Leserfrage: Wie geht christlich wählen?

Urs Bern­hards­grüt­ter, Diakon der katho­li­schen Kirche und Mitglied der Grünen SG, geht darauf ein, was christ­li­ches Poli­ti­sie­ren ausmacht.

Die Frage «Wie geht christ­lich wählen?» setzt zwei ­posi­ti­ve Haltun­gen voraus. Erstens: Der oder die Fragen­stel­len­de will sich bei Wahlen und wahr­schein­lich grund­sätz­lich in gesell­schaft­li­chen Fragen betei­li­gen. Er oder sie bringt sich in poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che Frage­stel­lun­gen ein. Das ist gut so, denn als Chris­tin­nen und Chris­ten haben wir die Aufga­be, Gesell­schaft und Welt im Sinne des Reiches Gottes mitzu­ge­stal­ten. Denn Salz und Licht für die Welt wollen wir sein (vergl. Mt 5,13–16).

Die Schöp­fung schützen

Das zwei­te Posi­ti­vum, das  der Frage voraus­geht, ist die Moti­va­ti­on, wählen in einem christ­li­chen Sinn tun zu wollen. Ich glau­be, unse­re Welt wäre salzi­ger und heller, wenn diese Moti­va­ti­on viel verbrei­te­ter wäre. Der christ­li­che Glau­be darf nicht an der Kirchen­tü­re, beim Hinaus­tre­ten in die Welt, hängen blei­ben. Unser Glau­be, der sich auf Jesus von Naza­reth beruft, geht über das Gebet und die Mystik hinaus. Nämlich hin zu einem heil­brin­gen­den Enga­ge­ment in der Welt. Bevor wir aber das «Wie» ange­hen, möch­te ich meine Karten offen­le­gen: Kaum 20 Jahre alt, war ich zum ersten Mal auf einer Wahl­lis­te des dama­li­gen LdU (Landes­ring der Unab­hän­gi­gen) zu finden. Als sich der LdU auflöste, wech­sel­te ich zu den Grünen. In den Jahren 2000 bis 2008, bevor ich dann ganz in den kirch­li­chen Dienst einstieg, durf­te ich sowohl im Kantons­rat wie auch im Natio­nal­rat viele poli­ti­sche Erfah­run­gen sammeln und mich für welt­wei­te Gerech­tig­keit und den Schutz der Schöp­fung in den beiden Parla­men­ten einset­zen. Sowohl im Kantons- wie auch im natio­na­len Parla­ment gab es eine Gebets­grup­pe, in der es Teil­neh­men­de aus fast allen Partei­en hatte. Es gibt wohl in allen Partei­en Chris­ten und Chris­tin­nen, die gewillt sind, in christ­li­cher Verant­wor­tung Poli­tik zu machen. In Majorz­wah­len ist dies zu berücksichtigen.

Fran­zis­ka­ni­sche Geschwis­ter­lich­keit als Ziel

Eine christ­li­che Poli­tik muss zuerst den einzel­nen Menschen und die welt­wei­te Geschwis­ter­lich­keit im Fokus haben. Benach­tei­lig­te und Schwa­che haben Vorrang, wenn es um die Gestal­tung des Zusam­men­le­bens geht. Es ist egois­tisch und nicht christ­lich, wenn die Poli­tik zuerst einmal dem eige­nen (auch natio­na­len) Reich­tum dienen soll und nicht dem Wohl möglichst aller Menschen. Mein christ­li­ches Poli­ti­sie­ren baut auf die alles umfas­sen­de Geschwis­ter­lich­keit des Heili­gen Franz von Assi­si auf. Darum muss eine christ­li­che Poli­tik in erster Linie sozi­al und umwelt­freund­lich sein. Papst Fran­zis­kus sagt in «Lauda­to si»: «Klima­schutz und Nächs­ten­lie­be gehen Hand in Hand!»

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