Robina Steyer kannte nur den Namen Wiborada. Mehr hatte die 40-Jährige über die Inklusin nicht gewusst. Dann hat sie sich entschlossen, das Leben der Einsiedlerin tänzerisch darzustellen. Dabei hat sie viele Parallelen zur heutigen Zeit entdeckt.
Robina Steyer lässt ein blaues Tuch über ihren Kopf schweben. Regelmässig hält sie inne, überlegt und beginnt von Neuem. Eine Frage beschäftigt sie in diesem Moment speziell: «Wie lässt sich das bewegte Leben einer Frau in Einsamkeit vor über 1000 Jahren tänzerisch darstellen?» Wieder lässt Robina Steyer das blaue Tuch über ihrem Kopf kreisen. «Es ist ein zentrales Element und stellt den Himmel und den Geist dar. Es soll versinnbildlichen, wie der Geist in der Einsamkeit wächst und grösser wird», erklärt Robina Steyer. Die 40-Jährige ist ausgebildete Tänzerin, Choreografin und Dozentin und probt momentan ein ganz besonderes Stück. Anfang Mai bringt sie «Sancta Wiborada – eine Reise ins Innere der Rebellion» erstmals auf die Bühne.
Liebe für sozialkritische Themen
Das Stück ist eine Herausforderung für die erfahrene Darstellerin, die zwischen 2014 und 2019 als Solistin in der Tanzkompanie St. Gallen engagiert war. «Es ist nicht ganz einfach, das Leben der heiligen Wiborada zu vertanzen», sagt sie und lächelt. Wie vielen anderen sei auch ihr der Name zwar ein Begriff gewesen, die Geschichte aber fremd. Robina Steyer ist in der DDR geboren und bezeichnet sich als «nicht sonderlich gläubig». Heute ist sie fasziniert von der Inklusin: «Ich habe herausgefunden, wie spannend Wiborada war. Im Kern ist es eine feministische, sozialkritische Geschichte. Das schätze ich sehr.» Robina Steyer widmet sich gerne solchen Geschichten. Zusammen mit zwei Kollegen leitet sie das ConFusionArt Collective in St.Gallen, dass sich immer wieder sozialkritischen Themen annimmt.
Lange Recherche
Die 40-Jährige hat in den vergangenen Wochen viel über das Leben der Inklusin recherchiert, hat Artikel gelesen und mit Expertinnen und Experten gesprochen. Als grosse Hilfe bezeichnet Robina Steyer die St.Galler Historikerin Judith Thoma, die immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden sei.
«Das Tuch soll versinnbildlichen, wie der Geist in der Einsamkeit wächst und grösser wird», so Robina Steyer.
Eine grosse Frage für Robina Steyer war jene nach den Beweggründen der Wiborada. «Ich habe mir lange überlegt, warum Wiborada ein Leben in der Inkluse, ein Leben in Einsamkeit einem Leben in Freiheit vorgezogen hat.» Robina Steyer spricht von Rebellion, von gesellschaftlichem Druck, von äusseren Wertvorstellungen und eigenen Wegen – und zieht den Vergleich zu heute. «Durch die vielen Einflüsse verlieren wir manchmal die Verbindung zu uns selbst. Es nützt, sich immer wieder zurückzunehmen, innezuhalten und sich zu fragen: Was ist Glück für mich überhaupt?». Wiborada habe sich selbstbewusst gegen die gesellschaftlichen Normen gestellt. «Das braucht Mut. Wir können uns ein Beispiel an ihr nehmen.»
Rückzug ins Selbst
Während all der Monate, in denen sie sich auf das Stück vorbereitet hat, hat Robina Steyer viele Parallelen zu ihrem Leben gefunden. «Das Stück thematisiert den Rückzug ins Selbst. Auch für uns Künstlerinnen und Künstler ein sehr zentrales Element, wenn wir kreative Wege einschlagen. Es hilft, sich voll in eine Rolle hineinzugeben.» Und was erwartet die Besucherinnen und Besucher konkret, und wie gross wird das blaue Tuch schlussendlich? Alles will Robina Steyer nicht verraten. Nur so viel: «Es wird ein Stück, das über die Grenzen des Glaubens und des Christentums hinausblickt und damit für alle zugänglich ist.»
«Sancta Wiborada – eine Reise ins Innere der Rebellion»: 2. Mai: Premiere in der Kirche St. Mangen in St.Gallen, 20 bis 21 Uhr (Eintritt frei); 3. und 4. Mai am Tanzfest St.Gallen: Kirche St. Mangen, 20 bis 21 Uhr (35 Franken)
Text: Alessia Pagani Bild: zVg. / Kay Appenzeller
Was passiert, wenn wir schweigend essen und uns jemand Texte vorliest? Auf dieses Experiment mit Elke Larcher von der Stiftsbibliothek können sich Interessierte ab sofort einlassen.
Einfach nur zuhören tut gut. Elke Larcher, Leiterin des Museumsbetriebs Stiftsbezirk St.Gallen, liest Texte vor, die von der Zeit handeln. Ansonsten ist es an diesem Mittag ruhig im Innenhof des Domzentrums neben der Kathedrale. Keine der Zuhörerinnen und Zuhörer redet. Sollen sie auch nicht, sondern sich ausschliesslich auf das Mittagessen und eben die Texte konzentrieren. Als «Nahrung für Körper und Geist» bezeichnet Elke Larcher diese Veranstaltungsreihe, die an die Art und Weise angelehnt ist, wie in benediktinischen Klöstern gegessen wird. Alle Interessierten können sich einmal im Monat von Mai bis September in St. Gallen auf dieses Experiment einlassen. Nebst der Zeit wird Elke Larcher in den Texten weitere Themen aufgreifen.
Raumschiffe fliegen schneller
«Früher war Zeit mystisch. Die Natur bestimmte sie, etwa durch die Jahreszeiten, das Morgengrauen, den Sonnenaufgang, das Hahnkrähen oder den Sonnenuntergang.» Diese Aussage eines Textes bleibt an diesem Mittag in den Gedanken hängen. Auch, dass der deutsche Dichter Johann Wolfgang von Goethe bereits 1824, also vor genau 200 Jahren, eine zunehmende Alltagshektik bei seinen Mitmenschen feststellte. Durch einen anderen Text erfährt man, dass grosse Städte einst eigene Uhrzeiten hatten und diese mit benachbarten Städten nicht unbedingt übereinstimmten. Und eine «Zeitumstellung» gibt es nicht. Viel eher müsste die richtige Bezeichnung «Uhrumstellung» lauten. Aber ob das nun der Autor und Geistliche Anselm Grün sagte, der Theologe Albert Schweitzer oder doch jemand ganz anderes, bleibt nicht im Gedächtnis haften. Dafür aber, dass in den 2000er-Jahren ein Zusammenschnitt der Fernsehserie Raumpatrouille Orion von 1966 ins Kino kam. Selbst eingefleischten Fans fiel nicht auf, dass die Raumschiffe auf einmal mit einer mehr als doppelt so schnellen Geschwindigkeit als im Original über den Bildschirm flogen.
Rückkehr in die Realität
Alles um uns herum wird schneller. An diesem Mittag im Domzentrum fühlt es sich allerdings an, als ob die Zeit ein klein bisschen stehenbleibt. Die Wahrnehmung verändert sich. Das Pfeifen der Vögel erscheint lauter. Und der Stangensellerie-Apfelsalat knackt beim Kauen besonders laut. Und wohin soll man überhaupt schauen, wenn man doch gar nicht miteinander redet? Beim Dessert wird das Schweigegebot aufgehoben. Die Teilnehmenden tauschen sich aus. «Mir hat es gefallen, bewusst nur etwas zu machen», sagt jemand. Eine andere Person sagt: «Ich fand es angenehm und spannend, was ich so nicht erwartet hätte.» Wie eine kleine Zeitreise durch die Literatur hat es eine dritte Person empfunden. Dann ruft der Alltag mit seinen Terminen. Ein kurzer Abschied, dann kehren alle in ihre Realität zurück.
Nachgefragt mit Elke Larcher
Elke Larcher, woher kommt die Idee, in St.Gallen Benediktinische Mittagessen anzubieten?
