Das Wort «Kloster» ist im Deutschen – ähnlich wie das Wort «Kirche» – mehrdeutig. Man kann damit Gebäude aus Stein meinen oder aber die Menschen, die diese Gebäude nutzen oder bewohnen. Ein Kloster ist dort, wo sich Frauen oder Männer durch verbindliche Gelübde zu gemeinschaftlichem Leben entschieden haben. Die Gebäude spielen aber keine unwichtige Rolle. Wo die Gemeinschaften kleiner und kleiner werden, fallen die Unterhaltskosten umso mehr ins Gewicht. Es macht einen Unterschied, ob eine kleine Klostergemeinschaft eine Mietwohnung bewohnt und Mietzins bezahlt oder einen weitläufigen Gebäudekomplex zu unterhalten hat, wofür unter Umständen ein Mehrfaches von dem zu stemmen ist, was die Klostergemeinschaft für Essen, Kleidung und den Bedarf des täglichen Lebens aufzuwenden hat. Dann kann die Sorge um die Immobilien drückender werden als jene um das Klosterleben. Drei Finanzierungsquellen lassen sich unterscheiden:
Klosterprodukte
Einige Klöster bieten selbst hergestellte Klosterprodukte (Gesundheits- und Kosmetikprodukte, Devotionalien usw.) in Klosterläden zum Verkauf an. Manche Klöster vertreiben ihre Erzeugnisse sogar international. Die qualitativ hochwertigen Produkte haben ihren Preis, finden aber auch ihre Kundinnen und Kunden. Die Nachfrage nach typischen Klosterprodukten früherer Zeiten wie Hostien oder nach Paramenten (Kirchenwäsche, Messgewänder) geht hingegen zurück. Wo eine Klostergemeinschaft noch zur Selbstbewirtschaftung in der Lage ist, werfen auch Land- und Forstwirtschaft Erträge ab. Wo nicht, tragen zumindest die Pachteinnahmen zur Existenzsicherung des Klosters bei.
Berufstätigkeit
Wo Klostergemeinschaften Gäste‑, Exerzitien- oder Bildungshäuser betreiben, werden sie zu religiösen Gastgeberinnen, sofern die Räumlichkeiten dafür gegeben sind. Gewinnbringend sind Tagungshäuser jedoch für die Klostergemeinschaften in den seltensten Fällen. Effektiver können Ordensleute, sofern sie nicht durch ihre Satzungen gehindert sind, ausserhalb des Klosters durch die Übernahme von Seelsorgeaufgaben in Pfarreien oder in weltlichen Berufen zum Unterhalt der Klostergemeinschaft beitragen. Klosterangehörige versprechen materielle Anspruchslosigkeit und erhalten den Arbeitslohn nicht individuell ausbezahlt. Dieser fliesst vielmehr in die Gemeinschaftskasse ein, aus der alles Lebensnotwendige finanziert wird. Stellt die Klostergemeinschaft für Einrichtungen Dritter nur Räume zur Verfügung, ohne selbst in den Betrieb involviert zu sein, kommen die Mieteinnahmen der Existenzsicherung des Klosters zugute.
Spenden
Immer schon können Klöster auf Wohltäterinnen und Wohltäter bauen, die der Klostergemeinschaft wohlgesonnen sind und sie durch Spenden, Zustiftungen und Erbschaften materiell unterstützen. In früheren Zeiten mag der Gedanken mitgespielt haben, durch die finanzielle Unterstützung auf die Gebetskraft der Klostergemeinschaft hoffen zu dürfen. Heutzutage ist es eher die persönliche Bindung zum Ort und zur Gemeinschaft, die einen Kreis von Sympathisantinnen und Sympathisanten zu Spenden animiert.
Text: Thomas Englberger, Kanzler Bistum St. Gallen
Die 2019 erschienene Serie «The Chosen» über das Leben von Jesus von Nazareth hat Fans auf der ganzen Welt. Die Katholische Kirche der Stadt St. Gallen organisiert nun sogar Serienabende. Seelsorgerin Hildegard Aepli erklärt die Faszination, die von der Produktion ausgeht.
Ein fesselnder Vorspann, ein packender Soundtrack und eine Prise Hollywood – das ist das Rezept für fast jede erfolgreiche Fernsehserie. Die US-amerikanische Produktion «The Chosen – Gewöhn dich an Anders» kann mit diesen Attributen aufwarten. Die Serie, die auf dem Leben und Wirken von Jesus von Nazareth basiert, hat in kürzester Zeit Millionen von Menschen weltweit in den Bann gezogen. Eine davon ist Hildegard Aepli. Die Theologin und Seelsorgerin im Bistum St. Gallen ist Fan der ersten Stunde. «Die Serie ist einfach packend und sympathisch gemacht. Ich war gefesselt von Anfang an», sagt Aepli. «Mir gefällt, dass die Serie nicht bis ins Detail perfekt gemacht ist, sondern, dass man merkt, dass es das Ergebnis einer Zusammenarbeit von professionellen Schauspielerinnen und Schauspielern und Laiendarstellerinnen und ‑darstellern ist.» Hildegard Aepli hat bisher alle deutschsprachigen Episoden geschaut. Am 23. Januar hat sie im Domzentrum erstmals ein Bibeltreffen zur Serie veranstaltet. Bis und mit September finden monatlich Treffen statt (siehe Kastentext).
Kein anbiedernder Jesus
«The Chosen» ist die erste Fernsehserie, die das Leben von Jesus in mehreren Staffeln thematisiert. Sie zeigt die biblische Geschichte von Jesus Christus durch die Augen derer, die ihm begegnen, und veranschaulicht, wie sich deren eigenes Leben dadurch verändert.
Hildegard Aepli ist fasziniert von der Serie und hat bereits alle deutschsprachigen Episoden geschaut.
Nicht nur die Handlung und die Inszenierung überzeugen Hildegard Aepli, auch die Charaktere, allen voran der Hauptcharakter, haben es der 60-Jährigen angetan. «Jesus wird nicht kitschig dargestellt oder als anbiedernde Figur, sondern als warmherziger, glaubwürdiger und authentischer Mensch. Das gefällt mir an der Serie gut.» Für Hildegard Aepli ist dies mit ein Grund für die grosse Popularität der Fernsehproduktion.
Ins Jetzt übertragen
«The Chosen» ist die einzige Fernsehserie, die Hildegard Aepli schaut. Privat hat sie keinen Fernseher. «The Chosen» aber hat von Anfang an ihre Neugierde geweckt. «Diese Serie hat mich einfach interessiert, weil ich wissen wollte, was heutzutage alles versucht wird, um die biblische Botschaft den Menschen näherzubringen.» Aepli spricht von einer stimmigen Umsetzung: «Dieser Serie gelingt es wirklich, die biblische Botschaft zeitgemäss zu vermitteln und zu zeigen, dass sie nach wie vor aktuell ist.»
Die Seelsorgerin lobt unter anderem die Balance zwischen der Bibeltreue und dem Bezug zur Aktualität.
Einerseits sei der biblische Text in seiner Dynamik gut erkennbar, andererseits warte die Serie durch die neu entwickelten Dialoge mit den Weggefährten auch mit unerwarteten, neuen Aspekten auf. Vor allem die Kombination von Bibeltreue und dem «darüber Nachdenken, was die Botschaft für uns heute bedeutet», überzeugt Hildegard Aepli. «Die Macher haben sich wirklich Gedanken darüber gemacht, wie sie die Geschichte in die heutige Zeit überführen. Und das ist ihnen sehr gut gelungen.» Hildegard Aepli bezeichnet sich selbst als sehr kritische Person. «Aber die Serie hat eine gute Mischung gefunden zwischen einerseits einer Öffnung und andererseits der Detailtreue.»
Sehnsucht nach Gott stillen
Die Serie ist mittlerweile auch auf Netflix und DVD verfügbar. Im November wurden einige Episoden gar im Kino gezeigt. Sämtliche Folgen sind online abrufbar. Für Hildegard Aepli eine erfreuliche Entwicklung. Es macht die biblische Geschichte für die breite Masse «greifbar». «Das Medium Fernsehen spricht heute einfach viele Menschen an und man erreicht sie darüber gut. Das Lesen der Bibel hingegen ist so anspruchsvoll, dass es kaum jemand macht.» Durch die Serie bekämen mehr Menschen Zugang zur Jesusgeschichte und zur biblischen Botschaft, sagt die Seelsorgerin. «Und irgendwie haben wir doch alle eine gewisse Sehnsucht nach Gott. Die Serie holt uns in dieser Sehnsucht ab.»
