Miteinander die Tagesschau diskutieren

Arbeits­plä­ne, Social Media, Tages­nach­rich­ten – die Schwes­tern des Klos­ters Maria­zell Wurms­bach setzen seit eini­ger Zeit fast ausschliess­lich auf digi­ta­le Medi­en und verzich­ten auf Fern­se­her und teil­wei­se auf gedruck­te Zeitun­gen. Für die Ordens­frau­en bietet der Compu­ter viele Vortei­le, sie wissen aller­dings auch um dessen Gefahren.

Eine idyl­li­sche Ruhe liegt an diesem Morgen über dem Klos­ter Maria­zell Wurms­bach am Ufer des Zürich­sees. Der Schnee­fall der vergan­ge­nen Tage hat das Gelän­de in eine weis­se Schnee­de­cke gehüllt, die Vögel pfei­fen von den Bäumen, auf dem See schwim­men die Enten laut­los ihre Bahnen. Das Ther­mo­me­ter zeigt Minus­gra­de an. Schnel­len Schrit­tes laufen an diesem grau­en Winter­tag Schwes­ter Made­lei­ne Feder­spiel, Schwes­ter Andrea Fux und Schwes­ter Marianne-Franziska Imhas­ly zum Sitzungs­zim­mer im Gäste­haus. Unter dem Arm haben alle drei Ordens­frau­en ihr uner­läss­li­ches Arbeits­ge­rät: den Laptop. Darauf befin­den sich die Arbeits­plä­ne, der E‑Mail-Account mit dem gesam­ten Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­lauf, Apps für Online-Meetings und priva­te Notizen. 

Der Laptop ist mitt­ler­wei­le das wich­tigs­te Arbeits­ge­rät der Schwes­tern im Klos­ter Maria­zell Wurmsbach.

Prio­rin Schwes­ter Andrea infor­miert ihre Mitschwes­tern im Sitzungs­zim­mer über den Verlauf des kürz­lich abge­hal­te­nen Zoom-Meetings und bringt sie auf den neus­ten Stand. Die Medi­en­nut­zung hat sich in den vergan­ge­nen Jahren stark gewan­delt. Längst haben die digi­ta­len Medi­en auch im Klos­ter­all­tag Einzug gehal­ten und sind für die Ordens­frau­en mitt­ler­wei­le uner­läss­lich gewor­den. «Der Laptop ist für uns wie ein gros­ses Handy und im Alltag unver­zicht­bar», sagt Schwes­ter Made­lei­ne, die Gäste­schwes­ter. Sie ist die ältes­te in der Runde, was aber nicht heisst, dass sie weni­ger versiert ist in der Hand­ha­bung des Laptops. Stolz zeigt sie die Touchscreen-Funktion an ihrem Bild­schirm und wech­selt gekonnt und blitz­schnell zwischen verschie­de­nen Seiten.

Beamer statt Fernseher

Während die digi­ta­len Medi­en im Alltag des Klos­ters Maria­zell immer mehr an Bedeu­tung gewon­nen haben, nahm jene der analo­gen Medi­en – also von Zeitung, Fern­se­her oder Radio – immer weiter ab. Die Schwes­tern haben sich vor zwei Jahren entschlos­sen, in Zukunft auf einen Fern­se­her zu verzich­ten. «Wir haben ihn nicht mehr gebraucht», erklärt Schwes­ter Andrea. Soll nicht heis­sen, dass die Schwes­tern nicht über das Alltags­ge­sche­hen Bescheid wissen. Inter­es­san­te Fern­seh­bei­trä­ge – haupt­säch­lich Hinter­grund­be­rich­te – werden seit­her noch stär­ker und häufi­ger in der Gemein­schaft ange­spro­chen und wenn gewünscht gemein­sam via Beamer ange­schaut. Die Schwes­tern weisen einan­der auf inter­es­san­te Beiträ­ge hin. Die Tages­schau, den Club oder die ZDF-Talkshow Markus Lanz lässt sich Schwes­ter Andrea aller­dings selten entge­hen und schaut die Sendun­gen am Laptop. Beim gemein­sa­men Mittag­essen infor­mie­ren sich die Schwes­tern zudem täglich mit der SRF-Radiosendung «Rendez-vous» über das aktu­el­le Gesche­hen. Die gedruck­ten Medi­en sind nicht gänz­lich aus dem Klos­ter­all­tag verschwun­den. Die Abos für Tages­zei­tun­gen gibt es weiter­hin, eben­so für verschie­dens­te, meist kirchlich-religiöse Publi­ka­tio­nen. Der «Tages-Anzeiger» wird jedoch per Digital-Abo gelesen. 

