Was passiert, wenn die Bevölkerung zu den Eigenschaften ihres neuen Wunschbischofs befragt wird? Und wie fliessen diese Erwartungen tatsächlich in die Bischofswahl ein? Eine aktuelle Umfrage des Bistums St. Gallen soll zeigen, auf welchen Bischof gehofft werden kann.
«Der neue Bischof sollte gerne führen und entscheiden. Er sollte seine Gedanken und Handlungen nach vorne richten, Begeisterung für den Glauben zeigen und zuhören können», sagt Isabella Awad, Kommunikationsbeauftragte des Bistums St. Gallen, auf die Umfrage «Was erwarten Sie vom Bischof?» angesprochen. In den vergangenen Wochen konnten sich alle Interessierten in Kleingruppen ab zwei Personen zusammenschliessen und im Rahmen der Onlineumfrage gewünschte Eigenschaften eines neuen Bischofs mitteilen. Über die Ergebnisse tauscht sich laut Isabella Awad aktuell eine Gruppe mit Expertinnen und Experten aus, die sich unter anderem aus verschiedenen Räten wie dem Laien‑, Priester- und Seelsorgerat, Engagierten in der Jungwacht Blauring sowie Seelsorgenden zusammensetzt. Die Ergebnisse fliessen in die Entscheidungen des Domkapitels ein. Dieses setzt sich aus jenen Geistlichen zusammen, die den Bischof wählen werden. Die eingangs erwähnten Wunscheigenschaften des künftigen Bischofs fassen die Aussagen zusammen, die die Mitglieder des Domkapitels in Interviews auf www.bistum-stgallen.ch machten. Nun wird erwartet, was die Umfrage Weiteres hervorbringt. Isabella Awad sagt: «An dieser haben sich die verschiedensten Gruppen beteiligt. Die Menschen im Bistum haben es positiv aufgenommen, dass sie ihre Erwartungen äussern konnten.» Es sei bereits das dritte Mal, dass im Bistum St. Gallen bei einer Bischofswahl eine Umfrage durchgeführt werde. Zuvor war das bei Bischof Ivo Fürer und Bischof Markus Büchel der Fall.
Bekannte motiviert
An dem Prozess rund um die Umfrage mitgewirkt hat auch die St. Galler Bewegung «Reformen jetzt». Die Theologin Ann-Katrin Gässlein ist Mitglied von «Reformen jetzt». Sie sagt: «Beruflich und privat hab ich Freunde und Bekannte angeregt, eine Gruppe zu bilden und zusammen die Erwartungen an den künftigen Bischof zu formulieren.» Sie selbst habe zwei Gruppen bei der Umfrage betreut. Es brauche eine Person, die die Rückmeldungen sammelt, sortiert, verschriftlicht sowie ins Formular einträgt und so die Verantwortung übernimmt. Die Gruppentreffen beschreibt sie als sehr produktiv. Aufgrund der unterschiedlichen Zusammensetzungen hätten sich jeweils andere inhaltlichen Schwerpunkte ergeben. «Nun setzen wir von ‹Reformen jetzt› uns dafür ein, dass die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht werden.»
Verantwortung übernehmen
Und welchen Bischof wünscht sich «Reformen jetzt»? «Konkret wünschen wir uns, dass der neue Bischof unsere Anliegen und Vorstösse umsetzt respektive dort im Prozess weitergeht, wo wir dann bei jedem Anliegen stehen werden», sagt Ann-Katrin Gässlein. Dazu gehöre etwa, sich in Gesprächen mit dem Vatikan für die Anliegen der Schweizer Kirche einzusetzen, konkret für mehr Spielraum bei einer Weihe von Frauen, oder die Vielfalt von Lebensformen bei kirchlichen Mitarbeitenden theologisch positiv zu würdigen. Aber vor allem müsse der neue Bischof ein echtes Beispiel für Synodalität – also gemeinsames Entscheiden – sein. Zudem sei das Thema Gewaltenteilung in Bezug auf das Bischofsamt ein wichtiger Punkt für die Zukunft der Kirche. «Allen ist bewusst, dass die Rückmeldungen zusammengenommen eine Art Superhelden skizzieren werden, der unmöglich alle Erwartungen erfüllen kann», sagt sie. «Trotzdem werden sich grobe Linien abzeichnen. Und die Forderung nach Synodalität heisst im Umkehrschluss auch, dass wir Gläubigen alle in der Verantwortung stehen.»
Text: Nina Rudnicki
Bild: pixabay.com
Veröffentlichung: 19. September 2024