Über 600 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer weltweit
«The Chosen» ist eine US-amerikanische Fernsehserie von Regisseur und Filmemacher Dallas Jenkins. Sie ist die erste Fernsehserie mit mehreren Staffeln über das Leben von Jesus Christus. Die erste Staffel wurde 2019 veröffentlicht. Im deutschen Fernsehen war «The Chosen» erstmals im Januar 2023 auf Bibel TV zu sehen. Im Internet erfolgte die Premiere bereits 2021. «The Chosen» kann auf https://watch.thechosen.tv oder über eine App kostenfrei angesehen werden. Die Veröffentlichung der vierten Staffel ist für 2024 geplant. Die Serie trifft einen Nerv. Sie zählt über 600 Millionen Zuschauer weltweit. Die erste Staffel ist inzwischen in elf Sprachfassungen verfügbar. Für die Folgen der ersten und zweiten Staffel existieren Untertitel in 40 weiteren Sprachen. Mit elf Millionen US-Dollar war Staffel 1 das teuerste Serien- oder Filmprojekt, welches über Crowdfunding finanziert wurde.
Serienabende im Bistum
Seelsorgerin Hildegard Aepli veranstaltet im Namen der Kirche im Lebensraum St. Gallen ab Januar einmal monatlich einen Serienabend zum Thema. Dabei wird gemeinsam eine Episode angeschaut und besprochen.
Text: Alessia Pagani Bild: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 25. Januar 2024
Fabienne Graber, Widnau: «Das Gemeinsame, das Miteinander ist wunderbar»
«Die Frauengemeinschaft war für mich der Grundstein für viele langjährige und tiefe Freundschaften. Dafür bin ich sehr dankbar», sagt Fabienne Graber. «Das Gemeinsame, das Miteinander ist wunderbar. Wir sind alle auf der gleichen Ebene. Wir alle teilen die gleichen Ängste und Sorgen, aber auch die gleichen Hoffnungen und Ziele. Das gibt einem Halt.» Fabienne Graber ist seit sechs Jahren Mitglied und seit rund einem Jahr Präsidentin der Katholischen Frauengemeinschaft (FMG) Widnau mit ihren rund 500 Mitgliedern. Sie habe lange überlegt, ob sie das Amt annehmen soll, erklärt die junge Frau. «Es ist eine grosse Aufgabe, aber der Verein gibt mir und allen Mitgliedern so viel.» Aufgewachsen ist die 35-Jährige in Montlingen. Über den Chäfertreff ist sie schliesslich auf die FMG aufmerksam geworden und hat durch den Verein schnell Anschluss zu anderen Frauen im Dorf gefunden. Diese Zugehörigkeit sollen alle Frauen spüren, so Graber: «Die Frauengemeinschaft soll für viele Frauen den Grundstein für neue Bekanntschaften mit Gleichgesinnten bilden. Bei uns sind alle Frauen willkommen und es wird ihnen zugehört.»
Gutes Fundament
In Fabienne Grabers Leben spielt der christliche Glaube eine bedeutende Rolle. «Ich bin katholisch erzogen worden und mir ist der Glaube sehr wichtig», sagt die zweifache Mutter. In der Kirche sieht man sie allerdings nicht regelmässig. Vielmehr baut sie den Glauben in den Alltag ein, etwa, wenn sie allabendlich gemeinsam mit ihrem Ehemann und den Kindern betet. Sie wollen ihnen damit ein gutes Fundament mitgeben. Fabienne Graber bittet Gott auch um Hilfe. «Wenn mein Mann, Kompaniechef bei der Feuerwehr, auf Einsatz ist, sende ich Gebetsstösse in den Himmel, dass er wieder gesund nach Hause kommen möge», so die junge Frau. «Der Glaube ist ein Teil meines Lebens und das darf er auch sein. Er gibt uns Halt, zeigt uns den Weg und spendet Trost.» Dass sich dieser Tage viele Menschen von der katholischen Kirche im Stich gelassen fühlen und sich von ihr abwenden, weiss Fabienne Graber. In der Frauengemeinschaft seien deswegen zum Glück nicht mehr Rücktritte zu beklagen. «Aber durch die Missbrauchsstudie hat das Vertrauen der Menschen natürlich stark gelitten. Missbräuche sind tragisch, egal, in welchem Umfeld sie passieren.» Fabienne Graber hofft, dass die Fälle nun differenziert und transparent aufgearbeitet werden. Ein Abwenden vom christlichen Glauben kommt für sie persönlich nicht infrage. «Jeder muss selbst entscheiden, aber ich will nicht einfach meine Ämter und meinen Glauben hinschmeissen. Die Frauengemeinschaften braucht es – jetzt vielleicht noch mehr denn je.»
Yannick Frei, Walzenhausen: «Die Kirche aktiv mitgestalten»
«Es sind diejenigen Grundwerte, die einen guten Menschen ausmachen, ob man den Glauben nun aktiv lebt oder nicht», sagt Yannick Frei. Er ist 32 Jahre alt, Ehemann, Familienvater und gelernter Projektleiter Gebäudetechnik – und er ist bekennender Katholik. «Der Glaube hat eine grosse Bedeutung in meinem Leben. Der regelmässige Besuch des Gottesdienstes ist mir sehr wichtig. Wenn ein solcher nicht möglich ist, versuche ich den Glauben mehr in den Alltag einzubauen und spreche zu Hause ein Gebet mehr», sagt Yannick Frei. Neben seiner beruflichen Tätigkeit amtet er seit Oktober 2023 als Kirchenverwaltungsratspräsident in Walzenhausen und ist in dieser Funktion Mitglied des Kreisrates der Seelsorgeeinheit über dem Bodensee. Das Amt des Kirchenverwaltungspräsidiums hat Yannick Frei von seiner Mutter übernommen. Sein Engagement für die Kirche ist für den jungen Mann eine Selbstverständlichkeit «und eine Herzensangelegenheit», wie er erklärt. Mit der Pfarrei Walzenhausen ist er ein Leben lang verbunden, hat in der Ausserrhoder Gemeinde die Taufe, die Kommunion und die Firmung erhalten und war in jungen Jahren als Ministrant tätig. «Nun habe ich die Möglichkeit, etwas zurückzugeben. Auch kann ich so die Zukunft der Kirche aktiv mitgestalten.»
Eine andere Kirche werden
Was oft wie eine Floskel tönt, ist in diesen Monaten wichtiger denn je. Die Missbrauchsstudie hat erschüttert und betroffen gemacht – auch Yannick Frei. Er spricht von einer «absoluten Katastrophe». «Missbräuche sind immer verwerflich und in keinster Weise legitim, egal, in welchem Umfeld sie passieren.» Schwierig und schade findet Yannick Frei, dass die Kirche als Institution unter den Folgen zu leiden hat, «und nicht die fehlbaren Personen allein». Jedoch ist er überzeugt, dass die Lehren aus dieser Situation gezogen worden sind und die Aufarbeitung professionell vor sich geht. In seinem Glauben hat ihn die Missbrauchsstudie nicht erschüttert. Er wird auch weiterhin die Gottesdienste besuchen und den katholischen Glauben seinen zwei Kindern mitgeben. Er sagt: «Der Missbrauchsskandal ist nicht das, für was die Kirche steht. Sie macht sehr viel Gutes – es liegt an uns Weltlichen, was wir daraus machen.» Yannick Frei ist einer der rund 2800 Unterzeichnenden der Aktion «Reformen jetzt!» der Katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen. Er ist überzeugt: So darf es nicht weitergehen: «Die Kirche braucht Veränderungen. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass wir eine andere Kirche werden», sagt der Walzenhausener. «Eine Kirche für die Armen, eine Kirche für die Jungen, eine Kirche für uns alle.»
Gabi Corvi, Schänis: «Die Gemeinschaft ist mir sehr wichtig»
Gabi Corvi aus Schänis SG investiert unzählige Stunden in ihre Ämter der katholischen Kirche. «Die Kirche ist meine Heimat, der Glaube liegt mir sehr am Herzen», sagt die 52-jährige Journalistin. Die Liste ihrer Funktionen ist lang: Kirchenverwaltungsratspräsidentin der Katholischen Kirchgemeinde Schänis-Maseltrangen, Verbandspräsidentin des Dekanates Uznach, Personalverantwortliche der Seelsorgeeinheit Gaster, Vorstandsmitglied beim Pfarreiforum und seit Neuestem auch Mitglied des Katholischen Kollegiums. Corvi pumpt viel Herzblut in laufende Projekte und legt grossen Wert auf den persönlichen Austausch mit den Menschen an der Basis. Sie engagiert sich seit Jahren in der Kirchenverwaltung und möchte damit einen guten Rahmen für die Seelsorge schaffen.
