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Neue Wege zur Erstkommunion

Zahl­rei­che Kinder und Fami­li­en feiern in diesem Früh­ling Erst­kom­mu­ni­on. Worauf freu­en sie sich? Was bedeu­tet ihnen das Fest? Das Pfar­rei­fo­rum hat den Eltern-Kind-Vorbereitungstag in Nieder­uz­wil besucht und den neuen ausser­schu­li­schen Erst­kom­mu­ni­on­weg kennengelernt.

Es duftet nach frisch­ge­ba­cke­nem Brot. Im Eingangs­be­reich des Pfar­rei­zen­trums in Nieder­uz­wil formt eine Grup­pe Kinder weite­ren Teig zu Bröt­chen. Später an diesem Eltern-Kind-Vorbereitungstag auf die Erst­kom­mu­ni­on sollen diese an der Abschluss­fei­er geteilt werden. Mitten unter den Kindern arbei­tet die Dritt­kläss­le­rin Gloria. Ihre Mutter Sara steht neben dem Tisch. «Ich selber hatte meine Erst­kom­mu­ni­on in Rorschach. Aber an eine so schö­ne Vorbe­rei­tung kann ich mich nicht erin­nern. Mir fällt nur der Marsch ein, den wir Kinder an der Erst­kom­mu­ni­on durch Rorschach mach­ten», sagt die Kate­che­tin in Ausbil­dung. Der neue Erst­kom­mu­ni­on­weg in Nieder­uzwil beglei­tet die Kinder hinge­gen während eines Jahres. Es gibt zehn Tref­fen, die unter ande­rem aus Grup­pen­stun­den, Ausflü­gen, einer Tauf­erin­ne­rung, dem Vorbe­rei­tungs­tag, Proben für die Erst­kom­mu­ni­on und der Erst­kom­mu­ni­on bestehen. «Die Kinder bekom­men viel mit und erle­ben Schö­nes mit Gleich­alt­ri­gen», sagt Sara. Umso grös­ser sei die Freu­de in diesem Jahr, weil die Erst­kom­mu­ni­on ihres älte­ren Kindes wegen Coro­na nicht in der Gemein­schaft gefei­ert werden konn­te. «Vor allem meine Mutter, also Glori­as Gross­mutter, in Spani­en war sehr trau­rig. Sie konn­te nur per Live-Stream dabei sein», sagt Sara. In diesem Jahr seien hinge­gen 25 Perso­nen einge­la­den. Nach der Feier zur Erst­kom­mu­ni­on am 5. Mai gehe es ins Restaurant.

Dann ist es Zeit für Gloria, zum nächs­ten Posten im Pfar­rei­zen­trum zu gehen: Dort werden die Masse für das Blumen­kränz­chen und die Gewän­der genom­men. Die Primar­schü­le­rin freut sich auf die Erst­kom­mu­ni­on. «Wir essen in einem Restau­rant, in dem es geba­cke­ne Cham­pi­gnons gibt. Und ich werde unter meinem Gewand ein ganz beson­de­res Dirn­del tragen, das aus Deutsch­land kommt», erzählt die 8‑Jährige. Am Erst­kom­mu­ni­on­weg habe ihr vor allem der Ausflug zur Hosti­en­bä­cke­rei gefal­len. «Ausser­dem haben wir vieles über den Minis­tran­ten­dienst erfah­ren und gese­hen, was die alles Span­nen­des machen.»

Ein Netz­werk für Familien

Den neuen Weg zur Erst­kom­mu­ni­on gibt es in Nieder­uz­wil erst­mals seit diesem Schul­jahr. Die Tref­fen finden alle ausser­schu­lisch statt. Einge­führt wurde das, weil teils Kinder ökume­nisch unter­rich­tet werden und somit nicht alle Kinder einer Reli­gi­ons­klas­se für die Erst­kom­mu­ni­on vorbe­rei­tet werden können. 25 Kinder sind es in Nieder­uz­wil in diesem Jahr, die auf diese Weise die Vorbe­rei­tung zur Erst­kom­mu­ni­on nutzen. «Das hat Vortei­le. Als Grup­pe haben wir alles dassel­be Ziel. Früher, im schu­li­schen Reli­gi­ons­un­ter­richt, waren hinge­gen immer Kinder mit dabei, die keine Erst­kom­mu­ni­on hatten», sagt Manue­la Trunz. Die Reli­gi­ons­päd­ago­gin ist in diesem Jahr für den Eltern-Kind-Vorbereitungstag zustän­dig, der in Nieder­uz­wil seit über fünf­zehn Jahren jeweils ­eini­ge Wochen vor der Erst­kom­mu­ni­on statt­fin­det. «In Nieder­uz­wil hatten wir schon immer ein gutes Netz­werk und ein gros­ses Ange­bot für Fami­li­en», sagt sie und fügt an: «Dieses Mal sind wir vergleichs­wei­se ein klei­ne Grup­pe. In ande­ren Jahren haben auch schon um die 40 Kinder zusam­men Erst­kom­mu­ni­on gefeiert.»

Mühle, Tech­nik und Mandalas

Rück­mel­dung zum neuen Weg zur Erst­kom­mu­ni­on hat Manue­la Trunz bislang nur posi­ti­ve erhal­ten. «Vor allem die drei Ausflü­ge, von denen sich die Kinder für einen anmel­den muss­ten, haben allen gefal­len», sagt sie. Der 9‑Jährige Joel beispiels­wei­se hat gleich bei allen drei mitge­macht. Ausser zur Hosti­en­bä­cke­rei ging es zu einem Rebberg und in eine Mühle. «Die Mühle fand ich am span­nends­ten, weil ich Tech­nik liebe», sagt er. Mit seiner Mutter Conny ist er beim Posten «Andenken gestal­ten» gera­de damit beschäf­tigt, auf einem Holz­brett mit Nägeln und bunten Gummi­schnü­ren ein Manda­la zu gestal­ten. «Jesus, meine Mitte»: Das Motto des Manda­las ist vorge­ge­ben, bei der Umset­zung können die Kinder ihrer Krea­ti­vi­tät aller­dings frei­en Lauf lassen. «Die Vorbe­rei­tung auf die Erst­kom­mu­ni­on ist toll und viel span­nen­der als die Kirche», sagt er. «Dort muss man immer still sitzen und Kinder verste­hen viel­leicht nicht alles. Hier ist das anders.» Joels Mutter ist evangelisch-reformiert. Sie finde es schön, während dieses einen Jahres den Blick­win­kel ihres Kindes einzu­neh­men, sagt sie. Welche Gedan­ken den Eltern im Hinblick auf die Erst­kom­mu­ni­on durch den Kopf gehen, können sie beim Posten «Brie­fe für die Kinder» fest­hal­ten. In ruhi­ger Umge­bung schrei­ben sie dort Wünsche und Hoff­nun­gen für ihre Kinder auf. Die Brie­fe werden an der Feier im Mai übergeben.

Mit 60 Perso­nen feiern

«Wunder­schön finde ich all diese Vorbe­rei­tun­gen», sagt auch Matea, die zusam­men mit ihrer Toch­ter Mia ein Glas­kreuz gestal­tet. An diesem Posten bekle­ben die Kinder Glas mit bunten Glas­stü­cken, das später in einem Ofen gebrannt wird. «Das Basteln und die Erleb­nis­se mit meinen Freun­den gefal­len mir am besten», sagt Mia. Sie freue sich auf die Erst­kom­mu­ni­on und auf das gros­se Fest danach, zu dem 60 Perso­nen einge­la­den sind. Ihre Mutter Matea ergänzt: «Der Tag ist uns wich­tig und wir wollen ihn mit allen in der Fami­lie feiern.» Sie selbst hatte ihre Erst­kom­mu­ni­on in Kroa­ti­en. «Vorbe­rei­tun­gen mit Basteln und all den ande­ren Dingen hatten wir aller­dings nicht. Ich glau­be, wir lern­ten vor allem Texte und Lieder», sagt sie.

Probe­wei­se ministrieren

Was ist ein Taber­na­kel? Wie funk­tio­niert ein Einzug in die Kirche? Welche Gewän­der ziehen Minis­tran­ten an? Und wieso macht man eine Knie­beu­ge? In der Kirche gleich neben dem Pfar­rei­zen­trum ist es Zeit für den letz­ten Posten. Eini­ge Minis­tran­tin­nen und der Seel­sor­ger Paul Grem­min­ger erklä­ren den inter­es­sier­ten Prima­schü­le­rin­nen und Primar­schü­lern alles rund ums Minis­trie­ren. Nach der Erst­kom­mu­ni­on kann, wer möch­te, Minis­tran­tin oder Minis­trant werden. Mit gros­sen Augen und in den Gewän­dern, die die Kinder versuchs­wei­se anpro­bie­ren konn­ten, schau­en sie sich in der Kirche um. Dort, im Kreis um den Alter herum, werden sie auch an der Erst­kom­mu­ni­on stehen. Sie sind beein­druckt, gera­de auch vom Taber­na­kel. Der 9‑Jährige Joel streckt seine Hand auf und sagt: «Dass die Hosti­en hinter so einer dicken Panzer­tür aufbe­wahrt werden, hätte ich nicht gedacht.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Benja­min Manser

Veröf­fent­li­chung: 26. März 2024

Flüchten vor Sechs- und Vierbeinern

Seit fünf Mona­ten weilen David und Will­emi­jn Rütti­mann aus St. Gallen in Kenia, um Lehr­kräf­te auszu­bil­den. Im ost­afrikanischen Land tref­fen sie auf eini­ge Herausforderungen.

«Wir versu­chen das Beste aus der Situa­ti­on zu machen. Manch­mal klappt es gut, manch­mal weni­ger gut. Aber lang­sam kommen wir in einen Rhyth­mus», sagt David Rütti­mann. Der 54-Jährige ist per Inter­net­te­le­fo­nie zuge­schal­tet. Ein Tref­fen ist nicht möglich, denn Rütti­mann weilt 6400 Kilo­me­ter von seiner Heimat­stadt St. Gallen entfernt in Afri­ka. Er ist im Septem­ber mit Ehefrau Will­emi­jn und den beiden Kindern nach Kili­fi in Kenia ausge­wan­dert ( Pfar­rei­fo­rum Okto­ber 2023). Drei Jahre werden David und Will­emi­jn mit Comun­do (ehemals Beth­le­hem Missi­on Immensee) in der Perso­nel­len Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit tätig sein. Sie arbei­ten vor Ort als Fach­per­so­nen mit der Partner-Organisation North Coast Medi­cal Trai­ning College (NCMTC) zusam­men. David Rütti­mann bildet als Elek­tro­tech­ni­ker Lehr­kräf­te in Faci­li­ty Manage­ment und Medi­zi­nal­tech­nik aus und beglei­tet den Aufbau einer Werk­statt für die beiden Beru­fe. Physio­the­ra­peu­tin Will­emi­jn unter­stützt das NCMTC mit der Ausbil­dung der Lehr­kräf­te im Bereich Reha­bi­li­ta­ti­on und Behin­de­rung. «Hier­mit verbes­sern wir die Zukunfts­chan­cen der Studen­ten und die Quali­tät des Gesund­heits­sys­tems», so David Rüttimann.