Ich habe solche Mittagessen schon früher organisiert, immer im privaten Rahmen. Die Rückmeldungen haben mich stets bekräftigt in meiner Idee, einen kleinen Teil der benediktinischen Lebensweise nach aussen zu tragen. Inspiriert hierzu wurde ich durch meine langjährige Tätigkeit als Museumsleiterin bis 2022 im Benediktinerinnenkloster St. Johann in Müstair. Damals war es mir wichtig, die Regel des hl. Benedikt selbst zu erleben. Ich wohnte eine Woche mit den Nonnen von Müstair und liess mich ganz auf das benediktinische «ora et labora et lege» ein. Aktuell zeigt die Stiftsbibliothek die Ausstellung «Gesegnete Speisen – Vom Essen und Trinken im Mittelalter». Für mich war das die Gelegenheit, die Benediktinischen Essen nach St.Gallen, ins ehemalige Benediktinerkloster, zu bringen.
Im Kloster ist der Tagesablauf vorgegeben. Was hat das mit Ihnen gemacht?
Ich habe wider Erwarten eine grosse Freiheit gespürt. Wir treffen täglich bis zu 20 000 Entscheidungen. Im Kloster ist vieles schon vorgegeben: Was ich anziehe oder was ich koche. Wenn die Glocke zum Gebet läutet, dann lassen die Nonnen ihre Arbeit liegen und eilen zum Gebet. Es gibt nicht noch das eine oder das andere, das ich schnell erledige. Gemäss der Benediktsregel (RB) 43.3 «soll dem Gottesdienst nichts vorgezogen werden». Diese klare Tagesstruktur wirkt befreiend in einer Gesellschaft, in der wir stets erreichbar sind. Eine gegebene Tagesordnung schenkt Ruhe im Alltag.
Sie beschreiben die Benediktinischen Mittagessen als Nahrung für Geist und Körper. Was heisst das genau?
Am Mittag haben wir heutzutage generell eher wenig Zeit. Einmal bewusst zu essen, ohne dabei schon auf dem Smartphone die Termine vom Nachmittag durchzugehen, tut einem gut und ist gesund. Nahrung für den Geist bieten die ausgewählten Texte. Die Lesung soll die Zuhörenden erbauen (vgl. RB 38.12). Anders als im Kloster lese ich nicht nur Texte spiritueller Natur, sondern auch Gedichte und sachliche Texte. Ich teile auch meine Gedanken zu den Textausschnitten.
Was sollen die Teilnehmenden mitnehmen?
Ich hoffe, dass die Benediktinischen Essen bereichernd wirken. Das Schönste für mich wäre, wenn sie in dieser Mittagspause nicht nur Mund und Ohren öffnen, sondern auch die Herzen, so wie es im Prolog der Benediktsregel steht: «Neige das Ohr deines Herzens» (RB Prolog 1). Wenn mir das gelingt, dann habe ich mehr erreicht, als ich mir je erhofft habe.
Der Altersdurchschnitt im Kloster Mels liegt bei 65 Jahren. Die sechs Kapuziner sind alle bei bester Gesundheit. Nicht ohne Grund: Der Alltag im Kloster tut gut, wie eine Studie belegt. Im Schnitt leben Ordensbrüder fünf Jahre länger als ihre weltlichen Kollegen. Doch woran liegt das? Bruder Ephrem und Guardian Beat erzählen, worauf es ankommt.
Im Sprechzimmer des Klosters Mels herrscht zuerst Ratlosigkeit. Die beiden Ordensbrüder Beat und Ephrem schauen sich kurz irritiert an, dann antwortet Bruder Ephrem auf die Frage, wie es ihm geht: «Ich bin nicht mehr zwanzig, das merke ich natürlich. Aber mir geht es recht gut. Ich bin zufrieden.» Die Frage kommt nicht von ungefähr. Bruder Ephrem ist im vergangenen Februar 80 Jahre alt geworden. Vor 60 Jahren ist er in den Orden der Kapuziner und damit in das Klosterleben eingetreten. Guardian Beat ist seit 36 Jahren im Orden. Und damit haben die beiden die besten Voraussetzungen für ein langes Leben. Gemäss einer aktuellen Studie leben Ordensmänner im Schnitt fünf Jahre länger als ihre weltlichen Kollegen.
Gemäss der Deutsch-Österreichischen Klosterstudie des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften leben Ordensmänner im Schnitt fünf Jahre länger.
Als Gründe werden unter anderem der geregelte Alltag und das Leben in der Gemeinschaft genannt. Dies zeigt, dass unsere Lebenserwartung nicht nur biologisch vorgegeben, sondern zum Teil beeinflussbar ist. Doch was machen die Menschen im Kloster anders als die Menschen draussen? Bei einem Besuch in Mels Anfang April erzählen die zwei Ordensbrüder von ihren Erfahrungen.
Morgendliche Gymnastikeinheiten
Im Kloster Mels leben heute noch sechs Brüder. Der Jüngste ist 36 Jahre, der Älteste 88 Jahre alt. Guardian Beat ist mit seinen 58 Jahren der Zweitjüngste in der Gemeinschaft. Alle sind sie bei guter Gesundheit – sowohl körperlich als auch geistig. «Natürlich merken wir Älteren manchmal unser fortgeschrittenes Alter, aber es geht uns nicht schlecht, wir haben nichts Akutes», so Bruder Ephrem. Er ist ein aufgestellter Zeitgenosse, vif im Kopf und körperlich fitter als manch 40-Jähriger. Nicht ohne Grund. Bruder Ephrem hat seit der Jugend viel Sport betrieben, hat jahrelang Siebenkampf und Leichtathletik praktiziert und Klettertouren unternommen. Heute geht er immer noch oft schwimmen und reiten – einfach weniger intensiv als früher. «Alt werden heisst für mich: Einen Tag nach dem anderen nehmen. Man muss sich arrangieren mit gewissen Sachen und manchmal um Hilfe bitten», sagt Bruder Ephrem. Sport und Bewegung spielen im Alltag der Ordensbrüder eine bedeutende Rolle. «Natürlich auch im Hinblick auf unsere Gesundheit», erklärt Bruder Beat.
Guardian Beat und Bruder Ephrem leben seit mehreren Jahren im Kloster Mels und kennen die Vorzüge des Lebens in einer Gemeinschaft.
Er war früher starker Raucher und hat erst kürzlich damit aufgehört – er habe am Berg zu schnaufen begonnen. «Man merkt erst mit zunehmendem Alter, dass dies nicht guttut. Je älter ich werde, umso mehr achte ich darauf, solche ‘unguten’ Sachen zu vermeiden.» Bruder Beat ist gerne und oft draussen in der Natur, macht täglich einen Spaziergang von mindestens einer Stunde. «Das tut Körper und Geist gut. Man denkt einfach anders draussen.» Wenn er am Morgen keine Zeit findet, versucht er den Spaziergang am Nachmittag in den Tagesablauf einzubauen. Für Bruder Ephrem beginnen die Sporteinheiten noch früher. Kurz nach dem Aufstehen um 5.30 Uhr widmet er sich während 30 Minuten der Morgengymnastik, «auch, um beweglich zu bleiben». Später an diesem Tag führt er uns in seine private Zelle.
Bruder Ephrem macht jeden Morgen Gymnastikübungen. Die Hantel benutzt er nach eigenen Angaben allerdings selten.
Ein Gymnastikmätteli sucht man dort vergeblich – er mache die Übungen am Boden, sagt Bruder Ephrem – stattdessen zeigt er uns seine Hantel, und bevor wir überhaupt richtig gucken können, schwingt er sie schon mehrmals über den Kopf. «Diese benutze ich aber selten.» Bruder Ephrem lacht. Man vermag die Aussage nicht ganz zu glauben, angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der der 80-Jährige mit der Hantel umgeht. Auf den Stepper im Keller schwingt er sich wie ein junger Turner. Auch Bruder Beat ist beeindruckt. Bruder Ephrem ist ein Tausendsassa. Noch heute sitzt er in verschiedenen Verwaltungsräten. «Wir müssen ihn immer ein bisschen bremsen», sagt Bruder Beat.
Ein Ort zum Wohlfühlen
Die Ordensbrüder pflegen ein gutes Verhältnis untereinander. Das spürt man sofort. Bruder Ephrem und Bruder Beat scherzen viel. Nicht oft wird an einem Termin für das Pfarreiforum so herzhaft gelacht wie an diesem Nachmittag in Mels. «Ich bin hier in einer Gesellschaft, in der ich mich sehr wohlfühle. Wir alle fühlen uns sehr wohl an diesem Ort und haben alles, was wir brauchen. Wir leben gerne hier und in der Gemeinschaft. Das hilft natürlich für das Wohlbefinden», sagt Bruder Beat.