Unerschütterlicher Optimismus
Mit ihrer Präsenz in den verschiedenen Gremien positioniert sie sich klar für die katholische Kirche. Doch die erste Zeit nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudien war sie wütend und enttäuscht. «Es war, als käme jemand mit dem Flammenwerfer und zerstöre alle jungen, zarten Pflänzchen, die ich mit anderen Menschen in der Kirchengemeinschaft sorgfältig gepflanzt hatte.» Sie kann gut nachvollziehen, dass sich immer mehr Menschen von der Institution Kirche abwenden. «Wenn ich könnte, würde ich das Pflichtzölibat abschaffen und die Stellung der Frauen verbessern. Priester sollen auch Beziehungen eingehen und Familien gründen können. Und eigentlich sollte das Geschlecht in der Kirche keine Rolle spielen.» Doch sie bleibt ihren Aufgaben treu und möchte die frohe Botschaft von Jesus Christus weitertragen. «Die Gemeinschaft ist mir sehr wichtig. Und wenn ich einen feierlichen, stimmungsvollen Gottesdienst besuche, verspüre ich einen regelrechten Boost. Das nährt meinen unerschütterlichen Optimismus und motiviert mich weiterzumachen», erklärt sie. Die Mutter von fünf erwachsenen Kindern kann diesen grossen Aufwand nur dank ihres flexiblen Jobs in der Medienbranche bewältigen. «Wenn gleichzeitig verschiedene Personalfragen, Bauprojekte und grosse Kirchenfeste anstehen, dann ist es manchmal schon viel», gesteht sie.
Alex Schneider, Goldach: «Es bewegt sich doch etwas»
«Jugendliche auf ihrem Glaubensweg ein Stück weit zu begleiten, hilft mir, den eigenen Horizont zu erweitern», sagt Alex Schneider und merkt mit einem Lächeln an: «Da mir persönlich Traditionen wichtig sind, ist der Austausch mit jungen Menschen und die Konfrontation mit ihren Gedanken, Träumen und Trends ein willkommener Gegenpol.» Der 59-jährige Goldacher ist als Fachspezialist für elektronische Zahlungssysteme tätig, in seiner Freizeit engagiert er sich seit vielen Jahren als Firmbegleiter. Er sei schon immer in der Kirche verwurzelt gewesen. «Da ich mich freiwillig engagiere, bekomme ich auch mit, dass sich in der Kirche sehr wohl etwas verändert», sagt er, «natürlich sind manche Reformschritte längst überfällig. Aber der Vorwurf, dass sich gar nichts tut, ist falsch. Es bewegt sich doch etwas.» In der Katholischen Kirche der Region Rorschach sorgen engagierte Seelsorgerinnen und Seelsorger und viele engagierte Freiwillige für ein aktives kirchliches Programm. «Es gibt so viele kirchliche Anlässe, bei denen Menschen zusammenkommen und sich begegnen – ohne das würde unserer Region etwas fehlen.» Anstatt zu jammern, was nicht möglich sei, setze er lieber auf Pragmatismus und darauf, alle vorhandenen Möglichkeiten auszuschöpfen: «Zum Beispiel haben bei uns heute auch nichtgeweihte Seelsorgerinnen und Seelsorger die Tauferlaubnis.»
Ein eigenes Bild machen
Seit vier Jahren vertritt Alex Schneider die Katholische Kirche in der Region Rorschach im Seelsorgerat des Bistums St. Gallen. Dieses Gremium besteht aus Vertreterinnern und Vertreter aus der Seelsorge und freiwillig Engagierten. Der Seelsorgerat hat die Aufgabe, den Bischof zu beraten und auch aufzuzeigen, «wo in den Pfarreien der Schuh drückt.» «Beim letzten Treffen im November in Quarten war ganz deutlich spürbar, wie wichtig dieses Gremium ist», hält Alex Schneider fest: «Die Pilotstudie zu den Missbräuchen im kirchlichen Umfeld nahm einen grossen Platz ein. Wir Ratsmitglieder haben Bischof Markus deutlich gemacht, dass sich jetzt etwas ändern muss. Man spürt, dass der Bischof und die Bistumsleitung ein offenes Ohr für die Anliegen der Menschen aus den Pfarreien haben. Es ist ihnen ein ernstes Anliegen, Missbräuche aufzuarbeiten und alles daran zu setzen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Wie mein Engagement als Firmbegleiter erweitert auch die Mitwirkung im Seelsorgerat meinen Horizont. Ich kann mir ein eigenes Bild davon machen, welche konkreten Massnahmen das Bistum schon umgesetzt hat und umzusetzen plant.»
Isabella Awad, St. Gallen: «Ich erfahre eine grosse Wertschätzung»
Die Kommunikationsfachfrau Isabella Awad wechselte im Juni 2023 zum Bistum St. Gallen – nach 27 Jahren in der Kommunikation bei Helvetia Versicherungen. In der Pfarrei St. Gallen-Rotmonten, wo sie zuhause ist, engagiert sie sich seit einigen Jahren freiwillig im Pfarreirat. «Kirche war für mich immer schon etwas, das alle Sinne anspricht», sagt sie. «In meiner Pfarrei habe ich die Pfarreibeauftragte, die anderen Mitarbeitenden und Freiwilligen als sehr engagierte, kreative und offene Menschen erlebt. Mit der Kirche verbinde ich viele schöne Erlebnisse.» Sie sei mit ihrer Stelle bei den Helvetia Versicherungen zufrieden gewesen. «Doch als ich gesehen habe, dass die Kommunikation beim Bistum ausgebaut wird, hat mich diese Arbeit sofort angesprochen», so Awad. In ihrem Umfeld habe die berufliche Neuorientierung für überraschte aber keine einzige negative Reaktion gesorgt: «Ich denke, alle haben mir angesehen, wie sehr ich mich auf die neue Aufgabe freue.»
Stark gefordert
Nur wenige Monate nach dem Start von Isabella Awad beim Bistum wurde die Pilotstudie zu den Missbräuchen im kirchlichen Umfeld veröffentlicht: «Das war eine heftige Zeit, die ich gemeinsam mit Sabine Rüthemann, der Kommunikationsbeauftragten, durchlebte. Die Berichte der Missbrauchsbetroffenen haben mich erschüttert, in manchen Momenten war ich den Tränen nah. Gleichzeitig war die Kommunikation stark gefordert.» Als Frau bei der katholischen Kirche arbeiten – sah Isabella Awad da nie ein Problem? «Als Mitarbeiterin erfahre ich von allen Seiten eine grosse Wertschätzung und Handlungsspielraum, deshalb fühle ich mich hier richtig», hält sie fest, «aber selbstverständlich verstehe ich die Rufe nach Gleichberechtigung und Reformen wie beispielweise bei Macht- und Ämterfragen. Gerade weil ich jetzt beim Bistum tätig bin, bekomme ich direkt mit, dass es den Mitarbeitenden und Verantwortlichen des Bistums St.Gallen ernst ist, notwendige Veränderungen umzusetzen.» Eines sei ihr seit dem Stellenantritt beim Bistum auch noch bewusst geworden: «Es war mir klar, dass Kirche einiges im Sozialen leistet. Doch jetzt stelle ich fest: Es ist noch viel mehr. In den Pfarreien und auch auf Ebene Bistum gibt es so viele Mitarbeitende und Freiwillige, die mit Vollgas für Menschen am Rand im Einsatz sind und das jeden Tag. Dafür müssen wir noch viel mehr öffentliches Bewusstsein schaffen.»
Texte: Alessia Pagani, Katja Hongler, Stephan Sigg
«Der katholische Glaube ist meine Kultur und meine freie Entscheidung. Glauben ist für mich eine Aktion, die von Herzen und aus tiefster Überzeugung kommt», sagt Psychotherapeutin Caterina Corea. Dem Pfarreiforum erzählt die 46-Jährige, warum sie katholisch ist und wieso sie sich – auch angesichts der Missbrauchsstudie – in der Kirche engagiert.
Caterina Corea kommt knapp vor dem Termin an das Treffen. «Ein Notfall in der Klinik», entschuldigt sie sich. Man merkt schnell: Die Entschuldigung kommt von Herzen. Caterina Corea strahlt eine Wärme und ein Wohlwollen aus, die jede Wartezeit vergessen lassen. Die 46-jährige Psychotherapeutin ist seit zehn Jahren in der Klinik Teufen Group mit Standorten in Teufen und Rorschach tätig. Es ist eine anspruchsvolle Tätigkeit und eine fordernde Zeit. Nicht selten arbeitet die gebürtige Italienerin sechs Tage die Woche. «Seit der Pandemie hat die Zahl der Patientinnen und Patienten nochmals zugenommen», sagt Caterina Corea. Physisch sucht sie den Ausgleich im Sport und in der Gesellschaft. Caterina Corea spielt gerne Golf und Tennis.
Caterina Corea bezeichnet den Glauben als ihren Polarstern. «An ihm orientiere ich mich und richte mein Verhalten nach ihm aus.»
Psychisch ist es der Glaube, der Caterina Corea Halt gibt: «Er gibt mir die seelische Kraft für die ganze Woche», sagt sie. Den katholischen Glauben bezeichnet sie als ihren Polarstern im Alltag. «An ihm orientiere ich mich und richte mein Verhalten und meine Entscheidungen nach ihm aus.»
