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Mit Stoffherz und offenem Ohr im Einsatz

Die Zahl der Betrof­fe­nen von psychi­schen Erkran­kun­gen nimmt zu. Trotz­dem ist das ­Thema noch immer ein gesell­schaft­li­ches Tabu und wird stig­ma­ti­siert. Auf ­einem Klinik­rund­gang in Pfäfers erzählt Klinik­seel­sor­ger Micha­el Ehrhardt von seiner Arbeit und warum wir alle nicht vor einer psychi­schen Erkran­kung gefeit sind.

Wenn Micha­el Ehrhardt und Pascal sich tref­fen, spre­chen sie über Gott und die Welt, über Unter­neh­mun­gen am Wochen­en­de, über Erleb­tes im Alltag. Das tun die beiden Männer regel­mäs­sig. Vergan­ge­ne Woche war das Tref­fen schwie­rig, das Gespräch harzig. An diesem Morgen ist die Stim­mung besser. Thema ist unter ande­rem der Hund von Pascals Mutter. Die Tref­fen mit dem Klinikseelsorger sind für Pascal ein Anker­punkt im Alltag. Der 50-Jährige leidet seit Jahren unter einer psychi­schen Erkran­kung. Seit rund vier Mona­ten ist er Pati­ent in der Psych­ia­tri­schen Klinik St. Pirmins­berg in Pfäfers. Man merkt schnell: Er ist nicht gerne hier, weiss aber, dass es notwen­dig ist. Oft und gerne sucht er den Raum der Stil­le auf und liest den Psalm 91 – «unter Gottes Schutz» heisst dieser. «Der Glau­be und dieser Ort sind sehr wich­tig für mich. Sie geben mir Halt und die manch­mal nöti­ge Ruhe», sagt Pascal. Die Bibel liegt vor den Männern auf dem Tisch, an der Wand hängt ein Bild – das Herz­stück des Raumes. Unwei­ger­lich fällt der Blick auf das Kunst­werk. Die bunten Farben strah­len Wärme und Zuver­sicht aus. Nicht nur Pascal, auch der Gast fühlt sich geborgen.

Der Raum der Stil­le gibt Pascal oft die nöti­ge Ruhe im Klinik­all­tag. Die Gesprä­che mit Klinik­seel­sor­ger Micha­el Ehrhardt schätzt er.

Bei Nicht-Betroffenen lösen die Themen Psych­ia­trie oder psychi­sche Erkran­kung oft Unbe­ha­gen aus. Ein Rund­gang in Pfäfers vermag dieses teil­wei­se zu nehmen. Die neue­ren Gebäu­de und die Pati­en­ten­zim­mer sind licht­durch­flu­tet und gross­zü­gig. Mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten kommt man schnell ins Gespräch, die Abtei­lun­gen sind gröss­ten­teils offen und die Mitar­bei­ten­den sind aufmerk­sam und zuvor­kom­mend. Micha­el Ehrhardt grüsst dort und winkt hier. Man kennt sich gut.

Zahlen stei­gen stetig

Die Klinik St. Pirmins­berg ist für 150 Perso­nen ausge­legt. Für allfäl­li­ge Notfäl­le wird es manch­mal eng. Dann helfen sich die Klini­ken gegen­sei­tig aus. Die Pati­en­ten­zah­len haben in den vergan­ge­nen zehn Jahren stetig zuge­nom­men, so Micha­el Ehrhardt. «Einer­seits ist der Druck in der Gesell­schaft gestie­gen, ande­rer­seits können wir weni­ger gut mit diesem Druck umge­hen.» Der Gross­teil der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten leidet gemäss dem 56-Jährigen unter Depres­sio­nen und den «gängi­gen» Krank­heits­bil­dern wie Schi­zo­phre­nie, Psycho­sen und Ängsten. 

Die Klinik St. Pirmins­berg in Pfäfers zählt 150 Betten und ist gut ausge­las­tet. Für Notfäl­le wird es teil­wei­se eng.

Abhän­gig­kei­ten sind häufig Begleit­erschei­nun­gen. Oft haben die Betrof­fe­nen keinen gere­gel­ten Tages­ab­lauf mehr oder ihnen wächst alles über den Kopf. Inne­hal­ten, zur Ruhe kommen und sich auf das Schö­ne im Leben fokus­sie­ren, sei dann wich­tig, so Micha­el Ehrhardt. Er arbei­tet seit rund zehn Jahren in einem 40-Prozent-Pensum in Pfäfers. Die übri­gen 60 Prozent über­nimmt sein refor­mier­ter Kolle­ge. Vor Kurzem wurde eine drit­te Seel­sor­ge­rin in einem 60-Prozent-Pensum ange­stellt. «In unse­rer Arbeit geht es vor allem darum, den Menschen Raum zu geben, dass sie erzäh­len können. Oft reicht es, einfach nur zuzuhören.»

Vom Wetter beeinflusst

Micha­el Ehrhardt ist für die Seel­sor­ge auf vier Statio­nen zustän­dig. Entwe­der ist er bei der Morgen­run­de, beim gemein­sa­men Mittag­essen oder am Nach­mit­tag bei der Kaffee­run­de dabei. Am Frei­tag feiert er jeweils einen Gottes­dienst, in dem persön­li­che Fürbit­ten eine wich­ti­ge Rolle spie­len. Dane­ben führt er Einzel­ge­sprä­che. Einen fixen Tages­ab­lauf gibt es für ihn nicht. Er ist da, wenn jemand etwas loswer­den oder einfach schwei­gend einen Spazier­gang unter­neh­men will. Das Ange­bot ist fakul­ta­tiv – Ehrhardt geht nicht aktiv auf die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zu. Das würde auch wenig nützen. «Aufdrän­gen geht nicht. Manch­mal beschrän­ken wir uns auf ein ‹Hallo› auf dem Flur. Eini­ge verlas­sen sogar den Raum, wenn ich komme. Das akzep­tie­re ich.» 

Ein bekann­tes Gesicht in den Klinik­gän­gen: Micha­el Ehrhardt ist seit rund 10 Jahren als Seel­sor­ger in Pfäfers tätig.

Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ohne reli­giö­sen Bezug erreicht Micha­el Ehrhardt kaum. «Nicht selten werde ich als Projek­ti­ons­flä­che für nega­ti­ve Erfah­run­gen mit der Kirche gese­hen.» Auch das macht Ehrhardt nichts aus. Die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten dürfen bei ihm «abla­den». Die Klinik liegt hoch ober­halb von Bad Ragaz und bietet einen schö­nen Blick ins Rhein­tal. Die Lage im Grünen macht sich Ehrhardt gerne zunut­ze und geht mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten nach draus­sen. «Die frische Luft und die Natur tut fast allen gut und beru­higt.» Allge­mein: Das Wetter hat gros­sen Einfluss auf das Wohl­be­fin­den und damit auf den Klinik­all­tag. «Wenn es tage­lang grau ist, sind die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten oft unaus­ge­gli­che­ner und wir haben mehr zu tun.» Ehrhardt schaut aus dem Fens­ter. Es ist ein sonni­ger Tag und verschie­de­ne Grup­pen kehren gera­de vom Morgen­spa­zier­gang zurück – ein wesent­li­cher Bestand­teil des Klinik­all­tags. Eben­so die ­Ergo­the­ra­pie und die Kunst­the­ra­pie. «Das sind Ausdrucks­for­men, die den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten helfen sollen, zu sich zu finden und ihren Gefüh­len Ausdruck zu verlei­hen. Sie sollen wieder lernen, sich mit etwas ausein­an­der­zu­set­zen, zu reflek­tie­ren und einem gere­gel­ten Tages­ab­lauf nachzugehen.»

Der Kunst kommt im Klinik­all­tag eine gros­se Bedeu­tung zu: «Es ist eine Ausdrucks­form, die den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten helfen soll, zu sich zu finden und ihren Gefüh­len Ausdruck zu verlei­hen», so Micha­el Ehrhardt.

Kein Zeit­druck

Die Pati­en­ten­schick­sa­le machen betrof­fen. Wenn Micha­el Ehrhardt über Menschen spricht, die den Lebens­mut verlo­ren haben, die keinen Antrieb haben, denen der Alltag fehlt, wird man trau­rig und nach­denk­lich – und ist gleich­zei­tig dank­bar. Der Seel­sor­ger aber wirkt gefasst. Er hat schon vieles miter­lebt und hat gelernt zu akzep­tie­ren. «Man würde sich ande­res wünschen für diese Perso­nen, aber mit Forde­run­gen kommt man nicht weit. 

Der Seel­sor­ger stösst in den Gesprä­chen mit den Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten manch­mal an Grenzen.

Wenn jemand klei­ne Fort­schrit­te macht, ist das für mich ein High­light.» Die Erfolgs­chan­cen seien nicht immer gleich. Rund 350 Ange­stell­te sind in der Klinik St. Pirmins­berg tätig. Die Zusam­men­ar­beit ist gut – davon werden wir an diesem Tag Ende Janu­ar Zeuge. Beim Klinik­rund­gang geht eine Pfle­ge­kraft auf Ehrhardt zu. «Kannst du noch zu Frau B. gehen? Sie hat um ein Gespräch gebe­ten.» Ehrhardt bejaht freund­lich. Er sieht sich als Ergän­zung zur Behand­lung. Der Frage, warum es nebst dem psycho­lo­gi­schen Dienst in Klini­ken Seel­sor­ger braucht, entgeg­net er mit einem Lächeln – ganz so, als hätte er darauf gewar­tet: «Einer­seits sind wir die Fach­per­so­nen, wenn es um reli­giö­se oder spiri­tu­el­le Fragen geht oder jemand ein Gebet spre­chen, die Kommu­ni­on oder einen Segen empfan­gen möch­te. Manch­mal bin ich einfach Vermitt­ler, damit Sakra­men­te  wie Beich­te oder Kran­ken­sal­bung gespen­det werden können. Dazu werde ich dann auch spezi­ell ange­fragt. Ande­rer­seits kann ich mir oft mehr Zeit nehmen für die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten und arbei­te nicht nach einem Zeit­plan. Wenn immer den Betrof­fe­nen etwas auf dem Herzen liegt, bin ich da.» 

Micha­el Ehrhardt erreicht vor allem gläu­bi­ge Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. Für sie orga­ni­siert er am Frei­tag jeweils einen Gottes­dienst mit Fürbittenherz.

Die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten schät­zen das. «Manchen ist es wich­tig, dass sie ihre ganze Geschich­te erzäh­len können, ohne Zeit­druck und Unter­bre­chun­gen.» Diese Flexi­bi­li­tät bringt einen weite­ren Vorteil: Ehrhardt kann die Gesprä­che führen, wo immer es die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten wünschen. Das Setting, wie er es nennt, müsse für jeden Einzel­nen stim­men. Ehrhardt erzählt, wie er in den Gesprä­chen manch­mal an Gren­zen stos­se, wie heraus­for­dernd es zuwei­len sei, das Gegen­über aus der Reser­ve zu locken. Dann brau­che es einen Ansatz­punkt. Ehrhardt führt uns in die Klosterkirche. 

Die Klos­ter­kir­che der Klinik Pfäfers löst bei vielen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten Emotio­nen aus. Micha­el Ehrhardt nutzt dies gerne als Ansatzpunkt.