Die beiden Ordensbrüder fühlen sich in der Gemeinschaft in Mels wohl.
«Die Gemeinschaft ist für uns alle eine Entlastung», ergänzt Bruder Ephrem. Daneben spiele auch die Sinnhaftigkeit des Tuns eine bedeutende Rolle. «Das Leben im Kloster gibt uns einen Sinn. Wir wissen, warum wir morgens aufstehen. Wir Menschen brauchen einen Sinn in unserem Leben, um glücklich zu sein.» Im Kloster sei die Sinnfrage im Alltag und in der Spiritualität eingebettet. Bei den weltlichen Bürgern sei dies anders. «Heute wird die Sinnfrage ausserhalb der Klostermauern oft verdeckt. Es gibt viele Herausforderungen im Alltag und im Beruf. Das schafft Stress und verdrängt die Sinnfrage. Sich über ‘das Wofür’ im Leben Gedanken zu machen, braucht Zeit. Oft haben wir die heute nicht mehr», sagt Bruder Ephrem. Auch das Zur-Ruhe-Kommen beim Beten und Meditieren steigere das Wohlbefinden.
Beim Beten und Meditieren kommen die Ordensbrüder zur Ruhe. Das reduziert Stress.
Bruder Beat erklärt: «Unser Klosterleben ist geprägt von einem geregelten Ablauf. Wir wissen, wann wir aufstehen müssen und was wir wann zu erledigen haben. Dazwischen haben wir sehr viel mehr Flexibilität als die weltlichen Bürger. Wir haben nicht denselben Stress und nicht denselben Druck.» Die geregelte Essenszeit habe einen weiteren Vorteil: «Wir können uns Zeit nehmen füreinander und für das Essen. Wir sprechen dann oft über das Erlebte oder über Sorgen. Und wir nehmen das Essen bewusst zu uns.» In der Küche bereitet Koch Bruder Josef soeben das Abendessen vor.
Als Koch amtet Bruder Josef. Er zaubert täglich ausgewogene Mahlzeiten auf den Tisch — teilweise stammen die Lebensmittel aus dem Klostergarten.
Der frischgepflückte Salat aus dem eigenen Garten liegt schon parat. Es gibt immer Suppe, Salat, einen Hauptgang «und meist ein Dessert», so Bruder Beat. «Wir essen also sehr ausgewogen.»
«Hoffnung heisst für mich nicht, dass nichts Schlimmes kommen kann. Hoffnung heisst für mich, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, und einen Sinn dahinter zu finden.»
Bruder Beat
Die Situation annehmen
Manchmal macht sich der hohe Altersdurchschnitt im Kloster Mels sichtbar. Nicht mehr alle Arbeiten können die Ordensbrüder alleine verrichten. Für die Reinigung der öffentlichen sowie der gemeinschaftlich genutzten Räume beispielsweise haben sie Hilfe von Angestellten und Freiwilligen. Ebenso bei der Gartenarbeit, die für die sechs Brüder mittlerweile zu anstrengend geworden ist. Mit einer Ausnahme: «Den Rasen mähe meist ich. Der Rasenmäher läuft ja von alleine vorwärts», sagt Bruder Beat und lacht. «Natürlich steht uns mit fortschreitendem Alter nicht mehr alles offen, aber das kann auch positiv sein. Wir ‘müssen’ nicht mehr alles machen.» Im Laufe der Jahre verändere sich die Einstellung zum Leben. «Es geht darum, mit der aktuellen Situation einen Umgang zu finden. Irgendwann merkt man, dass man nicht innerlich gegen etwas ankämpfen muss, dass man nicht beeinflussen kann.» Die beiden sprechen an diesem Nachmittag viel über Akzeptanz, darüber, dass man das Beste aus einer Situation machen müsse.
Bruder Ephrem ist 80 Jahre alt. Er sagt: «Langsam geht es dem Tod entgegen. Respekt habe ich davor, dass ich irgendwann vielleicht im Kopf nicht mehr da bin, dass ich Demenz bekomme. Alles andere muss ich in Kauf nehmen.»
Angst vor der Zukunft haben die beiden nicht. Ob sie denn auch, wie viele Menschen ausserhalb der Klostermauern, für die eigene Gesundheit beten, will man wissen. Die beiden Brüder schauen sich wieder an und antworten mit einem deutlichen Nein. «Ich sage mir immer: Da musst schon du selbst dafür sorgen», sagt Bruder Ephrem und Bruder Beat ergänzt: «Hoffnung heisst für mich nicht, dass nichts Schlimmes kommen kann. Hoffnung heisst für mich, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, und einen Sinn dahinter zu finden. Natürlich will ich gerne alt werden und am liebsten geistig fit bleiben. Körperlich wünsche ich mir, dass ich einigermassen ‘zwäg’ bleibe und nicht bettlägerig werde.» Mit zunehmendem Alter macht sich auch Bruder Ephrem mehr Gedanken über seinen Lebensabend. Er weiss, dass das irdische Leben endlich ist. «Langsam geht es dem Tod entgegen. Respekt habe ich davor, dass ich irgendwann vielleicht im Kopf nicht mehr da bin, dass ich Demenz bekomme. Das wäre schlimm für mich. Alles andere muss ich in Kauf nehmen.»
Der Altersdurchschnitt im Kloster Mels liegt bei 65 Jahren. Die sechs Kapuziner sind alle bei bester Gesundheit. Nicht ohne Grund: Der Alltag im Kloster tut gut, wie eine Studie belegt. Im Schnitt leben Ordensbrüder fünf Jahre länger als ihre weltlichen Kollegen. Doch woran liegt das? Bruder Ephrem und Guardian Beat erzählen, worauf es ankommt.
Im Sprechzimmer des Klosters Mels herrscht zuerst Ratlosigkeit. Die beiden Ordensbrüder Beat und Ephrem schauen sich kurz irritiert an, dann antwortet Bruder Ephrem auf die Frage, wie es ihm geht: «Ich bin nicht mehr zwanzig, das merke ich natürlich. Aber mir geht es recht gut. Ich bin zufrieden.» Die Frage kommt nicht von ungefähr. Bruder Ephrem ist im vergangenen Februar 80 Jahre alt geworden. Vor 60 Jahren ist er in den Orden der Kapuziner und damit in das Klosterleben eingetreten. Guardian Beat ist seit 36 Jahren im Orden. Und damit haben die beiden die besten Voraussetzungen für ein langes Leben. Gemäss einer aktuellen Studie leben Ordensmänner im Schnitt fünf Jahre länger als ihre weltlichen Kollegen.
Gemäss der Deutsch-Österreichischen Klosterstudie des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften leben Ordensmänner im Schnitt fünf Jahre länger.
Als Gründe werden unter anderem der geregelte Alltag und das Leben in der Gemeinschaft genannt. Dies zeigt, dass unsere Lebenserwartung nicht nur biologisch vorgegeben, sondern zum Teil beeinflussbar ist. Doch was machen die Menschen im Kloster anders als die Menschen draussen? Bei einem Besuch in Mels Anfang April erzählen die zwei Ordensbrüder von ihren Erfahrungen.
Morgendliche Gymnastikeinheiten
Im Kloster Mels leben heute noch sechs Brüder. Der Jüngste ist 36 Jahre, der Älteste 88 Jahre alt. Guardian Beat ist mit seinen 58 Jahren der Zweitjüngste in der Gemeinschaft. Alle sind sie bei guter Gesundheit – sowohl körperlich als auch geistig. «Natürlich merken wir Älteren manchmal unser fortgeschrittenes Alter, aber es geht uns nicht schlecht, wir haben nichts Akutes», so Bruder Ephrem. Er ist ein aufgestellter Zeitgenosse, vif im Kopf und körperlich fitter als manch 40-Jähriger. Nicht ohne Grund. Bruder Ephrem hat seit der Jugend viel Sport betrieben, hat jahrelang Siebenkampf und Leichtathletik praktiziert und Klettertouren unternommen. Heute geht er immer noch oft schwimmen und reiten – einfach weniger intensiv als früher. «Alt werden heisst für mich: Einen Tag nach dem anderen nehmen. Man muss sich arrangieren mit gewissen Sachen und manchmal um Hilfe bitten», sagt Bruder Ephrem. Sport und Bewegung spielen im Alltag der Ordensbrüder eine bedeutende Rolle. «Natürlich auch im Hinblick auf unsere Gesundheit», erklärt Bruder Beat.