«Bewusster, reifer Glaube»
Caterina Corea hat sich bewusst für die katholische Kirche entschieden. Ihre Verbindung zum Glauben ist mit den Jahren immer stärker geworden. Aus der Tradition, als Kind mit der Grossmutter die Gottesdienste zu besuchen, sei im Laufe der Jahre «ein bewusster und reifer Glaube» geworden. «Der katholische Glaube ist meine Kultur und meine freie Entscheidung. Glauben ist für mich eine Aktion, die von Herzen und aus tiefster Überzeugung kommt.» Auch weil sie habe erfahren können, was Gott für sie bedeute: «Nämlich Liebe und Freiheit», erklärt Corea.
Caterina Corea ist häufig in der Kirche in Goldach anzutreffen. Gottesdienstbesuche gehören zum festen Bestandteil ihres Lebens.
Heute gehören die sonntäglichen Besuche der italienischen Messe in Goldach für Caterina Corea zur Pflicht. Wenn sie einen Gottesdienst verpasst, besucht sie die Messe in Deutsch. Als Vorbild vorangehen, nennt sie das. Denn für Caterina Corea ist der Glaube nichts Abstraktes. «Wir müssen ihn leben und ihn manifestieren. Wir Katholiken sind aufgerufen, unseren Glauben weiterzugeben. Jeder von uns sollte ein Vorbild sein und den Glauben auch wirklich leben.»
Selbstständig in Italien
Caterina Corea ist vor zwölf Jahren in die Schweiz gekommen. Dass der Weg sie nach Rorschach führen sollte, war nicht geplant. Corea ist in Kalabrien im Süden Italiens aufgewachsen. Sie war selbstständig mit zwei eigenen Praxen und hat sich politisch engagiert. Mit 33 Jahren stand Caterina Corea voll im Leben. Dann sehnte sie sich nach einer Veränderung und ging auf Reisen. Eine davon führte sie zu ihrem Bruder an den Bodensee.
Caterina Corea hat ihre beiden Praxen in Italien aufgegeben und sich am Bodensee eine neue Existenz aufgebaut.
Don Piero Corea ist Pfarrer bei der Missione Cattolica Italiana der Katholischen Kirche Region St. Gallen-Rorschach. Caterina Corea fühlte sich sogleich wohl in der Schweiz. «Alle die Werte, für die ich einstehe und die mir wichtig sind, etwa Pünktlichkeit und Ordentlichkeit, werden hier gross geschrieben. Ich fühlte mich angekommen», sagt sie und ergänzt: «In Italien haben sie mich wegen meinem Drang zur Pünktlichkeit und Ordentlichkeit immer ‹la svizzera›, die Schweizerin, genannt.» Caterina Corea lacht – und das Lachen ist so ansteckend, dass man gerne mitlacht.
Ein Zuhause in der Ferne
Der Start in der Ferne sei kein einfacher gewesen, das Eingewöhnen ein schleichender Prozess. «Rückblickend war es streng, ich konnte die Sprache nicht und hatte keine Freunde. Ich musste von null an neu anfangen. Aber ich bin mit Überzeugung hiergeblieben. Ich habe mir ein soziales Netzwerk aufgebaut und fühle mich hier einfach wohl.» Die Missione Cattolica Italiana hat den Einstieg ins neue Leben einfacher gemacht. In der Gemeinschaft hat sie schnell neue Kontakte geknüpft. «Mit der Missione Cattolica hatte ich ein Zuhause in der Ferne. Sie hat mir die Ankunft erleichtert. Ich spürte die Wurzeln, die mich mit Italien und den Menschen dort verbindet», so Caterina Corea und ergänzt: «Die Messen waren für mich ein sicherer Ort. Ein Ort, der für alle offen war. Ein Ort, der den Fluss von Wissen und Menschen ermöglichte.»
Die Missione Cattolica Italiana gab Caterina Corea ein Gefühl von Heimat und erleichterte ihr das Einleben in der Schweiz.
Die Missione Cattolica Italiana der Katholischen Kirche Region St. Gallen-Rorschach ist eine lebhafte und aktive Gemeinschaft. Sie zählt gemäss Caterina Corea rund 15 000 Mitglieder und ist offen für Menschen unterschiedlicher Herkunft. So besuchen auch Portugiesen, Spanier und Schweizer regelmässig Veranstaltungen der Missione Cattolica Italiana.
Plattform für Frauen
Caterina Corea ist dankbar für das grosse Engagement. Und sie will etwas zurückgeben. Vor einigen Monaten hat die erfolgreiche Geschäftsfrau eine neue Veranstaltungsreihe für Frauen initiiert. Diese findet jeweils am ersten Dienstag und am vierten Donnerstag eines Monats statt und soll eine Plattform für Austausch bieten. «Damit soll allen Frauen und deren Sorgen, Ängsten und Freuden ein Platz gegeben werden. Es geht auch darum zu reflektieren, wie wir im Leben weiterkommen.» An der Veranstaltung werden verschiedene Themen angesprochen wie etwa die Themen Beziehungen, alte Muster oder die Rolle der Frau in der Gesellschaft. Bei der ersten Durchführung waren bereits 40 Frauen anwesend. «Das hat mich total überrascht. Auch, dass die Gespräche derart reichhaltig waren. Dies braucht ein gewisses Mass an Vertrauen. Erstaunlicherweise war das von Anfang an da», sagt Caterina Corea.
Glaube wurde gestärkt
Egal, wie stressig ihr Alltag ist, Caterina Corea lebt den Glauben jeden Tag und engagiert sich gerne und mit Herzblut für die Kirche. «Wir alle haben eine Gabe von Gott erhalten und die Frage ist doch: Was können wir damit tun. Wir können nur unsere Talente und Gaben weitergeben – und unsere Zeit. Ich habe zwar nicht viel Zeit, aber diese gebe ich gerne.» Angesprochen auf die Missbrauchsstudie wird Caterina Corea nachdenklicher. Diese habe sie traurig gemacht, aber nicht erschüttert. «Wo es Menschen gibt, machen diese immer Fehler.» Klar sei, dass es nun Konsequenzen brauche. Verallgemeinern will Caterina Corea nicht, auch vermindert sich dadurch nicht ihr Wohlwollen gegenüber der Kirche. Im Gegenteil. Caterina Corea sagt: «Die Missbrauchsstudie hat mich in meinem Glauben noch gestärkt.»
Caterina Corea möchte etwas zurückgeben und hat vor kurzem eine Veranstaltungsreihe für Frauen ins Leben gerufen. «Wir können nur unsere Talente und Gaben weitergeben – und unsere Zeit. Ich habe zwar nicht viel Zeit, aber diese gebe ich gerne.»
In schwierigen Zeiten – und diese durchlebe sie durchaus auch – denke sie immer an das Versprechen, das Jesus an Simon Petrus macht: «Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.» (Evangelium, Matheus Kap. 16,18) «Wenn der Glaube stark genug ist, wird er nicht kapitulieren», sagt Caterina Corea. «Und ich bin überzeugt: Am Schluss ist der Glaube stärker als unsere Ängste.»
Text: Alessia Pagani Bilder: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 23.01.2024
Als Jesus am Kreuz gestorben ist, war es Freitag. An einem Sonntag ist er auferstanden. Jeden Sonntag feiern wir in den Kirchen fröhlich und festlich die Auferstehung oder anders gesagt das Leben.
Selbst-Reflexion
Jeder Freitag ist dafür wie ein kleiner Karfreitag. Wir sind eingeladen, uns ans Leiden Jesu zu erinnern, der sich bis zum Tod für andere eingesetzt hat, und dem Ausdruck zu verleihen, indem wir fasten und speziell auf Fleisch verzichten. Wenn wir fasten, zeigen wir, dass wir bereit sind, unser Verhalten zu überdenken und gegebenenfalls zu verändern.
Pflicht oder nicht?
Bereits die ersten Christen haben gefastet. Es war im damaligen Judentum Brauch, jede Woche an zwei Tagen zu fasten. Die Christen haben diesen Brauch übernommen und Mittwoch und Freitag zu Fastentagen bestimmt. Die 40-tägige Fastenzeit wurde übrigens erst im 4. Jahrhundert üblich. Die Pflicht, freitags zu fasten, wurde in der katholischen Kirche schon länger aufgehoben. Momentan sind nur Aschermittwoch und Karfreitag verpflichtend. Die katholischen Bischöfe von England und Wales führten das Gebot, freitags auf Fleisch zu verzichten, 2011 wieder ein. In dem Jahr haben England und Wales 55 000 Tonnen CO2 eingespart. Wie viel CO2 könnten wir einsparen, wenn alle Katholiken weltweit am Freitag auf Fleisch verzichten würden?