Netz­werk aufbauen

Für David und Will­emi­jn hiess es zuerst: «Ankom­men und rein­schau­en.» David orga­ni­sier­te Gerä­te und Werk­zeu­ge und baute ein Netz­werk an Spitä­lern auf, um den Studie­ren­den ein Prak­ti­kum zu ermög­li­chen. «Sie sind in der Theo­rie super ausge­bil­det. Jetzt geht es darum, ihnen auch das Prak­ti­sche mitzu­ge­ben.» Sowohl für die Studie­ren­den als auch für die Lehr­kräf­te haben die beiden nur loben­de Worte: «Es läuft super. Alle sind sehr inter­es­siert», sagt Will­emi­jn Rütti­mann und David ergänzt: «Die Arbeit ist sehr befrie­di­gend.» Die beiden spre­chen aber auch die unter­schied­li­che Menta­li­tät an. «Als Schwei­zer muss man lernen, sich an das Tempo zu gewöh­nen. Hier geht alles ein wenig langsamer.»

Drei Umzü­ge in fünf Monaten

Während es beruf­lich wunsch­ge­mäss verläuft, haben die ­Rütti­manns im Privat­le­ben eini­ge Heraus­for­de­run­gen zu meis­tern. Die Fami­lie zieht um – mal wieder. Es wird die drit­te Blei­be in Kenia, «und hoffent­lich die Letz­te». Das jetzi­ge Haus ist offen gebaut, besitzt weder Fens­ter noch Türen. «Sie soll­ten die Tausen­den von Amei­sen sehen», sagt Will­emi­jn ­Rütti­mann. Ihr Mann kämpft gegen grös­se­re Tiere. Er muss alles monkey-proof – also affen­si­cher – machen. «Die klau­en alles.» Am Anfang sei vieles neu gewe­sen, «und es brauch­te Zeit, bis alle sich im jetzi­gen Umfeld wohl fühl­ten», sagt ­David Rütti­mann. Mitt­ler­wei­le habe man aber auch Kontakt zu den «Locals». «Sie sind sehr offen und unheim­lich hilfs­be­reit.» Will­emi­jn und David fühlen sich im Land mit 53 Millio­nen Einwoh­nern immer sicher und willkommen.

Fami­li­en­zeit einplanen

Immer wieder kommt Uner­war­te­tes auf die Rütti­manns zu. Kürz­lich fiel der Strom aus – nicht etwa für weni­ge Stun­den, sondern für ganze zwei Wochen. Die Pumpen für Frisch­was­ser streik­ten. «Da merkt man erst, was alles Strom braucht», sagt David Rütti­mann. Trotz all der Schwie­rig­kei­ten nehmen die Rütti­manns die Situa­ti­on bemer­kens­wert gelas­sen. «Wo es Tiefs gibt, gibt es auch immer wieder Hochs. Und die Tiefs werden weni­ger.» Um die Alltags­sor­gen zu verges­sen, versu­chen die Rütti­manns, wenn immer möglich, Fami­li­en­zeit einzu­pla­nen. Oft trifft man die vier am Strand oder beim Erkun­den der Umge­bung. «Sich auf Neues einlas­sen», lautet die Devi­se. «Man muss sich anpas­sen und die Situa­tio­nen nehmen, wie sie kommen, dann kommt auch alles gut», sagt Will­emi­jn Rüttimann.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: zVg / David Rütti­mann
Veröf­fent­li­chung: 1. März 2024

Ein Gemeinschaftsgefühl, das im Alltag nützt

Es sei das Einzi­ge, was ihm wirk­lich helfe: Das sagt der 46-jährige Matthi­as Maier* über ­seine Tref­fen bei der Selbst­hil­fe St.Gallen und Appen­zell. Dort tauscht er sich mit Menschen aus, die wie er von Depres­si­on betrof­fen sind.

Was soll ich sagen? Und will ich die Geschich­ten anderer Menschen über­haupt kennen?» Diese Gedan­ken hatte Matthi­as Maier*, bevor er sich erst­mals für eine Selbst­hil­fe­grup­pe anmel­de­te. «Ich hatte einfach Angst davor. Frei­wil­lig hätte ich das nie gemacht», erzählt der 46-Jährige in den Räumen der Selbst­hil­fe St.Gallen und Appen­zell. Alle zwei Wochen trifft er sich hier mit ande­ren Perso­nen, die wie er von einer Depres­si­on betrof­fen sind. «Mit Menschen zu reden, die Ähnli­ches wie ich erlebt haben, tut gut. Es entsteht ein Gemein­schafts­ge­fühl und ich komme aus meiner Bubble heraus. In unse­rer Grup­pe haben wir die verschie­dens­ten Hinter­grün­de», sagt er.

Durchs Trin­ken überdeckt

Bei Matthi­as Maier hängt die Depres­si­on mit einer Alko­hol­er­kran­kung zusam­men. Pegel­trin­ken nennt er es. Das bedeu­tet, dass er stets einen gewis­sen Promil­le­stand brauch­te, um sich gut zu fühlen. «In meinen 20er-Jahren habe ich wie alle während des Studi­ums regel­mäs­sig getrun­ken und dach­te, das sei ganz normal», sagt er. Es sei immer mehr gewor­den und in seinen 30ern seien dann an den Wochenenden zuneh­mend Film­ris­se hinzu­ge­kom­men. Schliess­lich habe er während fünf Jahren gar keinen Alko­hol mehr konsu­miert. «Aber es ist wie mit jeder Sucht­erkrankung. Sie ist ein Leben lang Teil von einem», sagt er und erzählt, wie in den fünf trocke­nen Jahren seine Depres­si­on sicht­bar wurde. «Ich hatte vieles wohl einfach durch das Trin­ken über­deckt und dadurch gar nicht bemerkt, wie es mir eigent­lich geht», sagt er.

Werk­zeu­ge bereit

Ein mulmi­ges Gefühl im Bauch, leise Trau­rig­keit, Antriebs­lo­sig­keit, Verspan­nun­gen, Kopf­schmer­zen, Übel­keit, Rück­zug vom Umfeld, Welt­schmerz und das Gefühl, immer persön­lich ange­grif­fen zu werden: Matthi­as Maier liest einen Text vor, den er wie alle in der Selbst­hil­fe­grup­pe über die eige­ne Depres­si­on geschrie­ben hat. Die Teil­neh­men­den hatten das selbst so gewünscht. Zwei bis drei Wochen kann eine depres­si­ve Episo­de bei ihm dauern. «Glück­li­cher­wei­se ist die letz­te aber schon ein Jahr her. Momen­tan geht es mir besser. Ich akzep­tie­re, dass mich diese Gefüh­le stän­dig beglei­ten, aber ich habe Werk­zeu­ge, um mit ihnen umzu­ge­hen», sagt er.

Eine Milde entwickeln

Auf guten und genü­gen­den Schlaf achten, eine Milde sich selbst gegen­über entwi­ckeln sowie ­hinaus­ge­hen und sich bewe­gen: Das sind Dinge, die Matthi­as Maier guttun. «Vor allem aber helfen ihm Gesprä­che wie in der Selbst­hil­fe­grup­pe, aber auch mit Bekann­ten, Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen und seiner Part­ne­rin. Mit ihr ist Matthi­as Maier, der im Gross­raum Zürich aufge­wach­sen ist, wegen eines Joban­ge­bots vor einein­halb Jahren aus Hamburg zurück in die Schweiz nach St. Gallen gezo­gen. Im Inter­net such­te er nach einer neuen Selbst­hil­fe­grup­pe. ‹Es ist das Einzi­ge, was bei mir wirk­lich nützt», sagt er und fügt an: «Das hätte ich nicht erwar­tet, als ich damals in Hamburg wegen meiner Alko­hol­er­kran­kung in eine Tages­kli­nik kam.» Drei Mona­te sei er dort gewe­sen und habe als eine von verschie­de­nen Mass­nah­men bei einer Gesprächs­grup­pe mitma­chen müssen. «Ausser­dem wurde mir ausdrück­lich empfoh­len, im Anschluss einer Selbst­hil­fe­grup­pe in Hamburg beizu­tre­ten.» In St. Gallen ist die Grup­pe derweil zusam­men­ge­wach­sen. Matthi­as Maier sagt: «Ein Jahr hat es aber schon gedau­ert, bis sich die Leute wirk­lich öffne­ten und anfin­gen von schwe­ren und tiefer­lie­gen­den Dingen zu erzählen.»

* Name geändert

Selbst­hil­fe Die Selbst­hil­fe St.Gallen und Appen­zell setzt sich für die Stär­kung gemein­schaft­li­cher Selbst­hil­fe ein. Sie führt Menschen in ähnli­chen Lebens­si­tua­tio­nen zusam­men. Ziel ist, durch Selbst­ver­ant­wor­tung und gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung die Lebens­qua­li­tät und gesell­schaft­li­che Inte­gra­ti­on von Perso­nen in schwie­ri­ger Lebens­la­ge zu verbes­sern. Selbst­hil­fe St.Gallen und Appen­zell führt rund 200 Grup­pen zu unter­schied­lichs­ten Themen. Die Grup­pen werden nicht mode­riert, sondern durch die Teil­neh­men­den gestal­tet.  www.selbsthilfe-stgallen-appenzell.ch sowie Infos unter Tel. 071 222 22 63

Text: Nina Rudnicki

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 16. Febru­ar 2024

Mit Stoffherz und offenem Ohr im Einsatz

Die Zahl der Betrof­fe­nen von psychi­schen Erkran­kun­gen nimmt zu. Trotz­dem ist das ­Thema noch immer ein gesell­schaft­li­ches Tabu und wird stig­ma­ti­siert. Auf ­einem Klinik­rund­gang in Pfäfers erzählt Klinik­seel­sor­ger Micha­el Ehrhardt von seiner Arbeit und warum wir alle nicht vor einer psychi­schen Erkran­kung gefeit sind.

