Sich auf Spontanes einlassen

Sich frei­wil­lig zu enga­gie­ren halte geis­tig und körper­lich fit, sagt der pensio­nier­te Kirch­ber­ger Arzt Felix Fust. Er selbst setzt sich bei «Zeit­gut Toggen­burg» für die Nach­bar­schafts­hil­fe ein. Mitun­ter am meis­ten faszi­nie­ren ihn die verschie­de­nen Lebensgeschichten.

Wenn Felix Fust über das Alter spricht wird deut­lich, dass ihn dieses faszi­niert. Der pensio­nier­te Kirch­ber­ger Arzt und aktu­el­le Gemeinde-Koordinator für Kirch­berg beim Verein Zeit­gut Toggen­burg legt einen Zeitungs­ar­ti­kel auf den Stuben­tisch und zitiert aus diesem: «Jedes vier­te, im Jahre 2024 gebo­re­ne Mädchen und jeder sechs­te Junge wird schät­zungs­wei­se mindes­tens 100 Jahre alt», sagt er und fügt an: «Aber was bedeu­tet das für die Gesell­schaft, gera­de in Zeiten, in denen Fami­li­en­ver­bän­de nicht mehr so stark sind wie früher?» Zeit­gut Toggen­burg ist eine Möglich­keit auf diesen Struk­tur­wan­del in der Gesell­schaft zu reagie­ren. Wer sich bei dem Verein enga­giert, bekommt die Stun­den, die er leis­tet, gutge­schrie­ben. Die Frei­wil­li­gen können diese bei Bedarf später selbst bezie­hen. Vor allem sei es aber wich­tig, Jung und Alt zusam­men­zu­brin­gen, gene­ra­tio­nen­über­grei­fend zu denken und entspre­chen­de Ange­bo­te zu schaffen.

Von Erin­ne­run­gen erzählen

«Der von Akti­on ‹Kirchberg-bewegt› initi­ier­te Gene­ra­tio­nen­spiel­platz neben dem Fuss­ball­platz in Kirch­berg oder Kinder­gar­ten­pro­gram­me, zu denen Besuchs­ta­ge im Alters­heim gehö­ren, schaf­fen nieder­schwel­lig Berüh­rungs­punk­te», sagt der 76-Jährige. Kinder würden durch ihre spon­ta­ne und direk­te Art viel aus älte­ren Perso­nen heraus­ho­len und diese auf eine ganz ande­re Weise akti­vie­ren, als es beispiels­wei­se Pfle­ge­fach­per­so­nen tun. «Und da heute längst nicht mehr jedes Kind regel­mäs­sig seine Gross­el­tern sieht, kann es im Gegen­zug von den Erfah­run­gen und Erin­ne­run­gen der älte­ren Perso­nen profitieren.»

«Der moder­ne Mensch hat oft die Erwar­tungs­hal­tung, dass Medi­zin alles kann.»

