dritte Mal, dass im Bistum St. Gallen bei einer Bischofswahl eine Umfrage durchgeführt werde. Zuvor war das bei Bischof Ivo Fürer und Bischof Markus Büchel der Fall.
Isabella Awad, Kommunikationsbeauftragte des Bistums St.Gallen
Bekannte motiviert
An dem Prozess rund um die Umfrage mitgewirkt hat auch die St. Galler Bewegung «Reformen jetzt». Die Theologin Ann-Katrin Gässlein ist Mitglied von «Reformen jetzt». Sie sagt: «Beruflich und privat hab ich Freunde und Bekannte angeregt, eine Gruppe zu bilden und zusammen die Erwartungen an den künftigen Bischof zu formulieren.» Sie selbst habe zwei Gruppen bei der Umfrage betreut. Es brauche eine Person, die die Rückmeldungen sammelt, sortiert, verschriftlicht sowie ins Formular einträgt und so die Verantwortung übernimmt. Die Gruppentreffen beschreibt sie als sehr produktiv. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzungen hätten sich jeweils andere inhaltlichen Schwerpunkte ergeben. «Nun setzen wir von ‹Reformen jetzt› uns dafür ein, dass die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht werden.»
Ann-Katrin Gässlein, «Reformen jetzt»: «Die Forderung nach Synodalität heisst im Umkehrschluss auch, dass wir Gläubigen alle in der Verantwortung stehen.»
Verantwortung übernehmen
Und welchen Bischof wünscht sich «Reformen jetzt»? «Konkret wünschen wir uns, dass der neue Bischof unsere Anliegen und Vorstösse umsetzt respektive dort im Prozess weitergeht, wo wir dann bei jedem Anliegen stehen werden», sagt Ann-Katrin Gässlein. Dazu gehöre etwa, sich in Gesprächen mit dem Vatikan für die Anliegen der Schweizer Kirche einzusetzen, konkret für mehr Spielraum bei einer Weihe von Frauen, oder die Vielfalt von Lebensformen bei kirchlichen Mitarbeitenden theologisch positiv zu würdigen. Aber vor allem müsse der neue Bischof ein echtes Beispiel für Synodalität – also gemeinsames Entscheiden – sein. Zudem sei das Thema Gewaltenteilung in Bezug auf das Bischofsamt ein wichtiger Punkt für die Zukunft der Kirche. «Allen ist bewusst, dass die Rückmeldungen zusammengenommen eine Art Superhelden skizzieren werden, der unmöglich alle Erwartungen erfüllen kann», sagt sie. «Trotzdem werden sich grobe Linien abzeichnen. Und die Forderung nach Synodalität heisst im Umkehrschluss auch, dass wir Gläubigen alle in der Verantwortung stehen.»
Frauenpriestertum, freiwilliges Zölibat, mehr Mitsprache aller Gläubigen – geht es jetzt endlich vorwärts? Im Oktober tagt in Rom die zweite und abschliessende Versammlung der Weltsynode. Es geht um Reformen und neue Mitwirkungsmöglichkeiten in der Kirche.
Welche Ziele verfolgt Papst Franziskus?
Papst Franziskus hat die Weltsynode 2021–2024 initiiert. Es ist das erste Mal, dass bei einer Synode nicht nur Bischöfe, sondern alle Gläubigen mitwirken. Im Vorfeld wurden dazu in vielen Ländern Umfragen lanciert, auch im Bistum St. Gallen. Die Ergebnisse dieser Umfragen sind Teil der Synodenversammlungen im Vatikan. Bei der Synode vom 2. bis 27. Oktober wirken rund 350 Teilnehmende aus der ganzen Welt mit.
Wie viel Gewicht hat die Schweiz bei der Synode?
Die Synode betrifft die ganze Weltkirche – und doch zeigt sich Helena Jeppesen, eine der drei Personen, die die Katholische Kirche Schweiz bei der Synode vertreten, optimistisch. Nach einem europäischen Vorbereitungstreffen im österreichischen Linz sagte sie gegenüber kath.ch: «Der europäische Austausch zeigte, dass die Schweizer Anliegen der Dezentralisierung und der Stärkung der Rolle der Frau auch bei anderen Mitgliedern der Synode auf Unterstützung stossen.»
