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Fabi­en­ne Graber, Widnau: «Das Gemein­sa­me, das Mitein­an­der ist wunderbar»

«Die Frau­en­ge­mein­schaft war für mich der Grund­stein für viele lang­jäh­ri­ge und tiefe Freund­schaf­ten. Dafür bin ich sehr dank­bar», sagt Fabi­en­ne Graber. «Das Gemein­sa­me, das Mitein­an­der ist wunder­bar. Wir sind alle auf der glei­chen Ebene. Wir alle teilen die glei­chen Ängs­te und Sorgen, aber auch die glei­chen Hoff­nun­gen und Ziele. Das gibt einem Halt.» Fabi­en­ne Graber ist seit sechs Jahren Mitglied und seit rund einem Jahr Präsi­den­tin der Katho­li­schen Frau­en­ge­mein­schaft (FMG) Widnau mit ihren rund 500 Mitglie­dern. Sie habe lange über­legt, ob sie das Amt anneh­men soll, erklärt die junge Frau. «Es ist eine gros­se Aufga­be, aber der Verein gibt mir und allen Mitglie­dern so viel.» Aufge­wach­sen ist die 35-Jährige in Mont­lin­gen. Über den Chäfer­treff ist sie schliess­lich auf die FMG aufmerk­sam gewor­den und hat durch den Verein schnell Anschluss zu ande­ren Frau­en im Dorf gefun­den. Diese Zuge­hö­rig­keit sollen alle Frau­en spüren, so Graber: «Die Frau­en­ge­mein­schaft soll für viele Frau­en den Grund­stein für neue Bekannt­schaf­ten mit Gleich­ge­sinn­ten bilden. Bei uns sind alle Frau­en will­kom­men und es wird ihnen zugehört.»

Gutes Funda­ment

In Fabi­en­ne Grabers Leben spielt der christ­li­che Glau­be eine bedeu­ten­de Rolle. «Ich bin katho­lisch erzo­gen worden und mir ist der Glau­be sehr wich­tig», sagt die zwei­fa­che Mutter. In der Kirche sieht man sie aller­dings nicht regel­mäs­sig. Viel­mehr baut sie den Glau­ben in den Alltag ein, etwa, wenn sie allabend­lich gemein­sam mit ihrem Ehemann und den Kindern betet. Sie wollen ihnen damit ein gutes Funda­ment mitge­ben. Fabi­en­ne Graber bittet Gott auch um Hilfe. «Wenn mein Mann, Kompa­nie­chef bei der Feuer­wehr, auf Einsatz ist, sende ich Gebets­stös­se in den Himmel, dass er wieder gesund nach Hause kommen möge», so die junge Frau. «Der Glau­be ist ein Teil meines Lebens und das darf er auch sein. Er gibt uns Halt, zeigt uns den Weg und spen­det Trost.» Dass sich dieser Tage viele Menschen von der katho­li­schen Kirche im Stich gelas­sen fühlen und sich von ihr abwen­den, weiss Fabi­en­ne Graber. In der Frau­en­ge­mein­schaft seien deswe­gen zum Glück nicht mehr Rück­trit­te zu bekla­gen. «Aber durch die Miss­brauchs­stu­die hat das Vertrau­en der Menschen natür­lich stark gelit­ten. Miss­bräu­che sind tragisch, egal, in welchem Umfeld sie passie­ren.» Fabi­en­ne Graber hofft, dass die Fälle nun diffe­ren­ziert und trans­pa­rent aufge­ar­bei­tet werden. Ein Abwen­den vom christ­li­chen Glau­ben kommt für sie persön­lich nicht infra­ge. «Jeder muss selbst entschei­den, aber ich will nicht einfach meine Ämter und meinen Glau­ben hinschmeis­sen. Die Frau­en­ge­mein­schaf­ten braucht es – jetzt viel­leicht noch mehr denn je.»

Yannick Frei, Walzen­hau­sen: «Die Kirche aktiv mitgestalten»