Der impo­san­te Barock­bau löst Stau­nen aus – auch bei vielen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten. «Ihre Neugier­de wird geweckt. Sie fragen beispiels­wei­se, wie alt die Kirche ist, und schon sind wir in einem Gespräch, das dann oft auch tiefer geht.» Nebst reli­giö­sen Themen geht es oft auch um Lebens­fra­gen in Bezug auf die Fami­lie, Kinder oder die Arbeit. Fragen, die uns alle dann und wann herum­trei­ben – auch Ehrhardt selbst. «Ich erzäh­le dann aus meinem Leben und wie ich die Situa­ti­on handhabe.»

Noch immer Tabuthema

Die psych­ia­tri­schen Klini­ken und ihre Ange­bo­te haben sich in den vergan­ge­nen 30 Jahren stark gewan­delt. Während Jahr­zehn­ten wurde die Praxis der lebens­lan­gen Aufent­hal­te verfolgt. Das heisst, die Betrof­fe­nen wurden in Insti­tu­tio­nen «abge­scho­ben» und fris­te­ten ein meist einsa­mes Dasein. Eine Inter­ak­ti­on mit der Bevöl­ke­rung fehl­te. Seit der Klinik­re­form in den 1990er-Jahren steht die Reinte­gra­ti­on in die Gesell­schaft im Vorder­grund. «Die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten sollen nur so lange wie nötig bei uns sein und so schnell wie möglich wieder in ihr gewohn­tes Umfeld und in ihren Alltag zurück­keh­ren», erklärt Klinik­di­rek­to­rin Gorda­na Heuber­ger. Heute beträgt die durch­schnitt­li­che Aufent­halts­dau­er in Pfäfers 32 Tage. 

Nur noch so lang wie nötig: Heute beträgt die durch­schnitt­li­che Aufent­halts­dau­er einer Pati­en­tin oder eines Pati­en­ten in Pfäfers rund 32 Tage. 

Wie Heuber­ger sagt, hat die Praxis­än­de­rung zur Akzep­tanz psychi­scher Erkran­kun­gen in der Bevöl­ke­rung beigetra­gen, das Thema aber nicht entta­bui­siert: «Es wird immer noch stig­ma­ti­siert. Wir Menschen werden immer Schwie­rig­kei­ten haben, um Hilfe zu bitten und diese anzu­neh­men. Wir wollen lieber Verant­wor­tung über­neh­men. Das geht aber nicht immer.» Und Micha­el Ehrhardt ergänzt: «Das Feld derje­ni­gen, die sich mit dem Thema beschäf­ti­gen, ist grös­ser gewor­den. Aber wir müssen akti­ver auf die Gesell­schaft zuge­hen und ihr zeigen, dass psychi­sche Erkran­kun­gen dazugehören.» 

Inter­es­se steigt

Klar ist: Auch künf­tig wird es psych­ia­tri­sche Klini­ken brau­chen. Die Bevöl­ke­rung muss lernen, die Betrof­fe­nen zu inte­grie­ren und als Teil der Gesell­schaft zu akzep­tie­ren. Vor diesem Hinter­grund freut es den Seel­sor­ger beson­ders, dass mitt­ler­wei­le auch auswär­ti­ge Gäste das Klinik­ca­fé besu­chen und kürz­lich eine Schul­klas­se für eine Führung ange­fragt hat. «Das ist eine gute Möglich­keit, uns zu zeigen und Vorur­tei­le abzu­bau­en», sagt Micha­el Ehrhardt, bevor er sich verab­schie­det. Er muss los, sein offe­nes Ohr ist gefragt. Der heuti­ge Tages­plan ist straff. Am Nach­mit­tag wird er die besag­te Pati­en­tin auf ihrem Zimmer besu­chen und sich mit Pascal noch einen Kaffee gönnen – wie oft nach erfolg­rei­chen Gesprä­chen. Pascal freuts und er dankt: «Es ist gut, dass Micha­el da ist. Er ist ein Guter.» Dann muss auch er gehen – es ist 11.40 Uhr und das Mittag­essen wartet seit zehn Minu­ten auf ihn.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 16. Febru­ar 2024

Sich zuhause fühlen dank Suppentag

Durch ihr kirch­li­ches Enga­ge­ment hat die Berne­rin Kath­rin Brou­wer schnell Anschluss im Sargan­ser­land gefun­den. Seit­her gibt sie der Kirche viel zurück. Seit 15 Jahren etwa ist die 80-Jährige die gute Seele hinter dem Suppen­tag in Sargans.

«Ich weiss, was es heisst, arm zu sein, und habe daher Verständ­nis und Mitge­fühl für die Menschen, die wenig haben und arm aufwach­sen. Ich habe selbst erlebt, was es bedeu­tet, wegen Armut auf Ableh­nung zu stos­sen.» Kath­rin Brou­wers Stim­me ist leise, wenn sie von ihrer Kind­heit spricht. Aufge­wach­sen als Toch­ter eines Heim­ar­bei­ters in der Stadt Bern, war das Geld in ihrem Eltern­haus stets knapp. Hilfe von aussen gab es keine. Diese Zeit hat die heute 80-Jährige geprägt. Ihre Gedan­ken sind oft bei den weni­ger Privi­le­gier­ten unse­rer Gesellschaft.

Suppen­work­shop besucht

Seit 15 Jahren enga­giert sich Kath­rin Brou­wer für die OeME Sargans (Ökume­ne, Missi­on und Entwick­lung Sargans) der refor­mier­ten Kirche und orga­ni­siert und plant zusam­men mit ihrer Team-Kollegin den Suppen­tag, an dem Geld gesam­melt wird für die ökume­ni­sche Fasten­kam­pa­gne. In Sargans findet dieser tradi­ti­ons­ge­mäss am ersten Sonn­tag nach Ascher­mitt­woch statt. «Als ich für die OeME zuge­sagt habe, war ich mir nicht bewusst, was auf mich zukommt. Eines ergab das ande­re. Mitglie­der kamen und gingen. Ich bin geblie­ben», so Kath­rin Brouwer. 

Kath­rin Brou­wer weiss, wie man eine gute und nahr­haf­te Suppe kocht. Zwei­mal hat sie bereits den Suppen­work­shop von Fasten­ak­ti­on und HEKS besucht.

Sie freut sich auf den Suppen­tag. Kürz­lich hat sie in Baden den Suppen­work­shop von Fasten­ak­ti­on und HEKS besucht – dies, obwohl sie die Suppe für den Suppen­tag in Sargans nicht selbst zube­rei­tet. Seit vergan­ge­nem Jahr ist die orts­an­säs­si­ge Pfadi dafür zustän­dig, in den Jahren davor waren es die Hobby­kö­che von Sargans.

Kirche, ein Stück Heimat

Kath­rin Brou­wer ist eine Kämp­fer­na­tur. Mit 25 Jahren fand sie durch ihren Ehemann den Weg ins Sargan­ser­land. Sie fühl­te sich einsam, hatte keine Freun­de und Bekann­te. Damals begann ihre Verbin­dung zur Kirche. «Ich woll­te mich der Gesell­schaft anschlies­sen und muss­te mich inte­grie­ren. Die Kirche half mir sehr dabei. Sie war für mich ein Stück Heimat.» Die Ernüch­te­rung kam aller­dings schnell. «Ich hatte stets viele Ideen, aber nicht alle wurden aufge­nom­men.» Sie habe auch gros­ses Glück in ihrem Leben gehabt, sagt Kath­rin Brou­wer. Als Anfang der 1970er-Jahre im Sargan­ser­land eine Musik­schu­le aufge­baut wurde, konn­te sie den Ausbil­dungs­kurs zum Ertei­len von Block­flö­ten­un­ter­richt besu­chen und bis zur Pensio­nie­rung als Flöten­leh­re­rin dort unter­rich­ten. Neben­her hat sie die Sing­schu­le St. Gallen und das Kirchen­mu­sik­se­mi­nar mit Diplom abge­schlos­sen. «Die Geburt meiner zwei Kinder hat meinem Leben aber den gröss­ten Sinn gegeben.»

Zusam­men­ar­beit stärken

Kath­rin Brou­wer ist ihren Weg gegan­gen. Nebst der Arbeit in der OeME ist sie in den monat­lich statt­fin­den­den, ökume­ni­schen Abend­me­di­ta­tio­nen «Schwei­gen und Hören» musi­ka­lisch und manch­mal auch inhalt­lich tätig. Sie enga­giert sich mit viel Herz­blut für die Kirche, weiss aber, dass dies kein dauer­haf­ter Zustand ist. «Es ist eine Frage der Zeit. Ich weiss nicht, wie lange ich das vor allem gesund­heit­lich noch machen kann.» Für die Zukunft hat die vife Senio­rin einen gros­sen Wunsch: «Der ökume­ni­sche Gedan­ke soll in der Kirche mehr zum Tragen kommen und die Zusam­men­ar­beit muss gestärkt werden. Wir glau­ben schliess­lich alle an dassel­be und haben diesel­ben Sorgen und Probleme.»

Leserfrage: Wie finanzieren sich Klöster?

Das Wort «Klos­ter» ist im Deut­schen – ähnlich wie das Wort «Kirche» – mehr­deu­tig. Man kann damit Gebäu­de aus Stein meinen oder aber die Menschen, die diese Gebäu­de nutzen oder bewoh­nen. Ein Klos­ter ist dort, wo sich Frau­en oder Männer durch verbind­li­che Gelüb­de zu gemein­schaft­li­chem Leben entschie­den haben. Die Gebäu­de spie­len aber keine unwich­ti­ge Rolle. Wo die Gemein­schaf­ten klei­ner und klei­ner werden, fallen die Unter­halts­kos­ten umso mehr ins Gewicht. Es macht einen Unter­schied, ob eine klei­ne Klos­ter­ge­mein­schaft eine Miet­woh­nung bewohnt und Miet­zins bezahlt oder einen weit­läu­fi­gen Gebäu­de­kom­plex zu unter­hal­ten hat, wofür unter Umstän­den ein Mehr­fa­ches von dem zu stem­men ist, was die Klos­ter­ge­mein­schaft für Essen, Klei­dung und den Bedarf des tägli­chen Lebens aufzu­wen­den hat. Dann kann die Sorge um die Immo­bi­li­en drücken­der werden als jene um das Klos­ter­le­ben. Drei Finan­zie­rungs­quel­len lassen sich unterscheiden:

Klos­ter­pro­duk­te

Eini­ge Klös­ter bieten selbst herge­stell­te Klos­ter­pro­duk­te (Gesundheits- und Kosme­tik­pro­duk­te, Devo­tio­na­li­en usw.) in Klos­ter­lä­den zum Verkauf an. Manche Klös­ter vertrei­ben ihre Erzeug­nis­se sogar inter­na­tio­nal. Die quali­ta­tiv hoch­wer­ti­gen Produk­te haben ihren Preis, finden aber auch ihre Kundin­nen und Kunden. Die Nach­fra­ge nach typi­schen Klos­ter­pro­duk­ten frühe­rer Zeiten wie Hosti­en oder nach Para­men­ten (Kirchen­wä­sche, Mess­ge­wän­der) geht hinge­gen zurück. Wo eine Klos­ter­ge­mein­schaft noch zur Selbst­be­wirt­schaf­tung in der Lage ist, werfen auch Land- und Forst­wirt­schaft Erträ­ge ab. Wo nicht, tragen zumin­dest die Pacht­ein­nah­men zur Exis­tenz­si­che­rung des Klos­ters bei.