Veggie-Day
UN-Generalsekretär António Guterres hat an der Weltklimakonferenz 2023 gesagt: «Verehrte Exzellenzen, die Alarmsirenen schrillen. Unser Planet und die Menschen auf der ganzen Welt haben uns etwas zu sagen. Der Klimaschutz steht ganz oben auf der Liste ihrer Anliegen – in allen Ländern, unabhängig von Alter oder Geschlecht. Wir müssen zuhören, wir müssen handeln, und wir müssen weise entscheiden.» Das erinnert mich an Jona, der die Stadt Ninive gewarnt hat: «Es sind noch vierzig Tage, so wird Ninive untergehen» (Jona 3,4). Die Menschen hörten auf Jona, sie begannen zu fasten und veränderten ihr Verhalten. Mit einem Veggie-Day pro Woche – es muss nicht unbedingt Freitag sein – können auch wir unser Einsehen zeigen und unseren Beitrag leisten.
Die Hilfsorganisation Fastenaktion sieht die wachsende Armut und Hitzewellen als grosse Herausforderung. Am ersten Aktionsforum suchte unter anderem Lucrezia Meier-Schatz, ehemalige Nationalrätin aus St. Peterzell, Zukunftsstrategien.
Anfang November lud das Stiftungsforum des Hilfswerks Fastenaktion zum ersten Aktionsforum in Solothurn ein. Rund 60 Personen aus dem kirchennahen Umfeld haben daran teilgenommen. Sie haben Einblick in die Arbeit von Fastenaktion erhalten und über die aktuellen Herausforderungen gesprochen sowie mögliche Zukunftsstrategien konzipiert. «Das Forum war sehr erfolgreich. Es gab rege Diskussionen», sagt Lucrezia Meier-Schatz. Die ehemalige Nationalrätin und frühere Präsidentin der CVP/Die Mitte des Kantons St. Gallen ist seit 2006 Präsidentin des Stiftungsforums. Dieses ist zuständig für die Wahl der Stiftungsrätinnen und Stiftungsräte und die Evaluation der Kampagnen. Im Stiftungsforum sind zahlreiche katholische Organisationen vertreten. «Mit dem Aktionsforum wollen wir näher an die vielen Menschen, die sich an der Basis für Fastenaktion engagieren», so Meier-Schatz. Dabei geht es einerseits um die Wissensvermittlung, andererseits um den Austausch. «Das Aktionsforum soll unsere Botschafterinnen und Botschafter in ihrem Engagement in den Kirchgemeinden stärken. Sie sind unsere Multiplikatoren.»
Umkämpfter Spendenmarkt
Fastenaktion sieht sich seit Jahren mit dem Problem der weltweit steigenden Armut konfrontiert. «Die Spenden aus dem kirchlichen Umfeld reichen zur Finanzierung der Projektarbeit schon länger nicht mehr aus», sagt Lucrezia Meier-Schatz. «Einerseits spielt die Säkularisierung im Sinne des Religionsverlustes und andererseits die immer weiter schwindende Bedeutung der Religion für den spürbaren Spendenrückgang aus kirchlichen Kreisen eine Rolle.» Früher finanzierte Fastenaktion ihre Projektarbeit vor allem durch treue Spenderinnen und Spender. Älteren Generationen dürfte das blau-violette Spendensäckli von «Fastenopfer» noch in Erinnerung sein. Dies hat sich gemäss Lucrezia Meier-Schatz geändert. Heute habe sich das soziale Engagement von institutionsorientierten Spenden auf einzelne themenspezifische Projekte verschoben, erklärt Meier-Schatz. «Die jüngeren Generationen spenden meist für Einzelprojekte und wollen sich, wie in vielen Lebenslagen, nicht binden oder auf eine einzelne Organisation konzentrieren.» Lucrezia Meier-Schatz wertet diese Entwicklung nicht negativ, sondern spricht von einer legitimen Entscheidung und ist überzeugt: «Jedes gesellschaftliche und soziale Engagement ist essenziell.» Die Entwicklung erfordere von Fastenaktion allerdings ein Umdenken. «Wir müssen die jüngeren Menschen heute häufiger ausserhalb der kirchlichen Institutionen ansprechen und mehrgleisig fahren in der Kommunikation.»
In Bern lobbyieren
Als Bundesparlamentarierin war sich Lucrezia Meier-Schatz gewöhnt, ihre Meinung zu vertreten. Ihre politischen Erfahrungen setzt sie heute gezielt für Fastenaktion ein. Das Schlagwort hier lautet Lobbying. «Von den ständigen politischen Sparbemühungen des Parlaments sind wir direkt betroffen», sagt Lucrezia Meier-Schatz und spricht von einer riesigen Herausforderung. «Wir brauchen die Verbindungen ins Parlament, um den Schaden für uns so gering wie möglich zu halten.» Sorgen bereitet Lucrezia Meier-Schatz die Strategie Internationale Zusammenarbeit des Bundesrates. Dieser wird die Botschaft für die Jahre 2025 bis 2028 in den kommenden Monaten dem Parlament unterbreiten. «Er schlägt vor, dass ein substanzieller Teil der Gelder, 1,5 Milliarden Franken, also ganze 13 Prozent, die bis anhin für die Entwicklungshilfe im Süden reserviert waren, zugunsten der Ukraine reserviert werden. Für die ärmsten Länder ist dies verheerend, auch für unsere Programme, da weniger Geld von der DEZA (Anm. der Red.: Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) zur Verfügung steht», erklärt Lucrezia Meier-Schatz und unterstreicht: «Gelder für die Unterstützung der Ukraine müssen gesprochen werden, dürfen aber nicht aus dem Topf, der für die Projekte der Internationalen Zusammenarbeit im Süden vorgesehen ist, entnommen werden.»
Einsatz nicht gefährden
In den kommenden Wochen wird Fastenaktion die Strategie für die Jahre 2024 bis 2028 festlegen. Die Länderprogramme, die systematisch evaluiert werden, sowie die Kampagnen stehen, angesichts der erwähnten Herausforderungen, im Fokus. «Wir müssen sicherstellen, dass wir mit unserem Engagement die Wirkung erreichen, die die Lebensqualität der Ärmsten nachhaltig verbessert, und wir weiterhin ein verlässlicher Partner für unsere Partnerorganisationen im Süden bleiben.» Auch die Suche nach neuen Partnerschaften wird die Verantwortlichen in Zukunft beschäftigen. Für Lucrezia Meier-Schatz ist klar: «Wir müssen wieder mehr die Gemeinschaft fördern in einer Zeit, in der der Individualismus Vorhand hat.» In den kommenden Jahren sollen wieder Aktionsforen stattfinden. Die Herausforderungen für Fastenaktion werden indes bleiben. Aber Lucrezia Meier-Schatz blickt positiv in die Zukunft. Sie weiss: «Die Spendenbereitschaft in der Schweiz ist nach wie vor gross und dafür sind wir dankbar.» Fastenaktion hat 2022 Spenden und Beiträge in Höhe von rund 24 Millionen Franken, davon 8 Millionen aus der öffentlichen Hand (u. a. DEZA), erhalten und in ihren 12 Länderprogrammen 338 Projekte unterstützt. Mit ihrem Engagement konnte sie die Lebensqualität von 2,5 Millionen Menschen erreichen, 58 Prozent waren Frauen.
Text: Alessia Pagani Bild: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 10. Januar 2024
Eine Tasse Tee trinken, zusammensitzen und sich Geschichten aus dem Leben erzählen. «Das Bedürfnis, persönliche Geschichten zu hören und zu erzählen, ist gross», sagt Snjezana Gajski, kirchliche Sozialarbeiterin. 2024 moderiert sie in den Räumlichkeiten des Kirchlichen Sozialdienstes in Buchs fünf Erzählcafés.
Obwohl sich die Teilnehmenden bisher noch nicht kannten, entsteht bei einem Erzählcafé sehr schnell Gemeinschaft, die Lebensgeschichten verbinden», sagt Snjezana Gajski, Leiterin des Kirchlichen Sozialdienstes von Caritas St. Gallen-Appenzell und der Seelsorgeeinheit Werdenberg. «Das beeindruckt mich immer wieder. Meistens gehen die Gespräche schon nach kurzer Zeit in die Tiefe, es ist alles andere als Smalltalk.» Bei manchen Themen werde es emotional, auch Tränen seien schon geflossen – zum Beispiel bei den Themen Geschwister und Freundschaft.
Ohne Bewertungen
Seit 2021 bietet Snjezana Gajski in der Seelsorgeeinheit Werdenberg Erzählcafés an. Sie selbst ist ein grosser Fan der partizipativen Methode, die seit Ende der 1980er-Jahre in der Erwachsenenbildung und Sozialarbeit zum Einsatz kommt: «Anfangs dachte ich, dass ich als Moderatorin das Gespräch viel aktiver steuern müsste. Doch meistens genügt ein Einstieg und schon sprudelt es. Auch wer anfangs schüchtern oder zurückhaltend ist und einfach nur zuhört, bringt sich doch bald auch selber ein.» Viele schätzen es, erzählen zu können, ohne beurteilt oder bewertet zu werden. Denn das Kommentieren ist tabu: «Es gibt nur drei Regeln: Man hört dem anderen aufmerksam zu, alle dürfen erzählen und das Gesagte bleibt in der Gruppe.»
