Wiborada vertanzt

Robi­na Stey­er kann­te nur den Namen Wibora­da. Mehr hatte die 40-Jährige über die Inklu­sin nicht gewusst. Dann hat sie sich entschlos­sen, das Leben der Einsied­le­rin tänze­risch darzu­stellen. Dabei hat sie viele Paral­le­len zur heuti­gen Zeit entdeckt.

Robi­na Stey­er lässt ein blau­es Tuch über ihren Kopf schwe­ben. Regel­mäs­sig hält sie inne, über­legt und beginnt von Neuem. Eine Frage beschäf­tigt sie in diesem Moment spezi­ell: «Wie lässt sich das beweg­te Leben einer Frau in Einsam­keit vor über 1000 Jahren tänze­risch darstel­len?» Wieder lässt ­Robi­na Stey­er das blaue Tuch über ihrem Kopf krei­sen. «Es ist ein zentra­les Element und stellt den Himmel und den Geist dar. Es soll versinn­bild­li­chen, wie der Geist in der Einsam­keit wächst und grös­ser wird», erklärt Robi­na Stey­er. Die 40-Jährige ist ausge­bil­de­te Tänze­rin, Choreo­gra­fin und Dozen­tin und probt momen­tan ein ganz beson­de­res Stück. Anfang Mai bringt sie «Sanc­ta Wibora­da – eine Reise ins Inne­re der Rebel­li­on» erst­mals auf die Bühne.

Liebe für sozi­al­kri­ti­sche Themen

Das Stück ist eine Heraus­for­de­rung für die erfah­re­ne Darstel­le­rin, die zwischen 2014 und 2019 als Solis­tin in der Tanz­kom­pa­nie St. Gallen enga­giert war. «Es ist nicht ganz einfach, das Leben der heili­gen Wibora­da zu vertan­zen», sagt sie und lächelt. Wie vielen ande­ren sei auch ihr der Name zwar ein Begriff gewe­sen, die Geschich­te aber fremd. Robi­na Stey­er ist in der DDR gebo­ren und bezeich­net sich als «nicht sonder­lich gläu­big». Heute ist sie faszi­niert von der Inklu­sin: «Ich habe heraus­ge­fun­den, wie span­nend Wibora­da war. Im Kern ist es eine femi­nis­ti­sche, sozi­al­kri­ti­sche Geschich­te. Das schät­ze ich sehr.» Robi­na Stey­er widmet sich gerne solchen Geschich­ten. Zusam­men mit zwei Kolle­gen leitet sie das ­ConFu­sion­Art Coll­ec­ti­ve in St.Gallen, dass sich immer wieder sozi­al­kri­ti­schen Themen annimmt.

Lange Recher­che

Die 40-Jährige hat in den vergan­ge­nen Wochen viel über das Leben der Inklu­sin recher­chiert, hat Arti­kel gele­sen und mit Exper­tin­nen und Exper­ten gespro­chen. Als gros­se Hilfe bezeich­net Robi­na Stey­er die St.Galler Histo­ri­ke­rin Judith Thoma, die immer mit Rat und Tat zur Seite gestan­den sei. 

«Das Tuch soll versinn­bild­li­chen, wie der Geist in der Einsam­keit wächst und grös­ser wird», so Robi­na Steyer.

Eine gros­se Frage für Robi­na Stey­er war jene nach den Beweg­grün­den der Wibora­da. «Ich habe mir lange über­legt, warum Wibora­da ein Leben in der Inklu­se, ein Leben in Einsam­keit einem Leben in Frei­heit vorge­zo­gen hat.» Robi­na Stey­er spricht von Rebel­li­on, von gesell­schaft­li­chem Druck, von äusse­ren Wert­vor­stel­lun­gen und eige­nen Wegen – und zieht den Vergleich zu heute. «Durch die vielen Einflüs­se verlie­ren wir manch­mal die Verbin­dung zu uns selbst. Es nützt, sich immer wieder zurück­zu­neh­men, inne­zu­hal­ten und sich zu fragen: Was ist Glück für mich über­haupt?». Wibora­da habe sich selbst­be­wusst gegen die gesell­schaft­li­chen Normen gestellt. «Das braucht Mut. Wir können uns ein Beispiel an ihr nehmen.»

Rück­zug ins Selbst

Während all der Mona­te, in denen sie sich auf das Stück vorbe­rei­tet hat, hat Robi­na Stey­er viele Paral­le­len zu ihrem Leben gefun­den. «Das Stück thema­ti­siert den Rück­zug ins Selbst. Auch für uns Künst­le­rin­nen und Künst­ler ein sehr zentra­les Element, wenn wir krea­ti­ve Wege einschla­gen. Es hilft, sich voll in eine Rolle hinein­zu­ge­ben.» Und was erwar­tet die Besu­che­rin­nen und Besu­cher konkret, und wie gross wird das blaue Tuch schluss­end­lich? Alles will Robi­na Stey­er nicht verra­ten. Nur so viel: «Es wird ein Stück, das über die Gren­zen des Glau­bens und des Chris­ten­tums hinaus­blickt und damit für alle zugäng­lich ist.»

«Sanc­ta Wibora­da – eine Reise ins Inne­re der Rebel­li­on»: 2. Mai: Premie­re in der Kirche St. Mangen in St.Gallen, 20 bis 21 Uhr (Eintritt frei); 3. und 4. Mai am Tanz­fest St.Gallen: ­Kirche St. Mangen, 20 bis 21 Uhr (35 Franken)

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: zVg. / Kay Appenzeller

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