Berufs­tä­tig­keit

Wo Klos­ter­ge­mein­schaf­ten Gäste‑, Exerzitien- oder Bildungs­häu­ser betrei­ben, werden sie zu reli­giö­sen Gast­ge­be­rin­nen, sofern die Räum­lich­kei­ten dafür gege­ben sind. Gewinn­brin­gend sind Tagungs­häu­ser jedoch für die Klos­ter­ge­mein­schaf­ten in den seltens­ten Fällen. Effek­ti­ver können Ordens­leu­te, sofern sie nicht durch ihre Satzun­gen gehin­dert sind, ausser­halb des Klos­ters durch die Über­nah­me von Seel­sor­ge­auf­ga­ben in Pfar­rei­en oder in welt­li­chen Beru­fen zum Unter­halt der Klos­ter­ge­mein­schaft beitra­gen. Klos­ter­an­ge­hö­ri­ge verspre­chen mate­ri­el­le Anspruchs­lo­sig­keit und erhal­ten den Arbeits­lohn nicht indi­vi­du­ell ausbe­zahlt. Dieser fliesst viel­mehr in die Gemein­schafts­kas­se ein, aus der alles Lebens­not­wen­di­ge finan­ziert wird. Stellt die Klos­ter­ge­mein­schaft für Einrich­tun­gen Drit­ter nur Räume zur Verfü­gung, ohne selbst in den Betrieb invol­viert zu sein, kommen die Miet­ein­nah­men der Exis­tenz­si­che­rung des Klos­ters zugute.

Spen­den

Immer schon können Klös­ter auf Wohl­tä­te­rin­nen und Wohl­tä­ter bauen, die der Klos­ter­ge­mein­schaft wohl­ge­son­nen sind und sie durch Spen­den, Zustif­tun­gen und Erbschaf­ten mate­ri­ell unter­stüt­zen. In frühe­ren Zeiten mag der Gedan­ken mitge­spielt haben, durch die finan­zi­el­le Unter­stüt­zung auf die Gebets­kraft der Klos­ter­ge­mein­schaft hoffen zu dürfen. Heut­zu­ta­ge ist es eher die persön­li­che Bindung zum Ort und zur Gemein­schaft, die einen Kreis von Sympa­thi­san­tin­nen und Sympa­thi­san­ten zu Spen­den animiert.

Text: Thomas Engl­ber­ger, Kanz­ler Bistum St. Gallen

Veröf­fent­licht: 06.02.2024

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Diese Jesus-Serie packt die Massen weltweit

Die 2019 erschie­ne­ne Serie «The Chosen» über das Leben von Jesus von Naza­reth hat Fans auf der ganzen Welt. Die Katho­li­sche Kirche der Stadt St. Gallen orga­ni­siert nun sogar Seri­en­aben­de. Seel­sor­ge­rin Hilde­gard Aepli erklärt die Faszi­na­ti­on, die von der Produk­ti­on ausgeht.

Ein fesseln­der Vorspann, ein packen­der Sound­track und eine Prise Holly­wood – das ist das Rezept für fast jede erfolg­rei­che Fern­seh­se­rie. Die US-amerikanische Produk­ti­on «The Chosen – Gewöhn dich an Anders» kann mit diesen Attri­bu­ten aufwar­ten. Die Serie, die auf dem Leben und Wirken von Jesus von Naza­reth basiert, hat in kürzes­ter Zeit Millio­nen von Menschen welt­weit in den Bann gezo­gen. Eine davon ist Hilde­gard Aepli. Die Theo­lo­gin und Seel­sor­ge­rin im Bistum St. Gallen ist Fan der ersten Stun­de. «Die Serie ist einfach packend und sympa­thisch gemacht. Ich war gefes­selt von Anfang an», sagt Aepli. «Mir gefällt, dass die Serie nicht bis ins Detail perfekt gemacht ist, sondern, dass man merkt, dass es das Ergeb­nis einer Zusam­men­ar­beit von profes­sio­nel­len Schau­spie­le­rin­nen und Schau­spie­lern und Laien­dar­stel­le­rin­nen und ‑darstel­lern ist.» Hilde­gard Aepli hat bisher alle deutsch­spra­chi­gen Episo­den geschaut. Am 23. Janu­ar hat sie im Domzen­trum erst­mals ein Bibel­tref­fen zur Serie veran­stal­tet. Bis und mit Septem­ber finden monat­lich Tref­fen statt (siehe Kastentext).

Kein anbie­dern­der Jesus

«The Chosen» ist die erste Fern­seh­se­rie, die das Leben von Jesus in mehre­ren Staf­feln thema­ti­siert. Sie zeigt die bibli­sche Geschich­te von Jesus Chris­tus durch die Augen derer, die ihm begeg­nen, und veran­schau­licht, wie sich deren eige­nes Leben dadurch verändert. 

Hilde­gard Aepli ist faszi­niert von der Serie und hat bereits alle deutsch­spra­chi­gen Episo­den geschaut.

Nicht nur die Hand­lung und die Insze­nie­rung über­zeu­gen Hilde­gard Aepli, auch die Charak­te­re, allen voran der Haupt­cha­rak­ter, haben es der 60-Jährigen ange­tan. «Jesus wird nicht kitschig darge­stellt oder als anbie­dern­de Figur, sondern als warm­her­zi­ger, glaub­wür­di­ger und authen­ti­scher Mensch. Das gefällt mir an der Serie gut.» Für Hilde­gard Aepli ist dies mit ein Grund für die gros­se Popu­la­ri­tät der Fernsehproduktion.

Ins Jetzt übertragen

«The Chosen» ist die einzi­ge Fern­seh­se­rie, die Hilde­gard Aepli schaut. Privat hat sie keinen Fern­se­her. «The Chosen» aber hat von Anfang an ihre Neugier­de geweckt. «Diese Serie hat mich einfach inter­es­siert, weil ich wissen woll­te, was heut­zu­ta­ge alles versucht wird, um die bibli­sche Botschaft den Menschen näher­zu­brin­gen.» Aepli spricht von einer stim­mi­gen Umset­zung: «Dieser Serie gelingt es wirk­lich, die bibli­sche Botschaft zeit­ge­mäss zu vermit­teln und zu zeigen, dass sie nach wie vor aktu­ell ist.» 

Die Seel­sor­ge­rin lobt unter ande­rem die Balan­ce zwischen der Bibel­treue und dem Bezug zur Aktualität.

Einer­seits sei der bibli­sche Text in seiner Dyna­mik gut erkenn­bar, ande­rer­seits warte die Serie durch die neu entwi­ckel­ten Dialo­ge mit den Wegge­fähr­ten auch mit uner­war­te­ten, neuen Aspek­ten auf. Vor allem die Kombi­na­ti­on von Bibel­treue und dem «darüber Nach­den­ken, was die Botschaft für uns heute bedeu­tet», über­zeugt Hilde­gard Aepli. «Die Macher haben sich wirk­lich Gedan­ken darüber gemacht, wie sie die Geschich­te in die heuti­ge Zeit über­füh­ren. Und das ist ihnen sehr gut gelun­gen.» Hilde­gard Aepli bezeich­net sich selbst als sehr kriti­sche Person. «Aber die Serie hat eine gute Mischung gefun­den zwischen einer­seits einer Öffnung und ande­rer­seits der Detailtreue.»

Sehn­sucht nach Gott stillen

Die Serie ist mitt­ler­wei­le auch auf Netflix und DVD verfüg­bar. Im Novem­ber wurden eini­ge Episo­den gar im Kino gezeigt. Sämt­li­che Folgen sind online abruf­bar. Für Hilde­gard Aepli eine erfreu­li­che Entwick­lung. Es macht die bibli­sche Geschich­te für die brei­te Masse «greif­bar». «Das Medi­um Fern­se­hen spricht heute einfach viele Menschen an und man erreicht sie darüber gut. Das Lesen der Bibel hinge­gen ist so anspruchs­voll, dass es kaum jemand macht.» Durch die Serie bekä­men mehr Menschen Zugang zur Jesus­ge­schich­te und zur bibli­schen Botschaft, sagt die Seel­sor­ge­rin. «Und irgend­wie haben wir doch alle eine gewis­se Sehn­sucht nach Gott. Die Serie holt uns in dieser Sehn­sucht ab.»

Über 600 Millio­nen Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er weltweit

«The Chosen» ist eine US-amerikanische Fern­seh­se­rie von Regis­seur und Filme­ma­cher Dallas Jenk­ins. Sie ist die erste Fern­seh­se­rie mit mehre­ren Staf­feln über das Leben von Jesus Chris­tus. Die erste Staf­fel wurde 2019 veröf­fent­licht. Im deut­schen Fern­se­hen war «The Chosen» erst­mals im Janu­ar 2023 auf Bibel TV zu sehen. Im Inter­net erfolg­te die Premie­re bereits 2021. «The Chosen» kann auf https://watch.thechosen.tv oder über eine App kosten­frei ange­se­hen werden. Die Veröf­fent­li­chung der vier­ten Staf­fel ist für 2024 geplant. Die Serie trifft einen Nerv. Sie zählt über 600 Millio­nen Zuschau­er welt­weit. Die erste Staf­fel ist inzwi­schen in elf Sprach­fas­sun­gen verfüg­bar. Für die Folgen der ersten und zwei­ten Staf­fel  exis­tie­ren Unter­ti­tel in 40 weite­ren Spra­chen. Mit elf Millio­nen US-Dollar war Staf­fel 1 das teuers­te Serien- oder Film­pro­jekt, welches über Crowd­funding finan­ziert wurde.

Seri­en­aben­de im Bistum

Seel­sor­ge­rin Hilde­gard Aepli veran­stal­tet im Namen der Kirche im Lebens­raum St. Gallen ab Janu­ar einmal monat­lich einen Seri­en­abend zum Thema. Dabei wird gemein­sam eine Episo­de ange­schaut und besprochen.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 25. Janu­ar 2024

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Fabi­en­ne Graber, Widnau: «Das Gemein­sa­me, das Mitein­an­der ist wunderbar»

«Die Frau­en­ge­mein­schaft war für mich der Grund­stein für viele lang­jäh­ri­ge und tiefe Freund­schaf­ten. Dafür bin ich sehr dank­bar», sagt Fabi­en­ne Graber. «Das Gemein­sa­me, das Mitein­an­der ist wunder­bar. Wir sind alle auf der glei­chen Ebene. Wir alle teilen die glei­chen Ängs­te und Sorgen, aber auch die glei­chen Hoff­nun­gen und Ziele. Das gibt einem Halt.» Fabi­en­ne Graber ist seit sechs Jahren Mitglied und seit rund einem Jahr Präsi­den­tin der Katho­li­schen Frau­en­ge­mein­schaft (FMG) Widnau mit ihren rund 500 Mitglie­dern. Sie habe lange über­legt, ob sie das Amt anneh­men soll, erklärt die junge Frau. «Es ist eine gros­se Aufga­be, aber der Verein gibt mir und allen Mitglie­dern so viel.» Aufge­wach­sen ist die 35-Jährige in Mont­lin­gen. Über den Chäfer­treff ist sie schliess­lich auf die FMG aufmerk­sam gewor­den und hat durch den Verein schnell Anschluss zu ande­ren Frau­en im Dorf gefun­den. Diese Zuge­hö­rig­keit sollen alle Frau­en spüren, so Graber: «Die Frau­en­ge­mein­schaft soll für viele Frau­en den Grund­stein für neue Bekannt­schaf­ten mit Gleich­ge­sinn­ten bilden. Bei uns sind alle Frau­en will­kom­men und es wird ihnen zugehört.»

