
Perplex bei Witzen über Armut
Satiriker Renato Kaiser bei digitalem Anlass der Caritas
Armut in der Schweiz sei für ihn als Satiriker ein absurdes Thema, sagt Renato Kaiser. Der St.Galler erzählt, wieso Armut ein Gesicht braucht und wie Witze über Vorur-teile funktionieren.
«Unfair finde ich es, wenn man den Leuten auf der Strasse Geld wegen ihrem Erscheinungs-bild gibt. Ich zum Beispiel bin privat sehr schlecht gekleidet. Also nicht, weil ich kein Geld habe, sondern einfach keinen Stil. Es könnte also durchaus sein, dass ein Obdach-loser mich von oben bis unten anschaut, mir das Geld zurückgibt und sagt, ich hätte das Geld nötiger als er.» Der St.Galler Satiriker Renato Kaiser steht auf der Bühne. In vorderster Reihe im Publikum sitzt eine alleinerziehende Mutter, die am Existenzminimum lebt. Neben ihr zu sehen ist ein Mann, der nach einem Burnout alles verlor. Und dann ist da noch Markus, der bei Pflegeeltern und im Heim aufwuchs und für den das Schlimmste an der Armut die soziale Verwahrlosung ist. Nachgeschaut werden kann die Szene im SRF Archiv. Sie ist Teil der Sendung «Tabu», in der Renato Kaiser 2019 einige Tage mit von Armut betroffenen Menschen verbrachte und versuchte, der Armut in der Schweiz ein Gesicht zu geben.
Reich und fair
«Armut in der Schweiz ist für mich als Satiriker eines der interessantesten Themen, denn es ist ein absurdes Thema. Ich baue es seit Jahren regelmässig in meine Programme ein», sagt Renato Kaiser gegenüber dem Pfarreiforum. Er nennt das Thema deshalb absurd, weil man auf den ersten Blick meinen könnte, Armut gebe es in der Schweiz eigentlich gar nicht, da die Schweiz doch so reich ist und irgendwie fair daherkommt. «Bringe ich also Witze über Armut, dann sind viele im Publikum erst einmal aufrichtig perplex. Manche haben sich noch nie Gedanken über dieses Problem gemacht», sagt der 35-Jährige. Als Gegenbeispiel nennt er Sexismus oder Rassismus – beides Themen, die mit vergleichsweise mehr offensichtlichen Vorurteilen belastet seien.
Eigene Vorurteile entlarven
Das nächste Mal das Thema Armut im Rahmen seiner Auftritte aktualisieren wird Renato Kaiser am 25. März. Dann hat ihn die Caritas als Haupt-Act am digitalen Freiwilligenanlass «Gemeinsam gegen Armut mit Renato Kaiser» gebucht (siehe Text unten). Thema des Abends ist unter anderem, wie sich im ganzen Caritas-Netz in der Schweiz 4600 Menschen gegen Armut einsetzen. «Bei Veranstaltungen wie bei der Caritas wissen eigentlich alle besser über das Thema Bescheid als ich. Meine Aufgabe als Satiriker ist es daher, nicht oberlehrerhaft daherzukommen, sondern den Blick von aussen hineinzubringen», sagt Renato Kaiser. «Zweck der Satire ist es, nach oben auszuteilen und auch seine eigenen Vorurteile zu entlarven.» Auf diese Weise gelinge es, Witze über harte Themen wie Armut zu machen. Renato Kaiser geht dabei oft von sich selber aus: Was geht ihm durch den Kopf, wenn ihn auf Strasse ein Obdachloser um Geld bittet? Oder: Was denkt er, wenn wieder einmal Schlagzeilen liest wie etwa «Der frechste Sozialhilfebezüger»? Die Art und Weise, wie in den Medien über Sozial-hilfebetroffene berichtet wurde, war es denn auch, die ihn einst auf das Thema Armut in der Schweiz aufmerksam machte. «Ich fand diese Sprache so komisch, dass ich mich zu fragen begann, woher das kommt», sagt er. (nar)
Freiwillig gegen Armut
An den digitalen Freiwilligenanlass «Gemeinsam gegen Armut mit Renato Kaiser» am 25. März 2021 sind alle eingeladen, die sich für das freiwillige Engagement in der Caritas interessieren oder sich bereits als Freiwillige betätigen. Der Link zur Online-Veranstaltung wird auf www.caritas-stgallen.ch publiziert. Ohne das freiwillige Engagement wäre die Bekämpfung von Armut in der Schweiz nicht machbar.