Felix Fust, pensio­nier­ter Hausarzt

Beim Älter­wer­den begleitet

Der Bäcker, der nach seiner Pensio­nie­rung einmal pro Woche in einer Kita kocht und davon begeis­tert ist. Oder ein Tier­lieb­ha­ber, der mit dem Hund eines über 80jährigen Mannes, der schlecht zu Fuss ist, spazie­ren geht, damit das Tier bei ihm blei­ben darf und nicht ins Tier­heim muss. Das sind Beispie­le, wie bei Zeit­gut Nach­bar­schafts­hil­fe geleis­tet wird. «Sich zu enga­gie­ren ist auch immer etwas, das einen selbst geis­tig und körper­lich fit hält. Unter Menschen zu sein und sich sozi­al einzu­brin­gen hält jung», sagt Felix Fust. «Aber neu ist diese Erkennt­nis ja nicht. Gesund alt werden ist seit Jahren eines der Trend­the­men in den Medi­en», sagt er und zieht einen weite­ren Zeitungs­ar­ti­kel hervor. Dieser listet Fakto­ren auf, die einen gesun­den Lebens­stil ausma­chen: Aktiv sein, sich gesund ernäh­ren und viel bewe­gen, nicht rauchen, wenig Alko­hol trin­ken, posi­ti­ve sozia­le Bezie­hun­gen pfle­gen, Stress redu­zie­ren und möglichst keine opio­id­hal­ti­gen Medi­ka­men­te zu sich nehmen sind eini­ge Empfeh­lun­gen, die genannt werden. «Als Arzt in Kirch­berg habe ich viele Menschen beim Älter­wer­den beglei­tet», sagt Felix Fust. «Dabei war gesund alt werden natür­lich eines der wich­ti­gen Themen. Wobei der moder­ne Mensch schon oft die Erwar­tungs­hal­tung hat, dass Medi­zin alles kann.» Beein­druckt hat ihn als Arzt auch, wie unter­schied­lich Perso­nen damit umge­gan­gen sind, wenn sie die Diagno­se einer unheil­ba­ren Krank­heit erhal­ten haben. «Oft kam dann bei meinen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten der Glau­be im tradi­tio­nel­len Sinn zum Vorschein. Über­rascht hat mich immer auch, wie viele ihr Schick­sal ange­nom­men statt damit geha­dert haben», sagt er. Als Gegen­bei­spiel sei ihm ein Geist­li­cher in Erin­ne­rung geblie­ben, dem es über­ra­schen­der­wei­se schwer­fiel seine Krank­heit zu akzep­tie­ren und der immer weite­re medi­zi­ni­sche Abklä­run­gen forderte.

Was da ist nutzen

Durch sein Enga­ge­ment bei Zeit­gut Toggen­burg ist Felix Fust weiter­hin nahe an den Lebens­geschichten der Menschen dran. «Ich kann sie bera­ten, ohne aber wie früher als Arzt alles lösen zu müssen. Das mache ich gerne und es gibt mir etwas zurück», sagt er. Projek­te und Visio­nen, die sich in Kirch­berg umset­zen lies­sen, hat Felix Fust eini­ge: So etwas wie den b’treff in Watt­wil hätte er gerne, also einen Ort mit nieder­schwel­li­gen Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­ten und einem Begeg­nungs­ca­fé. Auch Rikscha­fahr­ten wie in Rorschach ­würde er gerne in Kirch­berg anbie­ten. Dabei unter­neh­men Frei­wil­li­ge mit einem umge­bau­ten ­­Lasten­ve­lo Ausfahr­ten mit Pfle­ge­heim­be­woh­ne­rin­nen und ‑bewoh­nern. «Die Über­al­te­rung und die Verein­sa­mung nehmen zu. Die Ressour­cen für frei­wil­li­ges Enga­ge­ment sind in der Gesel­schaft da. Das müssen wir nutzen.»

Kasten: In dem Verein Zeitgut-Toggenburg enga­gie­ren sich aktu­ell über 450 Frei­wil­li­ge in der Nach­bar­schafts­hil­fe. Die Stun­den, die sie leis­ten, bekom­men sie gutge­schrie­ben. Die Frei­wil­li­gen können diese bei Bedarf später selbst bezie­hen. 2016 wurde Zeitgut-Toggenburg in Lich­ten­steig gegrün­det. «Kirchberg-bewegt», in deren Rahmen Projek­te wie der Helsana-Trail oder ein neuer Generationen-Spielplatz eröff­net wurde, ist seit 2020 Mitglied. Ziel von Zeitgut-Toggenburg ist es, sich gene­ra­tio­nen­über­grei­fend für Nach­barn, Betag­te, Asyl-suchende, Fami­li­en, ja allge­mein für unse­re Mitmen­schen einzu­set­zen. → Infos unter zeitgut-toggenburg.ch

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 24. April 2024

Pfarrblatt im Bistum St.Gallen
Webergasse 9
9000 St.Gallen

+41 71 230 05 31
info@pfarreiforum.ch