Wenn Micha­el Ehrhardt und Pascal sich tref­fen, spre­chen sie über Gott und die Welt, über Unter­neh­mun­gen am Wochen­en­de, über Erleb­tes im Alltag. Das tun die beiden Männer regel­mäs­sig. Vergan­ge­ne Woche war das Tref­fen schwie­rig, das Gespräch harzig. An diesem Morgen ist die Stim­mung besser. Thema ist unter ande­rem der Hund von Pascals Mutter. Die Tref­fen mit dem Klinikseelsorger sind für Pascal ein Anker­punkt im Alltag. Der 50-Jährige leidet seit Jahren unter einer psychi­schen Erkran­kung. Seit rund vier Mona­ten ist er Pati­ent in der Psych­ia­tri­schen Klinik St. Pirmins­berg in Pfäfers. Man merkt schnell: Er ist nicht gerne hier, weiss aber, dass es notwen­dig ist. Oft und gerne sucht er den Raum der Stil­le auf und liest den Psalm 91 – «unter Gottes Schutz» heisst dieser. «Der Glau­be und dieser Ort sind sehr wich­tig für mich. Sie geben mir Halt und die manch­mal nöti­ge Ruhe», sagt Pascal. Die Bibel liegt vor den Männern auf dem Tisch, an der Wand hängt ein Bild – das Herz­stück des Raumes. Unwei­ger­lich fällt der Blick auf das Kunst­werk. Die bunten Farben strah­len Wärme und Zuver­sicht aus. Nicht nur Pascal, auch der Gast fühlt sich geborgen.

Der Raum der Stil­le gibt Pascal oft die nöti­ge Ruhe im Klinik­all­tag. Die Gesprä­che mit Klinik­seel­sor­ger Micha­el Ehrhardt schätzt er.

Bei Nicht-Betroffenen lösen die Themen Psych­ia­trie oder psychi­sche Erkran­kung oft Unbe­ha­gen aus. Ein Rund­gang in Pfäfers vermag dieses teil­wei­se zu nehmen. Die neue­ren Gebäu­de und die Pati­en­ten­zim­mer sind licht­durch­flu­tet und gross­zü­gig. Mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten kommt man schnell ins Gespräch, die Abtei­lun­gen sind gröss­ten­teils offen und die Mitar­bei­ten­den sind aufmerk­sam und zuvor­kom­mend. Micha­el Ehrhardt grüsst dort und winkt hier. Man kennt sich gut.

Zahlen stei­gen stetig

Die Klinik St. Pirmins­berg ist für 150 Perso­nen ausge­legt. Für allfäl­li­ge Notfäl­le wird es manch­mal eng. Dann helfen sich die Klini­ken gegen­sei­tig aus. Die Pati­en­ten­zah­len haben in den vergan­ge­nen zehn Jahren stetig zuge­nom­men, so Micha­el Ehrhardt. «Einer­seits ist der Druck in der Gesell­schaft gestie­gen, ande­rer­seits können wir weni­ger gut mit diesem Druck umge­hen.» Der Gross­teil der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten leidet gemäss dem 56-Jährigen unter Depres­sio­nen und den «gängi­gen» Krank­heits­bil­dern wie Schi­zo­phre­nie, Psycho­sen und Ängsten. 

Die Klinik St. Pirmins­berg in Pfäfers zählt 150 Betten und ist gut ausge­las­tet. Für Notfäl­le wird es teil­wei­se eng.

Abhän­gig­kei­ten sind häufig Begleit­erschei­nun­gen. Oft haben die Betrof­fe­nen keinen gere­gel­ten Tages­ab­lauf mehr oder ihnen wächst alles über den Kopf. Inne­hal­ten, zur Ruhe kommen und sich auf das Schö­ne im Leben fokus­sie­ren, sei dann wich­tig, so Micha­el Ehrhardt. Er arbei­tet seit rund zehn Jahren in einem 40-Prozent-Pensum in Pfäfers. Die übri­gen 60 Prozent über­nimmt sein refor­mier­ter Kolle­ge. Vor Kurzem wurde eine drit­te Seel­sor­ge­rin in einem 60-Prozent-Pensum ange­stellt. «In unse­rer Arbeit geht es vor allem darum, den Menschen Raum zu geben, dass sie erzäh­len können. Oft reicht es, einfach nur zuzuhören.»

Vom Wetter beeinflusst

Micha­el Ehrhardt ist für die Seel­sor­ge auf vier Statio­nen zustän­dig. Entwe­der ist er bei der Morgen­run­de, beim gemein­sa­men Mittag­essen oder am Nach­mit­tag bei der Kaffee­run­de dabei. Am Frei­tag feiert er jeweils einen Gottes­dienst, in dem persön­li­che Fürbit­ten eine wich­ti­ge Rolle spie­len. Dane­ben führt er Einzel­ge­sprä­che. Einen fixen Tages­ab­lauf gibt es für ihn nicht. Er ist da, wenn jemand etwas loswer­den oder einfach schwei­gend einen Spazier­gang unter­neh­men will. Das Ange­bot ist fakul­ta­tiv – Ehrhardt geht nicht aktiv auf die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zu. Das würde auch wenig nützen. «Aufdrän­gen geht nicht. Manch­mal beschrän­ken wir uns auf ein ‹Hallo› auf dem Flur. Eini­ge verlas­sen sogar den Raum, wenn ich komme. Das akzep­tie­re ich.» 

Ein bekann­tes Gesicht in den Klinik­gän­gen: Micha­el Ehrhardt ist seit rund 10 Jahren als Seel­sor­ger in Pfäfers tätig.

Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ohne reli­giö­sen Bezug erreicht Micha­el Ehrhardt kaum. «Nicht selten werde ich als Projek­ti­ons­flä­che für nega­ti­ve Erfah­run­gen mit der Kirche gese­hen.» Auch das macht Ehrhardt nichts aus. Die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten dürfen bei ihm «abla­den». Die Klinik liegt hoch ober­halb von Bad Ragaz und bietet einen schö­nen Blick ins Rhein­tal. Die Lage im Grünen macht sich Ehrhardt gerne zunut­ze und geht mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten nach draus­sen. «Die frische Luft und die Natur tut fast allen gut und beru­higt.» Allge­mein: Das Wetter hat gros­sen Einfluss auf das Wohl­be­fin­den und damit auf den Klinik­all­tag. «Wenn es tage­lang grau ist, sind die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten oft unaus­ge­gli­che­ner und wir haben mehr zu tun.» Ehrhardt schaut aus dem Fens­ter. Es ist ein sonni­ger Tag und verschie­de­ne Grup­pen kehren gera­de vom Morgen­spa­zier­gang zurück – ein wesent­li­cher Bestand­teil des Klinik­all­tags. Eben­so die ­Ergo­the­ra­pie und die Kunst­the­ra­pie. «Das sind Ausdrucks­for­men, die den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten helfen sollen, zu sich zu finden und ihren Gefüh­len Ausdruck zu verlei­hen. Sie sollen wieder lernen, sich mit etwas ausein­an­der­zu­set­zen, zu reflek­tie­ren und einem gere­gel­ten Tages­ab­lauf nachzugehen.»

Der Kunst kommt im Klinik­all­tag eine gros­se Bedeu­tung zu: «Es ist eine Ausdrucks­form, die den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten helfen soll, zu sich zu finden und ihren Gefüh­len Ausdruck zu verlei­hen», so Micha­el Ehrhardt.

Kein Zeit­druck

Die Pati­en­ten­schick­sa­le machen betrof­fen. Wenn Micha­el Ehrhardt über Menschen spricht, die den Lebens­mut verlo­ren haben, die keinen Antrieb haben, denen der Alltag fehlt, wird man trau­rig und nach­denk­lich – und ist gleich­zei­tig dank­bar. Der Seel­sor­ger aber wirkt gefasst. Er hat schon vieles miter­lebt und hat gelernt zu akzep­tie­ren. «Man würde sich ande­res wünschen für diese Perso­nen, aber mit Forde­run­gen kommt man nicht weit. 

Der Seel­sor­ger stösst in den Gesprä­chen mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten manch­mal an Grenzen.

Wenn jemand klei­ne Fort­schrit­te macht, ist das für mich ein High­light.» Die Erfolgs­chan­cen seien nicht immer gleich. Rund 350 Ange­stell­te sind in der Klinik St. Pirmins­berg tätig. Die Zusam­men­ar­beit ist gut – davon werden wir an diesem Tag Ende Janu­ar Zeuge. Beim Klinik­rund­gang geht eine Pfle­ge­kraft auf Ehrhardt zu. «Kannst du noch zu Frau B. gehen? Sie hat um ein Gespräch gebe­ten.» Ehrhardt bejaht freund­lich. Er sieht sich als Ergän­zung zur Behand­lung. Der Frage, warum es nebst dem psycho­lo­gi­schen Dienst in Klini­ken Seel­sor­ger braucht, entgeg­net er mit einem Lächeln – ganz so, als hätte er darauf gewar­tet: «Einer­seits sind wir die Fach­per­so­nen, wenn es um reli­giö­se oder spiri­tu­el­le Fragen geht oder jemand ein Gebet spre­chen, die Kommu­ni­on oder einen Segen empfan­gen möch­te. Manch­mal bin ich einfach Vermitt­ler, damit Sakra­men­te  wie Beich­te oder Kran­ken­sal­bung gespen­det werden können. Dazu werde ich dann auch spezi­ell ange­fragt. Ande­rer­seits kann ich mir oft mehr Zeit nehmen für die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten und arbei­te nicht nach einem Zeit­plan. Wenn immer den Betrof­fe­nen etwas auf dem Herzen liegt, bin ich da.» 

Micha­el Ehrhardt erreicht vor allem gläu­bi­ge Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Für sie orga­ni­siert er am Frei­tag jeweils einen Gottes­dienst mit Fürbittenherz.

Die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten schät­zen das. «Manchen ist es wich­tig, dass sie ihre ganze Geschich­te erzäh­len können, ohne Zeit­druck und Unter­bre­chun­gen.» Diese Flexi­bi­li­tät bringt einen weite­ren Vorteil: Ehrhardt kann die Gesprä­che führen, wo immer es die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wünschen. Das Setting, wie er es nennt, müsse für jeden Einzel­nen stim­men. Ehrhardt erzählt, wie er in den Gesprä­chen manch­mal an Gren­zen stos­se, wie heraus­for­dernd es zuwei­len sei, das Gegen­über aus der Reser­ve zu locken. Dann brau­che es einen Ansatz­punkt. Ehrhardt führt uns in die Klosterkirche. 