Schwes­ter Andrea ist zustän­dig für die Bewirt­schaf­tung der Social-Media-Kanäle.

Inter­es­san­te oder themen­spe­zi­fi­sche Berich­te drucken die Schwes­tern aus und zeigen sie den Mitschwes­tern. «Wir haben einen regen Austausch. Es ist wie in einer gros­sen Fami­lie. Man erfährt fast alles. Dieser Reich­tum ist einer der Vortei­le einer Gemein­schaft», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. Ein Austausch sei sehr wich­tig für die Meinungs­bil­dung. «Wir können die Themen so vertieft und von unter­schied­li­chen Seiten anschau­en. Teil­wei­se ände­re ich meine Meinung dann auch.»

Gemein­sam verarbeiten

Wer heute die aktu­el­len Tages­mel­dun­gen – sei es online oder nicht – verfolgt, stösst häufig auf Nega­tiv­mel­dun­gen. In farbi­gen Bildern sehen wir zerbomb­te Stras­sen, weinen­de Kinder oder sogar verpi­xel­te Leichen in Kriegs­ge­bie­ten. Eini­ge Bilder und die dazu­ge­hö­ri­gen Berich­te sind schwer zu ertra­gen. Auch für die Ordens­frau­en. Schwes­ter Marianne-Franziska ist ange­sichts der aktu­el­len welt­po­li­ti­schen Lage beispiels­wei­se froh, dass sie die Nach­rich­ten bewusst auswäh­len kann auf PLAY SRF und dadurch für ihre Tätig­keit als Geschichts­leh­re­rin infor­miert ist. «Gewis­se Nach­rich­ten sind zum Teil wenig aufbau­end und kolpor­tie­ren Unwich­ti­ges. Ich bin froh, wenn ich mir nicht alles zu Gemü­te führen muss. Ich komme da heute manch­mal an meine Gren­zen», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. 

Die Schwes­tern des Klos­ters Maria­zell Wurms­bach tauschen sich oft in der Gemein­schaft aus – sei es über das aktu­el­le Welt­ge­sche­hen, exter­ne Anfra­gen oder Arbeitspläne.

Die schreck­li­chen Nach­rich­ten verar­bei­te sie, indem sie die betrof­fe­nen Menschen in ihre Gebe­te einschlies­se und mit ihren Schwes­tern über die Gescheh­nis­se spreche.

Frage der Sichtbarkeit

Mit den digi­ta­len Medi­en haben auch die sozia­len Medi­en den Weg ins Klos­ter gefun­den. Das Klos­ter Maria­zell Wurms­bach pflegt einen eige­nen Facebook- und Insta­gram-Account und ist auf YouTube aktiv. «Es wäre komisch, wenn wir nichts posten würden. Das dient auch der Sicht­bar­keit. Es macht Sinn, auf Social Media präsent zu sein, auch als Klos­ter», sagt Schwes­ter Andrea. Sie weiss, wovon sie spricht. Sie ist für die Bewirt­schaf­tung der Social-Media-Kanäle verant­wort­lich. Dies bedeu­tet, dass sie regel­mäs­sig Kommen­ta­re beant­wor­tet, neue Beiträ­ge postet, Kanä­le ande­rer kirch­li­cher Insti­tu­tio­nen durch­fors­tet und ihre Mitschwes­tern über ande­re Accounts auf dem Laufen­den hält. Sie macht die Arbeit gerne, weiss aber auch um deren Auswir­kun­gen: Das Bewirt­schaf­ten der Accounts bindet sehr viele zeit­li­che Ressour­cen. Manch­mal sitzt Schwes­ter Andrea Fux dafür stun­den­lang am Laptop. In der Woche sind es zwischen zwei und zehn Stun­den, «je nach­dem, wie viel grad los ist. Wenn man es rich­tig machen will, braucht es einfach Zeit», sagt die Ordens­schwes­ter. Man merkt: Schwes­ter Andrea würde sich wünschen, manch­mal weni­ger Zeit vor dem Laptop-Bildschirm zu verbrin­gen. Seit eini­ger Zeit hat das Klos­ter deshalb eine Tourismus-Fachfrau in einem 40-Prozent-Pensum ange­stellt. Diese hilft Schwes­ter Andrea bei den Social-Media-Aktivitäten und berei­tet Beiträ­ge auf. «Natür­lich ist es viel Aufwand, aber der gehört dazu und unser dies­be­züg­li­ches Enga­ge­ment bringt auch Vortei­le: Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer unse­rer ‹Auszeit für junge Menschen› oder der ‹Lern­ta­ge am See› sind fast alle durch unse­re bewor­be­nen Beiträ­ge auf Insta­gram und Face­book auf unse­re Ange­bo­te aufmerk­sam geworden.»