Gegenseitiges Verständnis
Bis zu fünfzehn Teilnehmende sind jeweils beim Erzählcafé dabei. «Darunter auch Männer», betont Snjezana Gajski. Einige Mitwirkende kommen immer wieder, trotzdem sei es jeweils eine ganz neue Gruppe, die sich auf das Thema einlässt. Mit ihrem Angebot will Gajski das gegenseitige Verständnis fördern: «Ich bin mit den Erzählcafés in der Corona-Zeit gestartet, da waren die Spannungen auch bei unseren Cafés deutlich spürbar.» Wer am Café teilnimmt, lerne andere Perspektiven kennen und bekomme so mit, wie andere ein Thema sehen oder welche Erfahrungen sie gemacht haben. Das einfache Erzählen und Zuhören stärke die Gesprächskultur. «Das Erzählcafé ermöglicht auch Biografiearbeit», hält die Sozialarbeiterin fest. Man setze sich mit der eigenen Vergangenheit auseinander: Was hat mich geprägt? «Es kann ein Impuls sein, sich selber neu zu betrachten und zu verstehen.»
Snjezana Gajski bietet 2024 Erzählcafés zu Themen rund um den gesellschaftlichen Wandel an.
Gesellschaftlicher Wandel
Jedes Erzählcafé beschäftigt sich mit einem anderen Thema. Die Themen seien so vielfältig wie die Teilnehmenden. Doch der gesellschaftliche Wandel zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm. «In vielen Bereichen lassen sich tiefgreifende Veränderungen beobachten», so Gajski, «wir erkunden, wie der Wandel uns formt, herausfordert und bereichert.» So geht es zum Beispiel am 12. Januar um «Kirche gestern, heute und morgen» oder am 1. März um «Frauenwelten im Wandel». Gespannt ist Snjezana Gajski aber auch auf das Thema «Jugendliche», das im Mai auf dem Programm steht. Etwas wird 2024 neu: War die Sozialarbeiterin mit ihrem Erzählcafé bisher in den verschiedenen Pfarreien der Seelsorgeeinheit Werdenberg zu Gast, finden 2024 alle Erzählcafés zum Thema «Wandel» in den Räumlichkeiten des Kirchlichen Sozialdienstes in Buchs statt.
Maximal 15 Personen: Die Erzählcafés (19 bis 21 Uhr) werden jeweils in den Räumlichkeiten des Kirchlichen Sozialdienstes Zentrum Neuhof, Schingasse 2, Buchs angeboten. Der Eintritt ist frei. Die Teilnehmerzahl ist auf 15 Personen begrenzt. Weitere Infos und Anmeldung: www.kathwerdenberg.ch
In welchen analogen und digitalen Lebenswelten bewegen sich Jugendliche heute? Ennio Mock (14), Schüler am Gymnasium St. Antonius in Appenzell, hat dem Pfarreiforum erzählt, welche Apps er nutzt und wann er das Handy sofort weglegt.
Wie informierst du dich über das Weltgeschehen?
Ennio Mock: Online mehrheitlich über Instagram und manchmal auch auf X (ehemals Twitter). Zu Hause diskutieren wir viel am Familientisch über politische Themen.
Wie gehst du mit Kriegsnachrichten um?
Ennio Mock: Ich informiere mich aktuell nicht so viel über Kriegsthemen. Ich schaue keine Tagesschau, mein Bruder ist diesbezüglich mehr auf dem Laufenden und mit ihm rede ich ab und zu darüber.
Interessierst du dich auch für lokale News? Liest du die Zeitung?
Ennio Mock: Ja, ich lese manchmal am Morgen den «Appenzeller Volksfreund». Und ich spreche mit Kollegen oder mit meiner Familie über aktuelle Geschehnisse in der Region.
Liest du Bücher oder hörst du Podcasts in deiner Freizeit?
Ennio Mock: Im Lese-Studium lese ich gerade ein Buch über den Zweiten Weltkrieg. Das finde ich sehr interessant. Podcasts höre ich zum Beispiel während dem Rasenmähen, vor allem unterhaltsame Beiträge.
Wie sieht dein typischer Alltag aus?
Ennio Mock: Ich habe jeden Tag bis am späten Nachmittag Schule, ausser am Mittwochnachmittag habe ich frei; dann trainiere ich von 17.00 bis 20.00 Uhr Unihockey. Zudem trainiere ich am Freitagabend und am Samstagmorgen. Am Wochenende kommen noch Spiele oder Turniere dazu und ich treffe mich mit Freunden oder unternehme etwas mit meiner Familie. Ich bin eigentlich recht viel unterwegs.
Das Handy ist zwar immer griffbereit, doch hat Ennio eine kritische Haltung gegenüber seinem eigenen Medienkonsum.
Welche Rolle spielt dein Smartphone in deinem Leben?
Ennio Mock: Ich habe es eigentlich immer im Hosensack. Ich der Schule benötigen wir es regelmässig für den Unterricht. Ich brauche es auch, um mich mit meinen Kollegen zu verabreden oder um meine Eltern anzurufen. Abends oder am Wochenende game ich gerne mal online mit Freunden oder schaue mir Videos und Bilder auf sozialen Netzwerken an. Bei schlechtem Wetter schaue ich auch mal einen Film auf Netflix. Viel Freizeit bleibt mir nicht nebst Schule und Sport.
Auf welchen sozialen Netzwerken bist du unterwegs?
Ennio Mock: Ich nutze mehrheitlich Instagram und Snapchat, gelegentlich auch X und Filme schaue ich mir auf Netflix an. Auf Instagram schaue ich mir Videos an und poste ab und zu ein Landschaftsbild oder Eindrücke von Reisen mit meiner Familie. Snapchat nutze ich vor allem aus Spass und um meine Flämmchen zu pflegen.
Kannst du das mit den Flämmchen auf Snapchat erklären?
Ennio Mock: Das Flammensymbol bedeutet, dass zwei Freunde mindestens drei Tage am Stück jeweils innerhalb 24 Stunden «Snaps» ausgetauscht haben. Um die Flammen zu halten, muss die beteiligte Person täglich ein Foto oder Video im Chat senden, sonst erlischt sie. Eigentlich ist es ein doofes Belohnungssystem – aber trotzdem macht es jeder.
Wie kommunizierst du mit deinen Freunden? Welche Messenger-Dienste nutzt du?
Ennio Mock: Alle wichtigen Nachrichten laufen via WhatsApp. Um mit Freunden abzumachen, nutze ich Sprachnachrichten. Wir haben zum Beispiel auch einen Klassenchat sowie einen Teamchat vom Unihockey auf WhatsApp.
Gemäss der JAMES-Studie 2022 nutzen Jugendliche ihr Handy nach eigenen Angaben an einem durchschnittlichen Wochentag rund drei Stunden, am Wochenende fast fünf Stunden. Überraschen dich diese Bildschirmzeiten?
Ennio Mock: (denkt nach) Nein, eigentlich überraschen mich diese Angaben nicht, aber es ist schon viel Zeit, die so verschwendet wird. Eigentlich sollte man sie für sinnvollere Beschäftigungen nutzen.
Löst das Thema «Bildschirmzeit» in deiner Familie oder in deinem Freundeskreis auch Diskussionen aus?
Ennio Mock: Ja, immer mal wieder. Wenn sich meine Noten verschlechtern, dann möchten meine Eltern meine Bildschirmzeit überprüfen. Manchmal merke ich dann, dass ich eigentlich doch noch viel Zeit online bin. Darum finde ich es auch gut, dass man seine eigene Bildschirmzeit kritisch im Auge behält.
Befolgst du irgendwelche Regeln oder Strategien im Umgang mit deinem Smartphone? Und wie handhabt ihr das unter Freunden?
Ennio Mock: Wenn ich ein Video nach dem anderen schaue, merke ich gar nicht, was ich konkret geschaut habe, man verliert sich gedanklich dabei. Und dann kommt plötzlich ein Motivationsvideo mit so einer Botschaft wie «Hör einfach auf zu scrollen, leg dein Handy weg. Mach etwas, das dich wirklich glücklich macht» – und dann lege ich mein Handy sofort weg, weil mich das irgendwie berührt. Der Umgang mit dem Handy ist unter Freunden recht unterschiedlich. Mit den einen gehe ich oft raus und unternehme etwas wie Biken oder Fussballspielen. Mit anderen game ich eher. Ich kenne auch Jugendliche, die sich praktisch nur noch «online» treffen, das finde ich sehr schade.