Die Klos­ter­kir­che der Klinik Pfäfers löst bei vielen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten Emotio­nen aus. Micha­el Ehrhardt nutzt dies gerne als Ansatzpunkt.

Der impo­san­te Barock­bau löst Stau­nen aus – auch bei vielen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. «Ihre Neugier­de wird geweckt. Sie fragen beispiels­wei­se, wie alt die Kirche ist, und schon sind wir in einem Gespräch, das dann oft auch tiefer geht.» Nebst reli­giö­sen Themen geht es oft auch um Lebens­fra­gen in Bezug auf die Fami­lie, Kinder oder die Arbeit. Fragen, die uns alle dann und wann herum­trei­ben – auch Ehrhardt selbst. «Ich erzäh­le dann aus meinem Leben und wie ich die Situa­ti­on handhabe.»

Noch immer Tabuthema

Die psych­ia­tri­schen Klini­ken und ihre Ange­bo­te haben sich in den vergan­ge­nen 30 Jahren stark gewan­delt. Während Jahr­zehn­ten wurde die Praxis der lebens­lan­gen Aufent­hal­te verfolgt. Das heisst, die Betrof­fe­nen wurden in Insti­tu­tio­nen «abge­scho­ben» und fris­te­ten ein meist einsa­mes Dasein. Eine Inter­ak­ti­on mit der Bevöl­ke­rung fehl­te. Seit der Klinik­re­form in den 1990er-Jahren steht die Reinte­gra­ti­on in die Gesell­schaft im Vorder­grund. «Die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sollen nur so lange wie nötig bei uns sein und so schnell wie möglich wieder in ihr gewohn­tes Umfeld und in ihren Alltag zurück­keh­ren», erklärt Klinik­di­rek­to­rin Gorda­na Heuber­ger. Heute beträgt die durch­schnitt­li­che Aufent­halts­dau­er in Pfäfers 32 Tage. 

Nur noch so lang wie nötig: Heute beträgt die durch­schnitt­li­che Aufent­halts­dau­er einer Pati­en­tin oder eines Pati­en­ten in Pfäfers rund 32 Tage. 

Wie Heuber­ger sagt, hat die Praxis­än­de­rung zur Akzep­tanz psychi­scher Erkran­kun­gen in der Bevöl­ke­rung beigetra­gen, das Thema aber nicht entta­bui­siert: «Es wird immer noch stig­ma­ti­siert. Wir Menschen werden immer Schwie­rig­kei­ten haben, um Hilfe zu bitten und diese anzu­neh­men. Wir wollen lieber Verant­wor­tung über­neh­men. Das geht aber nicht immer.» Und Micha­el Ehrhardt ergänzt: «Das Feld derje­ni­gen, die sich mit dem Thema beschäf­ti­gen, ist grös­ser gewor­den. Aber wir müssen akti­ver auf die Gesell­schaft zuge­hen und ihr zeigen, dass psychi­sche Erkran­kun­gen dazugehören.» 

Inter­es­se steigt

Klar ist: Auch künf­tig wird es psych­ia­tri­sche Klini­ken brau­chen. Die Bevöl­ke­rung muss lernen, die Betrof­fe­nen zu inte­grie­ren und als Teil der Gesell­schaft zu akzep­tie­ren. Vor diesem Hinter­grund freut es den Seel­sor­ger beson­ders, dass mitt­ler­wei­le auch auswär­ti­ge Gäste das Klinik­ca­fé besu­chen und kürz­lich eine Schul­klas­se für eine Führung ange­fragt hat. «Das ist eine gute Möglich­keit, uns zu zeigen und Vorur­tei­le abzu­bau­en», sagt Micha­el Ehrhardt, bevor er sich verab­schie­det. Er muss los, sein offe­nes Ohr ist gefragt. Der heuti­ge Tages­plan ist straff. Am Nach­mit­tag wird er die besag­te Pati­en­tin auf ihrem Zimmer besu­chen und sich mit Pascal noch einen Kaffee gönnen – wie oft nach erfolg­rei­chen Gesprä­chen. Pascal freuts und er dankt: «Es ist gut, dass Micha­el da ist. Er ist ein Guter.» Dann muss auch er gehen – es ist 11.40 Uhr und das Mittag­essen wartet seit zehn Minu­ten auf ihn.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 16. Febru­ar 2024

Sich zuhause fühlen dank Suppentag

Durch ihr kirch­li­ches Enga­ge­ment hat die Berne­rin Kath­rin Brou­wer schnell Anschluss im Sargan­ser­land gefun­den. Seit­her gibt sie der Kirche viel zurück. Seit 15 Jahren etwa ist die 80-Jährige die gute Seele hinter dem Suppen­tag in Sargans.

«Ich weiss, was es heisst, arm zu sein, und habe daher Verständ­nis und Mitge­fühl für die Menschen, die wenig haben und arm aufwach­sen. Ich habe selbst erlebt, was es bedeu­tet, wegen Armut auf Ableh­nung zu stos­sen.» Kath­rin Brou­wers Stim­me ist leise, wenn sie von ihrer Kind­heit spricht. Aufge­wach­sen als Toch­ter eines Heim­ar­bei­ters in der Stadt Bern, war das Geld in ihrem Eltern­haus stets knapp. Hilfe von aussen gab es keine. Diese Zeit hat die heute 80-Jährige geprägt. Ihre Gedan­ken sind oft bei den weni­ger Privi­le­gier­ten unse­rer Gesellschaft.

Suppen­work­shop besucht

Seit 15 Jahren enga­giert sich Kath­rin Brou­wer für die OeME Sargans (Ökume­ne, Missi­on und Entwick­lung Sargans) der refor­mier­ten Kirche und orga­ni­siert und plant zusam­men mit ihrer Team-Kollegin den Suppen­tag, an dem Geld gesam­melt wird für die ökume­ni­sche Fasten­kam­pa­gne. In Sargans findet dieser tradi­ti­ons­ge­mäss am ersten Sonn­tag nach Ascher­mitt­woch statt. «Als ich für die OeME zuge­sagt habe, war ich mir nicht bewusst, was auf mich zukommt. Eines ergab das ande­re. Mitglie­der kamen und gingen. Ich bin geblie­ben», so Kath­rin Brouwer. 

Kath­rin Brou­wer weiss, wie man eine gute und nahr­haf­te Suppe kocht. Zwei­mal hat sie bereits den Suppen­work­shop von Fasten­ak­ti­on und HEKS besucht.

Sie freut sich auf den Suppen­tag. Kürz­lich hat sie in Baden den Suppen­work­shop von Fasten­ak­ti­on und HEKS besucht – dies, obwohl sie die Suppe für den Suppen­tag in Sargans nicht selbst zube­rei­tet. Seit vergan­ge­nem Jahr ist die orts­an­säs­si­ge Pfadi dafür zustän­dig, in den Jahren davor waren es die Hobby­kö­che von Sargans.

Kirche, ein Stück Heimat

Kath­rin Brou­wer ist eine Kämp­fer­na­tur. Mit 25 Jahren fand sie durch ihren Ehemann den Weg ins Sargan­ser­land. Sie fühl­te sich einsam, hatte keine Freun­de und Bekann­te. Damals begann ihre Verbin­dung zur Kirche. «Ich woll­te mich der Gesell­schaft anschlies­sen und muss­te mich inte­grie­ren. Die Kirche half mir sehr dabei. Sie war für mich ein Stück Heimat.» Die Ernüch­te­rung kam aller­dings schnell. «Ich hatte stets viele Ideen, aber nicht alle wurden aufge­nom­men.» Sie habe auch gros­ses Glück in ihrem Leben gehabt, sagt Kath­rin Brou­wer. Als Anfang der 1970er-Jahre im Sargan­ser­land eine Musik­schu­le aufge­baut wurde, konn­te sie den Ausbil­dungs­kurs zum Ertei­len von Block­flö­ten­un­ter­richt besu­chen und bis zur Pensio­nie­rung als Flöten­leh­re­rin dort unter­rich­ten. Neben­her hat sie die Sing­schu­le St. Gallen und das Kirchen­mu­sik­se­mi­nar mit Diplom abge­schlos­sen. «Die Geburt meiner zwei Kinder hat meinem Leben aber den gröss­ten Sinn gegeben.»

Zusam­men­ar­beit stärken

Kath­rin Brou­wer ist ihren Weg gegan­gen. Nebst der Arbeit in der OeME ist sie in den monat­lich statt­fin­den­den, ökume­ni­schen Abend­me­di­ta­tio­nen «Schwei­gen und Hören» musi­ka­lisch und manch­mal auch inhalt­lich tätig. Sie enga­giert sich mit viel Herz­blut für die Kirche, weiss aber, dass dies kein dauer­haf­ter Zustand ist. «Es ist eine Frage der Zeit. Ich weiss nicht, wie lange ich das vor allem gesund­heit­lich noch machen kann.» Für die Zukunft hat die vife Senio­rin einen gros­sen Wunsch: «Der ökume­ni­sche Gedan­ke soll in der Kirche mehr zum Tragen kommen und die Zusam­men­ar­beit muss gestärkt werden. Wir glau­ben schliess­lich alle an dassel­be und haben diesel­ben Sorgen und Probleme.»

Leserfrage: Wie finanzieren sich Klöster?

Das Wort «Klos­ter» ist im Deut­schen – ähnlich wie das Wort «Kirche» – mehr­deu­tig. Man kann damit Gebäu­de aus Stein meinen oder aber die Menschen, die diese Gebäu­de nutzen oder bewoh­nen. Ein Klos­ter ist dort, wo sich Frau­en oder Männer durch verbind­li­che Gelüb­de zu gemein­schaft­li­chem Leben entschie­den haben. Die Gebäu­de spie­len aber keine unwich­ti­ge Rolle. Wo die Gemein­schaf­ten klei­ner und klei­ner werden, fallen die Unter­halts­kos­ten umso mehr ins Gewicht. Es macht einen Unter­schied, ob eine klei­ne Klos­ter­ge­mein­schaft eine Miet­woh­nung bewohnt und Miet­zins bezahlt oder einen weit­läu­fi­gen Gebäu­de­kom­plex zu unter­hal­ten hat, wofür unter Umstän­den ein Mehr­fa­ches von dem zu stem­men ist, was die Klos­ter­ge­mein­schaft für Essen, Klei­dung und den Bedarf des tägli­chen Lebens aufzu­wen­den hat. Dann kann die Sorge um die Immo­bi­li­en drücken­der werden als jene um das Klos­ter­le­ben. Drei Finan­zie­rungs­quel­len lassen sich unterscheiden:

Klos­ter­pro­duk­te

Eini­ge Klös­ter bieten selbst herge­stell­te Klos­ter­pro­duk­te (Gesundheits- und Kosme­tik­pro­duk­te, Devo­tio­na­li­en usw.) in Klos­ter­lä­den zum Verkauf an. Manche Klös­ter vertrei­ben ihre Erzeug­nis­se sogar inter­na­tio­nal. Die quali­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Produk­te haben ihren Preis, finden aber auch ihre Kundin­nen und Kunden. Die Nach­fra­ge nach typi­schen Klos­ter­pro­duk­ten frühe­rer Zeiten wie Hosti­en oder nach Para­men­ten (Kirchen­wä­sche, Mess­ge­wän­der) geht hinge­gen zurück. Wo eine Klos­ter­ge­mein­schaft noch zur Selbst­be­wirt­schaf­tung in der Lage ist, werfen auch Land- und Forst­wirt­schaft Erträ­ge ab. Wo nicht, tragen zumin­dest die Pacht­ein­nah­men zur Exis­tenz­si­che­rung des Klos­ters bei.