Guardian Beat und Bruder Ephrem leben seit mehreren Jahren im Kloster Mels und kennen die Vorzüge des Lebens in einer Gemeinschaft.
Er war früher starker Raucher und hat erst kürzlich damit aufgehört – er habe am Berg zu schnaufen begonnen. «Man merkt erst mit zunehmendem Alter, dass dies nicht guttut. Je älter ich werde, umso mehr achte ich darauf, solche ‘unguten’ Sachen zu vermeiden.» Bruder Beat ist gerne und oft draussen in der Natur, macht täglich einen Spaziergang von mindestens einer Stunde. «Das tut Körper und Geist gut. Man denkt einfach anders draussen.» Wenn er am Morgen keine Zeit findet, versucht er den Spaziergang am Nachmittag in den Tagesablauf einzubauen. Für Bruder Ephrem beginnen die Sporteinheiten noch früher. Kurz nach dem Aufstehen um 5.30 Uhr widmet er sich während 30 Minuten der Morgengymnastik, «auch, um beweglich zu bleiben». Später an diesem Tag führt er uns in seine private Zelle.
Bruder Ephrem macht jeden Morgen Gymnastikübungen. Die Hantel benutzt er nach eigenen Angaben allerdings selten.
Ein Gymnastikmätteli sucht man dort vergeblich – er mache die Übungen am Boden, sagt Bruder Ephrem – stattdessen zeigt er uns seine Hantel, und bevor wir überhaupt richtig gucken können, schwingt er sie schon mehrmals über den Kopf. «Diese benutze ich aber selten.» Bruder Ephrem lacht. Man vermag die Aussage nicht ganz zu glauben, angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der der 80-Jährige mit der Hantel umgeht. Auf den Stepper im Keller schwingt er sich wie ein junger Turner. Auch Bruder Beat ist beeindruckt. Bruder Ephrem ist ein Tausendsassa. Noch heute sitzt er in verschiedenen Verwaltungsräten. «Wir müssen ihn immer ein bisschen bremsen», sagt Bruder Beat.
Ein Ort zum Wohlfühlen
Die Ordensbrüder pflegen ein gutes Verhältnis untereinander. Das spürt man sofort. Bruder Ephrem und Bruder Beat scherzen viel. Nicht oft wird an einem Termin für das Pfarreiforum so herzhaft gelacht wie an diesem Nachmittag in Mels. «Ich bin hier in einer Gesellschaft, in der ich mich sehr wohlfühle. Wir alle fühlen uns sehr wohl an diesem Ort und haben alles, was wir brauchen. Wir leben gerne hier und in der Gemeinschaft. Das hilft natürlich für das Wohlbefinden», sagt Bruder Beat.
Die beiden Ordensbrüder fühlen sich in der Gemeinschaft in Mels wohl.
«Die Gemeinschaft ist für uns alle eine Entlastung», ergänzt Bruder Ephrem. Daneben spiele auch die Sinnhaftigkeit des Tuns eine bedeutende Rolle. «Das Leben im Kloster gibt uns einen Sinn. Wir wissen, warum wir morgens aufstehen. Wir Menschen brauchen einen Sinn in unserem Leben, um glücklich zu sein.» Im Kloster sei die Sinnfrage im Alltag und in der Spiritualität eingebettet. Bei den weltlichen Bürgern sei dies anders. «Heute wird die Sinnfrage ausserhalb der Klostermauern oft verdeckt. Es gibt viele Herausforderungen im Alltag und im Beruf. Das schafft Stress und verdrängt die Sinnfrage. Sich über ‘das Wofür’ im Leben Gedanken zu machen, braucht Zeit. Oft haben wir die heute nicht mehr», sagt Bruder Ephrem. Auch das Zur-Ruhe-Kommen beim Beten und Meditieren steigere das Wohlbefinden.
Beim Beten und Meditieren kommen die Ordensbrüder zur Ruhe. Das reduziert Stress.
Bruder Beat erklärt: «Unser Klosterleben ist geprägt von einem geregelten Ablauf. Wir wissen, wann wir aufstehen müssen und was wir wann zu erledigen haben. Dazwischen haben wir sehr viel mehr Flexibilität als die weltlichen Bürger. Wir haben nicht denselben Stress und nicht denselben Druck.» Die geregelte Essenszeit habe einen weiteren Vorteil: «Wir können uns Zeit nehmen füreinander und für das Essen. Wir sprechen dann oft über das Erlebte oder über Sorgen. Und wir nehmen das Essen bewusst zu uns.» In der Küche bereitet Koch Bruder Josef soeben das Abendessen vor.
Als Koch amtet Bruder Josef. Er zaubert täglich ausgewogene Mahlzeiten auf den Tisch — teilweise stammen die Lebensmittel aus dem Klostergarten.
Der frischgepflückte Salat aus dem eigenen Garten liegt schon parat. Es gibt immer Suppe, Salat, einen Hauptgang «und meist ein Dessert», so Bruder Beat. «Wir essen also sehr ausgewogen.»
«Hoffnung heisst für mich nicht, dass nichts Schlimmes kommen kann. Hoffnung heisst für mich, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, und einen Sinn dahinter zu finden.»
Bruder Beat
Die Situation annehmen
Manchmal macht sich der hohe Altersdurchschnitt im Kloster Mels sichtbar. Nicht mehr alle Arbeiten können die Ordensbrüder alleine verrichten. Für die Reinigung der öffentlichen sowie der gemeinschaftlich genutzten Räume beispielsweise haben sie Hilfe von Angestellten und Freiwilligen. Ebenso bei der Gartenarbeit, die für die sechs Brüder mittlerweile zu anstrengend geworden ist. Mit einer Ausnahme: «Den Rasen mähe meist ich. Der Rasenmäher läuft ja von alleine vorwärts», sagt Bruder Beat und lacht. «Natürlich steht uns mit fortschreitendem Alter nicht mehr alles offen, aber das kann auch positiv sein. Wir ‘müssen’ nicht mehr alles machen.» Im Laufe der Jahre verändere sich die Einstellung zum Leben. «Es geht darum, mit der aktuellen Situation einen Umgang zu finden. Irgendwann merkt man, dass man nicht innerlich gegen etwas ankämpfen muss, dass man nicht beeinflussen kann.» Die beiden sprechen an diesem Nachmittag viel über Akzeptanz, darüber, dass man das Beste aus einer Situation machen müsse.
Bruder Ephrem ist 80 Jahre alt. Er sagt: «Langsam geht es dem Tod entgegen. Respekt habe ich davor, dass ich irgendwann vielleicht im Kopf nicht mehr da bin, dass ich Demenz bekomme. Alles andere muss ich in Kauf nehmen.»
Angst vor der Zukunft haben die beiden nicht. Ob sie denn auch, wie viele Menschen ausserhalb der Klostermauern, für die eigene Gesundheit beten, will man wissen. Die beiden Brüder schauen sich wieder an und antworten mit einem deutlichen Nein. «Ich sage mir immer: Da musst schon du selbst dafür sorgen», sagt Bruder Ephrem und Bruder Beat ergänzt: «Hoffnung heisst für mich nicht, dass nichts Schlimmes kommen kann. Hoffnung heisst für mich, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, und einen Sinn dahinter zu finden. Natürlich will ich gerne alt werden und am liebsten geistig fit bleiben. Körperlich wünsche ich mir, dass ich einigermassen ‘zwäg’ bleibe und nicht bettlägerig werde.» Mit zunehmendem Alter macht sich auch Bruder Ephrem mehr Gedanken über seinen Lebensabend. Er weiss, dass das irdische Leben endlich ist. «Langsam geht es dem Tod entgegen. Respekt habe ich davor, dass ich irgendwann vielleicht im Kopf nicht mehr da bin, dass ich Demenz bekomme. Das wäre schlimm für mich. Alles andere muss ich in Kauf nehmen.»
Der Altersdurchschnitt im Kloster Mels liegt bei 65 Jahren. Die sechs Kapuziner sind alle bei bester Gesundheit. Nicht ohne Grund: Der Alltag im Kloster tut gut, wie eine Studie belegt. Im Schnitt leben Ordensbrüder fünf Jahre länger als ihre weltlichen Kollegen. Doch woran liegt das? Bruder Ephrem und Guardian Beat erzählen, worauf es ankommt.