Gibt es Tabus?
Der aus Vorarlberg stammende Bischof Erwin Kräutler (langjähriger Bischof am Amazonas) kritisiert vor Beginn der abschliessenden Vollversammlung die Synode in einem Beitrag scharf: Die Frauenweihe werde verschoben auf den Sankt Nimmerleinstag. Denn: Die Weihe von Frauen wurde einfach vom Synodenprogramm gestrichen. Auch das Thema Frauen-Diakonat, das beim vergangenen Treffen vor einem Jahr diskutiert wurde, scheint dieses Jahr plötzlich nicht mehr auf der Agenda zu stehen. Wie im März überraschend bekannt wurde, hat Papst Franziskus zehn Themenkomplexe ausgeklammert und Expertinnen und Experten beauftragt, sich darüber in Studiengruppen auszutauschen – darunter eben auch das Frauendiakonat und ‑priestertum. Die Ergebnisse dieser Studiengruppen sollen im Juni 2025 vorlegen, also lange nach Abschluss der Weltsynode.
Wird die Synode die Kirche verändern?
Geht es nach Papst Franziskus: Ja! Der Papst will die katholische Kirche verändern. In der katholischen Kirche soll es nicht mehr Top-down-Herrschaft geben, sondern die Beteiligung aller Getauften. So steht es im Arbeitspapier, das vor der Synode veröffentlicht wurde. Künftig soll es mehr Mitbestimmung, Transparenz und Rechenschaftspflicht geben. Auch der Vatikan soll Rechenschaft vor den Ortskirchen ablegen. Der innovative Ansatz der aktuellen Weltsynode soll fortgeführt werden: Künftig soll es in der Kirche keine einsamen Entscheidungen durch Pfarrer, Bischöfe und Papst mehr geben, sondern «synodale Beratungsstrukturen» auf allen Ebenen. Trotzdem: In der Praxis wird es dann doch nicht so weit gehen, denn – das wird im Arbeitspapier schon erwähnt – das Ganze werde trotzdem nicht identisch mit einer Demokratie sein.
Naiver Optimismus oder doch Überraschungen?
Viele Teilnehmende, darunter auch Helena Jeppesen aus der Schweiz, äusserten sich nach der Versammlung im Oktober 2023 in den Medien sehr positiv über die Stimmung und offene Debatten-Kultur. In den Monaten danach machte sich Ernüchterung breit. Zu viel Optimismus wäre wohl naiv. Kurienkardinal Jose Tolentino de Mendonca bezeichnet die Weltsynode als eine «epochale Veränderung». Der Präsident der österreichischen Bischofskonferenz und Salzburger Erzbischof, Franz Lackner, plädiert für das «Prinzip Hoffnung»: Papst Franziskus stelle für die Kirche eine Überraschung dar. «Die Überraschungen werden nicht aufhören. Hoffnung ist der Glaube an das, was man noch nicht sieht», zitiert ihn die katholische österreichische Presseagentur kathpress.
Urs Bernhardsgrütter, Diakon der katholischen Kirche und Mitglied der Grünen SG, geht darauf ein, was christliches Politisieren ausmacht.
Die Frage «Wie geht christlich wählen?» setzt zwei positive Haltungen voraus. Erstens: Der oder die Fragenstellende will sich bei Wahlen und wahrscheinlich grundsätzlich in gesellschaftlichen Fragen beteiligen. Er oder sie bringt sich in politische und gesellschaftliche Fragestellungen ein. Das ist gut so, denn als Christinnen und Christen haben wir die Aufgabe, Gesellschaft und Welt im Sinne des Reiches Gottes mitzugestalten. Denn Salz und Licht für die Welt wollen wir sein (vergl. Mt 5,13–16).