Berufs­tä­tig­keit

Wo Klos­ter­ge­mein­schaf­ten Gäste‑, Exerzitien- oder Bildungs­häu­ser betrei­ben, werden sie zu reli­giö­sen Gast­ge­be­rin­nen, sofern die Räum­lich­kei­ten dafür gege­ben sind. Gewinn­brin­gend sind Tagungs­häu­ser jedoch für die Klos­ter­ge­mein­schaf­ten in den seltens­ten Fällen. Effek­ti­ver können Ordens­leu­te, sofern sie nicht durch ihre Satzun­gen gehin­dert sind, ausser­halb des Klos­ters durch die Über­nah­me von Seel­sor­ge­auf­ga­ben in Pfar­rei­en oder in welt­li­chen Beru­fen zum Unter­halt der Klos­ter­ge­mein­schaft beitra­gen. Klos­ter­an­ge­hö­ri­ge verspre­chen mate­ri­el­le Anspruchs­lo­sig­keit und erhal­ten den Arbeits­lohn nicht indi­vi­du­ell ausbe­zahlt. Dieser fliesst viel­mehr in die Gemein­schafts­kas­se ein, aus der alles Lebens­not­wen­di­ge finan­ziert wird. Stellt die Klos­ter­ge­mein­schaft für Einrich­tun­gen Drit­ter nur Räume zur Verfü­gung, ohne selbst in den Betrieb invol­viert zu sein, kommen die Miet­ein­nah­men der Exis­tenz­si­che­rung des Klos­ters zugute.

Spen­den

Immer schon können Klös­ter auf Wohl­tä­te­rin­nen und Wohl­tä­ter bauen, die der Klos­ter­ge­mein­schaft wohl­ge­son­nen sind und sie durch Spen­den, Zustif­tun­gen und Erbschaf­ten mate­ri­ell unter­stüt­zen. In frühe­ren Zeiten mag der Gedan­ken mitge­spielt haben, durch die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung auf die Gebets­kraft der Klos­ter­ge­mein­schaft hoffen zu dürfen. Heut­zu­ta­ge ist es eher die persön­li­che Bindung zum Ort und zur Gemein­schaft, die einen Kreis von Sympa­thi­san­tin­nen und Sympa­thi­san­ten zu Spen­den animiert.

Text: Thomas Engl­ber­ger, Kanz­ler Bistum St. Gallen

Veröf­fent­licht: 06.02.2024

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Diese Jesus-Serie packt die Massen weltweit

Die 2019 erschie­ne­ne Serie «The Chosen» über das Leben von Jesus von Naza­reth hat Fans auf der ganzen Welt. Die Katho­li­sche Kirche der Stadt St. Gallen orga­ni­siert nun sogar Seri­en­aben­de. Seel­sor­ge­rin Hilde­gard Aepli erklärt die Faszi­na­ti­on, die von der Produk­ti­on ausgeht.

Ein fesseln­der Vorspann, ein packen­der Sound­track und eine Prise Holly­wood – das ist das Rezept für fast jede erfolg­rei­che Fern­seh­se­rie. Die US-amerikanische Produk­ti­on «The Chosen – Gewöhn dich an Anders» kann mit diesen Attri­bu­ten aufwar­ten. Die Serie, die auf dem Leben und Wirken von Jesus von Naza­reth basiert, hat in kürzes­ter Zeit Millio­nen von Menschen welt­weit in den Bann gezo­gen. Eine davon ist Hilde­gard Aepli. Die Theo­lo­gin und Seel­sor­ge­rin im Bistum St. Gallen ist Fan der ersten Stun­de. «Die Serie ist einfach packend und sympa­thisch gemacht. Ich war gefes­selt von Anfang an», sagt Aepli. «Mir gefällt, dass die Serie nicht bis ins Detail perfekt gemacht ist, sondern, dass man merkt, dass es das Ergeb­nis einer Zusam­men­ar­beit von profes­sio­nel­len Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­lern und Laien­dar­stel­le­rin­nen und ‑darstel­lern ist.» Hilde­gard Aepli hat bisher alle deutsch­spra­chi­gen Episo­den geschaut. Am 23. Janu­ar hat sie im Domzen­trum erst­mals ein Bibel­tref­fen zur Serie veran­stal­tet. Bis und mit Septem­ber finden monat­lich Tref­fen statt (siehe Kastentext).

Kein anbie­dern­der Jesus

«The Chosen» ist die erste Fern­seh­se­rie, die das Leben von Jesus in mehre­ren Staf­feln thema­ti­siert. Sie zeigt die bibli­sche Geschich­te von Jesus Chris­tus durch die Augen derer, die ihm begeg­nen, und veran­schau­licht, wie sich deren eige­nes Leben dadurch verändert. 

Hilde­gard Aepli ist faszi­niert von der Serie und hat bereits alle deutsch­spra­chi­gen Episo­den geschaut.

Nicht nur die Hand­lung und die Insze­nie­rung über­zeu­gen Hilde­gard Aepli, auch die Charak­te­re, allen voran der Haupt­cha­rak­ter, haben es der 60-Jährigen ange­tan. «Jesus wird nicht kitschig darge­stellt oder als anbie­dern­de Figur, sondern als warm­her­zi­ger, glaub­wür­di­ger und authen­ti­scher Mensch. Das gefällt mir an der Serie gut.» Für Hilde­gard Aepli ist dies mit ein Grund für die gros­se Popu­la­ri­tät der Fernsehproduktion.

Ins Jetzt übertragen

«The Chosen» ist die einzi­ge Fern­seh­se­rie, die Hilde­gard Aepli schaut. Privat hat sie keinen Fern­se­her. «The Chosen» aber hat von Anfang an ihre Neugier­de geweckt. «Diese Serie hat mich einfach inter­es­siert, weil ich wissen woll­te, was heut­zu­ta­ge alles versucht wird, um die bibli­sche Botschaft den Menschen näher­zu­brin­gen.» Aepli spricht von einer stim­mi­gen Umset­zung: «Dieser Serie gelingt es wirk­lich, die bibli­sche Botschaft zeit­ge­mäss zu vermit­teln und zu zeigen, dass sie nach wie vor aktu­ell ist.» 

Die Seel­sor­ge­rin lobt unter ande­rem die Balan­ce zwischen der Bibel­treue und dem Bezug zur Aktualität.

Einer­seits sei der bibli­sche Text in seiner Dyna­mik gut erkenn­bar, ande­rer­seits warte die Serie durch die neu entwi­ckel­ten Dialo­ge mit den Wegge­fähr­ten auch mit uner­war­te­ten, neuen Aspek­ten auf. Vor allem die Kombi­na­ti­on von Bibel­treue und dem «darüber Nach­den­ken, was die Botschaft für uns heute bedeu­tet», über­zeugt Hilde­gard Aepli. «Die Macher haben sich wirk­lich Gedan­ken darüber gemacht, wie sie die Geschich­te in die heuti­ge Zeit über­füh­ren. Und das ist ihnen sehr gut gelun­gen.» Hilde­gard Aepli bezeich­net sich selbst als sehr kriti­sche Person. «Aber die Serie hat eine gute Mischung gefun­den zwischen einer­seits einer Öffnung und ande­rer­seits der Detailtreue.»

Sehn­sucht nach Gott stillen

Die Serie ist mitt­ler­wei­le auch auf Netflix und DVD verfüg­bar. Im Novem­ber wurden eini­ge Episo­den gar im Kino gezeigt. Sämt­li­che Folgen sind online abruf­bar. Für Hilde­gard Aepli eine erfreu­li­che Entwick­lung. Es macht die bibli­sche Geschich­te für die brei­te Masse «greif­bar». «Das Medi­um Fern­se­hen spricht heute einfach viele Menschen an und man erreicht sie darüber gut. Das Lesen der Bibel hinge­gen ist so anspruchs­voll, dass es kaum jemand macht.» Durch die Serie bekä­men mehr Menschen Zugang zur Jesus­ge­schich­te und zur bibli­schen Botschaft, sagt die Seel­sor­ge­rin. «Und irgend­wie haben wir doch alle eine gewis­se Sehn­sucht nach Gott. Die Serie holt uns in dieser Sehn­sucht ab.»

Über 600 Millio­nen Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er weltweit

«The Chosen» ist eine US-amerikanische Fern­seh­se­rie von Regis­seur und Filme­ma­cher Dallas Jenk­ins. Sie ist die erste Fern­seh­se­rie mit mehre­ren Staf­feln über das Leben von Jesus Chris­tus. Die erste Staf­fel wurde 2019 veröf­fent­licht. Im deut­schen Fern­se­hen war «The Chosen» erst­mals im Janu­ar 2023 auf Bibel TV zu sehen. Im Inter­net erfolg­te die Premie­re bereits 2021. «The Chosen» kann auf https://watch.thechosen.tv oder über eine App kosten­frei ange­se­hen werden. Die Veröf­fent­li­chung der vier­ten Staf­fel ist für 2024 geplant. Die Serie trifft einen Nerv. Sie zählt über 600 Millio­nen Zuschau­er welt­weit. Die erste Staf­fel ist inzwi­schen in elf Sprach­fas­sun­gen verfüg­bar. Für die Folgen der ersten und zwei­ten Staf­fel  exis­tie­ren Unter­ti­tel in 40 weite­ren Spra­chen. Mit elf Millio­nen US-Dollar war Staf­fel 1 das teuers­te Serien- oder Film­pro­jekt, welches über Crowd­funding finan­ziert wurde.