«Es sind dieje­ni­gen Grund­wer­te, die einen guten Menschen ausma­chen, ob man den Glau­ben nun aktiv lebt oder nicht», sagt Yannick Frei. Er ist 32 Jahre alt, Ehemann, Fami­li­en­va­ter und gelern­ter Projekt­lei­ter Gebäu­de­tech­nik – und er ist beken­nen­der Katho­lik. «Der Glau­be hat eine gros­se Bedeu­tung in meinem Leben. Der regel­mäs­si­ge Besuch des Gottes­diens­tes ist mir sehr wich­tig. Wenn ein solcher nicht möglich ist, versu­che ich den Glau­ben mehr in den Alltag einzu­bau­en und spre­che zu Hause ein Gebet mehr», sagt Yannick Frei. Neben seiner beruf­li­chen Tätig­keit amtet er seit Okto­ber 2023 als Kirchen­ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent in Walzen­hau­sen und ist in dieser Funk­ti­on Mitglied des Kreis­ra­tes der Seel­sor­ge­ein­heit über dem Boden­see. Das Amt des Kirchen­ver­wal­tungs­prä­si­di­ums hat Yannick Frei von seiner Mutter über­nom­men. Sein Enga­ge­ment für die Kirche ist für den jungen Mann eine Selbst­ver­ständ­lich­keit «und eine Herzens­an­ge­le­gen­heit», wie er erklärt. Mit der Pfar­rei Walzen­hau­sen ist er ein Leben lang verbun­den, hat in der Ausser­rho­der Gemein­de die Taufe, die Kommu­ni­on und die Firmung erhal­ten und war in jungen Jahren als Minis­trant tätig. «Nun habe ich die Möglich­keit, etwas zurück­zu­ge­ben. Auch kann ich so die Zukunft der Kirche aktiv mitgestalten.»

Eine ande­re Kirche werden

Was oft wie eine Flos­kel tönt, ist in diesen Mona­ten wich­ti­ger denn je. Die Miss­brauchs­stu­die hat erschüt­tert und betrof­fen gemacht – auch Yannick Frei. Er spricht von einer «abso­lu­ten Kata­stro­phe». «Miss­bräu­che sind immer verwerf­lich und in keins­ter Weise legi­tim, egal, in welchem Umfeld sie passie­ren.» Schwie­rig und scha­de findet Yannick Frei, dass die Kirche als Insti­tu­ti­on unter den Folgen zu leiden hat, «und nicht die fehl­ba­ren Perso­nen allein». Jedoch ist er über­zeugt, dass die Lehren aus dieser Situa­ti­on gezo­gen worden sind und die Aufar­bei­tung profes­sio­nell vor sich geht. In seinem Glau­ben hat ihn die Miss­brauchs­stu­die nicht erschüt­tert. Er wird auch weiter­hin die Gottes­diens­te besu­chen und den katho­li­schen Glau­ben seinen zwei Kindern mitge­ben. Er sagt: «Der Miss­brauchs­skan­dal ist nicht das, für was die Kirche steht. Sie macht sehr viel Gutes – es liegt an uns Welt­li­chen, was wir daraus machen.» Yannick Frei ist einer der rund 2800 Unter­zeich­nen­den der Akti­on «Refor­men jetzt!» der Katho­li­schen Kirche im Lebens­raum St. Gallen. Er ist über­zeugt: So darf es nicht weiter­ge­hen: «Die Kirche braucht Verän­de­run­gen. Wir müssen uns alle dafür einset­zen, dass wir eine ande­re Kirche werden», sagt der Walzen­hau­se­ner. «Eine Kirche für die Armen, eine Kirche für die Jungen, eine Kirche für uns alle.»

Gabi Corvi, Schä­nis: «Die Gemein­schaft ist mir sehr wichtig»

Gabi Corvi aus Schä­nis SG inves­tiert unzäh­li­ge Stun­den in ihre Ämter der katho­li­schen Kirche. «Die Kirche ist meine Heimat, der Glau­be liegt mir sehr am Herzen», sagt die 52-jährige Jour­na­lis­tin. Die Liste ihrer Funk­tio­nen ist lang: Kirchen­ver­wal­tungs­rats­prä­si­den­tin der Katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Schänis-Maseltrangen, Verbands­prä­si­den­tin des Deka­na­tes Uznach, Perso­nal­ver­ant­wort­li­che der Seel­sor­ge­ein­heit Gaster, Vorstands­mit­glied beim Pfar­rei­fo­rum und seit Neues­tem auch Mitglied des Katho­li­schen Kolle­gi­ums. Corvi pumpt viel Herz­blut in laufen­de Projek­te und legt gros­sen Wert auf den persön­li­chen Austausch mit den Menschen an der Basis. Sie enga­giert sich seit Jahren in der Kirchen­ver­wal­tung und möch­te damit einen guten Rahmen für die Seel­sor­ge schaffen.