Im Sprechzimmer des Klosters Mels herrscht zuerst Ratlosigkeit. Die beiden Ordensbrüder Beat und Ephrem schauen sich kurz irritiert an, dann antwortet Bruder Ephrem auf die Frage, wie es ihm geht: «Ich bin nicht mehr zwanzig, das merke ich natürlich. Aber mir geht es recht gut. Ich bin zufrieden.» Die Frage kommt nicht von ungefähr. Bruder Ephrem ist im vergangenen Februar 80 Jahre alt geworden. Vor 60 Jahren ist er in den Orden der Kapuziner und damit in das Klosterleben eingetreten. Guardian Beat ist seit 36 Jahren im Orden. Und damit haben die beiden die besten Voraussetzungen für ein langes Leben. Gemäss einer aktuellen Studie leben Ordensmänner im Schnitt fünf Jahre länger als ihre weltlichen Kollegen.
Gemäss der Deutsch-Österreichischen Klosterstudie des Instituts für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften leben Ordensmänner im Schnitt fünf Jahre länger.
Als Gründe werden unter anderem der geregelte Alltag und das Leben in der Gemeinschaft genannt. Dies zeigt, dass unsere Lebenserwartung nicht nur biologisch vorgegeben, sondern zum Teil beeinflussbar ist. Doch was machen die Menschen im Kloster anders als die Menschen draussen? Bei einem Besuch in Mels Anfang April erzählen die zwei Ordensbrüder von ihren Erfahrungen.
Morgendliche Gymnastikeinheiten
Im Kloster Mels leben heute noch sechs Brüder. Der Jüngste ist 36 Jahre, der Älteste 88 Jahre alt. Guardian Beat ist mit seinen 58 Jahren der Zweitjüngste in der Gemeinschaft. Alle sind sie bei guter Gesundheit – sowohl körperlich als auch geistig. «Natürlich merken wir Älteren manchmal unser fortgeschrittenes Alter, aber es geht uns nicht schlecht, wir haben nichts Akutes», so Bruder Ephrem. Er ist ein aufgestellter Zeitgenosse, vif im Kopf und körperlich fitter als manch 40-Jähriger. Nicht ohne Grund. Bruder Ephrem hat seit der Jugend viel Sport betrieben, hat jahrelang Siebenkampf und Leichtathletik praktiziert und Klettertouren unternommen. Heute geht er immer noch oft schwimmen und reiten – einfach weniger intensiv als früher. «Alt werden heisst für mich: Einen Tag nach dem anderen nehmen. Man muss sich arrangieren mit gewissen Sachen und manchmal um Hilfe bitten», sagt Bruder Ephrem. Sport und Bewegung spielen im Alltag der Ordensbrüder eine bedeutende Rolle. «Natürlich auch im Hinblick auf unsere Gesundheit», erklärt Bruder Beat.
Guardian Beat und Bruder Ephrem leben seit mehreren Jahren im Kloster Mels und kennen die Vorzüge des Lebens in einer Gemeinschaft.
Er war früher starker Raucher und hat erst kürzlich damit aufgehört – er habe am Berg zu schnaufen begonnen. «Man merkt erst mit zunehmendem Alter, dass dies nicht guttut. Je älter ich werde, umso mehr achte ich darauf, solche ‘unguten’ Sachen zu vermeiden.» Bruder Beat ist gerne und oft draussen in der Natur, macht täglich einen Spaziergang von mindestens einer Stunde. «Das tut Körper und Geist gut. Man denkt einfach anders draussen.» Wenn er am Morgen keine Zeit findet, versucht er den Spaziergang am Nachmittag in den Tagesablauf einzubauen. Für Bruder Ephrem beginnen die Sporteinheiten noch früher. Kurz nach dem Aufstehen um 5.30 Uhr widmet er sich während 30 Minuten der Morgengymnastik, «auch, um beweglich zu bleiben». Später an diesem Tag führt er uns in seine private Zelle.
Bruder Ephrem macht jeden Morgen Gymnastikübungen. Die Hantel benutzt er nach eigenen Angaben allerdings selten.
Ein Gymnastikmätteli sucht man dort vergeblich – er mache die Übungen am Boden, sagt Bruder Ephrem – stattdessen zeigt er uns seine Hantel, und bevor wir überhaupt richtig gucken können, schwingt er sie schon mehrmals über den Kopf. «Diese benutze ich aber selten.» Bruder Ephrem lacht. Man vermag die Aussage nicht ganz zu glauben, angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der der 80-Jährige mit der Hantel umgeht. Auf den Stepper im Keller schwingt er sich wie ein junger Turner. Auch Bruder Beat ist beeindruckt. Bruder Ephrem ist ein Tausendsassa. Noch heute sitzt er in verschiedenen Verwaltungsräten. «Wir müssen ihn immer ein bisschen bremsen», sagt Bruder Beat.
Ein Ort zum Wohlfühlen
Die Ordensbrüder pflegen ein gutes Verhältnis untereinander. Das spürt man sofort. Bruder Ephrem und Bruder Beat scherzen viel. Nicht oft wird an einem Termin für das Pfarreiforum so herzhaft gelacht wie an diesem Nachmittag in Mels. «Ich bin hier in einer Gesellschaft, in der ich mich sehr wohlfühle. Wir alle fühlen uns sehr wohl an diesem Ort und haben alles, was wir brauchen. Wir leben gerne hier und in der Gemeinschaft. Das hilft natürlich für das Wohlbefinden», sagt Bruder Beat.
Die beiden Ordensbrüder fühlen sich in der Gemeinschaft in Mels wohl.
«Die Gemeinschaft ist für uns alle eine Entlastung», ergänzt Bruder Ephrem. Daneben spiele auch die Sinnhaftigkeit des Tuns eine bedeutende Rolle. «Das Leben im Kloster gibt uns einen Sinn. Wir wissen, warum wir morgens aufstehen. Wir Menschen brauchen einen Sinn in unserem Leben, um glücklich zu sein.» Im Kloster sei die Sinnfrage im Alltag und in der Spiritualität eingebettet. Bei den weltlichen Bürgern sei dies anders. «Heute wird die Sinnfrage ausserhalb der Klostermauern oft verdeckt. Es gibt viele Herausforderungen im Alltag und im Beruf. Das schafft Stress und verdrängt die Sinnfrage. Sich über ‘das Wofür’ im Leben Gedanken zu machen, braucht Zeit. Oft haben wir die heute nicht mehr», sagt Bruder Ephrem. Auch das Zur-Ruhe-Kommen beim Beten und Meditieren steigere das Wohlbefinden.
Beim Beten und Meditieren kommen die Ordensbrüder zur Ruhe. Das reduziert Stress.
Bruder Beat erklärt: «Unser Klosterleben ist geprägt von einem geregelten Ablauf. Wir wissen, wann wir aufstehen müssen und was wir wann zu erledigen haben. Dazwischen haben wir sehr viel mehr Flexibilität als die weltlichen Bürger. Wir haben nicht denselben Stress und nicht denselben Druck.» Die geregelte Essenszeit habe einen weiteren Vorteil: «Wir können uns Zeit nehmen füreinander und für das Essen. Wir sprechen dann oft über das Erlebte oder über Sorgen. Und wir nehmen das Essen bewusst zu uns.» In der Küche bereitet Koch Bruder Josef soeben das Abendessen vor.
Als Koch amtet Bruder Josef. Er zaubert täglich ausgewogene Mahlzeiten auf den Tisch — teilweise stammen die Lebensmittel aus dem Klostergarten.
Der frischgepflückte Salat aus dem eigenen Garten liegt schon parat. Es gibt immer Suppe, Salat, einen Hauptgang «und meist ein Dessert», so Bruder Beat. «Wir essen also sehr ausgewogen.»
«Hoffnung heisst für mich nicht, dass nichts Schlimmes kommen kann. Hoffnung heisst für mich, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, und einen Sinn dahinter zu finden.»
