«Auch ich habe Vorurteile»

Robyn Jung, Ober­mi­nis­tran­tin in Henau, hat ihre Matu­ra­ar­beit immi­grier­ten Müttern und deren Inte­gra­ti­on gewid­met. Durch die Erfah­run­gen konn­te die 18-Jährige eige­ne Vorur­tei­le abbauen.

Wissen schafft Verständ­nis, Verständ­nis schafft Akzep­tanz – davon ist Robyn Jung über­zeugt. Die 18-Jährige schliesst im Sommer die Kantons­schu­le ab und hat sich inten­siv mit der Inte­gra­ti­on beschäf­tigt. Für ihre Matu­ra­ar­beit ist sie in das Leben immi­grier­ter Mütter einge­taucht – hat mit   einer Türkin Rama­dan gefei­ert und mit einer Ukrai­ne­rin einen Floh­markt veran­stal­tet. Entstan­den ist das Buch «Across Boar­ders – The Inte­gra­ti­on of Immi­grant Mothers» (auf Deutsch: Grenz­über­schrei­tend) mit acht Portraits von Frau­en, die ihren Weg in der Schweiz suchen. Ihr Fazit: «Für immi­grier­te Mütter ist es nicht einfach, sich in der Gesell­schaft zu inte­grie­ren und Beruf, Fami­lie und Privat­le­ben zu vereinen.» 

Robyn Jung hat ihre Matu­ra­ar­beit über immi­grier­te Mütter geschrie­ben. Sie weiss: «Für diese ist es nicht immer einfach, sich zu integrieren.»

Oft hätten junge Männer weni­ger Proble­me, würden von Behör­den Hilfe erhal­ten, schnel­ler in Sprach­kur­se inte­griert und bei der Jobsu­che unter­stützt. Bei Frau­en brau­che es mehr Selbst­in­itia­ti­ve. «Dabei über­neh­men die Mütter eine sehr wich­ti­ge Rolle. Sie erzie­hen die Kinder und formen deren Zukunft. Und damit unser aller Leben.» Kinder­er­zie­hung und Inte­gra­ti­on – bei immi­grier­ten Müttern blei­be häufig eines von beiden auf der Strecke.

Wie in der Schule

Robyn Jung ist in Henau bei Wil aufge­wach­sen. In der Pfar­rei enga­giert sie sich als Minis­tran­tin, seit einein­halb Jahren ist sie sogar Ober­mi­nis­tran­tin. Seit Kurzem ist sie zudem Leite­rin im Kinder­treff Kunter­bunt, einem Ange­bot der Pfar­rei. Sie ist in einer offe­nen Fami­lie gross gewor­den, macht die bilin­gua­le Matu­ra in Englisch und reist wie viele junge Menschen gerne in ferne Länder. Multi­kul­tu­ra­li­tät gehört für Robyn Jung zum Alltag, und dennoch sagt sie: «Auch ich habe Vorur­tei­le.» Eige­ne Vorstel­lun­gen brin­ge man nicht so einfach weg. Die Erleb­nis­se mit den Migran­tin­nen haben Eindruck hinterlassen. 

Im Buch «Across Boar­ders – The Inte­gra­ti­on of Immi­grant Mothers» (auf Deutsch: Grenz­über­schrei­tend) porträ­tiert Robin Jung acht Frau­en, die ihren Weg in der Schweiz suchen. 

Sie habe gelernt, wie wich­tig gegen­sei­ti­ges Inter­es­se und gegen­sei­ti­ge Bemü­hun­gen sind. «Die Migran­tin­nen und Migran­ten sind froh, wenn man Inter­es­se zeigt und mit ihnen in den Dialog tritt. So können Ängs­te abge­baut werden. Umge­kehrt müssen auch die Migran­tin­nen und Migran­ten offen sein und sich anpas­sen wollen.» Robyn Jung vergleicht es mit dem Berufs- oder Schul­all­tag. «Man muss nicht alle mögen, aber man muss mitein­an­der auskom­men. Dabei gibt es Grund­re­geln, an die wir uns alle halten müssen.»

Mit Best­no­te ausgezeichnet

Bei der Inte­gra­ti­on böten vor allem auch die Kirchen eine Chan­ce, so die junge Frau: «Reli­gi­on kann helfen, sich als Teil der Gemein­schaft zu fühlen. Zudem bieten Kirchen oft viele Möglich­kei­ten zur Parti­zi­pa­ti­on.» Robyn Jung ist dank­bar, dass sie die Erfah­run­gen im Rahmen ihrer Matu­ra­ar­beit machen konnte. 

Robyn Jung konn­te in den Gesprä­chen mit den immi­grier­ten Müttern Vorur­tei­le abbauen.

Diese wurde nicht ohne Grund mit der Best­no­te ausge­zeich­net. Im Janu­ar hat sie eine Podi­ums­dis­kus­si­on in Wil veran­stal­tet, an der auch der Wiler Stadt­rat Dario Sulzer, Vorste­her des Depar­te­ments Gesell­schaft und Sicher­heit, und Clau­dia Nef, Geschäfts­füh­re­rin des Träger­ver­eins Inte­gra­ti­ons­pro­jek­te St. Gallen, teil­nah­men. Zu den portrai­tier­ten Frau­en hat Robyn Jung immer noch Kontakt und sie denkt gerne an die gemein­sa­men Erleb­nis­se zurück. Sie ist über­zeugt: «Das Leben mit zwei Kultu­ren bringt viele Vortei­le. Man kann aus beiden das Beste herausnehmen.»

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 8. April 2024

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