Die Schöpfung schützen
Das zweite Positivum, das der Frage vorausgeht, ist die Motivation, wählen in einem christlichen Sinn tun zu wollen. Ich glaube, unsere Welt wäre salziger und heller, wenn diese Motivation viel verbreiteter wäre. Der christliche Glaube darf nicht an der Kirchentüre, beim Hinaustreten in die Welt, hängen bleiben. Unser Glaube, der sich auf Jesus von Nazareth beruft, geht über das Gebet und die Mystik hinaus. Nämlich hin zu einem heilbringenden Engagement in der Welt. Bevor wir aber das «Wie» angehen, möchte ich meine Karten offenlegen: Kaum 20 Jahre alt, war ich zum ersten Mal auf einer Wahlliste des damaligen LdU (Landesring der Unabhängigen) zu finden. Als sich der LdU auflöste, wechselte ich zu den Grünen. In den Jahren 2000 bis 2008, bevor ich dann ganz in den kirchlichen Dienst einstieg, durfte ich sowohl im Kantonsrat wie auch im Nationalrat viele politische Erfahrungen sammeln und mich für weltweite Gerechtigkeit und den Schutz der Schöpfung in den beiden Parlamenten einsetzen. Sowohl im Kantons- wie auch im nationalen Parlament gab es eine Gebetsgruppe, in der es Teilnehmende aus fast allen Parteien hatte. Es gibt wohl in allen Parteien Christen und Christinnen, die gewillt sind, in christlicher Verantwortung Politik zu machen. In Majorzwahlen ist dies zu berücksichtigen.
Franziskanische Geschwisterlichkeit als Ziel
Eine christliche Politik muss zuerst den einzelnen Menschen und die weltweite Geschwisterlichkeit im Fokus haben. Benachteiligte und Schwache haben Vorrang, wenn es um die Gestaltung des Zusammenlebens geht. Es ist egoistisch und nicht christlich, wenn die Politik zuerst einmal dem eigenen (auch nationalen) Reichtum dienen soll und nicht dem Wohl möglichst aller Menschen. Mein christliches Politisieren baut auf die alles umfassende Geschwisterlichkeit des Heiligen Franz von Assisi auf. Darum muss eine christliche Politik in erster Linie sozial und umweltfreundlich sein. Papst Franziskus sagt in «Laudato si»: «Klimaschutz und Nächstenliebe gehen Hand in Hand!»
Wie beeinflusst der christliche Glaube die Politik? Und ist Wohlstand für alle ohne Wachstum möglich? Über diese und weitere Fragen diskutieren im September unter anderem Ostschweizer Bundespolitikerinnen und ‑politiker: An einem Podium in Niederuzwil sowie anlässlich des 125-Jahr-Jubiläums der Christlichen Sozialbewegung KAB SG in St. Gallen.
«Um das Jahr 1899 herum war gesellschaftlich und politisch einiges in Bewegung», sagt Norbert Ackermann, Präsident der Christlichen Sozialbewegung St. Gallen KAB SG. Das Kürzel KAB steht für Katholische Arbeiterinnen- und Arbeiterbewegung. Norbert Ackermann erzählt, wie er anlässlich des diesjährigen 125-Jahr-Jubiläums rund um die Gründung der KAB SG recherchierte. «Ungefähr zur selben Zeit wurden die Handelsakademie St. Gallen (heute Universität), der St. Galler Anwaltsverband sowie das Haus der Roten (Volkshaus) gegründet», sagt er. «Die Aufbruchstimmung jener Zeit wollen wir in unserem Jubiläumsjahr spürbar machen. Wir wollen nicht nur zurückblicken, sondern zeigen, wie wichtig christliche Sozialethik heute ist.»
Was Wohlstand ausmacht
Am Jubiläumfest am 7. September 2024 im Pfalzkeller in St. Gallen steht daher die gesellschaftspolitische Frage im Mittelpunkt, ob Wohlstand für alle ohne Wachstum möglich ist. Eingeladen sind alle Interessierten. Nebst weiteren Programmpunkten wie dem Referat des Schweizer Ökonoms Mathias Binswanger werden die St. Galler PDF-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher und Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser sowie der Sozialethiker Thomas Wallimann-Sasaki darüber diskutieren, was «gutes Leben für alle» bedeutet.