Gutes Funda­ment

In Fabi­en­ne Grabers Leben spielt der christ­li­che Glau­be eine bedeu­ten­de Rolle. «Ich bin katho­lisch erzo­gen worden und mir ist der Glau­be sehr wich­tig», sagt die zwei­fa­che Mutter. In der Kirche sieht man sie aller­dings nicht regel­mäs­sig. Viel­mehr baut sie den Glau­ben in den Alltag ein, etwa, wenn sie allabend­lich gemein­sam mit ihrem Ehemann und den Kindern betet. Sie wollen ihnen damit ein gutes Funda­ment mitge­ben. Fabi­en­ne Graber bittet Gott auch um Hilfe. «Wenn mein Mann, Kompa­nie­chef bei der Feuer­wehr, auf Einsatz ist, sende ich Gebets­stös­se in den Himmel, dass er wieder gesund nach Hause kommen möge», so die junge Frau. «Der Glau­be ist ein Teil meines Lebens und das darf er auch sein. Er gibt uns Halt, zeigt uns den Weg und spen­det Trost.» Dass sich dieser Tage viele Menschen von der katho­li­schen Kirche im Stich gelas­sen fühlen und sich von ihr abwen­den, weiss Fabi­en­ne Graber. In der Frau­en­ge­mein­schaft seien deswe­gen zum Glück nicht mehr Rück­trit­te zu bekla­gen. «Aber durch die Miss­brauchs­stu­die hat das Vertrau­en der Menschen natür­lich stark gelit­ten. Miss­bräu­che sind tragisch, egal, in welchem Umfeld sie passie­ren.» Fabi­en­ne Graber hofft, dass die Fälle nun diffe­ren­ziert und trans­pa­rent aufge­ar­bei­tet werden. Ein Abwen­den vom christ­li­chen Glau­ben kommt für sie persön­lich nicht infra­ge. «Jeder muss selbst entschei­den, aber ich will nicht einfach meine Ämter und meinen Glau­ben hinschmeis­sen. Die Frau­en­ge­mein­schaf­ten braucht es – jetzt viel­leicht noch mehr denn je.»

Yannick Frei, Walzen­hau­sen: «Die Kirche aktiv mitgestalten»

«Es sind dieje­ni­gen Grund­wer­te, die einen guten Menschen ausma­chen, ob man den Glau­ben nun aktiv lebt oder nicht», sagt Yannick Frei. Er ist 32 Jahre alt, Ehemann, Fami­li­en­va­ter und gelern­ter Projekt­lei­ter Gebäu­de­tech­nik – und er ist beken­nen­der Katho­lik. «Der Glau­be hat eine gros­se Bedeu­tung in meinem Leben. Der regel­mäs­si­ge Besuch des Gottes­diens­tes ist mir sehr wich­tig. Wenn ein solcher nicht möglich ist, versu­che ich den Glau­ben mehr in den Alltag einzu­bau­en und spre­che zu Hause ein Gebet mehr», sagt Yannick Frei. Neben seiner beruf­li­chen Tätig­keit amtet er seit Okto­ber 2023 als Kirchen­ver­wal­tungs­rats­prä­si­dent in Walzen­hau­sen und ist in dieser Funk­ti­on Mitglied des Kreis­ra­tes der Seel­sor­ge­ein­heit über dem Boden­see. Das Amt des Kirchen­ver­wal­tungs­prä­si­di­ums hat Yannick Frei von seiner Mutter über­nom­men. Sein Enga­ge­ment für die Kirche ist für den jungen Mann eine Selbst­ver­ständ­lich­keit «und eine Herzens­an­ge­le­gen­heit», wie er erklärt. Mit der Pfar­rei Walzen­hau­sen ist er ein Leben lang verbun­den, hat in der Ausser­rho­der Gemein­de die Taufe, die Kommu­ni­on und die Firmung erhal­ten und war in jungen Jahren als Minis­trant tätig. «Nun habe ich die Möglich­keit, etwas zurück­zu­ge­ben. Auch kann ich so die Zukunft der Kirche aktiv mitgestalten.»

Eine ande­re Kirche werden

Was oft wie eine Flos­kel tönt, ist in diesen Mona­ten wich­ti­ger denn je. Die Miss­brauchs­stu­die hat erschüt­tert und betrof­fen gemacht – auch Yannick Frei. Er spricht von einer «abso­lu­ten Kata­stro­phe». «Miss­bräu­che sind immer verwerf­lich und in keins­ter Weise legi­tim, egal, in welchem Umfeld sie passie­ren.» Schwie­rig und scha­de findet Yannick Frei, dass die Kirche als Insti­tu­ti­on unter den Folgen zu leiden hat, «und nicht die fehl­ba­ren Perso­nen allein». Jedoch ist er über­zeugt, dass die Lehren aus dieser Situa­ti­on gezo­gen worden sind und die Aufar­bei­tung profes­sio­nell vor sich geht. In seinem Glau­ben hat ihn die Miss­brauchs­stu­die nicht erschüt­tert. Er wird auch weiter­hin die Gottes­diens­te besu­chen und den katho­li­schen Glau­ben seinen zwei Kindern mitge­ben. Er sagt: «Der Miss­brauchs­skan­dal ist nicht das, für was die Kirche steht. Sie macht sehr viel Gutes – es liegt an uns Welt­li­chen, was wir daraus machen.» Yannick Frei ist einer der rund 2800 Unter­zeich­nen­den der Akti­on «Refor­men jetzt!» der Katho­li­schen Kirche im Lebens­raum St. Gallen. Er ist über­zeugt: So darf es nicht weiter­ge­hen: «Die Kirche braucht Verän­de­run­gen. Wir müssen uns alle dafür einset­zen, dass wir eine ande­re Kirche werden», sagt der Walzen­hau­se­ner. «Eine Kirche für die Armen, eine Kirche für die Jungen, eine Kirche für uns alle.»

Gabi Corvi, Schä­nis: «Die Gemein­schaft ist mir sehr wichtig»

Gabi Corvi aus Schä­nis SG inves­tiert unzäh­li­ge Stun­den in ihre Ämter der katho­li­schen Kirche. «Die Kirche ist meine Heimat, der Glau­be liegt mir sehr am Herzen», sagt die 52-jährige Jour­na­lis­tin. Die Liste ihrer Funk­tio­nen ist lang: Kirchen­ver­wal­tungs­rats­prä­si­den­tin der Katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Schänis-Maseltrangen, Verbands­prä­si­den­tin des Deka­na­tes Uznach, Perso­nal­ver­ant­wort­li­che der Seel­sor­ge­ein­heit Gaster, Vorstands­mit­glied beim Pfar­rei­fo­rum und seit Neues­tem auch Mitglied des Katho­li­schen Kolle­gi­ums. Corvi pumpt viel Herz­blut in laufen­de Projek­te und legt gros­sen Wert auf den persön­li­chen Austausch mit den Menschen an der Basis. Sie enga­giert sich seit Jahren in der Kirchen­ver­wal­tung und möch­te damit einen guten Rahmen für die Seel­sor­ge schaffen.

Uner­schüt­ter­li­cher Optimismus

Mit ihrer Präsenz in den verschie­de­nen Gremi­en posi­tio­niert sie sich klar für die katho­li­sche Kirche. Doch die erste Zeit nach der Veröf­fent­li­chung der Miss­brauchs­stu­di­en war sie wütend und enttäuscht. «Es war, als käme jemand mit dem Flam­men­wer­fer und zerstö­re alle jungen, zarten Pflänz­chen, die ich mit ande­ren Menschen in der Kirchen­ge­mein­schaft sorg­fäl­tig gepflanzt hatte.» Sie kann gut nach­voll­zie­hen, dass sich immer mehr Menschen von der Insti­tu­ti­on Kirche abwen­den. «Wenn ich könn­te, würde ich das Pflicht­zö­li­bat abschaf­fen und die Stel­lung der Frau­en verbes­sern. Pries­ter sollen auch Bezie­hun­gen einge­hen und Fami­li­en grün­den können. Und eigent­lich soll­te das Geschlecht in der Kirche keine Rolle spie­len.» Doch sie bleibt ihren Aufga­ben treu und möch­te die frohe Botschaft von Jesus Chris­tus weiter­tra­gen. «Die Gemein­schaft ist mir sehr wich­tig. Und wenn ich einen feier­li­chen, stim­mungs­vol­len Gottes­dienst besu­che, verspü­re ich einen regel­rech­ten Boost. Das nährt meinen uner­schüt­ter­li­chen Opti­mis­mus und moti­viert mich  weiter­zu­ma­chen», erklärt sie. Die Mutter von fünf erwach­se­nen Kindern kann diesen gros­sen Aufwand nur dank ihres flexi­blen Jobs in der Medi­en­bran­che bewäl­ti­gen. «Wenn gleich­zei­tig verschie­de­ne Perso­nal­fra­gen, Baupro­jek­te und gros­se Kirchen­fes­te anste­hen, dann ist es manch­mal schon viel», gesteht sie.

Alex Schnei­der, Gold­ach: «Es bewegt sich doch etwas»

«Jugend­li­che auf ihrem Glau­bens­weg ein Stück weit zu beglei­ten, hilft mir, den eige­nen Hori­zont zu erwei­tern», sagt Alex Schnei­der und merkt mit einem Lächeln an: «Da mir persön­lich Tradi­tio­nen wich­tig sind, ist der Austausch mit jungen Menschen und die Konfron­ta­ti­on mit ihren Gedan­ken, Träu­men und Trends ein will­kom­me­ner Gegen­pol.» Der 59-jährige Goldach­er ist als Fach­spe­zia­list für elek­tro­ni­sche Zahlungs­sys­te­me tätig, in seiner Frei­zeit enga­giert er sich seit vielen Jahren als Firm­be­glei­ter. Er sei schon immer in der Kirche verwur­zelt gewe­sen. «Da ich mich frei­wil­lig enga­gie­re, bekom­me ich auch mit, dass sich in der Kirche sehr wohl etwas verän­dert», sagt er, «natür­lich sind manche Reform­schrit­te längst über­fäl­lig. Aber der Vorwurf, dass sich gar nichts tut, ist falsch. Es bewegt sich doch etwas.» In der Katho­li­schen Kirche der Regi­on Rorschach sorgen enga­gier­te Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger und viele enga­gier­te Frei­wil­li­ge für ein akti­ves kirch­li­ches Programm. «Es gibt so viele kirch­li­che Anläs­se, bei denen Menschen zusam­men­kom­men und sich begeg­nen – ohne das würde unse­rer Regi­on etwas fehlen.» Anstatt zu jammern, was nicht möglich sei, setze er lieber auf Prag­ma­tis­mus und darauf, alle vorhan­de­nen Möglich­kei­ten auszu­schöp­fen: «Zum Beispiel haben bei uns heute auch nicht­ge­weih­te Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­ger die Tauferlaubnis.»