Uner­schüt­ter­li­cher Optimismus

Mit ihrer Präsenz in den verschie­de­nen Gremi­en posi­tio­niert sie sich klar für die katho­li­sche Kirche. Doch die erste Zeit nach der Veröf­fent­li­chung der Miss­brauchs­stu­di­en war sie wütend und enttäuscht. «Es war, als käme jemand mit dem Flam­men­wer­fer und zerstö­re alle jungen, zarten Pflänz­chen, die ich mit ande­ren Menschen in der Kirchen­ge­mein­schaft sorg­fäl­tig gepflanzt hatte.» Sie kann gut nach­voll­zie­hen, dass sich immer mehr Menschen von der Insti­tu­ti­on Kirche abwen­den. «Wenn ich könn­te, würde ich das Pflicht­zö­li­bat abschaf­fen und die Stel­lung der Frau­en verbes­sern. Pries­ter sollen auch Bezie­hun­gen einge­hen und Fami­li­en grün­den können. Und eigent­lich soll­te das Geschlecht in der Kirche keine Rolle spie­len.» Doch sie bleibt ihren Aufga­ben treu und möch­te die frohe Botschaft von Jesus Chris­tus weiter­tra­gen. «Die Gemein­schaft ist mir sehr wich­tig. Und wenn ich einen feier­li­chen, stim­mungs­vol­len Gottes­dienst besu­che, verspü­re ich einen regel­rech­ten Boost. Das nährt meinen uner­schüt­ter­li­chen Opti­mis­mus und moti­viert mich  weiter­zu­ma­chen», erklärt sie. Die Mutter von fünf erwach­se­nen Kindern kann diesen gros­sen Aufwand nur dank ihres flexi­blen Jobs in der Medi­en­bran­che bewäl­ti­gen. «Wenn gleich­zei­tig verschie­de­ne Perso­nal­fra­gen, Baupro­jek­te und gros­se Kirchen­fes­te anste­hen, dann ist es manch­mal schon viel», gesteht sie.

Alex Schnei­der, Gold­ach: «Es bewegt sich doch etwas»

«Jugend­li­che auf ihrem Glau­bens­weg ein Stück weit zu beglei­ten, hilft mir, den eige­nen Hori­zont zu erwei­tern», sagt Alex Schnei­der und merkt mit einem Lächeln an: «Da mir persön­lich Tradi­tio­nen wich­tig sind, ist der Austausch mit jungen Menschen und die Konfron­ta­ti­on mit ihren Gedan­ken, Träu­men und Trends ein will­kom­me­ner Gegen­pol.» Der 59-jährige Goldach­er ist als Fach­spe­zia­list für elek­tro­ni­sche Zahlungs­sys­te­me tätig, in seiner Frei­zeit enga­giert er sich seit vielen Jahren als Firm­be­glei­ter. Er sei schon immer in der Kirche verwur­zelt gewe­sen. «Da ich mich frei­wil­lig enga­gie­re, bekom­me ich auch mit, dass sich in der Kirche sehr wohl etwas verän­dert», sagt er, «natür­lich sind manche Reform­schrit­te längst über­fäl­lig. Aber der Vorwurf, dass sich gar nichts tut, ist falsch. Es bewegt sich doch etwas.» In der Katho­li­schen Kirche der Regi­on Rorschach sorgen enga­gier­te Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger und viele enga­gier­te Frei­wil­li­ge für ein akti­ves kirch­li­ches Programm. «Es gibt so viele kirch­li­che Anläs­se, bei denen Menschen zusam­men­kom­men und sich begeg­nen – ohne das würde unse­rer Regi­on etwas fehlen.» Anstatt zu jammern, was nicht möglich sei, setze er lieber auf Prag­ma­tis­mus und darauf, alle vorhan­de­nen Möglich­kei­ten auszu­schöp­fen: «Zum Beispiel haben bei uns heute auch nicht­ge­weih­te Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger die Tauferlaubnis.»

Ein eige­nes Bild machen

Seit vier Jahren vertritt Alex Schnei­der die Katho­li­sche Kirche in der Regi­on Rorschach im Seel­sor­ge­rat des Bistums St. Gallen. Dieses Gremi­um besteht aus Vertret­erin­nern und Vertre­ter aus der Seel­sor­ge und frei­wil­lig Enga­gier­ten. Der Seel­sor­ge­rat hat die Aufga­be, den Bischof zu bera­ten und auch aufzu­zei­gen, «wo in den Pfar­rei­en der Schuh drückt.» «Beim letz­ten Tref­fen im Novem­ber in Quar­ten war ganz deut­lich spür­bar, wie wich­tig dieses Gremi­um ist», hält Alex Schnei­der fest: «Die Pilot­stu­die zu den Miss­bräu­chen im kirch­li­chen Umfeld nahm einen gros­sen Platz ein. Wir Rats­mit­glie­der haben Bischof Markus deut­lich gemacht, dass sich jetzt etwas ändern muss. Man spürt, dass der Bischof und die Bistums­lei­tung ein offe­nes Ohr für die Anlie­gen der Menschen aus den Pfar­rei­en haben. Es ist ihnen ein erns­tes Anlie­gen, Miss­bräu­che aufzu­ar­bei­ten und alles daran zu setzen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Wie mein Enga­ge­ment als Firm­be­glei­ter erwei­tert auch die Mitwir­kung im Seel­sor­ge­rat meinen Hori­zont. Ich kann mir ein eige­nes Bild davon machen, welche konkre­ten Mass­nah­men das Bistum schon umge­setzt hat und umzu­set­zen plant.»