Von den Jungen lernen

Die Kennt­nis­se für die Bewirt­schaf­tung und Hand­ha­bung der Social-Media-Kanäle hat sich Schwes­ter Andrea im Laufe der Jahre mehr­heit­lich selbst erar­bei­tet. Zudem besuch­te sie mehre­re Kurse zu diesem Thema. 

Die Schwes­tern sind versiert im Umgang mit den digi­ta­len Medien.

Für die Schwes­tern sind nicht alle Social-Media-Kanäle gleich nütz­lich. So haben sie sich bewusst gegen einen eige­nen TikTok-Account entschie­den. «Das braucht zu viel Zeit, wenn man es profes­sio­nell machen will. Wenn man einen Kanal hat, muss man diesen auch bewirt­schaf­ten, ansons­ten ist das kontra­pro­duk­tiv», sagt Schwes­ter Andrea. Schwes­ter Marianne-Franziska konn­te und kann bezüg­lich Inter­net und digi­ta­ler Medi­en als Lehre­rin im Talent-Campus Zürich­see viel von ihren Schü­le­rin­nen und Schü­lern lernen. «Die Jungen gehen natür­li­cher mit dem Inter­net um. Sie können mir viel zeigen und mir immer wieder helfen.» Aller­dings hat sich Schwes­ter Marianne-Franziska mitt­ler­wei­le viel eige­nes Wissen ange­eig­net und konn­te bei der jünge­ren Gene­ra­ti­on auch schon mit ihren Kennt­nis­sen bril­lie­ren. «Wenn ich den Jugend­li­chen helfen oder ihnen etwas erklä­ren kann, macht mich das natür­lich stolz», sagt sie. A jour blei­ben die Schwes­tern auch im Austausch mit den jungen Erwach­se­nen, welche beim Ange­bot «Auszeit für junge Menschen» mitma­chen und Tür an Tür mit der Klos­ter­ge­mein­schaft leben und auch mitarbeiten.

Erwach­se­ne in der Pflicht

Trotz der Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der die Schwes­tern die sozia­len Medi­en nutzen, sehen sie darin auch eine Gefahr. «Smart­phone, Compu­ter und Social Media können schnell zur Sucht werden, vor allem für Jugend­li­che in der Ober­stu­fe», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. Für sie sei es nicht immer einfach, weil Smart­phone und Inter­net heute ein unver­zicht­ba­rer Teil des Alltags gewor­den seien. Schwes­ter Andrea sieht vor allem die Erwach­se­nen in der Pflicht. «Wir haben eine riesi­ge Verant­wor­tung gegen­über den Jungen, die wir leider oft zu wenig wahr­neh­men.» Als Erwach­se­ner müsse man den Jugend­li­chen bewusst machen, dass Smart­phone und Inter­net zwar Vortei­le bieten und gut seien, dass es aber auch wich­tig und wert­voll ist, reale Erfah­run­gen zu machen. «Wir Erwach­se­nen müssen den Jugend­li­chen Alter­na­ti­ven und einen ande­ren Tages­rhyth­mus bieten.» Das Smart­phone ist für die Schwes­tern mitt­ler­wei­le zu einem verstaub­ten Relikt gewor­den. Im Klos­ter­all­tag wird es nicht regel­mäs­sig gebraucht – ganz nach der Bene­dikts­re­gel, in der das «Mass­hal­ten» in verschie­dens­ter Hinsicht ein zentra­ler Wert ist. Schwes­ter Made­lei­ne nimmt es noch mit, wenn sie das Klos­ter­ge­län­de verlässt, beispiels­wei­se auf Velo­fahr­ten, zum Foto­gra­fie­ren oder zur Konsul­ta­ti­on der Wetter­pro­gno­se. Auch die ande­ren Schwes­tern verzich­ten im Alltag fast gänz­lich auf das Smart­phone – der Laptop als «gros­ses Handy» leis­tet seinen Dienst zur volls­ten Zufriedenheit.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 23.12.2023

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