Ein eige­nes Bild machen

Seit vier Jahren vertritt Alex Schnei­der die Katho­li­sche Kirche in der Regi­on Rorschach im Seel­sor­ge­rat des Bistums St. Gallen. Dieses Gremi­um besteht aus Vertret­erin­nern und Vertre­ter aus der Seel­sor­ge und frei­wil­lig Enga­gier­ten. Der Seel­sor­ge­rat hat die Aufga­be, den Bischof zu bera­ten und auch aufzu­zei­gen, «wo in den Pfar­rei­en der Schuh drückt.» «Beim letz­ten Tref­fen im Novem­ber in Quar­ten war ganz deut­lich spür­bar, wie wich­tig dieses Gremi­um ist», hält Alex Schnei­der fest: «Die Pilot­stu­die zu den Miss­bräu­chen im kirch­li­chen Umfeld nahm einen gros­sen Platz ein. Wir Rats­mit­glie­der haben Bischof Markus deut­lich gemacht, dass sich jetzt etwas ändern muss. Man spürt, dass der Bischof und die Bistums­lei­tung ein offe­nes Ohr für die Anlie­gen der Menschen aus den Pfar­rei­en haben. Es ist ihnen ein erns­tes Anlie­gen, Miss­bräu­che aufzu­ar­bei­ten und alles daran zu setzen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr passiert. Wie mein Enga­ge­ment als Firm­be­glei­ter erwei­tert auch die Mitwir­kung im Seel­sor­ge­rat meinen Hori­zont. Ich kann mir ein eige­nes Bild davon machen, welche konkre­ten Mass­nah­men das Bistum schon umge­setzt hat und umzu­set­zen plant.»

Isabel­la Awad, St. Gallen: «Ich erfah­re eine gros­se Wertschätzung»

Die Kommu­ni­ka­ti­ons­fach­frau Isabel­la Awad wech­sel­te im Juni 2023 zum Bistum St. Gallen – nach 27 Jahren in der Kommu­ni­ka­ti­on bei Helve­tia Versi­che­run­gen. In der Pfar­rei St. Gallen-Rotmonten, wo sie zuhau­se ist, enga­giert sie sich seit eini­gen Jahren frei­wil­lig im Pfar­rei­rat. «Kirche war für mich immer schon etwas, das alle Sinne anspricht», sagt sie. «In meiner Pfar­rei habe ich die Pfar­rei­be­auf­trag­te, die ande­ren Mitar­bei­ten­den und Frei­wil­li­gen als sehr enga­gier­te, krea­ti­ve und offe­ne Menschen erlebt. Mit der Kirche verbin­de ich viele schö­ne Erleb­nis­se.» Sie sei mit ihrer Stel­le bei den Helve­tia Versi­che­run­gen zufrie­den gewe­sen. «Doch als ich gese­hen habe, dass die Kommu­ni­ka­ti­on beim Bistum ausge­baut wird, hat mich diese Arbeit sofort ange­spro­chen», so Awad. In ihrem Umfeld habe die beruf­li­che Neuori­en­tie­rung für über­rasch­te aber keine einzi­ge nega­ti­ve Reak­ti­on gesorgt: «Ich denke, alle haben mir ange­se­hen, wie sehr ich mich auf die neue Aufga­be freue.»

Stark gefor­dert

Nur weni­ge Mona­te nach dem Start von Isabel­la Awad beim Bistum wurde die Pilot­stu­die zu den Miss­bräu­chen im kirch­li­chen Umfeld veröf­fent­licht: «Das war eine hefti­ge Zeit, die ich gemein­sam mit Sabi­ne Rüthe­mann, der Kommu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­ten, durch­leb­te. Die Berich­te der Miss­brauchs­be­trof­fe­nen haben mich erschüt­tert, in manchen Momen­ten war ich den Tränen nah. Gleich­zei­tig war die Kommu­ni­ka­ti­on stark gefor­dert.» Als Frau bei der katho­li­schen Kirche arbei­ten – sah Isabel­la Awad da nie ein Problem? «Als Mitar­bei­te­rin erfah­re ich von allen Seiten eine gros­se Wert­schät­zung und Hand­lungs­spiel­raum, deshalb fühle ich mich hier rich­tig», hält sie fest, «aber selbst­ver­ständ­lich verste­he ich die Rufe nach Gleich­be­rech­ti­gung und Refor­men wie beispiel­wei­se bei Macht- und Ämter­fra­gen. Gera­de weil ich jetzt beim Bistum tätig bin, bekom­me ich direkt mit, dass es den Mitar­bei­ten­den und Verant­wort­li­chen des Bistums St.Gallen ernst ist, notwen­di­ge Verän­de­run­gen umzu­set­zen.» Eines sei ihr seit dem Stel­len­an­tritt beim Bistum auch noch bewusst gewor­den: «Es war mir klar, dass Kirche eini­ges im Sozia­len leis­tet. Doch jetzt stel­le ich fest: Es ist noch viel mehr. In den Pfar­rei­en und auch auf Ebene Bistum gibt es so viele Mitar­bei­ten­de und Frei­wil­li­ge, die mit Voll­gas für Menschen am Rand im Einsatz sind und das jeden Tag. Dafür müssen wir noch viel mehr öffent­li­ches Bewusst­sein schaffen.»

Texte: Ales­sia Paga­ni, Katja Hong­ler, Stephan Sigg

Bild: zVg. / Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 23.01.2024

«Unsere Talente und unsere Zeit weitergeben»

«Der katho­li­sche Glau­be ist meine Kultur und meine freie Entschei­dung. Glau­ben ist für mich eine Akti­on, die von Herzen und aus tiefs­ter Über­zeu­gung kommt», sagt Psycho­the­ra­peu­tin Cate­ri­na Corea. Dem Pfar­rei­fo­rum erzählt die 46-Jährige, warum sie katho­lisch ist und wieso sie sich – auch ange­sichts der Miss­brauchs­stu­die – in der Kirche enga­giert.

Cate­ri­na Corea kommt knapp vor dem Termin an das Tref­fen. «Ein Notfall in der Klinik», entschul­digt sie sich. Man merkt schnell: Die Entschul­di­gung kommt von Herzen. Cate­ri­na Corea strahlt eine Wärme und ein Wohl­wol­len aus, die jede Warte­zeit verges­sen lassen. Die 46-jährige Psycho­the­ra­peu­tin ist seit zehn Jahren in der Klinik Teufen Group mit Stand­or­ten in Teufen und Rorschach tätig. Es ist eine anspruchs­vol­le Tätig­keit und eine fordern­de Zeit. Nicht selten arbei­tet die gebür­ti­ge Italie­ne­rin sechs Tage die Woche. «Seit der Pande­mie hat die Zahl der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten noch­mals zuge­nom­men», sagt Cate­ri­na Corea. Physisch sucht sie den Ausgleich im Sport und in der Gesell­schaft. Cate­ri­na Corea spielt gerne Golf und Tennis. 

Cate­ri­na Corea bezeich­net den Glau­ben als ihren Polar­stern. «An ihm orien­tie­re ich mich und rich­te mein Verhal­ten nach ihm aus.»

Psychisch ist es der Glau­be, der Cate­ri­na Corea Halt gibt: «Er gibt mir die seeli­sche Kraft für die ganze Woche», sagt sie. Den katho­li­schen Glau­ben bezeich­net sie als ihren Polar­stern im Alltag. «An ihm orien­tie­re ich mich und rich­te mein Verhal­ten und meine Entschei­dun­gen nach ihm aus.»

«Bewuss­ter, reifer Glaube»

Cate­ri­na Corea hat sich bewusst für die katho­li­sche Kirche entschie­den. Ihre Verbin­dung zum Glau­ben ist mit den Jahren immer stär­ker gewor­den. Aus der Tradi­ti­on, als Kind mit der Gross­mutter die Gottes­diens­te zu besu­chen, sei im Laufe der Jahre «ein bewuss­ter und reifer Glau­be» gewor­den. «Der katho­li­sche Glau­be ist meine Kultur und meine freie Entschei­dung. Glau­ben ist für mich eine Akti­on, die von Herzen und aus tiefs­ter Über­zeu­gung kommt.» Auch weil sie habe erfah­ren können, was Gott für sie bedeu­te: «Nämlich Liebe und Frei­heit», erklärt Corea. 

Cate­ri­na Corea ist häufig in der Kirche in Gold­ach anzu­tref­fen. Gottes­dienst­be­su­che gehö­ren zum festen Bestand­teil ihres Lebens.

Heute gehö­ren die sonn­täg­li­chen Besu­che der italie­ni­schen Messe in Gold­ach für Cate­ri­na Corea zur Pflicht. Wenn sie einen Gottes­dienst verpasst, besucht sie die Messe in Deutsch. Als Vorbild voran­ge­hen, nennt sie das. Denn für Cate­ri­na Corea ist der Glau­be nichts Abstrak­tes. «Wir müssen ihn leben und ihn mani­fes­tie­ren. Wir Katho­li­ken sind aufge­ru­fen, unse­ren Glau­ben weiter­zu­ge­ben. Jeder von uns soll­te ein Vorbild sein und den Glau­ben auch wirk­lich leben.»

Selbst­stän­dig in Italien

Cate­ri­na Corea ist vor zwölf Jahren in die Schweiz gekom­men. Dass der Weg sie nach Rorschach führen soll­te, war nicht geplant. Corea ist in Kala­bri­en im Süden Itali­ens aufge­wach­sen. Sie war selbst­stän­dig mit zwei eige­nen Praxen und hat sich poli­tisch enga­giert. Mit 33 Jahren stand Cate­ri­na Corea voll im Leben. Dann sehn­te sie sich nach einer Verän­de­rung und ging auf Reisen. Eine davon führ­te sie zu ihrem Bruder an den Bodensee. 

Cate­ri­na Corea hat ihre beiden Praxen in Itali­en aufge­ge­ben und sich am Boden­see eine neue Exis­tenz aufgebaut.

Don Piero Corea ist Pfar­rer bei der Missio­ne Catto­li­ca Italia­na der Katho­li­schen Kirche Regi­on St. Gallen-Rorschach. Cate­ri­na Corea fühl­te sich sogleich wohl in der Schweiz. «Alle die Werte, für die ich einste­he und die mir wich­tig sind, etwa Pünkt­lich­keit und Ordent­lich­keit, werden hier gross geschrie­ben. Ich fühl­te mich ange­kom­men», sagt sie und ergänzt: «In Itali­en haben sie mich wegen meinem Drang zur Pünkt­lich­keit und Ordent­lich­keit immer ‹la sviz­zera›, die Schwei­ze­rin, genannt.» Cate­ri­na Corea lacht – und das Lachen ist so anste­ckend, dass man gerne mitlacht.

Ein Zuhau­se in der Ferne

Der Start in der Ferne sei kein einfa­cher gewe­sen, das Einge­wöh­nen ein schlei­chen­der Prozess. «Rück­bli­ckend war es streng, ich konn­te die Spra­che nicht und hatte keine Freun­de. Ich muss­te von null an neu anfan­gen. Aber ich bin mit Über­zeu­gung hier­ge­blie­ben. Ich habe mir ein sozia­les Netz­werk aufge­baut und fühle mich hier einfach wohl.» Die Missio­ne Catto­li­ca Italia­na hat den Einstieg ins neue Leben einfa­cher gemacht. In der Gemein­schaft hat sie schnell neue Kontak­te geknüpft. «Mit der Missio­ne Catto­li­ca hatte ich ein Zuhau­se in der Ferne. Sie hat mir die Ankunft erleich­tert. Ich spür­te die Wurzeln, die mich mit Itali­en und den Menschen dort verbin­det», so Cate­ri­na Corea und ergänzt: «Die Messen waren für mich ein siche­rer Ort. Ein Ort, der für alle offen war. Ein Ort, der den Fluss von Wissen und Menschen ermöglichte.» 