Als Vorbereitung auf das Podium habe sie für sich den Begriff der «Eigenverantwortung plus» formuliert, sagt Susanne Vincenz-Stauffacher auf Anfrage. Sie stehe dafür ein, dass jeder Mensch in erster Linie für sich selber die Verantwortung zu übernehmen habe. Nun hätten wir aber nicht alle die gleichen Chancen, Kompetenzen und Möglichkeiten. Daraus leite sie die zusätzliche Verantwortung der Stärkeren ab, also das «Plus», für Schwächere einzustehen.
Eigenes Handeln reflektieren
Die St. Galler Grünen-Nationalrätin Franziska Ryser nennt in Hinblick auf das Podium unter anderem den Punkt der Solidarität mit Mitmenschen auf der ganzen Welt. Dies sei für sie eines der Leitprinzipien. «Solidarität kann als Messlatte herangezogen werden, um das eigene Handeln zu reflektieren und um politische Entscheidungen zu beurteilen», sagt sie. Es gelte, solidarisch zu sein mit Menschen, die vor Krieg und Leid fliehen mussten, oder mit Menschen, die im globalen Süden die Folgen unseres Handelns tragen. «Wenn wir solidarisch handeln, dann schaffen wir ein gerechteres und besseres Leben für alle.»
Vom Verein zum Netzwerk
Die christliche Soziallehre basiert auf den Prinzipen Gemeinwohl, Solidarität und Subsidiarität (Hilfe zur Selbsthilfe) sowie Nachhaltigkeit. Über allem aber steht die Personalität, also die Würde des Menschen. «Auf dieser Grundlage möchten wir politisches, gesellschaftliches und kirchliches Leben mitgestalten. Wobei es sich bei der christlichen Soziallehre um einen Kompass und nicht um ein Rezeptbuch handelt», sagt Norbert Ackermann und fügt an, dass die Kirche gesellschaftspolitisch viel zu sagen habe, aber neue, deutliche und auch laute Formen dafür finden müsse. Die KAB SG organisiert daher regelmässig Veranstaltungen wie den öffentlichen Ethik-Talk am Tag nach Aschermittwoch sowie das regionale Dialogformat «Ethik bei Wein & Brot». Zudem gilt es laut Ackermann, ein überregionales Netzwerk aufzubauen, in das sich Interessierte und Sympathisantinnen und Sympathisanten einbringen können. «Solche neuen Formen braucht wohl jede Organisation, die heute überleben will. Es wäre schwieriger, als klassischer Verein Nachwuchs zu finden», sagt Norbert Ackermann. Aktuell hat die KAB SG 150 Mitglieder. Das Jubiläum ist ein wichtiger Schritt auf diesem neuen Weg. «Wir wollen nicht in einer Blase leben, sondern nach draussen treten. Unsere Werte wollen wir in die Öffentlichkeit tragen und Orientierung bieten.»
KAB im Wandel: 1899 wurden der Katholische Arbeiterverein St. Gallen-Dom und kurz danach der Katholische Arbeiterinnenverein gegründet. Die Ur-Sektion entwickelte sich zur Christlichen Sozialbewegung KAB SG und zur KAB Schweiz. Ziel der sozialreformerischen Bewegung war die Linderung sozialer Not zu einer Zeit ohne jedes sozialstaatliche Auffangnetz sowie Beheimatung der Arbeiterinnen- und Arbeiterschaft im kirchennahen Umfeld samt politischer und religiöser Bildung. Heute versteht sich die KAB SG als christlich verankertes, offenes Netzwerk von Menschen in unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen.