Die Studie sagt auch, dass Jungs häufiger gamen als Mädchen. Mädchen würden dagegen mehr Zeit auf sozialen Netzwerken wie TikTok oder Instagram verbringen. Erlebst du dies auch so in deinem Umfeld?
Ennio Mock: Ja, das ist voll so. Ich glaube die Mädchen eifern mehr Influencern oder irgendwelchen Trends nach. Wir Jungs suchen eher den Wettkampf. Darum spielen wir mehr «Clash of Clans» oder «Fortnite». Wir können uns dabei messen und jeder kann persönlich neue Levels erreichen.
Machst du dir Gedanken zu deinem Datenschutz? Oder anders gefragt: Hast du Einstellungen zum Schutz deiner Privatsphäre aktiviert?
Ennio Mock: Ja, meine Accounts sind privat und ich folge nur Leuten, die ich kenne. Ich mache mir allgemein wenig Sorgen über meine Daten, weil ich nicht viel Privates preisgebe und mir bewusst ist, dass man sie im Internet nicht löschen kann.
Hast du selbst schon Beleidigungen in Chats oder via Social Media erfahren oder von Freunden miterlebt?
Ennio Mock: Nein, ich selbst war noch nie betroffen. Aber ich habe auch schon mitbekommen, dass sich junge Menschen durch negative Kommentare gemobbt fühlten.
Was denkst du, wie wird sich die Welt mit der künstlichen Intelligenz entwickeln? Wie stark wird sie dein Privat- und Berufsleben beeinflussen?
Ennio Mock: Ich habe noch nicht so viel Erfahrung mit ChatGPT und anderen KI-Tools, aber ich denke, sie werden unser Leben vereinfachen. Wahrscheinlich brauchen wir für gewisse Arbeitsabläufe in Zukunft weniger Zeit als unsere Mütter und Väter.
Ich habe schon mitbekommen, dass sich junge Menschen durch negative Kommentare gemobbt fühlten.
Ennio Mock, Schüler der 2. Klasse am Gymnasium St. Antonius in Appenzell
JAMES-Studie
JAMES steht für Jugend, Aktivitäten, Medien – Erhebung Schweiz. Die Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften befragt jeweils über 1000 Jugendliche im Alter von 12 bis 19 Jahren zum Freizeit- und Medienverhalten. → www.zhaw.ch
Arbeitspläne, Social Media, Tagesnachrichten – die Schwestern des Klosters Mariazell Wurmsbach setzen seit einiger Zeit fast ausschliesslich auf digitale Medien und verzichten auf Fernseher und teilweise auf gedruckte Zeitungen. Für die Ordensfrauen bietet der Computer viele Vorteile, sie wissen allerdings auch um dessen Gefahren.
Eine idyllische Ruhe liegt an diesem Morgen über dem Kloster Mariazell Wurmsbach am Ufer des Zürichsees. Der Schneefall der vergangenen Tage hat das Gelände in eine weisse Schneedecke gehüllt, die Vögel pfeifen von den Bäumen, auf dem See schwimmen die Enten lautlos ihre Bahnen. Das Thermometer zeigt Minusgrade an. Schnellen Schrittes laufen an diesem grauen Wintertag Schwester Madeleine Federspiel, Schwester Andrea Fux und Schwester Marianne-Franziska Imhasly zum Sitzungszimmer im Gästehaus. Unter dem Arm haben alle drei Ordensfrauen ihr unerlässliches Arbeitsgerät: den Laptop. Darauf befinden sich die Arbeitspläne, der E‑Mail-Account mit dem gesamten Kommunikationsverlauf, Apps für Online-Meetings und private Notizen.
Der Laptop ist mittlerweile das wichtigste Arbeitsgerät der Schwestern im Kloster Mariazell Wurmsbach.
Priorin Schwester Andrea informiert ihre Mitschwestern im Sitzungszimmer über den Verlauf des kürzlich abgehaltenen Zoom-Meetings und bringt sie auf den neusten Stand. Die Mediennutzung hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Längst haben die digitalen Medien auch im Klosteralltag Einzug gehalten und sind für die Ordensfrauen mittlerweile unerlässlich geworden. «Der Laptop ist für uns wie ein grosses Handy und im Alltag unverzichtbar», sagt Schwester Madeleine, die Gästeschwester. Sie ist die älteste in der Runde, was aber nicht heisst, dass sie weniger versiert ist in der Handhabung des Laptops. Stolz zeigt sie die Touchscreen-Funktion an ihrem Bildschirm und wechselt gekonnt und blitzschnell zwischen verschiedenen Seiten.
Beamer statt Fernseher
Während die digitalen Medien im Alltag des Klosters Mariazell immer mehr an Bedeutung gewonnen haben, nahm jene der analogen Medien – also von Zeitung, Fernseher oder Radio – immer weiter ab. Die Schwestern haben sich vor zwei Jahren entschlossen, in Zukunft auf einen Fernseher zu verzichten. «Wir haben ihn nicht mehr gebraucht», erklärt Schwester Andrea. Soll nicht heissen, dass die Schwestern nicht über das Alltagsgeschehen Bescheid wissen. Interessante Fernsehbeiträge – hauptsächlich Hintergrundberichte – werden seither noch stärker und häufiger in der Gemeinschaft angesprochen und wenn gewünscht gemeinsam via Beamer angeschaut. Die Schwestern weisen einander auf interessante Beiträge hin. Die Tagesschau, den Club oder die ZDF-Talkshow Markus Lanz lässt sich Schwester Andrea allerdings selten entgehen und schaut die Sendungen am Laptop. Beim gemeinsamen Mittagessen informieren sich die Schwestern zudem täglich mit der SRF-Radiosendung «Rendez-vous» über das aktuelle Geschehen. Die gedruckten Medien sind nicht gänzlich aus dem Klosteralltag verschwunden. Die Abos für Tageszeitungen gibt es weiterhin, ebenso für verschiedenste, meist kirchlich-religiöse Publikationen. Der «Tages-Anzeiger» wird jedoch per Digital-Abo gelesen.
Schwester Andrea ist zuständig für die Bewirtschaftung der Social-Media-Kanäle.
Interessante oder themenspezifische Berichte drucken die Schwestern aus und zeigen sie den Mitschwestern. «Wir haben einen regen Austausch. Es ist wie in einer grossen Familie. Man erfährt fast alles. Dieser Reichtum ist einer der Vorteile einer Gemeinschaft», sagt Schwester Marianne-Franziska. Ein Austausch sei sehr wichtig für die Meinungsbildung. «Wir können die Themen so vertieft und von unterschiedlichen Seiten anschauen. Teilweise ändere ich meine Meinung dann auch.»
Gemeinsam verarbeiten
Wer heute die aktuellen Tagesmeldungen – sei es online oder nicht – verfolgt, stösst häufig auf Negativmeldungen. In farbigen Bildern sehen wir zerbombte Strassen, weinende Kinder oder sogar verpixelte Leichen in Kriegsgebieten. Einige Bilder und die dazugehörigen Berichte sind schwer zu ertragen. Auch für die Ordensfrauen. Schwester Marianne-Franziska ist angesichts der aktuellen weltpolitischen Lage beispielsweise froh, dass sie die Nachrichten bewusst auswählen kann auf PLAY SRF und dadurch für ihre Tätigkeit als Geschichtslehrerin informiert ist. «Gewisse Nachrichten sind zum Teil wenig aufbauend und kolportieren Unwichtiges. Ich bin froh, wenn ich mir nicht alles zu Gemüte führen muss. Ich komme da heute manchmal an meine Grenzen», sagt Schwester Marianne-Franziska.
Die Schwestern des Klosters Mariazell Wurmsbach tauschen sich oft in der Gemeinschaft aus – sei es über das aktuelle Weltgeschehen, externe Anfragen oder Arbeitspläne.
Die schrecklichen Nachrichten verarbeite sie, indem sie die betroffenen Menschen in ihre Gebete einschliesse und mit ihren Schwestern über die Geschehnisse spreche.