Die Missio­ne Catto­li­ca Italia­na gab Cate­ri­na Corea ein Gefühl von Heimat und erleich­ter­te ihr das Einle­ben in der Schweiz.

Die Missio­ne Catto­li­ca Italia­na der Katho­li­schen Kirche Regi­on St. Gallen-Rorschach ist eine lebhaf­te und akti­ve Gemein­schaft. Sie zählt gemäss Cate­ri­na Corea rund 15 000 Mitglie­der und ist offen für Menschen unter­schied­li­cher Herkunft. So besu­chen auch Portu­gie­sen, Spani­er und Schwei­zer regel­mäs­sig Veran­stal­tun­gen der Missio­ne Catto­li­ca Italiana.

Platt­form für Frauen

Cate­ri­na Corea ist dank­bar für das gros­se Enga­ge­ment. Und sie will etwas zurück­ge­ben. Vor eini­gen Mona­ten hat die erfolg­rei­che Geschäfts­frau eine neue Veran­stal­tungs­rei­he für Frau­en initi­iert. Diese findet jeweils am ersten Diens­tag und am vier­ten Donners­tag eines Monats statt und soll eine Platt­form für Austausch bieten. «Damit soll allen Frau­en und deren Sorgen, Ängs­ten und Freu­den ein Platz gege­ben werden. Es geht auch darum zu reflek­tie­ren, wie wir im Leben weiter­kom­men.» An der Veran­stal­tung werden verschie­de­ne Themen ange­spro­chen wie etwa die Themen Bezie­hun­gen, alte Muster oder die Rolle der Frau in der Gesell­schaft. Bei der ersten Durch­füh­rung waren bereits 40 Frau­en anwe­send. «Das hat mich total über­rascht. Auch, dass die Gesprä­che derart reich­hal­tig waren. Dies braucht ein gewis­ses Mass an Vertrau­en. Erstaun­li­cher­wei­se war das von Anfang an da», sagt Cate­ri­na Corea.

Glau­be wurde gestärkt

Egal, wie stres­sig ihr Alltag ist, Cate­ri­na Corea lebt den Glau­ben jeden Tag und enga­giert sich gerne und mit Herz­blut für die Kirche. «Wir alle haben eine Gabe von Gott erhal­ten und die Frage ist doch: Was können wir damit tun. Wir können nur unse­re Talen­te und Gaben weiter­ge­ben – und unse­re Zeit. Ich habe zwar nicht viel Zeit, aber diese gebe ich gerne.» Ange­spro­chen auf die Miss­brauchs­stu­die wird Cate­ri­na Corea nach­denk­li­cher. Diese habe sie trau­rig gemacht, aber nicht erschüt­tert. «Wo es Menschen gibt, machen diese immer Fehler.» Klar sei, dass es nun Konse­quen­zen brau­che. Verall­ge­mei­nern will Cate­ri­na Corea nicht, auch vermin­dert sich dadurch nicht ihr Wohl­wol­len gegen­über der Kirche. Im Gegen­teil. Cate­ri­na Corea sagt: «Die Miss­brauchs­stu­die hat mich in meinem Glau­ben noch gestärkt.» 

Cate­ri­na Corea möch­te etwas zurück­ge­ben und hat vor kurzem eine Veran­stal­tungs­rei­he für Frau­en ins Leben geru­fen. «Wir können nur unse­re Talen­te und Gaben weiter­ge­ben – und unse­re Zeit. Ich habe zwar nicht viel Zeit, aber diese gebe ich gerne.»

In schwie­ri­gen Zeiten – und diese durch­le­be sie durch­aus auch – denke sie immer an das Verspre­chen, das Jesus an Simon Petrus macht: «Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Pfor­ten der Unter­welt werden sie nicht über­wäl­ti­gen.» (Evan­ge­li­um, Matheus Kap. 16,18) «Wenn der Glau­be stark genug ist, wird er nicht kapi­tu­lie­ren», sagt Cate­ri­na Corea. «Und ich bin über­zeugt: Am Schluss ist der Glau­be stär­ker als unse­re Ängste.»

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 23.01.2024

Leserfrage: Warum sollen wir am Freitag kein Fleisch essen?

Als Jesus am Kreuz gestor­ben ist, war es Frei­tag. An ­einem Sonn­tag ist er aufer­stan­den. Jeden Sonn­tag feiern wir in den Kirchen fröh­lich und fest­lich die Aufer­ste­hung oder anders gesagt das Leben.

Selbst-Reflexion

Jeder Frei­tag ist dafür wie ein klei­ner Karfrei­tag. Wir sind eingeladen, uns ans Leiden Jesu zu erin­nern, der sich bis zum Tod für ande­re einge­setzt hat, und dem Ausdruck zu verlei­hen, indem wir fasten und spezi­ell auf Fleisch verzich­ten. Wenn wir fasten, zeigen wir, dass wir bereit sind, unser Verhal­ten zu über­den­ken und gege­be­nen­falls zu verändern.

Pflicht oder nicht?

Bereits die ersten Chris­ten haben gefas­tet. Es war im dama­li­gen Juden­tum Brauch, jede Woche an zwei Tagen zu fasten. Die Chris­ten haben diesen Brauch über­nom­men und Mitt­woch und Frei­tag zu Fasten­ta­gen bestimmt. Die 40-tägige Fasten­zeit wurde übri­gens erst im 4. Jahr­hun­dert üblich. Die Pflicht, frei­tags zu fasten, wurde in der katho­li­schen Kirche schon länger aufge­ho­ben. Momen­tan sind nur Ascher­mitt­woch und Karfrei­tag verpflich­tend. Die katho­li­schen Bischö­fe von England und Wales führ­ten das Gebot, frei­tags auf Fleisch zu verzich­ten, 2011 wieder ein. In dem Jahr haben England und Wales 55 000 Tonnen CO2 einge­spart. Wie viel CO2 könn­ten wir einspa­ren, wenn alle Katho­li­ken welt­weit am Frei­tag auf Fleisch verzich­ten würden?

Veggie-Day

UN-Generalsekretär Antó­nio Guter­res hat an der Welt­kli­ma­kon­fe­renz 2023 gesagt: «Verehr­te Exzel­len­zen, die Alarm­si­re­nen schril­len. Unser Planet und die Menschen auf der ganzen Welt haben uns etwas zu sagen. Der Klima­schutz steht ganz oben auf der Liste ihrer Anlie­gen – in allen Ländern, unab­hän­gig von Alter oder Geschlecht. Wir müssen zuhö­ren, wir müssen handeln, und wir müssen weise entschei­den.» Das erin­nert mich an Jona, der die Stadt Nini­ve gewarnt hat: «Es sind noch vier­zig Tage, so wird Nini­ve unter­ge­hen» (Jona 3,4). Die Menschen hörten auf Jona, sie began­nen zu fasten und verän­der­ten ihr Verhal­ten. Mit einem Veggie-Day pro Woche – es muss nicht unbe­dingt Frei­tag sein – können auch wir unser Einse­hen zeigen und unse­ren Beitrag leisten.

Vere­na Süess
Seel­sor­ge­rin Seel­sor­ge­ein­heit Gäbris

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

«Jedes Engagement ist essenziell»

Die Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on Fasten­ak­ti­on sieht die wach­sen­de Armut und Hitze­wel­len als gros­se ­Heraus­for­de­rung. Am ersten Akti­ons­fo­rum such­te unter ande­rem Lucre­zia Meier-Schatz, ehema­li­ge Natio­nal­rä­tin aus St. Peter­zell, Zukunftsstrategien.

Anfang Novem­ber lud das Stif­tungs­fo­rum des Hilfs­werks Fasten­ak­ti­on zum ersten Akti­ons­fo­rum in Solo­thurn ein. Rund 60 Perso­nen aus dem kirchen­na­hen Umfeld haben daran teil­ge­nom­men. Sie haben Einblick in die Arbeit von Fasten­ak­ti­on erhal­ten und über die aktu­el­len Heraus­for­de­run­gen gespro­chen sowie mögli­che Zukunfts­stra­te­gien konzi­piert. «Das Forum war sehr erfolg­reich. Es gab rege Diskus­sio­nen», sagt Lucre­zia Meier-Schatz. Die ehema­li­ge Natio­nal­rä­tin und frühe­re Präsi­den­tin der CVP/Die Mitte des Kantons St. Gallen ist seit 2006 Präsi­den­tin des Stif­tungs­fo­rums. Dieses ist zustän­dig für die Wahl der Stif­tungs­rä­tin­nen und Stif­tungs­rä­te und die Evalua­ti­on der Kampa­gnen. Im Stif­tungs­fo­rum sind zahl­rei­che katho­li­sche Orga­ni­sa­tio­nen vertre­ten. «Mit dem Akti­ons­fo­rum wollen wir näher an die vielen Menschen, die sich an der Basis für Fasten­ak­ti­on enga­gie­ren», so Meier-Schatz. Dabei geht es einer­seits um die Wissens­ver­mitt­lung, ande­rer­seits um den Austausch. «Das Akti­ons­fo­rum soll unse­re Botschaf­te­rin­nen und Botschaf­ter in ihrem Enga­ge­ment in den Kirch­ge­mein­den stär­ken. Sie sind unse­re Multiplikatoren.»

Umkämpf­ter Spendenmarkt

Fasten­ak­ti­on sieht sich seit Jahren mit dem Problem der welt­weit stei­gen­den Armut konfron­tiert. «Die Spen­den aus dem kirch­li­chen Umfeld reichen zur Finan­zie­rung der Projekt­ar­beit schon länger nicht mehr aus», sagt Lucre­zia Meier-Schatz. «Einer­seits spielt die Säku­la­ri­sie­rung im Sinne des Reli­gi­ons­ver­lus­tes und ande­rer­seits die immer weiter schwin­den­de Bedeu­tung der Reli­gi­on für den spür­ba­ren Spen­den­rück­gang aus kirch­li­chen Krei­sen eine Rolle.» Früher finan­zier­te Fasten­ak­ti­on ihre Projekt­ar­beit vor allem durch treue Spen­de­rin­nen und Spen­der. Älte­ren Gene­ra­tio­nen dürf­te das blau-violette Spen­den­säck­li von «Fasten­op­fer» noch in Erin­ne­rung sein. Dies hat sich gemäss Lucre­zia Meier-Schatz geän­dert. Heute habe sich das sozia­le Enga­ge­ment von insti­tu­ti­ons­ori­en­tier­ten Spen­den auf einzel­ne themen­spe­zi­fi­sche Projek­te verscho­ben, erklärt Meier-Schatz. «Die jünge­ren Gene­ra­tio­nen spen­den meist für Einzel­pro­jek­te und wollen sich, wie in vielen Lebens­la­gen, nicht binden oder auf eine einzel­ne Orga­ni­sa­ti­on konzen­trie­ren.» Lucre­zia Meier-Schatz wertet diese Entwick­lung nicht nega­tiv, sondern spricht von einer legi­ti­men Entschei­dung und ist über­zeugt: «Jedes gesell­schaft­li­che und sozia­le Enga­ge­ment ist essen­zi­ell.» Die Entwick­lung erfor­de­re von Fasten­ak­ti­on aller­dings ein Umden­ken. «Wir müssen die jünge­ren Menschen heute häufi­ger ausser­halb der kirch­li­chen Insti­tu­tio­nen anspre­chen und mehr­glei­sig fahren in der Kommunikation.»