Isabel­la Awad, St. Gallen: «Ich erfah­re eine gros­se Wertschätzung»

Die Kommu­ni­ka­ti­ons­fach­frau Isabel­la Awad wech­sel­te im Juni 2023 zum Bistum St. Gallen – nach 27 Jahren in der Kommu­ni­ka­ti­on bei Helve­tia Versi­che­run­gen. In der Pfar­rei St. Gallen-Rotmonten, wo sie zuhau­se ist, enga­giert sie sich seit eini­gen Jahren frei­wil­lig im Pfar­rei­rat. «Kirche war für mich immer schon etwas, das alle Sinne anspricht», sagt sie. «In meiner Pfar­rei habe ich die Pfar­rei­be­auf­trag­te, die ande­ren Mitar­bei­ten­den und Frei­wil­li­gen als sehr enga­gier­te, krea­ti­ve und offe­ne Menschen erlebt. Mit der Kirche verbin­de ich viele schö­ne Erleb­nis­se.» Sie sei mit ihrer Stel­le bei den Helve­tia Versi­che­run­gen zufrie­den gewe­sen. «Doch als ich gese­hen habe, dass die Kommu­ni­ka­ti­on beim Bistum ausge­baut wird, hat mich diese Arbeit sofort ange­spro­chen», so Awad. In ihrem Umfeld habe die beruf­li­che Neuori­en­tie­rung für über­rasch­te aber keine einzi­ge nega­ti­ve Reak­ti­on gesorgt: «Ich denke, alle haben mir ange­se­hen, wie sehr ich mich auf die neue Aufga­be freue.»

Stark gefor­dert

Nur weni­ge Mona­te nach dem Start von Isabel­la Awad beim Bistum wurde die Pilot­stu­die zu den Miss­bräu­chen im kirch­li­chen Umfeld veröf­fent­licht: «Das war eine hefti­ge Zeit, die ich gemein­sam mit Sabi­ne Rüthe­mann, der Kommu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­ten, durch­leb­te. Die Berich­te der Miss­brauchs­be­trof­fe­nen haben mich erschüt­tert, in manchen Momen­ten war ich den Tränen nah. Gleich­zei­tig war die Kommu­ni­ka­ti­on stark gefor­dert.» Als Frau bei der katho­li­schen Kirche arbei­ten – sah Isabel­la Awad da nie ein Problem? «Als Mitar­bei­te­rin erfah­re ich von allen Seiten eine gros­se Wert­schät­zung und Hand­lungs­spiel­raum, deshalb fühle ich mich hier rich­tig», hält sie fest, «aber selbst­ver­ständ­lich verste­he ich die Rufe nach Gleich­be­rech­ti­gung und Refor­men wie beispiel­wei­se bei Macht- und Ämter­fra­gen. Gera­de weil ich jetzt beim Bistum tätig bin, bekom­me ich direkt mit, dass es den Mitar­bei­ten­den und Verant­wort­li­chen des Bistums St.Gallen ernst ist, notwen­di­ge Verän­de­run­gen umzu­set­zen.» Eines sei ihr seit dem Stel­len­an­tritt beim Bistum auch noch bewusst gewor­den: «Es war mir klar, dass Kirche eini­ges im Sozia­len leis­tet. Doch jetzt stel­le ich fest: Es ist noch viel mehr. In den Pfar­rei­en und auch auf Ebene Bistum gibt es so viele Mitar­bei­ten­de und Frei­wil­li­ge, die mit Voll­gas für Menschen am Rand im Einsatz sind und das jeden Tag. Dafür müssen wir noch viel mehr öffent­li­ches Bewusst­sein schaffen.»

Texte: Ales­sia Paga­ni, Katja Hong­ler, Stephan Sigg

Bild: zVg. / Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 23.01.2024

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