Volksnah, jung oder vor allem mutig? Das Bistum St.Gallen wollte mit einer Umfrage von den Gläubigen erfahren, wie der neue Bischof sein soll. Anders als bei den letzten Malen wurden sie nicht eingeladen, Namen von Kandidaten zu nennen, sondern gewünschte Eigenschaften und Fähigkeiten einzubringen.
Beim Blick in die Ergebnisse der Umfrage, die das SPI im Auftrag des Domkapitels durchgeführt hat, fällt eines schnell auf: Die Grundstimmung unter den Menschen, die sich beteiligt haben, scheint nicht so negativ zu sein. Aussagen wie «So kann es nicht weitergehen» oder «Jetzt muss sich alles ändern» fehlen. Es lässt sich herauslesen, dass das Bistum — aus Sicht der Umfrage-Teilnehmenden — grundsätzlich am bisherigen Kurs und Bischofs-Stil festhalten soll.
Mehr Sensibilität für Menschen aus anderen Kulturen
In der Umfrage erwähnt wurde das Stichwort migrantisch geprägte Gesellschaft: Der neue Bischof müsse über «interkulturelle Kompetenzen» verfügen. Etwa vierzig Prozent der Katholik*innen im Bistum St.Gallen hat Migrationshintergrund — und fühlen sich oft ausgeschlossen. Wie viel von diesen Gläubigen haben bei der Umfrage mitgewirkt? Das SPI hält in seiner Zusammenfassung der Umfrage fest, dass die distanzierteren Kirchenmitglieder unterrepräsentiert sind. Dies trifft wahrscheinlich genauso auf Gläubige mit Migrationshintergrund bzw. anderssprachige Gläubige zu. Ob die Links zur Umfrage auch in den Anderssprachigen-Missionen geteilt wurden?
Auf die Wahl wird die Umfrage wohl nur minimal Einfluss nehmen — schon allein weil die Anzahl der Kandidaten, die für die Nachfolge von Bischof Markus Büchel in Frage kommen, überschaubar ist. Z.B. wie viele haben selbst Migrationshintergrund oder Erfahrung als Seelsorger für Menschen aus anderen Kulturen? Trotzdem — wenn das Bistum, der neue Bischof so wie alle beteiligten Gremien die Umfrage ernst nehmen — kann sie vor und nach der Wahl als Spiegel und Richtschnur dienen: Hier steht schwarz auf weiss was zumindest 1305 Personen wünschen und als Voraussetzung für das Amt des künftigen Bischofs erachten.
Kompetenzen der Mitarbeitenden
In einem sind sich wohl alle einig: Kein Kandidat kann alle Erwartungen erfüllen. Aber eines darf man vom neuen Bischof sehr wohl erwarten: die Bereitschaft, zu lernen und sich zu entwickeln und Mitarbeitende an seine Seite zu holen die ihn mit ihren Kompetenzen unterstützen und ergänzen. Das Bistum St. Gallen wird nicht müde zu betonen, dass Synodalität (die Beteiligungsmöglichkeiten aller Gläubigen) im Bistum des Heiligen Gallus» schon seit mehreren Jahrzehnten gelebt wird und fest etabliert ist. Deshalb muss wohl ganz oben in der Prioritäten-Liste stehen: der Bischof muss vor allem durch und durch synodal sein. Dann ist die eine oder andere mangelnde Kompetenzen nicht mehr so dramatisch.
Kommentar: Stephan Sigg, leitender Redaktor Pfarreiforum
Hintergrund:
1305 Personen haben in 173 Gesprächsgruppen an der Konsultation teilgenommen, so das SPI, das die Umfrage im Auftrag des Bistums durchgeführt hat. «Die Bischofswahl bewegt die Menschen – es haben sich Mitarbeitende, Ehrenamtliche, Freiwillige und engagierte Gläubige eingebracht. Übermensch oder Teamplayer? Auf jeden Fall mutig, offen und volksnah stellen sich die Menschen den neuen Bischof vor.»
Der neue Bischof werde sein Amt «in einer Zeit des Umbruchs» antreten. In Bezug auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Kirche sind gemäss Umfrage «neue Wege zur Vermittlung von Glaubenswissen für Kinder und Erwachsene», sowie «die Entwicklung der Berufe in der Kirche oder neue pastorale Schwerpunktsetzungen» nötig.
Das Domkapitel wird in den kommenden Tagen die Resultate aus der Konsultation sowie den Bericht aus dem Austausch mit der Expertengruppe studieren und diskutieren, teil das Bistum mit. Anschliessend werden die 13 Kanoniker eine Liste erstellen mit sechs möglichen Kandidaten für das Bischofsamt. Diese schickt der Domdekan über den Apostolischen Nuntius nach Rom. Dann beginnt die Zeit, in der Rom die Kandidaten ‘prüft’. Papst Franziskus wird jene Kandidaten bezeichnen, die eine Ernennung zum Bischof erhalten würden und schliesslich die Wahlliste über den Nuntius zurück ans Domkapitel schicken. Der Wahltag wird in Absprache mit dem Katholischen Kollegium (dem Parlament der Katholikinnen und Katholiken im Kantons St.Gallen) festgelegt. Das Parlament hat die Möglichkeit, drei von sechs Kandidaten als mindergenehm zu bezeichnen. Sich orientierend an der möglichen Ernennung bzw. dem Mindergenehm wird das Domkapitel schliesslich die Wahl vornehmen. Wann das sein wird, ist ungewiss. Das Bistum wird darüber informieren.
Zur Medienmitteilung Bistum St.Gallen (19.09.2024)
Text +Foto: Stephan Sigg
Veröffentlicht: 19.09.2024