In Bern lobbyieren

Als Bundes­par­la­men­ta­rie­rin war sich Lucre­zia Meier-Schatz gewöhnt, ihre Meinung zu vertre­ten. Ihre poli­ti­schen Erfah­run­gen setzt sie heute gezielt für Fasten­ak­ti­on ein. Das Schlag­wort hier lautet Lobby­ing. «Von den stän­di­gen poli­ti­schen Spar­be­mü­hun­gen des Parla­ments sind wir direkt betrof­fen», sagt Lucre­zia Meier-Schatz und spricht von einer riesi­gen Heraus­for­de­rung. «Wir brau­chen die Verbin­dun­gen ins Parla­ment, um den Scha­den für uns so gering wie möglich zu halten.» Sorgen berei­tet Lucre­zia Meier-Schatz die Stra­te­gie Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit des Bundes­ra­tes. Dieser wird die Botschaft für die Jahre 2025 bis 2028 in den kommen­den Mona­ten dem Parla­ment unter­brei­ten. «Er schlägt vor, dass ein substan­zi­el­ler Teil der Gelder, 1,5 Milli­ar­den Fran­ken, also ganze 13 Prozent, die bis anhin für die Entwick­lungs­hil­fe im Süden reser­viert waren, zuguns­ten der Ukrai­ne reser­viert werden. Für die ärms­ten Länder  ist dies verhee­rend, auch für unse­re Program­me, da weni­ger Geld von der DEZA (Anm. der Red.: Direk­ti­on für Entwick­lung und Zusam­men­ar­beit) zur Verfü­gung steht», erklärt Lucre­zia Meier-Schatz und unter­streicht: «Gelder für die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne müssen gespro­chen werden, dürfen aber nicht aus dem Topf, der für die Projek­te der Inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit im Süden vorge­se­hen ist, entnom­men werden.»

Einsatz nicht gefährden

In den kommen­den Wochen wird Fasten­ak­ti­on die Stra­te­gie für die Jahre 2024 bis 2028 fest­le­gen. Die Länder­pro­gram­me, die syste­ma­tisch evalu­iert werden, sowie die Kampa­gnen  stehen, ange­sichts der erwähn­ten Heraus­for­de­run­gen, im Fokus. «Wir müssen sicher­stel­len, dass wir mit unse­rem Enga­ge­ment die Wirkung errei­chen, die die Lebens­qua­li­tät der Ärms­ten nach­hal­tig verbes­sert, und wir weiter­hin ein verläss­li­cher Part­ner für unse­re Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen im Süden blei­ben.» Auch die Suche nach neuen Part­ner­schaf­ten wird die Verant­wort­li­chen in Zukunft beschäf­ti­gen. Für Lucre­zia Meier-Schatz ist klar: «Wir müssen wieder mehr die Gemein­schaft fördern in einer Zeit, in der der Indi­vi­dua­lis­mus Vorhand hat.» In den kommen­den Jahren sollen wieder Aktions­foren statt­fin­den. Die Heraus­for­de­run­gen für Fasten­ak­ti­on werden indes blei­ben. Aber Lucre­zia Meier-Schatz blickt posi­tiv in die Zukunft. Sie weiss: «Die Spen­den­be­reit­schaft in der Schweiz ist nach wie vor gross und dafür sind wir dank­bar.» Fasten­ak­ti­on hat 2022 Spen­den und Beiträ­ge in Höhe von rund 24 Millio­nen Fran­ken, davon 8 Millio­nen aus der öffent­li­chen Hand (u. a. DEZA), erhal­ten und in ihren 12 Länder­pro­gram­men 338 Projek­te unter­stützt. Mit ihrem Enga­ge­ment konn­te sie die Lebens­qua­li­tät von 2,5 Millio­nen Menschen errei­chen, 58 Prozent waren Frauen.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 10. Janu­ar 2024

«Die Lebensgeschichten verbinden»

Eine Tasse Tee trin­ken, zusam­men­sit­zen und sich Geschich­ten aus dem Leben erzäh­len. «Das Bedürf­nis, persön­li­che Geschich­ten zu hören und zu erzäh­len, ist gross», sagt Snje­z­a­na Gajski, kirch­li­che Sozi­al­ar­bei­te­rin. 2024 mode­riert sie in den Räum­lich­kei­ten des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes in Buchs fünf Erzählcafés.

Obwohl sich die Teil­neh­men­den bisher noch nicht kann­ten, entsteht bei einem Erzähl­ca­fé sehr schnell Gemein­schaft, die Lebens­ge­schich­ten verbin­den», sagt Snje­z­a­na Gajski, Leite­rin des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes von Cari­tas St. Gallen-Appenzell und der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg. «Das beein­druckt mich immer wieder. Meis­tens gehen die Gesprä­che schon nach kurzer Zeit in die Tiefe, es ist alles ande­re als Small­talk.» Bei manchen Themen werde es emotio­nal, auch Tränen seien schon geflos­sen – zum Beispiel bei den Themen Geschwis­ter und Freundschaft.

Ohne Bewer­tun­gen

Seit 2021 bietet Snje­z­a­na Gajski in der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg Erzähl­ca­fés an. Sie selbst ist ein gros­ser Fan der parti­zi­pa­ti­ven Metho­de, die seit Ende der 1980er-Jahre in der Erwach­se­nen­bil­dung und Sozi­al­ar­beit zum Einsatz kommt: «Anfangs dach­te ich, dass ich als Mode­ra­to­rin das Gespräch viel akti­ver steu­ern müss­te. Doch meis­tens genügt ein Einstieg und schon spru­delt es. Auch wer anfangs schüch­tern oder zurück­hal­tend ist und einfach nur zuhört, bringt sich doch bald auch selber ein.» Viele schät­zen es, erzäh­len zu können, ohne beur­teilt oder bewer­tet zu werden. Denn das Kommen­tie­ren ist tabu: «Es gibt nur drei Regeln: Man hört dem ande­ren aufmerk­sam zu, alle dürfen erzäh­len und das Gesag­te bleibt in der Gruppe.»

Gegen­sei­ti­ges Verständnis

Bis zu fünf­zehn Teil­neh­men­de sind jeweils beim Erzähl­ca­fé dabei. «Darun­ter auch Männer», betont Snje­z­a­na Gajski. Eini­ge Mitwir­ken­de kommen immer wieder, trotz­dem sei es jeweils eine ganz neue Grup­pe, die sich auf das Thema einlässt. Mit ihrem Ange­bot will Gajski das gegen­sei­ti­ge Verständ­nis fördern: «Ich bin mit den Erzähl­ca­fés in der Corona-Zeit gestar­tet, da waren die Span­nun­gen auch bei unse­ren Cafés deut­lich spür­bar.» Wer am Café teil­nimmt, lerne ande­re Perspek­ti­ven kennen und bekom­me so mit, wie ande­re ein Thema sehen oder welche Erfah­run­gen sie gemacht haben. Das einfa­che Erzäh­len und Zuhö­ren stär­ke die Gesprächs­kul­tur. «Das Erzähl­ca­fé ermög­licht auch Biogra­fie­ar­beit», hält die Sozi­al­ar­bei­te­rin fest. Man setze sich mit der eige­nen Vergan­gen­heit ausein­an­der: Was hat mich geprägt? «Es kann ein Impuls sein, sich selber neu zu betrach­ten und zu verstehen.»

Snje­z­a­na Gajski bietet 2024 Erzähl­ca­fés zu Themen rund um den gesell­schaft­li­chen Wandel an.

Gesell­schaft­li­cher Wandel

Jedes Erzähl­ca­fé beschäf­tigt sich mit einem ande­ren Thema. Die Themen seien so viel­fäl­tig wie die Teil­neh­men­den. Doch der gesell­schaft­li­che Wandel zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm. «In vielen Berei­chen lassen sich tief­grei­fen­de Verän­de­run­gen beob­ach­ten», so Gajski, «wir erkun­den, wie der Wandel uns formt, heraus­for­dert und berei­chert.» So geht es zum Beispiel am 12. Janu­ar um «Kirche gestern, heute und morgen» oder am 1. März um «Frau­en­wel­ten im Wandel». Gespannt ist Snje­z­a­na Gajski aber auch auf das Thema «Jugend­li­che», das im Mai auf dem Programm steht. Etwas wird 2024 neu: War die Sozi­al­ar­bei­te­rin mit ihrem Erzähl­ca­fé bisher in den verschie­de­nen Pfar­rei­en der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg zu Gast, finden 2024 alle Erzähl­ca­fés zum Thema «Wandel» in den Räum­lich­kei­ten des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes in Buchs statt.

Maxi­mal 15 Perso­nen: Die Erzähl­ca­fés (19 bis 21 Uhr) werden jeweils in den Räum­lich­kei­ten des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes Zentrum Neuhof, Schin­gas­se 2, Buchs ange­bo­ten. Der Eintritt ist frei. Die Teil­neh­mer­zahl ist auf 15 Perso­nen begrenzt. Weite­re Infos und Anmel­dung: www.kathwerdenberg.ch

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 02.01.2024

Miteinander die Tagesschau diskutieren

Arbeits­plä­ne, Social Media, Tages­nach­rich­ten – die Schwes­tern des Klos­ters Maria­zell Wurms­bach setzen seit eini­ger Zeit fast ausschliess­lich auf digi­ta­le Medi­en und verzich­ten auf Fern­se­her und teil­wei­se auf gedruck­te Zeitun­gen. Für die Ordens­frau­en bietet der Compu­ter viele Vortei­le, sie wissen aller­dings auch um dessen Gefahren.

Eine idyl­li­sche Ruhe liegt an diesem Morgen über dem Klos­ter Maria­zell Wurms­bach am Ufer des Zürich­sees. Der Schnee­fall der vergan­ge­nen Tage hat das Gelän­de in eine weis­se Schnee­de­cke gehüllt, die Vögel pfei­fen von den Bäumen, auf dem See schwim­men die Enten laut­los ihre Bahnen. Das Ther­mo­me­ter zeigt Minus­gra­de an. Schnel­len Schrit­tes laufen an diesem grau­en Winter­tag Schwes­ter Made­lei­ne Feder­spiel, Schwes­ter Andrea Fux und Schwes­ter Marianne-Franziska Imhas­ly zum Sitzungs­zim­mer im Gäste­haus. Unter dem Arm haben alle drei Ordens­frau­en ihr uner­läss­li­ches Arbeits­ge­rät: den Laptop. Darauf befin­den sich die Arbeits­plä­ne, der E‑Mail-Account mit dem gesam­ten Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­lauf, Apps für Online-Meetings und priva­te Notizen. 

Der Laptop ist mitt­ler­wei­le das wich­tigs­te Arbeits­ge­rät der Schwes­tern im Klos­ter Maria­zell Wurmsbach.