→ Alle Infos zum Jubiläum am 7. September 2024 ab 8.45 Uhr im Pfalzkeller St. Gallen auf www.kab-sg.ch
Wo sich Glaube in Politik spiegelt
«Christlicher Glaube ist auch immer politisch», sagt Paul Gähwiler-Wick, Mitglied im katholischen Kollegium – dem Parlament des Katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen. Am 3. September 2024 laden die vier christlichen Kirchen der Region Uzwil daher zu einem Podiumsgespräch ins evangelische Kirchgemeindehaus in Niederuzwil ein. «Die katholische Kirche wird von vielen Menschen bei uns als weltfremd wahrgenommen. Da wollen wir mit solchen Anlässen Gegensteuer geben», sagt Gähwiler, der das Podium moderiert. An diesem werden unter anderem der St. Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth, der Basler SP-Nationalratspräsident Eric Nussbaumer sowie Simone Curau-Aepli, Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes, die Frage «Christliche Politik – gibt es das?» diskutieren. Das Pfarreiforum hat im Vorfeld nachgefragt:
Benedikt Würth: Christliche Politik im Sinne von verbindlichen Antworten auf die politischen Alltagsthemen gibt es nicht. Das wäre eine unmögliche Zielsetzung. Aber gute Politik basiert auf einem Wertefundament. Und ich glaube, dass christliche Werte zentral sind für ein gutes Zusammenleben. Ausgangspunkt ist für mich insbesondere die Menschenwürde, wie sie auch in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte zum Ausdruck kommt.
Eric Nussbaumer: Nein, es gibt keine christliche Politik. Es gibt aber Christinnen und Christen, die Politik machen, und ich hoffe, dass deren Glaube und Weltanschauung auch in den politischen Entscheiden erkennbar werden.
Simone Curau-Aepli: Politisch tätig zu sein, heisst für mich, mich mit dem zu befassen, was «ein gutes Leben für alle» ausmacht. Wir denken und handeln also immer politisch, auch wenn wir uns dessen nicht bewusst sind. «Das Private ist politisch» ist für mich zudem ein wichtiger Grundsatz der feministischen Bewegung, der einen umfassenden Blick auf Politik meint. Folgende zwei Begriffe sind mir auch wichtig: Wirtschaft und Care. Sie haben hochpolitische Auswirkungen, weil es dabei explizit um die Befriedigung von Bedürfnissen der Menschen geht. Im Gegensatz zur Care- bzw. Sorgearbeit steht bei der Wirtschaft aber «das gute Leben für alle» leider nicht immer im Zentrum, sondern «der monetäre Erfolg für wenige».
Die Künstlerin Carla Hohmeister hat für die Kunstausstellung Bad Ragartz zu Nadel und Faden gegriffen und gemeinsam mit einer Kollegin mehrere Kunstwerke gefertigt. Die Inspirationen dafür stammen aus der Klosterkirche Pfäfers.
Was haben die Heilige Anna und Maria Magdalena in einem einfachen Holzschopf zu suchen? Nichts, würden viele denken. Einiges, sagt hingegen Carla Hohmeister. Die in Bad Ragaz geborene Künstlerin hat in Zusammenarbeit mit Beate Frommelt Abbilder der beiden heiligen Frauen gefertigt. Als Vorbild dienten den Künstlerinnen jene zwei Bilder, die in der Klosterkirche Pfäfers den Altarraum schmücken. Entstanden sind drei Pixelbilder mit dem Namen «Der Stoff unserer Landschaft». Es sind Bilder, die von nahem nur nach Punkten aussehen, von weitem aber ein Ganzes ergeben – eine Spezialität von Carla Hohmeister. Die Kunstinstallation ist noch bis 30. Oktober im Rahmen der Bad Ragartz zu sehen.
«Schopf zu sakralem Raum geworden»
Bestanden ihre Pixelbilder in der Vergangenheit meist aus angemalten Holzleisten oder Trämeln, griff sie diesmal wieder zu Nadel und Faden. Die Sujets wie auch der Ausstellungsort sind nicht etwa Zufall, sondern wurden bewusst gewählt. Die Künstlerinnen wollen damit die Verbindung der Region zum Kloster Pfäfers zum Ausdruck bringen. «Das Kloster hatte über Jahrhunderte einen grossen Einfluss auf die Bewohnerinnen und Bewohner. Die Geschichte, unsere Geschichte, wurde durch das Kloster geprägt. Davon wollten wir uns inspirieren lassen», sagt Carla Hohmeister. Der Schopf diente gemäss Überlieferung einst als Milchhof des Klosters Pfäfers. Das danebenliegende Haus gilt als ältestes zum Kloster gehörendes Gebäude. Am Eingang des Holzschopfs empfängt die Besucher eine «verpixelte» Wolke.