Seri­en­aben­de im Bistum

Seel­sor­ge­rin Hilde­gard Aepli veran­stal­tet im Namen der Kirche im Lebens­raum St. Gallen ab Janu­ar einmal monat­lich einen Seri­en­abend zum Thema. Dabei wird gemein­sam eine Episo­de ange­schaut und besprochen.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 25. Janu­ar 2024

Warum sind Sie katholisch?

Fabi­en­ne Graber, Widnau: «Das Gemein­sa­me, das Mitein­an­der ist wunderbar»

«Die Frau­en­ge­mein­schaft war für mich der Grund­stein für viele lang­jäh­ri­ge und tiefe Freund­schaf­ten. Dafür bin ich sehr dank­bar», sagt Fabi­en­ne Graber. «Das Gemein­sa­me, das Mitein­an­der ist wunder­bar. Wir sind alle auf der glei­chen Ebene. Wir alle teilen die glei­chen Ängs­te und Sorgen, aber auch die glei­chen Hoff­nun­gen und Ziele. Das gibt einem Halt.» Fabi­en­ne Graber ist seit sechs Jahren Mitglied und seit rund einem Jahr Präsi­den­tin der Katho­li­schen Frau­en­ge­mein­schaft (FMG) Widnau mit ihren rund 500 Mitglie­dern. Sie habe lange über­legt, ob sie das Amt anneh­men soll, erklärt die junge Frau. «Es ist eine gros­se Aufga­be, aber der Verein gibt mir und allen Mitglie­dern so viel.» Aufge­wach­sen ist die 35-Jährige in Mont­lin­gen. Über den Chäfer­treff ist sie schliess­lich auf die FMG aufmerk­sam gewor­den und hat durch den Verein schnell Anschluss zu ande­ren Frau­en im Dorf gefun­den. Diese Zuge­hö­rig­keit sollen alle Frau­en spüren, so Graber: «Die Frau­en­ge­mein­schaft soll für viele Frau­en den Grund­stein für neue Bekannt­schaf­ten mit Gleich­ge­sinn­ten bilden. Bei uns sind alle Frau­en will­kom­men und es wird ihnen zugehört.»

Gutes Funda­ment

In Fabi­en­ne Grabers Leben spielt der christ­li­che Glau­be eine bedeu­ten­de Rolle. «Ich bin katho­lisch erzo­gen worden und mir ist der Glau­be sehr wich­tig», sagt die zwei­fa­che Mutter. In der Kirche sieht man sie aller­dings nicht regel­mäs­sig. Viel­mehr baut sie den Glau­ben in den Alltag ein, etwa, wenn sie allabend­lich gemein­sam mit ihrem Ehemann und den Kindern betet. Sie wollen ihnen damit ein gutes Funda­ment mitge­ben. Fabi­en­ne Graber bittet Gott auch um Hilfe. «Wenn mein Mann, Kompa­nie­chef bei der Feuer­wehr, auf Einsatz ist, sende ich Gebets­stös­se in den Himmel, dass er wieder gesund nach Hause kommen möge», so die junge Frau. «Der Glau­be ist ein Teil meines Lebens und das darf er auch sein. Er gibt uns Halt, zeigt uns den Weg und spen­det Trost.» Dass sich dieser Tage viele Menschen von der katho­li­schen Kirche im Stich gelas­sen fühlen und sich von ihr abwen­den, weiss Fabi­en­ne Graber. In der Frau­en­ge­mein­schaft seien deswe­gen zum Glück nicht mehr Rück­trit­te zu bekla­gen. «Aber durch die Miss­brauchs­stu­die hat das Vertrau­en der Menschen natür­lich stark gelit­ten. Miss­bräu­che sind tragisch, egal, in welchem Umfeld sie passie­ren.» Fabi­en­ne Graber hofft, dass die Fälle nun diffe­ren­ziert und trans­pa­rent aufge­ar­bei­tet werden. Ein Abwen­den vom christ­li­chen Glau­ben kommt für sie persön­lich nicht infra­ge. «Jeder muss selbst entschei­den, aber ich will nicht einfach meine Ämter und meinen Glau­ben hinschmeis­sen. Die Frau­en­ge­mein­schaf­ten braucht es – jetzt viel­leicht noch mehr denn je.»

Yannick Frei, Walzen­hau­sen: «Die Kirche aktiv mitgestalten»

«Es sind dieje­ni­gen Grund­wer­te, die einen guten Menschen ausma­chen, ob man den Glau­ben nun aktiv lebt oder nicht», sagt Yannick Frei. Er ist 32 Jahre alt, Ehemann, Fami­li­en­va­ter und gelern­ter Projekt­lei­ter Gebäu­de­tech­nik – und er ist beken­nen­der Katho­lik. «Der Glau­be hat eine gros­se Bedeu­tung in meinem Leben. Der regel­mäs­si­ge Besuch des Gottes­diens­tes ist mir sehr wich­tig. Wenn ein solcher nicht möglich ist, versu­che ich den Glau­ben mehr in den Alltag einzu­bau­en und spre­che zu Hause ein Gebet mehr», sagt Yannick Frei. Neben seiner beruf­li­chen Tätig­keit amtet er seit Okto­ber 2023 als Kirchen­ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent in Walzen­hau­sen und ist in dieser Funk­ti­on Mitglied des Kreis­ra­tes der Seel­sor­ge­ein­heit über dem Boden­see. Das Amt des Kirchen­ver­wal­tungs­prä­si­di­ums hat Yannick Frei von seiner Mutter über­nom­men. Sein Enga­ge­ment für die Kirche ist für den jungen Mann eine Selbst­ver­ständ­lich­keit «und eine Herzens­an­ge­le­gen­heit», wie er erklärt. Mit der Pfar­rei Walzen­hau­sen ist er ein Leben lang verbun­den, hat in der Ausser­rho­der Gemein­de die Taufe, die Kommu­ni­on und die Firmung erhal­ten und war in jungen Jahren als Minis­trant tätig. «Nun habe ich die Möglich­keit, etwas zurück­zu­ge­ben. Auch kann ich so die Zukunft der Kirche aktiv mitgestalten.»

Eine ande­re Kirche werden

Was oft wie eine Flos­kel tönt, ist in diesen Mona­ten wich­ti­ger denn je. Die Miss­brauchs­stu­die hat erschüt­tert und betrof­fen gemacht – auch Yannick Frei. Er spricht von einer «abso­lu­ten Kata­stro­phe». «Miss­bräu­che sind immer verwerf­lich und in keins­ter Weise legi­tim, egal, in welchem Umfeld sie passie­ren.» Schwie­rig und scha­de findet Yannick Frei, dass die Kirche als Insti­tu­ti­on unter den Folgen zu leiden hat, «und nicht die fehl­ba­ren Perso­nen allein». Jedoch ist er über­zeugt, dass die Lehren aus dieser Situa­ti­on gezo­gen worden sind und die Aufar­bei­tung profes­sio­nell vor sich geht. In seinem Glau­ben hat ihn die Miss­brauchs­stu­die nicht erschüt­tert. Er wird auch weiter­hin die Gottes­diens­te besu­chen und den katho­li­schen Glau­ben seinen zwei Kindern mitge­ben. Er sagt: «Der Miss­brauchs­skan­dal ist nicht das, für was die Kirche steht. Sie macht sehr viel Gutes – es liegt an uns Welt­li­chen, was wir daraus machen.» Yannick Frei ist einer der rund 2800 Unter­zeich­nen­den der Akti­on «Refor­men jetzt!» der Katho­li­schen Kirche im Lebens­raum St. Gallen. Er ist über­zeugt: So darf es nicht weiter­ge­hen: «Die Kirche braucht Verän­de­run­gen. Wir müssen uns alle dafür einset­zen, dass wir eine ande­re Kirche werden», sagt der Walzen­hau­se­ner. «Eine Kirche für die Armen, eine Kirche für die Jungen, eine Kirche für uns alle.»

Gabi Corvi, Schä­nis: «Die Gemein­schaft ist mir sehr wichtig»

Gabi Corvi aus Schä­nis SG inves­tiert unzäh­li­ge Stun­den in ihre Ämter der katho­li­schen Kirche. «Die Kirche ist meine Heimat, der Glau­be liegt mir sehr am Herzen», sagt die 52-jährige Jour­na­lis­tin. Die Liste ihrer Funk­tio­nen ist lang: Kirchen­ver­wal­tungs­rats­prä­si­den­tin der Katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Schänis-Maseltrangen, Verbands­prä­si­den­tin des Deka­na­tes Uznach, Perso­nal­ver­ant­wort­li­che der Seel­sor­ge­ein­heit Gaster, Vorstands­mit­glied beim Pfar­rei­fo­rum und seit Neues­tem auch Mitglied des Katho­li­schen Kolle­gi­ums. Corvi pumpt viel Herz­blut in laufen­de Projek­te und legt gros­sen Wert auf den persön­li­chen Austausch mit den Menschen an der Basis. Sie enga­giert sich seit Jahren in der Kirchen­ver­wal­tung und möch­te damit einen guten Rahmen für die Seel­sor­ge schaffen.

Uner­schüt­ter­li­cher Optimismus

Mit ihrer Präsenz in den verschie­de­nen Gremi­en posi­tio­niert sie sich klar für die katho­li­sche Kirche. Doch die erste Zeit nach der Veröf­fent­li­chung der Miss­brauchs­stu­di­en war sie wütend und enttäuscht. «Es war, als käme jemand mit dem Flam­men­wer­fer und zerstö­re alle jungen, zarten Pflänz­chen, die ich mit ande­ren Menschen in der Kirchen­ge­mein­schaft sorg­fäl­tig gepflanzt hatte.» Sie kann gut nach­voll­zie­hen, dass sich immer mehr Menschen von der Insti­tu­ti­on Kirche abwen­den. «Wenn ich könn­te, würde ich das Pflicht­zö­li­bat abschaf­fen und die Stel­lung der Frau­en verbes­sern. Pries­ter sollen auch Bezie­hun­gen einge­hen und Fami­li­en grün­den können. Und eigent­lich soll­te das Geschlecht in der Kirche keine Rolle spie­len.» Doch sie bleibt ihren Aufga­ben treu und möch­te die frohe Botschaft von Jesus Chris­tus weiter­tra­gen. «Die Gemein­schaft ist mir sehr wich­tig. Und wenn ich einen feier­li­chen, stim­mungs­vol­len Gottes­dienst besu­che, verspü­re ich einen regel­rech­ten Boost. Das nährt meinen uner­schüt­ter­li­chen Opti­mis­mus und moti­viert mich  weiter­zu­ma­chen», erklärt sie. Die Mutter von fünf erwach­se­nen Kindern kann diesen gros­sen Aufwand nur dank ihres flexi­blen Jobs in der Medi­en­bran­che bewäl­ti­gen. «Wenn gleich­zei­tig verschie­de­ne Perso­nal­fra­gen, Baupro­jek­te und gros­se Kirchen­fes­te anste­hen, dann ist es manch­mal schon viel», gesteht sie.