Bruder Beat
Die Situation annehmen
Manchmal macht sich der hohe Altersdurchschnitt im Kloster Mels sichtbar. Nicht mehr alle Arbeiten können die Ordensbrüder alleine verrichten. Für die Reinigung der öffentlichen sowie der gemeinschaftlich genutzten Räume beispielsweise haben sie Hilfe von Angestellten und Freiwilligen. Ebenso bei der Gartenarbeit, die für die sechs Brüder mittlerweile zu anstrengend geworden ist. Mit einer Ausnahme: «Den Rasen mähe meist ich. Der Rasenmäher läuft ja von alleine vorwärts», sagt Bruder Beat und lacht. «Natürlich steht uns mit fortschreitendem Alter nicht mehr alles offen, aber das kann auch positiv sein. Wir ‘müssen’ nicht mehr alles machen.» Im Laufe der Jahre verändere sich die Einstellung zum Leben. «Es geht darum, mit der aktuellen Situation einen Umgang zu finden. Irgendwann merkt man, dass man nicht innerlich gegen etwas ankämpfen muss, dass man nicht beeinflussen kann.» Die beiden sprechen an diesem Nachmittag viel über Akzeptanz, darüber, dass man das Beste aus einer Situation machen müsse.
Bruder Ephrem ist 80 Jahre alt. Er sagt: «Langsam geht es dem Tod entgegen. Respekt habe ich davor, dass ich irgendwann vielleicht im Kopf nicht mehr da bin, dass ich Demenz bekomme. Alles andere muss ich in Kauf nehmen.»
Angst vor der Zukunft haben die beiden nicht. Ob sie denn auch, wie viele Menschen ausserhalb der Klostermauern, für die eigene Gesundheit beten, will man wissen. Die beiden Brüder schauen sich wieder an und antworten mit einem deutlichen Nein. «Ich sage mir immer: Da musst schon du selbst dafür sorgen», sagt Bruder Ephrem und Bruder Beat ergänzt: «Hoffnung heisst für mich nicht, dass nichts Schlimmes kommen kann. Hoffnung heisst für mich, die Dinge so zu nehmen, wie sie kommen, und einen Sinn dahinter zu finden. Natürlich will ich gerne alt werden und am liebsten geistig fit bleiben. Körperlich wünsche ich mir, dass ich einigermassen ‘zwäg’ bleibe und nicht bettlägerig werde.» Mit zunehmendem Alter macht sich auch Bruder Ephrem mehr Gedanken über seinen Lebensabend. Er weiss, dass das irdische Leben endlich ist. «Langsam geht es dem Tod entgegen. Respekt habe ich davor, dass ich irgendwann vielleicht im Kopf nicht mehr da bin, dass ich Demenz bekomme. Das wäre schlimm für mich. Alles andere muss ich in Kauf nehmen.»
Sich freiwillig zu engagieren halte geistig und körperlich fit, sagt der pensionierte Kirchberger Arzt Felix Fust. Er selbst setzt sich bei «Zeitgut Toggenburg» für die Nachbarschaftshilfe ein. Mitunter am meisten faszinieren ihn die verschiedenen Lebensgeschichten.
Wenn Felix Fust über das Alter spricht wird deutlich, dass ihn dieses fasziniert. Der pensionierte Kirchberger Arzt und aktuelle Gemeinde-Koordinator für Kirchberg beim Verein Zeitgut Toggenburg legt einen Zeitungsartikel auf den Stubentisch und zitiert aus diesem: «Jedes vierte, im Jahre 2024 geborene Mädchen und jeder sechste Junge wird schätzungsweise mindestens 100 Jahre alt», sagt er und fügt an: «Aber was bedeutet das für die Gesellschaft, gerade in Zeiten, in denen Familienverbände nicht mehr so stark sind wie früher?» Zeitgut Toggenburg ist eine Möglichkeit auf diesen Strukturwandel in der Gesellschaft zu reagieren. Wer sich bei dem Verein engagiert, bekommt die Stunden, die er leistet, gutgeschrieben. Die Freiwilligen können diese bei Bedarf später selbst beziehen. Vor allem sei es aber wichtig, Jung und Alt zusammenzubringen, generationenübergreifend zu denken und entsprechende Angebote zu schaffen.
Von Erinnerungen erzählen
«Der von Aktion ‹Kirchberg-bewegt› initiierte Generationenspielplatz neben dem Fussballplatz in Kirchberg oder Kindergartenprogramme, zu denen Besuchstage im Altersheim gehören, schaffen niederschwellig Berührungspunkte», sagt der 76-Jährige. Kinder würden durch ihre spontane und direkte Art viel aus älteren Personen herausholen und diese auf eine ganz andere Weise aktivieren, als es beispielsweise Pflegefachpersonen tun. «Und da heute längst nicht mehr jedes Kind regelmässig seine Grosseltern sieht, kann es im Gegenzug von den Erfahrungen und Erinnerungen der älteren Personen profitieren.»
«Der moderne Mensch hat oft die Erwartungshaltung, dass Medizin alles kann.»
Felix Fust, pensionierter Hausarzt
Beim Älterwerden begleitet
Der Bäcker, der nach seiner Pensionierung einmal pro Woche in einer Kita kocht und davon begeistert ist. Oder ein Tierliebhaber, der mit dem Hund eines über 80jährigen Mannes, der schlecht zu Fuss ist, spazieren geht, damit das Tier bei ihm bleiben darf und nicht ins Tierheim muss. Das sind Beispiele, wie bei Zeitgut Nachbarschaftshilfe geleistet wird. «Sich zu engagieren ist auch immer etwas, das einen selbst geistig und körperlich fit hält. Unter Menschen zu sein und sich sozial einzubringen hält jung», sagt Felix Fust. «Aber neu ist diese Erkenntnis ja nicht. Gesund alt werden ist seit Jahren eines der Trendthemen in den Medien», sagt er und zieht einen weiteren Zeitungsartikel hervor. Dieser listet Faktoren auf, die einen gesunden Lebensstil ausmachen: Aktiv sein, sich gesund ernähren und viel bewegen, nicht rauchen, wenig Alkohol trinken, positive soziale Beziehungen pflegen, Stress reduzieren und möglichst keine opioidhaltigen Medikamente zu sich nehmen sind einige Empfehlungen, die genannt werden. «Als Arzt in Kirchberg habe ich viele Menschen beim Älterwerden begleitet», sagt Felix Fust. «Dabei war gesund alt werden natürlich eines der wichtigen Themen. Wobei der moderne Mensch schon oft die Erwartungshaltung hat, dass Medizin alles kann.» Beeindruckt hat ihn als Arzt auch, wie unterschiedlich Personen damit umgegangen sind, wenn sie die Diagnose einer unheilbaren Krankheit erhalten haben. «Oft kam dann bei meinen Patientinnen und Patienten der Glaube im traditionellen Sinn zum Vorschein. Überrascht hat mich immer auch, wie viele ihr Schicksal angenommen statt damit gehadert haben», sagt er. Als Gegenbeispiel sei ihm ein Geistlicher in Erinnerung geblieben, dem es überraschenderweise schwerfiel seine Krankheit zu akzeptieren und der immer weitere medizinische Abklärungen forderte.
Was da ist nutzen
Durch sein Engagement bei Zeitgut Toggenburg ist Felix Fust weiterhin nahe an den Lebensgeschichten der Menschen dran. «Ich kann sie beraten, ohne aber wie früher als Arzt alles lösen zu müssen. Das mache ich gerne und es gibt mir etwas zurück», sagt er. Projekte und Visionen, die sich in Kirchberg umsetzen liessen, hat Felix Fust einige: So etwas wie den b’treff in Wattwil hätte er gerne, also einen Ort mit niederschwelligen Unterstützungsangeboten und einem Begegnungscafé. Auch Rikschafahrten wie in Rorschach würde er gerne in Kirchberg anbieten. Dabei unternehmen Freiwillige mit einem umgebauten Lastenvelo Ausfahrten mit Pflegeheimbewohnerinnen und ‑bewohnern. «Die Überalterung und die Vereinsamung nehmen zu. Die Ressourcen für freiwilliges Engagement sind in der Geselschaft da. Das müssen wir nutzen.»