Prio­rin Schwes­ter Andrea infor­miert ihre Mitschwes­tern im Sitzungs­zim­mer über den Verlauf des kürz­lich abge­hal­te­nen Zoom-Meetings und bringt sie auf den neus­ten Stand. Die Medi­en­nut­zung hat sich in den vergan­ge­nen Jahren stark gewan­delt. Längst haben die digi­ta­len Medi­en auch im Klos­ter­all­tag Einzug gehal­ten und sind für die Ordens­frau­en mitt­ler­wei­le uner­läss­lich gewor­den. «Der Laptop ist für uns wie ein gros­ses Handy und im Alltag unver­zicht­bar», sagt Schwes­ter Made­lei­ne, die Gäste­schwes­ter. Sie ist die ältes­te in der Runde, was aber nicht heisst, dass sie weni­ger versiert ist in der Hand­ha­bung des Laptops. Stolz zeigt sie die Touchscreen-Funktion an ihrem Bild­schirm und wech­selt gekonnt und blitz­schnell zwischen verschie­de­nen Seiten.

Beamer statt Fernseher

Während die digi­ta­len Medi­en im Alltag des Klos­ters Maria­zell immer mehr an Bedeu­tung gewon­nen haben, nahm jene der analo­gen Medi­en – also von Zeitung, Fern­se­her oder Radio – immer weiter ab. Die Schwes­tern haben sich vor zwei Jahren entschlos­sen, in Zukunft auf einen Fern­se­her zu verzich­ten. «Wir haben ihn nicht mehr gebraucht», erklärt Schwes­ter Andrea. Soll nicht heis­sen, dass die Schwes­tern nicht über das Alltags­ge­sche­hen Bescheid wissen. Inter­es­san­te Fern­seh­bei­trä­ge – haupt­säch­lich Hinter­grund­be­rich­te – werden seit­her noch stär­ker und häufi­ger in der Gemein­schaft ange­spro­chen und wenn gewünscht gemein­sam via Beamer ange­schaut. Die Schwes­tern weisen einan­der auf inter­es­san­te Beiträ­ge hin. Die Tages­schau, den Club oder die ZDF-Talkshow Markus Lanz lässt sich Schwes­ter Andrea aller­dings selten entge­hen und schaut die Sendun­gen am Laptop. Beim gemein­sa­men Mittag­essen infor­mie­ren sich die Schwes­tern zudem täglich mit der SRF-Radiosendung «Rendez-vous» über das aktu­el­le Gesche­hen. Die gedruck­ten Medi­en sind nicht gänz­lich aus dem Klos­ter­all­tag verschwun­den. Die Abos für Tages­zei­tun­gen gibt es weiter­hin, eben­so für verschie­dens­te, meist kirchlich-religiöse Publi­ka­tio­nen. Der «Tages-Anzeiger» wird jedoch per Digital-Abo gelesen. 

Schwes­ter Andrea ist zustän­dig für die Bewirt­schaf­tung der Social-Media-Kanäle.

Inter­es­san­te oder themen­spe­zi­fi­sche Berich­te drucken die Schwes­tern aus und zeigen sie den Mitschwes­tern. «Wir haben einen regen Austausch. Es ist wie in einer gros­sen Fami­lie. Man erfährt fast alles. Dieser Reich­tum ist einer der Vortei­le einer Gemein­schaft», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. Ein Austausch sei sehr wich­tig für die Meinungs­bil­dung. «Wir können die Themen so vertieft und von unter­schied­li­chen Seiten anschau­en. Teil­wei­se ände­re ich meine Meinung dann auch.»

Gemein­sam verarbeiten

Wer heute die aktu­el­len Tages­mel­dun­gen – sei es online oder nicht – verfolgt, stösst häufig auf Nega­tiv­mel­dun­gen. In farbi­gen Bildern sehen wir zerbomb­te Stras­sen, weinen­de Kinder oder sogar verpi­xel­te Leichen in Kriegs­ge­bie­ten. Eini­ge Bilder und die dazu­ge­hö­ri­gen Berich­te sind schwer zu ertra­gen. Auch für die Ordens­frau­en. Schwes­ter Marianne-Franziska ist ange­sichts der aktu­el­len welt­po­li­ti­schen Lage beispiels­wei­se froh, dass sie die Nach­rich­ten bewusst auswäh­len kann auf PLAY SRF und dadurch für ihre Tätig­keit als Geschichts­leh­re­rin infor­miert ist. «Gewis­se Nach­rich­ten sind zum Teil wenig aufbau­end und kolpor­tie­ren Unwich­ti­ges. Ich bin froh, wenn ich mir nicht alles zu Gemü­te führen muss. Ich komme da heute manch­mal an meine Gren­zen», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. 

Die Schwes­tern des Klos­ters Maria­zell Wurms­bach tauschen sich oft in der Gemein­schaft aus – sei es über das aktu­el­le Welt­ge­sche­hen, exter­ne Anfra­gen oder Arbeitspläne.

Die schreck­li­chen Nach­rich­ten verar­bei­te sie, indem sie die betrof­fe­nen Menschen in ihre Gebe­te einschlies­se und mit ihren Schwes­tern über die Gescheh­nis­se spreche.

Frage der Sichtbarkeit

Mit den digi­ta­len Medi­en haben auch die sozia­len Medi­en den Weg ins Klos­ter gefun­den. Das Klos­ter Maria­zell Wurms­bach pflegt einen eige­nen Facebook- und Insta­gram-Account und ist auf YouTube aktiv. «Es wäre komisch, wenn wir nichts posten würden. Das dient auch der Sicht­bar­keit. Es macht Sinn, auf Social Media präsent zu sein, auch als Klos­ter», sagt Schwes­ter Andrea. Sie weiss, wovon sie spricht. Sie ist für die Bewirt­schaf­tung der Social-Media-Kanäle verant­wort­lich. Dies bedeu­tet, dass sie regel­mäs­sig Kommen­ta­re beant­wor­tet, neue Beiträ­ge postet, Kanä­le ande­rer kirch­li­cher Insti­tu­tio­nen durch­fors­tet und ihre Mitschwes­tern über ande­re Accounts auf dem Laufen­den hält. Sie macht die Arbeit gerne, weiss aber auch um deren Auswir­kun­gen: Das Bewirt­schaf­ten der Accounts bindet sehr viele zeit­li­che Ressour­cen. Manch­mal sitzt Schwes­ter Andrea Fux dafür stun­den­lang am Laptop. In der Woche sind es zwischen zwei und zehn Stun­den, «je nach­dem, wie viel grad los ist. Wenn man es rich­tig machen will, braucht es einfach Zeit», sagt die Ordens­schwes­ter. Man merkt: Schwes­ter Andrea würde sich wünschen, manch­mal weni­ger Zeit vor dem Laptop-Bildschirm zu verbrin­gen. Seit eini­ger Zeit hat das Klos­ter deshalb eine Tourismus-Fachfrau in einem 40-Prozent-Pensum ange­stellt. Diese hilft Schwes­ter Andrea bei den Social-Media-Aktivitäten und berei­tet Beiträ­ge auf. «Natür­lich ist es viel Aufwand, aber der gehört dazu und unser dies­be­züg­li­ches Enga­ge­ment bringt auch Vortei­le: Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer unse­rer ‹Auszeit für junge Menschen› oder der ‹Lern­ta­ge am See› sind fast alle durch unse­re bewor­be­nen Beiträ­ge auf Insta­gram und Face­book auf unse­re Ange­bo­te aufmerk­sam geworden.»

Von den Jungen lernen

Die Kennt­nis­se für die Bewirt­schaf­tung und Hand­ha­bung der Social-Media-Kanäle hat sich Schwes­ter Andrea im Laufe der Jahre mehr­heit­lich selbst erar­bei­tet. Zudem besuch­te sie mehre­re Kurse zu diesem Thema. 

Die Schwes­tern sind versiert im Umgang mit den digi­ta­len Medien.

Für die Schwes­tern sind nicht alle Social-Media-Kanäle gleich nütz­lich. So haben sie sich bewusst gegen einen eige­nen TikTok-Account entschie­den. «Das braucht zu viel Zeit, wenn man es profes­sio­nell machen will. Wenn man einen Kanal hat, muss man diesen auch bewirt­schaf­ten, ansons­ten ist das kontra­pro­duk­tiv», sagt Schwes­ter Andrea. Schwes­ter Marianne-Franziska konn­te und kann bezüg­lich Inter­net und digi­ta­ler Medi­en als Lehre­rin im Talent-Campus Zürich­see viel von ihren Schü­le­rin­nen und Schü­lern lernen. «Die Jungen gehen natür­li­cher mit dem Inter­net um. Sie können mir viel zeigen und mir immer wieder helfen.» Aller­dings hat sich Schwes­ter Marianne-Franziska mitt­ler­wei­le viel eige­nes Wissen ange­eig­net und konn­te bei der jünge­ren Gene­ra­ti­on auch schon mit ihren Kennt­nis­sen bril­lie­ren. «Wenn ich den Jugend­li­chen helfen oder ihnen etwas erklä­ren kann, macht mich das natür­lich stolz», sagt sie. A jour blei­ben die Schwes­tern auch im Austausch mit den jungen Erwach­se­nen, welche beim Ange­bot «Auszeit für junge Menschen» mitma­chen und Tür an Tür mit der Klos­ter­ge­mein­schaft leben und auch mitarbeiten.

Erwach­se­ne in der Pflicht

Trotz der Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der die Schwes­tern die sozia­len Medi­en nutzen, sehen sie darin auch eine Gefahr. «Smart­phone, Compu­ter und Social Media können schnell zur Sucht werden, vor allem für Jugend­li­che in der Ober­stu­fe», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. Für sie sei es nicht immer einfach, weil Smart­phone und Inter­net heute ein unver­zicht­ba­rer Teil des Alltags gewor­den seien. Schwes­ter Andrea sieht vor allem die Erwach­se­nen in der Pflicht. «Wir haben eine riesi­ge Verant­wor­tung gegen­über den Jungen, die wir leider oft zu wenig wahr­neh­men.» Als Erwach­se­ner müsse man den Jugend­li­chen bewusst machen, dass Smart­phone und Inter­net zwar Vortei­le bieten und gut seien, dass es aber auch wich­tig und wert­voll ist, reale Erfah­run­gen zu machen. «Wir Erwach­se­nen müssen den Jugend­li­chen Alter­na­ti­ven und einen ande­ren Tages­rhyth­mus bieten.» Das Smart­phone ist für die Schwes­tern mitt­ler­wei­le zu einem verstaub­ten Relikt gewor­den. Im Klos­ter­all­tag wird es nicht regel­mäs­sig gebraucht – ganz nach der Bene­dikts­re­gel, in der das «Mass­hal­ten» in verschie­dens­ter Hinsicht ein zentra­ler Wert ist. Schwes­ter Made­lei­ne nimmt es noch mit, wenn sie das Klos­ter­ge­län­de verlässt, beispiels­wei­se auf Velo­fahr­ten, zum Foto­gra­fie­ren oder zur Konsul­ta­ti­on der Wetter­pro­gno­se. Auch die ande­ren Schwes­tern verzich­ten im Alltag fast gänz­lich auf das Smart­phone – der Laptop als «gros­ses Handy» leis­tet seinen Dienst zur volls­ten Zufriedenheit.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 23.12.2023

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