Alex Schnei­der, Gold­ach: «Es bewegt sich doch etwas»

«Jugend­li­che auf ihrem Glau­bens­weg ein Stück weit zu beglei­ten, hilft mir, den eige­nen Hori­zont zu erwei­tern», sagt Alex Schnei­der und merkt mit einem Lächeln an: «Da mir persön­lich Tradi­tio­nen wich­tig sind, ist der Austausch mit jungen Menschen und die Konfron­ta­ti­on mit ihren Gedan­ken, Träu­men und Trends ein will­kom­me­ner Gegen­pol.» Der 59-jährige Goldach­er ist als Fach­spe­zia­list für elek­tro­ni­sche Zahlungs­sys­te­me tätig, in seiner Frei­zeit enga­giert er sich seit vielen Jahren als Firm­be­glei­ter. Er sei schon immer in der Kirche verwur­zelt gewe­sen. «Da ich mich frei­wil­lig enga­gie­re, bekom­me ich auch mit, dass sich in der Kirche sehr wohl etwas verän­dert», sagt er, «natür­lich sind manche Reform­schrit­te längst über­fäl­lig. Aber der Vorwurf, dass sich gar nichts tut, ist falsch. Es bewegt sich doch etwas.» In der Katho­li­schen Kirche der Regi­on Rorschach sorgen enga­gier­te Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger und viele enga­gier­te Frei­wil­li­ge für ein akti­ves kirch­li­ches Programm. «Es gibt so viele kirch­li­che Anläs­se, bei denen Menschen zusam­men­kom­men und sich begeg­nen – ohne das würde unse­rer Regi­on etwas fehlen.» Anstatt zu jammern, was nicht möglich sei, setze er lieber auf Prag­ma­tis­mus und darauf, alle vorhan­de­nen Möglich­kei­ten auszu­schöp­fen: «Zum Beispiel haben bei uns heute auch nicht­ge­weih­te Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger die Tauferlaubnis.»

Ein eige­nes Bild machen

Seit vier Jahren vertritt Alex Schnei­der die Katho­li­sche Kirche in der Regi­on Rorschach im Seel­sor­ge­rat des Bistums St. Gallen. Dieses Gremi­um besteht aus Vertret­erin­nern und Vertre­ter aus der Seel­sor­ge und frei­wil­lig Enga­gier­ten. Der Seel­sor­ge­rat hat die Aufga­be, den Bischof zu bera­ten und auch aufzu­zei­gen, «wo in den Pfar­rei­en der Schuh drückt.» «Beim letz­ten Tref­fen im Novem­ber in Quar­ten war ganz deut­lich spür­bar, wie wich­tig dieses Gremi­um ist», hält Alex Schnei­der fest: «Die Pilot­stu­die zu den Miss­bräu­chen im kirch­li­chen Umfeld nahm einen gros­sen Platz ein. Wir Rats­mit­glie­der haben Bischof Markus deut­lich gemacht, dass sich jetzt etwas ändern muss. Man spürt, dass der Bischof und die Bistums­lei­tung ein offe­nes Ohr für die Anlie­gen der Menschen aus den Pfar­rei­en haben. Es ist ihnen ein erns­tes Anlie­gen, Miss­bräu­che aufzu­ar­bei­ten und alles daran zu setzen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Wie mein Enga­ge­ment als Firm­be­glei­ter erwei­tert auch die Mitwir­kung im Seel­sor­ge­rat meinen Hori­zont. Ich kann mir ein eige­nes Bild davon machen, welche konkre­ten Mass­nah­men das Bistum schon umge­setzt hat und umzu­set­zen plant.»

Isabel­la Awad, St. Gallen: «Ich erfah­re eine gros­se Wertschätzung»

Die Kommu­ni­ka­ti­ons­fach­frau Isabel­la Awad wech­sel­te im Juni 2023 zum Bistum St. Gallen – nach 27 Jahren in der Kommu­ni­ka­ti­on bei Helve­tia Versi­che­run­gen. In der Pfar­rei St. Gallen-Rotmonten, wo sie zuhau­se ist, enga­giert sie sich seit eini­gen Jahren frei­wil­lig im Pfar­rei­rat. «Kirche war für mich immer schon etwas, das alle Sinne anspricht», sagt sie. «In meiner Pfar­rei habe ich die Pfar­rei­be­auf­trag­te, die ande­ren Mitar­bei­ten­den und Frei­wil­li­gen als sehr enga­gier­te, krea­ti­ve und offe­ne Menschen erlebt. Mit der Kirche verbin­de ich viele schö­ne Erleb­nis­se.» Sie sei mit ihrer Stel­le bei den Helve­tia Versi­che­run­gen zufrie­den gewe­sen. «Doch als ich gese­hen habe, dass die Kommu­ni­ka­ti­on beim Bistum ausge­baut wird, hat mich diese Arbeit sofort ange­spro­chen», so Awad. In ihrem Umfeld habe die beruf­li­che Neuori­en­tie­rung für über­rasch­te aber keine einzi­ge nega­ti­ve Reak­ti­on gesorgt: «Ich denke, alle haben mir ange­se­hen, wie sehr ich mich auf die neue Aufga­be freue.»

Stark gefor­dert

Nur weni­ge Mona­te nach dem Start von Isabel­la Awad beim Bistum wurde die Pilot­stu­die zu den Miss­bräu­chen im kirch­li­chen Umfeld veröf­fent­licht: «Das war eine hefti­ge Zeit, die ich gemein­sam mit Sabi­ne Rüthe­mann, der Kommu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­ten, durch­leb­te. Die Berich­te der Miss­brauchs­be­trof­fe­nen haben mich erschüt­tert, in manchen Momen­ten war ich den Tränen nah. Gleich­zei­tig war die Kommu­ni­ka­ti­on stark gefor­dert.» Als Frau bei der katho­li­schen Kirche arbei­ten – sah Isabel­la Awad da nie ein Problem? «Als Mitar­bei­te­rin erfah­re ich von allen Seiten eine gros­se Wert­schät­zung und Hand­lungs­spiel­raum, deshalb fühle ich mich hier rich­tig», hält sie fest, «aber selbst­ver­ständ­lich verste­he ich die Rufe nach Gleich­be­rech­ti­gung und Refor­men wie beispiel­wei­se bei Macht- und Ämter­fra­gen. Gera­de weil ich jetzt beim Bistum tätig bin, bekom­me ich direkt mit, dass es den Mitar­bei­ten­den und Verant­wort­li­chen des Bistums St.Gallen ernst ist, notwen­di­ge Verän­de­run­gen umzu­set­zen.» Eines sei ihr seit dem Stel­len­an­tritt beim Bistum auch noch bewusst gewor­den: «Es war mir klar, dass Kirche eini­ges im Sozia­len leis­tet. Doch jetzt stel­le ich fest: Es ist noch viel mehr. In den Pfar­rei­en und auch auf Ebene Bistum gibt es so viele Mitar­bei­ten­de und Frei­wil­li­ge, die mit Voll­gas für Menschen am Rand im Einsatz sind und das jeden Tag. Dafür müssen wir noch viel mehr öffent­li­ches Bewusst­sein schaffen.»

Texte: Ales­sia Paga­ni, Katja Hong­ler, Stephan Sigg

Bild: zVg. / Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 23.01.2024

«Unsere Talente und unsere Zeit weitergeben»

«Der katho­li­sche Glau­be ist meine Kultur und meine freie Entschei­dung. Glau­ben ist für mich eine Akti­on, die von Herzen und aus tiefs­ter Über­zeu­gung kommt», sagt Psycho­the­ra­peu­tin Cate­ri­na Corea. Dem Pfar­rei­fo­rum erzählt die 46-Jährige, warum sie katho­lisch ist und wieso sie sich – auch ange­sichts der Miss­brauchs­stu­die – in der Kirche enga­giert.

Cate­ri­na Corea kommt knapp vor dem Termin an das Tref­fen. «Ein Notfall in der Klinik», entschul­digt sie sich. Man merkt schnell: Die Entschul­di­gung kommt von Herzen. Cate­ri­na Corea strahlt eine Wärme und ein Wohl­wol­len aus, die jede Warte­zeit verges­sen lassen. Die 46-jährige Psycho­the­ra­peu­tin ist seit zehn Jahren in der Klinik Teufen Group mit Stand­or­ten in Teufen und Rorschach tätig. Es ist eine anspruchs­vol­le Tätig­keit und eine fordern­de Zeit. Nicht selten arbei­tet die gebür­ti­ge Italie­ne­rin sechs Tage die Woche. «Seit der Pande­mie hat die Zahl der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten noch­mals zuge­nom­men», sagt Cate­ri­na Corea. Physisch sucht sie den Ausgleich im Sport und in der Gesell­schaft. Cate­ri­na Corea spielt gerne Golf und Tennis. 

Cate­ri­na Corea bezeich­net den Glau­ben als ihren Polar­stern. «An ihm orien­tie­re ich mich und rich­te mein Verhal­ten nach ihm aus.»

Psychisch ist es der Glau­be, der Cate­ri­na Corea Halt gibt: «Er gibt mir die seeli­sche Kraft für die ganze Woche», sagt sie. Den katho­li­schen Glau­ben bezeich­net sie als ihren Polar­stern im Alltag. «An ihm orien­tie­re ich mich und rich­te mein Verhal­ten und meine Entschei­dun­gen nach ihm aus.»

«Bewuss­ter, reifer Glaube»

Cate­ri­na Corea hat sich bewusst für die katho­li­sche Kirche entschie­den. Ihre Verbin­dung zum Glau­ben ist mit den Jahren immer stär­ker gewor­den. Aus der Tradi­ti­on, als Kind mit der Gross­mutter die Gottes­diens­te zu besu­chen, sei im Laufe der Jahre «ein bewuss­ter und reifer Glau­be» gewor­den. «Der katho­li­sche Glau­be ist meine Kultur und meine freie Entschei­dung. Glau­ben ist für mich eine Akti­on, die von Herzen und aus tiefs­ter Über­zeu­gung kommt.» Auch weil sie habe erfah­ren können, was Gott für sie bedeu­te: «Nämlich Liebe und Frei­heit», erklärt Corea. 

Cate­ri­na Corea ist häufig in der Kirche in Gold­ach anzu­tref­fen. Gottes­dienst­be­su­che gehö­ren zum festen Bestand­teil ihres Lebens.