Frage der Sichtbarkeit
Mit den digitalen Medien haben auch die sozialen Medien den Weg ins Kloster gefunden. Das Kloster Mariazell Wurmsbach pflegt einen eigenen Facebook- und Instagram-Account und ist auf YouTube aktiv. «Es wäre komisch, wenn wir nichts posten würden. Das dient auch der Sichtbarkeit. Es macht Sinn, auf Social Media präsent zu sein, auch als Kloster», sagt Schwester Andrea. Sie weiss, wovon sie spricht. Sie ist für die Bewirtschaftung der Social-Media-Kanäle verantwortlich. Dies bedeutet, dass sie regelmässig Kommentare beantwortet, neue Beiträge postet, Kanäle anderer kirchlicher Institutionen durchforstet und ihre Mitschwestern über andere Accounts auf dem Laufenden hält. Sie macht die Arbeit gerne, weiss aber auch um deren Auswirkungen: Das Bewirtschaften der Accounts bindet sehr viele zeitliche Ressourcen. Manchmal sitzt Schwester Andrea Fux dafür stundenlang am Laptop. In der Woche sind es zwischen zwei und zehn Stunden, «je nachdem, wie viel grad los ist. Wenn man es richtig machen will, braucht es einfach Zeit», sagt die Ordensschwester. Man merkt: Schwester Andrea würde sich wünschen, manchmal weniger Zeit vor dem Laptop-Bildschirm zu verbringen. Seit einiger Zeit hat das Kloster deshalb eine Tourismus-Fachfrau in einem 40-Prozent-Pensum angestellt. Diese hilft Schwester Andrea bei den Social-Media-Aktivitäten und bereitet Beiträge auf. «Natürlich ist es viel Aufwand, aber der gehört dazu und unser diesbezügliches Engagement bringt auch Vorteile: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer unserer ‹Auszeit für junge Menschen› oder der ‹Lerntage am See› sind fast alle durch unsere beworbenen Beiträge auf Instagram und Facebook auf unsere Angebote aufmerksam geworden.»
Von den Jungen lernen
Die Kenntnisse für die Bewirtschaftung und Handhabung der Social-Media-Kanäle hat sich Schwester Andrea im Laufe der Jahre mehrheitlich selbst erarbeitet. Zudem besuchte sie mehrere Kurse zu diesem Thema.
Die Schwestern sind versiert im Umgang mit den digitalen Medien.
Für die Schwestern sind nicht alle Social-Media-Kanäle gleich nützlich. So haben sie sich bewusst gegen einen eigenen TikTok-Account entschieden. «Das braucht zu viel Zeit, wenn man es professionell machen will. Wenn man einen Kanal hat, muss man diesen auch bewirtschaften, ansonsten ist das kontraproduktiv», sagt Schwester Andrea. Schwester Marianne-Franziska konnte und kann bezüglich Internet und digitaler Medien als Lehrerin im Talent-Campus Zürichsee viel von ihren Schülerinnen und Schülern lernen. «Die Jungen gehen natürlicher mit dem Internet um. Sie können mir viel zeigen und mir immer wieder helfen.» Allerdings hat sich Schwester Marianne-Franziska mittlerweile viel eigenes Wissen angeeignet und konnte bei der jüngeren Generation auch schon mit ihren Kenntnissen brillieren. «Wenn ich den Jugendlichen helfen oder ihnen etwas erklären kann, macht mich das natürlich stolz», sagt sie. A jour bleiben die Schwestern auch im Austausch mit den jungen Erwachsenen, welche beim Angebot «Auszeit für junge Menschen» mitmachen und Tür an Tür mit der Klostergemeinschaft leben und auch mitarbeiten.
Erwachsene in der Pflicht
Trotz der Selbstverständlichkeit, mit der die Schwestern die sozialen Medien nutzen, sehen sie darin auch eine Gefahr. «Smartphone, Computer und Social Media können schnell zur Sucht werden, vor allem für Jugendliche in der Oberstufe», sagt Schwester Marianne-Franziska. Für sie sei es nicht immer einfach, weil Smartphone und Internet heute ein unverzichtbarer Teil des Alltags geworden seien. Schwester Andrea sieht vor allem die Erwachsenen in der Pflicht. «Wir haben eine riesige Verantwortung gegenüber den Jungen, die wir leider oft zu wenig wahrnehmen.» Als Erwachsener müsse man den Jugendlichen bewusst machen, dass Smartphone und Internet zwar Vorteile bieten und gut seien, dass es aber auch wichtig und wertvoll ist, reale Erfahrungen zu machen. «Wir Erwachsenen müssen den Jugendlichen Alternativen und einen anderen Tagesrhythmus bieten.» Das Smartphone ist für die Schwestern mittlerweile zu einem verstaubten Relikt geworden. Im Klosteralltag wird es nicht regelmässig gebraucht – ganz nach der Benediktsregel, in der das «Masshalten» in verschiedenster Hinsicht ein zentraler Wert ist. Schwester Madeleine nimmt es noch mit, wenn sie das Klostergelände verlässt, beispielsweise auf Velofahrten, zum Fotografieren oder zur Konsultation der Wetterprognose. Auch die anderen Schwestern verzichten im Alltag fast gänzlich auf das Smartphone – der Laptop als «grosses Handy» leistet seinen Dienst zur vollsten Zufriedenheit.
Auf einer Anhöhe bei Berg thront das Schloss Kleiner Hahnberg. Schlossherr ist Architekt Robert Bamert. Er hat in seinem Leben zahlreiche öffentliche Projekte realisiert – etwa den Umbau und die Restaurierung der Tonhalle St. Gallen.
Dreimal an der Türe zum Schlossturm klopfen, so lautete die Vorgabe. Gesagt, getan, und schon führt uns Robert Bamert durch die stattlichen Räume des Schlosses Kleiner Hahnberg bei Berg. Seit fast 50 Jahren bewohnt er das 500-jährige Haus, das er über viele Jahre restauriert hat, um die Spuren der Geschichte ans Licht zu bringen. Robert Bamert ist 84 Jahre alt und Architekt. Zu seinen renommiertesten Neubauten zählen die ETH-Lausanne aus den 70er-Jahren, die Siedlung Wolfganghof im Westen St. Gallens und das Schulheim für schwerbehinderte Kinder in Kronbühl. Er verantwortete unter anderem die Renovation des St. Galler Bahnhofs und der Tonhalle oder der Kunsthalle Ziegelhütte Appenzell sowie zahlreiche Kirchenrestaurierungen, etwa der katholischen Andreas-Kirche Gossau und der Klosterkirche Fischingen.
«Architektur, die Schwester der Musik»
Die Architektur ist nicht Robert Bamerts einzige Leidenschaft. Die zweite gehört seit über 70 Jahren der Musik. Jeden Morgen setzt er sich an eines seiner Tasteninstrumente, etwa an seine Mathis-Orgel im Erdgeschoss des Schlosses. Er ist überzeugt: «Man beginnt den Tag einfach anders – ruhiger, harmonischer.» Wenn Robert Bamert über die Musik spricht, beginnen seine Augen zu leuchten. Begonnen hat alles in der 6. Klasse mit dem Bau einer Geige. «Sie war eckig, aber hat geklungen.» Zu dieser Zeit begann er auch Gottesdienste in der Kathedrale zu besuchen. «Ich war fasziniert vom Raum, den Figuren, Bildern und der Dom-Musik von Orgel und Chor.» Diese Besuche und der St. Galler Klosterplan prägten Robert Bamert derart, dass er sich schliesslich für das Architekturstudium entschied. Die Beziehung zur Kathedrale St. Gallen besteht bis heute. Während 20 Jahren amtete er dort als Organisten-Aushilfe. Mit 77 Jahren verabschiedete er sich mit der dorischen Toccata von J. S. Bach. Die Musik nennt Bamert – nebst der Architektur – seinen Lebenspfeiler. Mit 65 Jahren hat er sich seinen Traum erfüllt und das Studium der Musikwissenschaft aufgenommen. «Dabei durfte ich lernen, wie bedeutend das Kloster St. Gallen für die früheste Entwicklung der abendländischen Musik war.» Die Architektur bezeichnet Robert Bamert als «Schwester der Musik». Er spricht von harmonikalen Proportionen: «Wenn etwas harmoniert, ist es schön – sowohl in der Musik als auch in der Architektur.»
Für mehrere Generationen denken
Die Faszination, einen Klangkörper zu schaffen, hat Robert Bamert nicht mehr losgelassen. Im Laufe der Jahre hat er mehrere Tasten-Instrumente nach historischen Vorbildern gebaut. Vor über 14 Jahren hat er mit dem Bau von zwei Orgeln begonnen – einer Spanischen und einer Italienischen. Vor wenigen Wochen ist er damit fertig geworden. Demnächst sollen sie ihren Platz im Konzertraum im Erdgeschoss des Schlosses einnehmen, und Robert Bamert hat bereits das nächste Projekt geplant: Ein Astrolabium am Schlossturm, ein Uhrwerk, mit dem man Veränderungen am Himmel nachbilden kann. Seit 30 Jahren treibt ihn diese Idee um. Gleich wie beim Instrumentenbau hat er sich dafür in spezifische Literatur vertieft. Stillstehen ist für den kinderlosen Senior keine Option. Warum er das alles macht im hohen Alter, ist man gewillt zu fragen. Robert Bamert überlegt keine Sekunde. «Gut gebaute Instrumente können bis 300 Jahre alt werden und bleiben für die nächsten Generationen erhalten und spielbar.» Er lässt den Blick über den Park und sein Schloss gleiten. «Etwas zu schaffen, das Generationen überdauert, macht Sinn und Freude.»
Text: Alessia Pagani Bild: Ana Kontoulis
Pfarrblatt im Bistum St.Gallen Webergasse 9 9000 St.Gallen