Kasten: In dem Verein Zeitgut-Toggenburg engagieren sich aktuell über 450 Freiwillige in der Nachbarschaftshilfe. Die Stunden, die sie leisten, bekommen sie gutgeschrieben. Die Freiwilligen können diese bei Bedarf später selbst beziehen. 2016 wurde Zeitgut-Toggenburg in Lichtensteig gegründet. «Kirchberg-bewegt», in deren Rahmen Projekte wie der Helsana-Trail oder ein neuer Generationen-Spielplatz eröffnet wurde, ist seit 2020 Mitglied. Ziel von Zeitgut-Toggenburg ist es, sich generationenübergreifend für Nachbarn, Betagte, Asyl-suchende, Familien, ja allgemein für unsere Mitmenschen einzusetzen. → Infos unter zeitgut-toggenburg.ch
Auch im Frühling 2024: Armutsbetroffen trotz einem oder mehrerer Jobs? Mit ihren Rundgängen «unten_durch» machte die Caritas im Sommer 2023 in Bad Ragaz und Buchs deutlich, dass dieses Schicksal alle treffen kann. 2024 geht es weiter in Altstätten und Bütschwil (Daten siehe unten).
Donnerstagabend in Bad Ragaz vor dem Rathaus: Eine Besuchergruppe wartet darauf, ihren Rundgang durch den Ort zu starten. Plötzlich wird man Zeuge einer lautstarken Auseinandersetzung. Eine junge Frau verwickelt im Vorbeigehen die Leiterin vom Sozialamt in einer nachgestellten Szene in ein Gespräch. Mit einem Brief habe man ihr mitgeteilt, dass ihr erneut das Geld gekürzt werde. «Wie soll ich denn jetzt mein Prepaidhandy aufladen?», fragt sie sichtlich verzweifelt.
Abgebrochene Lehre
Ohne Geld auf dem Prepaidhandy und ohne Computer und eigenen Drucker sei es schwer, sich zu bewerben. Jede gekaufte Kopie wie auch Zug- und Buskosten strapazierten ihr ohnehin schon knappes Budget, sagt sie. Und dann erklärt sie den Umstehenden, wie die Einhaltung von Fristen und die Erbringung von Unterlagen für das Amt ihr das Leben schwer machen – insbesondere, wenn ihr Kind wieder einmal krank sei. Der Ursprung für ihre Misere, so erzählt sie den Zuhörenden, sei eine Hirnhautentzündung während der Lehrzeit gewesen. Sie habe die Lehre wegen der schlimmen Kopfschmerzen und damit verbundenen Fehlzeiten nicht beenden können. Ihr Gesuch an die IV sei wiederholt abgelehnt worden, da Entzündungen und Schmerzen nur sehr schwer nachzuweisen seien. Jede Arbeitsstelle verliere sie deswegen bald wieder. Ihre Ratlosigkeit überträgt sich aufs Publikum.
Stammtischthesen
Zugegeben: die Szene ist nur gespielt, aber sie basiert auf wahren Begebenheiten aus dem Beratungsalltag in der Regionalstelle der Caritas St. Gallen-Appenzell in Sargans. Romy Forlin (Theater Romli) hat die Erfahrungen zu realitätsnahen Dialogen auf der Strasse verarbeitet und spielt diese nun gemeinsam mit ihren Kolleginnen Lilian Meier, Chiara Ilic-Meier und Carla Stoop. Dabei werden Stammtischthesen und Vorurteile aufgeworfen und anhand von realen Beispielen widerlegt. So bekommt Armut in besonderer Weise ein Gesicht. Scheidung, Krankheit und Arbeitslosigkeit sind mögliche Ursachen für die finanzielle Schieflage. Lorenz Bertsch und Olivia Conrad von der Regionalstelle Sargans der Caritas St. Gallen-Appenzell untermauern die Szenen zu Themen wie Arbeit, Bildung und Gesundheit an naheliegenden Schauplätzen mit Fakten.
Armut macht einsam
Vor dem Supermarkt wird deutlich, dass Lebenshaltungskosten wie Miete, Krankenkasse und Lebensmittel innerhalb der letzten 20 Jahre markant gestiegen sind, während die Löhne im Tieflohnsegment konstant blieben. Betrachtet man zudem, dass in manchen Jobs Präsenz auf Abruf oder übermässige Flexibilität bezüglich Arbeitszeit oder Überstunden verlangt wird, so wird klar, warum dies die Gesundheit gefährdet. Die notwendige Zahnspange fürs Kind, Freizeitaktivitäten und soziale Kontakte werden zum unerreichbaren Luxus. Armut macht einsam. Es verwundert also nicht, dass oft der Bahnhof zur Endstation wird. Hier ist das Bier günstig und hier trifft man Menschen, die ebenfalls «abem Charrä gheit sin», wie es in der letzten Szene am Bahnhof heisst. Hier findet man Schicksalsgenossen mit Verständnis.
Text und Bild: Kathrin Wetzig
Veröffentlicht: 19.07.2023
Aktualisiert: 23.04.2024
«unten_durch»2024
4. Mai in Bütschwil und 18. Mai in Altstätten. Max. 20 Personen pro Rundgang. Weitere Infos und Anmeldung: https://caritas-regio.ch/ (Region St.Gallen-Appenzell)
Die Photovoltaikanlage auf dem Dach der katholischen Kirche in Oberegg wird im Mai zehnjährig. Die Energiequelle hat eine bewegte Geschichte. Die treibende Kraft war unter anderem der Dorfpfarrer.
Oberegg wird gerne als Unikat bezeichnet. Vom restlichen Innerrhoder Kantonsgebiet abgetrennt hatte der Bezirk Oberegg als Enklave schon immer eine besondere Stellung. Einen unkonventionellen Weg wählt auch die Kirchgemeinde in Bezug auf erneuerbare Energien. Ein Rückblick: An der Kirchgemeindeversammlung vom 30. März 2012 votierten alle anwesenden Bürgerinnen und Bürger einstimmig für die geplante Photovoltaikanlage auf Obereggs Kirchendach. Die Baubewilligung wurde sofort eingereicht. Drei Monate später folgte eine Einsprache von Denkmalpflege und Heimatschutz. Walter Breu, Bau- und Sachverständiger der Kirchgemeinde Oberegg, erinnert sich: «Die Behörden argumentierten, die Kirche sei ein geschütztes Objekt und zudem habe der Ortsbildschutz Vorrang.» Im Oktober hat die Standeskommission den Rekurs von Denkmalpflege und Heimatschutz abgewiesen, dennoch wurde im Dezember dieselbe Beschwerde wiederum eingereicht, dieses Mal mit Unterstützung von zwei Architekten. Dieser Rekurs wurde dann vom Kantonsgericht behandelt und letztlich im Mai 2013 abgewiesen. Damit war der Weg für erneuerbare Energien definitiv freigeräumt und im Mai 2014 konnte die PV-Anlage in Betrieb genommen werden.
Seit zehn Jahren ist auf dem Dach der Katholischen Kirche Oberegg eine Photovoltaikanlage zu finden.
Ein engagierter Pfarrer
Der Oberegger Pfarrer Johann Kühnis, der im Jahr 2022 verstarb, ist von Anfang an die treibende Kraft hinter diesem Projekt. Breu erklärt: «Er sah von seinem Wohnzimmer aus direkt aufs Kirchendach und war überzeugt, dass die südliche Lage perfekt wäre für eine Solaranlage. So ist die Idee entstanden, die Sonnenkraft als Quelle für den hohen Energieverbrauch der Kirche zu nutzen.» Nach den Einsprachen setzt sich Kühnis öffentlich für die PV-Anlage ein. Das St. Galler Tagblatt berichtet damals über ihn: «Er ist der Meinung, dass die Kirche in Sachen erneuerbarer Energie als Vorbild agieren sollte und dass die vorgesehene Dachfläche vom Dorf aus nicht sichtbar sei.» Kühnis bleibt auch nach seinem Tod als «Pate der PV-Anlage» und als beliebter Pfarrer in Erinnerung. Er habe sich bis zur finalen Umsetzung des Projektes mit viel Herzblut engagiert: «Er hat sogar persönlich mitgeholfen, die Panels zu montieren», berichtet Breu. Zum Abschied von Kühnis sagte der Pfarreileiter Albert Kappenthuler: «Es gäbe unendlich vieles aufzuzählen, was er geleistet hat. Das Wichtigste aber ist, dass er immer Mensch geblieben ist, mit beiden Füssen auf dem Boden, fest verwurzelt im Glauben, aber auch stets offen für das Alltägliche und Gewöhnliche. Etwa für die Photovoltaik-Anlage auf dem Kirchendach oder einen Jass am Stammtisch.»