Heute gehö­ren die sonn­täg­li­chen Besu­che der italie­ni­schen Messe in Gold­ach für Cate­ri­na Corea zur Pflicht. Wenn sie einen Gottes­dienst verpasst, besucht sie die Messe in Deutsch. Als Vorbild voran­ge­hen, nennt sie das. Denn für Cate­ri­na Corea ist der Glau­be nichts Abstrak­tes. «Wir müssen ihn leben und ihn mani­fes­tie­ren. Wir Katho­li­ken sind aufge­ru­fen, unse­ren Glau­ben weiter­zu­ge­ben. Jeder von uns soll­te ein Vorbild sein und den Glau­ben auch wirk­lich leben.»

Selbst­stän­dig in Italien

Cate­ri­na Corea ist vor zwölf Jahren in die Schweiz gekom­men. Dass der Weg sie nach Rorschach führen soll­te, war nicht geplant. Corea ist in Kala­bri­en im Süden Itali­ens aufge­wach­sen. Sie war selbst­stän­dig mit zwei eige­nen Praxen und hat sich poli­tisch enga­giert. Mit 33 Jahren stand Cate­ri­na Corea voll im Leben. Dann sehn­te sie sich nach einer Verän­de­rung und ging auf Reisen. Eine davon führ­te sie zu ihrem Bruder an den Bodensee. 

Cate­ri­na Corea hat ihre beiden Praxen in Itali­en aufge­ge­ben und sich am Boden­see eine neue Exis­tenz aufgebaut.

Don Piero Corea ist Pfar­rer bei der Missio­ne Catto­li­ca Italia­na der Katho­li­schen Kirche Regi­on St. Gallen-Rorschach. Cate­ri­na Corea fühl­te sich sogleich wohl in der Schweiz. «Alle die Werte, für die ich einste­he und die mir wich­tig sind, etwa Pünkt­lich­keit und Ordent­lich­keit, werden hier gross geschrie­ben. Ich fühl­te mich ange­kom­men», sagt sie und ergänzt: «In Itali­en haben sie mich wegen meinem Drang zur Pünkt­lich­keit und Ordent­lich­keit immer ‹la sviz­zera›, die Schwei­ze­rin, genannt.» Cate­ri­na Corea lacht – und das Lachen ist so anste­ckend, dass man gerne mitlacht.

Ein Zuhau­se in der Ferne

Der Start in der Ferne sei kein einfa­cher gewe­sen, das Einge­wöh­nen ein schlei­chen­der Prozess. «Rück­bli­ckend war es streng, ich konn­te die Spra­che nicht und hatte keine Freun­de. Ich muss­te von null an neu anfan­gen. Aber ich bin mit Über­zeu­gung hier­ge­blie­ben. Ich habe mir ein sozia­les Netz­werk aufge­baut und fühle mich hier einfach wohl.» Die Missio­ne Catto­li­ca Italia­na hat den Einstieg ins neue Leben einfa­cher gemacht. In der Gemein­schaft hat sie schnell neue Kontak­te geknüpft. «Mit der Missio­ne Catto­li­ca hatte ich ein Zuhau­se in der Ferne. Sie hat mir die Ankunft erleich­tert. Ich spür­te die Wurzeln, die mich mit Itali­en und den Menschen dort verbin­det», so Cate­ri­na Corea und ergänzt: «Die Messen waren für mich ein siche­rer Ort. Ein Ort, der für alle offen war. Ein Ort, der den Fluss von Wissen und Menschen ermöglichte.» 

Die Missio­ne Catto­li­ca Italia­na gab Cate­ri­na Corea ein Gefühl von Heimat und erleich­ter­te ihr das Einle­ben in der Schweiz.

Die Missio­ne Catto­li­ca Italia­na der Katho­li­schen Kirche Regi­on St. Gallen-Rorschach ist eine lebhaf­te und akti­ve Gemein­schaft. Sie zählt gemäss Cate­ri­na Corea rund 15 000 Mitglie­der und ist offen für Menschen unter­schied­li­cher Herkunft. So besu­chen auch Portu­gie­sen, Spani­er und Schwei­zer regel­mäs­sig Veran­stal­tun­gen der Missio­ne Catto­li­ca Italiana.

Platt­form für Frauen

Cate­ri­na Corea ist dank­bar für das gros­se Enga­ge­ment. Und sie will etwas zurück­ge­ben. Vor eini­gen Mona­ten hat die erfolg­rei­che Geschäfts­frau eine neue Veran­stal­tungs­rei­he für Frau­en initi­iert. Diese findet jeweils am ersten Diens­tag und am vier­ten Donners­tag eines Monats statt und soll eine Platt­form für Austausch bieten. «Damit soll allen Frau­en und deren Sorgen, Ängs­ten und Freu­den ein Platz gege­ben werden. Es geht auch darum zu reflek­tie­ren, wie wir im Leben weiter­kom­men.» An der Veran­stal­tung werden verschie­de­ne Themen ange­spro­chen wie etwa die Themen Bezie­hun­gen, alte Muster oder die Rolle der Frau in der Gesell­schaft. Bei der ersten Durch­füh­rung waren bereits 40 Frau­en anwe­send. «Das hat mich total über­rascht. Auch, dass die Gesprä­che derart reich­hal­tig waren. Dies braucht ein gewis­ses Mass an Vertrau­en. Erstaun­li­cher­wei­se war das von Anfang an da», sagt Cate­ri­na Corea.

Glau­be wurde gestärkt

Egal, wie stres­sig ihr Alltag ist, Cate­ri­na Corea lebt den Glau­ben jeden Tag und enga­giert sich gerne und mit Herz­blut für die Kirche. «Wir alle haben eine Gabe von Gott erhal­ten und die Frage ist doch: Was können wir damit tun. Wir können nur unse­re Talen­te und Gaben weiter­ge­ben – und unse­re Zeit. Ich habe zwar nicht viel Zeit, aber diese gebe ich gerne.» Ange­spro­chen auf die Miss­brauchs­stu­die wird Cate­ri­na Corea nach­denk­li­cher. Diese habe sie trau­rig gemacht, aber nicht erschüt­tert. «Wo es Menschen gibt, machen diese immer Fehler.» Klar sei, dass es nun Konse­quen­zen brau­che. Verall­ge­mei­nern will Cate­ri­na Corea nicht, auch vermin­dert sich dadurch nicht ihr Wohl­wol­len gegen­über der Kirche. Im Gegen­teil. Cate­ri­na Corea sagt: «Die Miss­brauchs­stu­die hat mich in meinem Glau­ben noch gestärkt.» 

Cate­ri­na Corea möch­te etwas zurück­ge­ben und hat vor kurzem eine Veran­stal­tungs­rei­he für Frau­en ins Leben geru­fen. «Wir können nur unse­re Talen­te und Gaben weiter­ge­ben – und unse­re Zeit. Ich habe zwar nicht viel Zeit, aber diese gebe ich gerne.»

In schwie­ri­gen Zeiten – und diese durch­le­be sie durch­aus auch – denke sie immer an das Verspre­chen, das Jesus an Simon Petrus macht: «Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pfor­ten der Unter­welt werden sie nicht über­wäl­ti­gen.» (Evan­ge­li­um, Matheus Kap. 16,18) «Wenn der Glau­be stark genug ist, wird er nicht kapi­tu­lie­ren», sagt Cate­ri­na Corea. «Und ich bin über­zeugt: Am Schluss ist der Glau­be stär­ker als unse­re Ängste.»

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 23.01.2024

Leserfrage: Warum sollen wir am Freitag kein Fleisch essen?

Als Jesus am Kreuz gestor­ben ist, war es Frei­tag. An ­einem Sonn­tag ist er aufer­stan­den. Jeden Sonn­tag feiern wir in den Kirchen fröh­lich und fest­lich die Aufer­ste­hung oder anders gesagt das Leben.

Selbst-Reflexion

Jeder Frei­tag ist dafür wie ein klei­ner Karfrei­tag. Wir sind eingeladen, uns ans Leiden Jesu zu erin­nern, der sich bis zum Tod für ande­re einge­setzt hat, und dem Ausdruck zu verlei­hen, indem wir fasten und spezi­ell auf Fleisch verzich­ten. Wenn wir fasten, zeigen wir, dass wir bereit sind, unser Verhal­ten zu über­den­ken und gege­be­nen­falls zu verändern.

Pflicht oder nicht?

Bereits die ersten Chris­ten haben gefas­tet. Es war im dama­li­gen Juden­tum Brauch, jede Woche an zwei Tagen zu fasten. Die Chris­ten haben diesen Brauch über­nom­men und Mitt­woch und Frei­tag zu Fasten­ta­gen bestimmt. Die 40-tägige Fasten­zeit wurde übri­gens erst im 4. Jahr­hun­dert üblich. Die Pflicht, frei­tags zu fasten, wurde in der katho­li­schen Kirche schon länger aufge­ho­ben. Momen­tan sind nur Ascher­mitt­woch und Karfrei­tag verpflich­tend. Die katho­li­schen Bischö­fe von England und Wales führ­ten das Gebot, frei­tags auf Fleisch zu verzich­ten, 2011 wieder ein. In dem Jahr haben England und Wales 55 000 Tonnen CO2 einge­spart. Wie viel CO2 könn­ten wir einspa­ren, wenn alle Katho­li­ken welt­weit am Frei­tag auf Fleisch verzich­ten würden?

Veggie-Day

UN-Generalsekretär Antó­nio Guter­res hat an der Welt­kli­ma­kon­fe­renz 2023 gesagt: «Verehr­te Exzel­len­zen, die Alarm­si­re­nen schril­len. Unser Planet und die Menschen auf der ganzen Welt haben uns etwas zu sagen. Der Klima­schutz steht ganz oben auf der Liste ihrer Anlie­gen – in allen Ländern, unab­hän­gig von Alter oder Geschlecht. Wir müssen zuhö­ren, wir müssen handeln, und wir müssen weise entschei­den.» Das erin­nert mich an Jona, der die Stadt Nini­ve gewarnt hat: «Es sind noch vier­zig Tage, so wird Nini­ve unter­ge­hen» (Jona 3,4). Die Menschen hörten auf Jona, sie began­nen zu fasten und verän­der­ten ihr Verhal­ten. Mit einem Veggie-Day pro Woche – es muss nicht unbe­dingt Frei­tag sein – können auch wir unser Einse­hen zeigen und unse­ren Beitrag leisten.

Vere­na Süess
Seel­sor­ge­rin Seel­sor­ge­ein­heit Gäbris

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