Sie soll den Himmel, der im Barock ein wichtiges Sujet bildet, darstellen und die Verbindung zum Glauben zeigen. Carla Hohmeister sagt: «Es ist spannend: Wenn man die Scheune jetzt betritt, wird man fast ein wenig andächtig. Durch die Bilder hat der einfache hölzerne Raum eine sakrale Atmosphäre erhalten.»
Stundenlange Recherche
Carla Hohmeister ist in einer katholischen Familie aufgewachsen. «Nicht allzu fromm, aber christlich», sagt die 50-Jährige. Kirchenbesuche hat sie zwar immer gerne und oft gemacht, allerdings weniger für die Teilnahme an Gottesdiensten, denn aufgrund der Architektur und Ästhetik. «Ich habe mir immer gerne Inspiration in schönen sakralen Räumen geholt», so die Künstlerin, die mittlerweile in Dietikon im Kanton Zürich wohnt. Für die Ausstellung ist sie extra nach Pfäfers gereist und hat Stunden in der barocken Klosterkirche verbracht. Ein schönes Erlebnis. «Sie ist imposant und sehr inspirierend für mich.» Auch wenn sie nicht mehr im Sarganserland wohnt, verbindet Carla Hohmeister viel mit der Region. An der Bad Ragartz ist sie regelmässig anzutreffen. Die Kunstausstellung wird von ihren Eltern organisiert. Mittlerweile ist bereits die dritte Generation involviert. Die Liebe zur Kunst wurde Carla Hohmeister also in die Wiege gelegt. Auch sie engagiert sich stark in der Kulturszene. Carla Hohmeister ist Teil der Kulturkommission und des Kulturhauses Gleis 21 in Dietikon und macht Ausstellungen im In- und Ausland. «Kultur und Kunst sind mein Leben», sagt Carla Hohmeister.
Text: Alessia Pagani Bilder: zVg. Veröffentlichung: 30. August 2024
Die Künstlerin Carla Hohmeister hat für die Kunstausstellung Bad Ragartz zu Nadel und Faden gegriffen und gemeinsam mit einer Kollegin mehrere Kunstwerke gefertigt. Die Inspirationen dafür stammen aus der Klosterkirche Pfäfers.
Was haben die Heilige Anna und Maria Magdalena in einem einfachen Holzschopf zu suchen? Nichts, würden viele denken. Einiges, sagt hingegen Carla Hohmeister. Die in Bad Ragaz geborene Künstlerin hat in Zusammenarbeit mit Beate Frommelt Abbilder der beiden heiligen Frauen gefertigt. Als Vorbild dienten den Künstlerinnen jene zwei Bilder, die in der Klosterkirche Pfäfers den Altarraum schmücken. Entstanden sind drei Pixelbilder mit dem Namen «Der Stoff unserer Landschaft». Es sind Bilder, die von nahem nur nach Punkten aussehen, von weitem aber ein Ganzes ergeben – eine Spezialität von Carla Hohmeister. Die Kunstinstallation ist noch bis 30. Oktober im Rahmen der Bad Ragartz zu sehen.