Ohne Zertifikat
«Die PV-Anlage besteht aus speziellen Modulen, die einerseits sehr effizient sind – sie liefern zirka 35 000 KW pro Jahr – und andererseits optisch sehr dezent wirken», weiss Mesmer Rolf Hochreutener. Rund 40 Prozent des eigenen Energieverbrauches können damit abgedeckt werden. Die Kirchgemeinde Oberegg lege grossen Wert auf einen schonenden Umgang mit Ressourcen. «Unser Kirchturm wird beispielsweise nur noch an Feiertagen und nachts beleuchtet und im Moment planen wir, die Beleuchtung von Halogen auf LED umzustellen», so Hochreutener. Auf die Frage, ob kirchliche Umweltpreise oder Zertifizierungen wie «Der Grüne Güggel» auch ein Thema in Oberegg seien, verneinen die Verantwortlichen: «Der Prozess bis zur Zertifizierung ist sehr personal- und kostenintensiv, wir nehmen lieber kleine Schritte in Angriff, die wir mit dem aktuellen Team bewältigen können.»
Was zur Erstkommunion schenken?Was passt zu diesem besonderen Fest?
Zoobesuch: Wer zur Erstkommunion ein «gemeinsames Erlebnis» oder gemeinsam verbrachte Zeit schenkt, sorgt für bleibende Erinnerungen. Wohin wollte das Erstkommunionskind schon lange mal? In einen Zoo, in einen Freizeitpark oder in eine besondere Stadt? Oder wünscht es sich einen Töpferkurs? Nicht vergessen: ein gemeinsames Erinnerungsbild machen!
Geld: Manche tun sich schwer damit, Geld zu schenken – und gerade bei einem religiösen Fest? Doch sinnvoller als «Staubfänger» ist es auf jeden Fall. Die Kinder können motiviert werden, das Geld zu sparen, um sich damit später etwas Grösseres zu kaufen.
Ein Kreuz oder Schmuckstück: Geht das noch in der heutigen Zeit? Es ist erstaunlich, wie viele Jugendliche und junge Erwachsene auch heute noch, Anhänger oder andere Schmuckstücke tragen, die sie zur Erstkommunion oder Firmung erhalten haben. Nicht immer als religiöses Bekenntnis, aber oft als Erinnerung an das Fest, die Familie und die Person, die ihm das Geschenk als Glücksbringer überreicht hat. Unbedingt gemeinsam mit dem Kind aussuchen – so trifft man dessen Geschmack.
Bibel: Auch Menschen, die sie eher kirchenfern sind, können Bibeln schenken: Eine Bibel kann zum Lebensbegleiter werden. Sie enthält Tipps und Impulse für alle Lebenssituationen und jede Menge Zuversicht und Zuspruch. Im Buchhandel sind heute viele moderne und alternative Bibelausgaben zu finden, die selbst Kinder und Familien ansprechen, die sich mit tradtionellen Bibeln eher schwer tun. Tipp: «Die Kinder-Bibel – die beste Geschichte aller Zeiten» von Georg Langenhorst, mit pfiffigen Illustrationen von Tobias Krejtschi.
Familienfest: Gemeinsame Zeit deluxe: Anstatt nur das Kind beschenken, die ganze Familie zu einem besonderen Anlass oder Ausflug einladen. Dann kann man gemeinsam die Erinnerungen an die Erstkommunion teilen, Fotos anschauen und das Zusammensein nochmals geniessen.
Bücher: Wem die Bibel zu fromm ist – oder wenn das Kind schon eine hat, für den gibt es auch viele andere Kinderbücher, die auf kindgerechte Weise sich mit zentralen Lebensfragen beschäftigen, für Nächstenliebe und Mut motivieren. Fragen Sie am besten Ihre Büchhändlerin oder Ihren Buchhändler! (ssi)
Robyn Jung, Oberministrantin in Henau, hat ihre Maturaarbeit immigrierten Müttern und deren Integration gewidmet. Durch die Erfahrungen konnte die 18-Jährige eigene Vorurteile abbauen.
Wissen schafft Verständnis, Verständnis schafft Akzeptanz – davon ist Robyn Jung überzeugt. Die 18-Jährige schliesst im Sommer die Kantonsschule ab und hat sich intensiv mit der Integration beschäftigt. Für ihre Maturaarbeit ist sie in das Leben immigrierter Mütter eingetaucht – hat mit einer Türkin Ramadan gefeiert und mit einer Ukrainerin einen Flohmarkt veranstaltet. Entstanden ist das Buch «Across Boarders – The Integration of Immigrant Mothers» (auf Deutsch: Grenzüberschreitend) mit acht Portraits von Frauen, die ihren Weg in der Schweiz suchen. Ihr Fazit: «Für immigrierte Mütter ist es nicht einfach, sich in der Gesellschaft zu integrieren und Beruf, Familie und Privatleben zu vereinen.»
Robyn Jung hat ihre Maturaarbeit über immigrierte Mütter geschrieben. Sie weiss: «Für diese ist es nicht immer einfach, sich zu integrieren.»
Oft hätten junge Männer weniger Probleme, würden von Behörden Hilfe erhalten, schneller in Sprachkurse integriert und bei der Jobsuche unterstützt. Bei Frauen brauche es mehr Selbstinitiative. «Dabei übernehmen die Mütter eine sehr wichtige Rolle. Sie erziehen die Kinder und formen deren Zukunft. Und damit unser aller Leben.» Kindererziehung und Integration – bei immigrierten Müttern bleibe häufig eines von beiden auf der Strecke.
Wie in der Schule
Robyn Jung ist in Henau bei Wil aufgewachsen. In der Pfarrei engagiert sie sich als Ministrantin, seit eineinhalb Jahren ist sie sogar Oberministrantin. Seit Kurzem ist sie zudem Leiterin im Kindertreff Kunterbunt, einem Angebot der Pfarrei. Sie ist in einer offenen Familie gross geworden, macht die bilinguale Matura in Englisch und reist wie viele junge Menschen gerne in ferne Länder. Multikulturalität gehört für Robyn Jung zum Alltag, und dennoch sagt sie: «Auch ich habe Vorurteile.» Eigene Vorstellungen bringe man nicht so einfach weg. Die Erlebnisse mit den Migrantinnen haben Eindruck hinterlassen.
Im Buch «Across Boarders – The Integration of Immigrant Mothers» (auf Deutsch: Grenzüberschreitend) porträtiert Robin Jung acht Frauen, die ihren Weg in der Schweiz suchen.
Sie habe gelernt, wie wichtig gegenseitiges Interesse und gegenseitige Bemühungen sind. «Die Migrantinnen und Migranten sind froh, wenn man Interesse zeigt und mit ihnen in den Dialog tritt. So können Ängste abgebaut werden. Umgekehrt müssen auch die Migrantinnen und Migranten offen sein und sich anpassen wollen.» Robyn Jung vergleicht es mit dem Berufs- oder Schulalltag. «Man muss nicht alle mögen, aber man muss miteinander auskommen. Dabei gibt es Grundregeln, an die wir uns alle halten müssen.»
Mit Bestnote ausgezeichnet
Bei der Integration böten vor allem auch die Kirchen eine Chance, so die junge Frau: «Religion kann helfen, sich als Teil der Gemeinschaft zu fühlen. Zudem bieten Kirchen oft viele Möglichkeiten zur Partizipation.» Robyn Jung ist dankbar, dass sie die Erfahrungen im Rahmen ihrer Maturaarbeit machen konnte.
Robyn Jung konnte in den Gesprächen mit den immigrierten Müttern Vorurteile abbauen.
Diese wurde nicht ohne Grund mit der Bestnote ausgezeichnet. Im Januar hat sie eine Podiumsdiskussion in Wil veranstaltet, an der auch der Wiler Stadtrat Dario Sulzer, Vorsteher des Departements Gesellschaft und Sicherheit, und Claudia Nef, Geschäftsführerin des Trägervereins Integrationsprojekte St. Gallen, teilnahmen. Zu den portraitierten Frauen hat Robyn Jung immer noch Kontakt und sie denkt gerne an die gemeinsamen Erlebnisse zurück. Sie ist überzeugt: «Das Leben mit zwei Kulturen bringt viele Vorteile. Man kann aus beiden das Beste herausnehmen.»
Text: Alessia Pagani Bilder: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 8. April 2024
Pfarrblatt im Bistum St.Gallen Webergasse 9 9000 St.Gallen