«Schopf zu sakralem Raum geworden»
Bestanden ihre Pixelbilder in der Vergangenheit meist aus angemalten Holzleisten oder Trämeln, griff sie diesmal wieder zu Nadel und Faden. Die Sujets wie auch der Ausstellungsort sind nicht etwa Zufall, sondern wurden bewusst gewählt. Die Künstlerinnen wollen damit die Verbindung der Region zum Kloster Pfäfers zum Ausdruck bringen. «Das Kloster hatte über Jahrhunderte einen grossen Einfluss auf die Bewohnerinnen und Bewohner. Die Geschichte, unsere Geschichte, wurde durch das Kloster geprägt. Davon wollten wir uns inspirieren lassen», sagt Carla Hohmeister. Der Schopf diente gemäss Überlieferung einst als Milchhof des Klosters Pfäfers. Das danebenliegende Haus gilt als ältestes zum Kloster gehörendes Gebäude. Am Eingang des Holzschopfs empfängt die Besucher eine «verpixelte» Wolke. Sie soll den Himmel, der im Barock ein wichtiges Sujet bildet, darstellen und die Verbindung zum Glauben zeigen. Carla Hohmeister sagt: «Es ist spannend: Wenn man die Scheune jetzt betritt, wird man fast ein wenig andächtig. Durch die Bilder hat der einfache hölzerne Raum eine sakrale Atmosphäre erhalten.»
Stundenlange Recherche
Carla Hohmeister ist in einer katholischen Familie aufgewachsen. «Nicht allzu fromm, aber christlich», sagt die 50-Jährige. Kirchenbesuche hat sie zwar immer gerne und oft gemacht, allerdings weniger für die Teilnahme an Gottesdiensten, denn aufgrund der Architektur und Ästhetik. «Ich habe mir immer gerne Inspiration in schönen sakralen Räumen geholt», so die Künstlerin, die mittlerweile in Dietikon im Kanton Zürich wohnt. Für die Ausstellung ist sie extra nach Pfäfers gereist und hat Stunden in der barocken Klosterkirche verbracht. Ein schönes Erlebnis. «Sie ist imposant und sehr inspirierend für mich.» Auch wenn sie nicht mehr im Sarganserland wohnt, verbindet Carla Hohmeister viel mit der Region. An der Bad Ragartz ist sie regelmässig anzutreffen. Die Kunstausstellung wird von ihren Eltern organisiert. Mittlerweile ist bereits die dritte Generation involviert. Die Liebe zur Kunst wurde Carla Hohmeister also in die Wiege gelegt. Auch sie engagiert sich stark in der Kulturszene. Carla Hohmeister ist Teil der Kulturkommission und des Kulturhauses Gleis 21 in Dietikon und macht Ausstellungen im In- und Ausland. Am 7. September ist ein weiteres Gemeinschaftswerk mit Beate Frommelt im «Museümli» in Buchs SG für einen Tag zu sehen. «Kultur und Kunst sind mein Leben», sagt Carla Hohmeister.
Wie ist es, mit der St. Laurentiuskirche in Flums eine der grössten Kirchen in der Region zu sanieren? Wieso wird diese gleich erdbebensicher gemacht? Und braucht es so grosse Kirchen überhaupt? Der Flumser Architekt Ralf Eberle gibt Auskunft.
Mitarbeitende eines Gipser- und Malergeschäftes, die vom Turm der St. Laurentiuskirche in Flums das Dorf überblicken. Eine Mauersegler-Kolonie, zu deren Schutz während der Brutzeit die Baugerüste teilweise wieder abgebaut wurden. Sowie Berichte über die «gerichtete Wirbelsäule», die die Kirche derzeit erhält: Wer sich aktuell über die St. Laurentiuskirche informiert, findet verschiedenste Zeitungsartikel sowie Social-Media-Beiträge von mit Bauarbeiten beauftragten Firmen aus der Gegend, die Einblicke in die rund 2‑Millionen-Franken-Sanierung geben. Diese dauert noch bis zu kommendem Frühjahr. Mit ihren 160 Jahren und Platz für 1000 Personen gehört die Kirche zu den wichtigen und markanten Gebäuden in der Region.
Wer Kirchenraum neu gestalten möchte, muss diesen oftmals technisch auf den neusten Stand bringen, sagt der Flumser Architekt Ralf Eberle. In der St. Laurentiuskirche in Flums stand am Anfang des 2‑Millionen-Sanierungsprojektes ein Riss in einem Fensterbogen.
Innere Ruhe im Kirchenraum
«Ich mochte diese Kirche schon immer gerne. Einige meiner Kindheitserinnerungen sind mit ihr verbunden. Noch heute finde ich eine innere Ruhe, wenn ich in dem riesigen Kirchenraum voller Elemente aus verschiedenen Stilepochen stehe und das typische zartrosa Lichtspiel auf mich wirken lasse», sagt Ralf Eberle von Eberle & Freuler Architekten GmbH. Als sie 2021 den Auftrag für die Sanierung des Jahrhundertbauwerks bekommen hätten, habe sie das geehrt. Für sie sei das eine Vertrauensfrage, sagt Eberle, der seit Anfang Jahr zudem Mitglied im Flumser Kirchenverwaltungsrat ist.
Ein Mangel nach dem anderen
Wie komplex dieser Auftrag werden würde, ahnte Ralf Eberle anfangs aber noch nicht. Es galt, verschiedenste Meinungen etwa von Erdbebenspezialisten und Ingenieurbüros einzuholen sowie Ansprüche von Denkmalpflege oder Tierschutzorganisationen zu berücksichtigen. «Dabei zeichnete sich immer mehr ab, dass die Sanierung viel grösser werden würde, als zu Beginn eingeschätzt», sagt Eberle und erzählt, wie zunächst lediglich ein Riss in einem Fensterbogen festgestellt worden sei. Die Abklärungen zeigten, dass das gesamte Mauerwerk instabil ist. Grund dafür sind im 19. Jahrhundert zu gross berechnete Kirchenfenster. Zudem wurde die Decke und der Dachstuhl mit 20 Metern Breite zu weit und ohne Abstützung gespannt. 1903 wurde die Dachkonstruktion nachträglich verstärkt und durch acht neu erstellte Stützen abgefangen. So entstand eine dreischiffige Kirche mit einer Gewölbedecke, eine sogenannte Rabitzdeckenkonstruktion. Diese besteht aus einem Metallnetz mit Drahtaufhängungen am Dachstuhl, das mit Gips verkleidet wird. Bei Sanierungsarbeiten 1978 wurden diese Drähte laut Eberle wohl aus Unwissenheit grösstenteils durchschnitten.
Wie auf einem Rütteltisch
Nach der Sanierung wird die Kirche unter anderem dank Betonriegeln an den Mauern, Querbalken im Kirchenschiff, stabilisierten Fensterbögen und einer neuen Drahtaufhängung für die Rabitzdecke erdbebensicher sein. An den Kosten beteiligt sich der Katholische Konfessionsteil des Kantons St. Gallen mit 1,7 Millionen Franken. «Eine erdbebensichere Sanierung ist notwendig, da Rheintal und Sarganserland zu den gefährdeten Gebieten in der Schweiz gehören», sagt er. «Dort besteht der Boden aus aufgeschütteten Schichten. Bei einem starken Erdbeben ist das wie auf einem Rütteltisch.» Zudem sei eine umfassende Sanierung auch hinsichtlich Kirchenumnutzungen sinnvoll. «Vielerorts laufen partizipative Prozesse, wie man den Kirchenraum neu gestalten kann, sodass diesen als Beispiel örtliche Musikgesellschaften für Jubiläumsfeiern nutzen können. Kirchen bieten ein grosses Potenzial», sagt der 37-Jährige. Für solch weltliche Anlässe würden allerdings bestimmte Brandschutzvorschriften gelten und es brauche eine zeitgemässe Elektrizität. Bei der Sanierung der St. Laurentiuskirche koste Letzteres alleine 200 000 Franken. Für den Aufbau des Gerüsts rund um die rund 50 Meter lange Kirche seien 150 000 Franken budgetiert worden. Die Aufträge für sämtliche Arbeiten gehen laut Eberle an Firmen aus dem Dorf. Er sagt: «So können wir all jenen etwas zurückgeben, die hier verbunden sind und es wertschätzen, wenn die Kirche noch viele Jahre das Ortsbild prägt.»
Text: Nina Rudnicki; Bilder: Katia Rudnicki; Veröffentlichung: 26. August 2024
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