Administrationsrätin Margrit Stadler hört auf

Margrit Stadler-Egli

Nach 22 Jahren tritt Margrit Stadler-Egli Ende des Jahres von ihrem Amt als Admi­nis­tra­ti­ons­rä­tin zurück. Im Gespräch mit dem Pfar­rei­fo­rum erzählt die Bazen­hei­de­rin von ihren heraus­for­dernds­ten und glück­lichs­ten Momen­ten in ihrer Amts­zeit, in welche Rollen sie am liebs­ten schlüpft und was sie jungen Frau­en rät.

«Wenn du etwas will, musst du nach vorne und für deine Anlie­gen einste­hen», sagt Margrit Stad­ler, «du darfst dich nicht in der zwei­ten Reihe verste­cken. Das habe ich schon in meinem Eltern­haus gelernt.» Sie wächst auf einem Bauern­hof auf. «In einem durch­aus patri­ar­cha­len System», merkt sie an. Drei Jahre Sekun­dar­schu­le? «Das hiel­ten meine Eltern für mich als Mädchen nicht notwen­dig.» Die ehema­li­ge Gähwi­le­rin setz­te sich durch und absol­vier­te schliess­lich auch die Verwal­tungs­leh­re. Als sie das kürz­lich bei einem Jubi­lä­ums­an­lass zum Frau­en­stimm­recht am St.Galler Gallus-Schulhaus (Meitle-Flade) den Schü­le­rin­nen erzähl­te, hingen ihr diese an den Lippen: «Heute können sich die Schü­le­rin­nen das kaum mehr vorstel­len, wir leben heute in einer komplett ande­ren Welt.» Den Schü­le­rin­nen gab sie mit: «Egal ob damals oder heute, es ist nach wie vor wich­tig, für etwas zu kämp­fen und für ein Anlie­gen einzustehen.»


Später Polit-Einstieg

Margrit Stad­ler schlug alles ande­re als einen vorge­zeich­ne­ten Weg ein. Der Einstieg in die Poli­tik erfolg­te erst spät, nach der Fami­li­en­pha­se, als die zwei Kinder erwach­sen waren. Sie wird in den St.Galler Kantons­rat gewählt – als Polit-Newcomerin. «Meine einzi­ge poli­ti­sche Erfah­rung waren das GPK-Mandat in der Schul­ge­mein­de, das Präsi­di­um im Spitex-Verein und die Mitar­beit im Pfar­rei­rat», merkt sie an. Fast zeit­gleich mit der Kandi­da­tur für den Admi­nis­tra­ti­ons­rat steht auch die Kandi­da­tur für ein Natio­nal­rats­man­dat als Opti­on im Raum: «Rück­bli­ckend bin ich froh, dass ich mich für den Admi­nis­tra­ti­ons­rat entschie­den habe», sagt die 65-Jährige, «diese Aufga­ben pass­ten besser zu meinem Natu­rell und meiner Person. Auch wenn ich eine Kämp­fe­rin bin, ist mir die Harmo­nie wich­tig. In Bern hätte schon ein ande­rer Wind geweht.»


Margrit Stadler-Egli
Margrit Stadler-Egli hat in ihrer Amts­zeit viele emotio­na­le Momen­te erlebt.

Viele emotio­na­le Momen­te
In 22 Jahren als Admi­nis­tra­ti­ons­rä­tin habe sie viele emotio­na­le Momen­te erlebt: «Ich denke zum Beispiel an die Altar­neu­ge­stal­tung in der Kathe­dra­le – das war ein langer und sehr emotio­na­ler Prozess.» Die 200-Jahr-Feier der flade, die Wahl und Weihe von Bischof Markus Büchel – der Admi­nis­tra­ti­ons­rat und das Kolle­gi­um des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils­des Kantons St.Gallen sind bei der Wahl des St.Galler Bischofs dabei. Das ist welt­weit einzig­ar­tig. In ihre Amts­zeit fiel auch die Revi­si­on der Verfas­sung mit der Einfüh­rung des Auslän­der­stimm­rech­tes und der Volks­mo­ti­on, der Aufbau der Domsing­schu­le und vieles mehr. Am meis­ten Herz­blut steck­te Margrit Stad­ler aber in ihre Aufga­ben als Schul­prä­si­den­tin der Flade, die sie selbst heute als «mein Kind» bezeichnet.

Margrit Stadler-Egli
Margrit Stadler-Egli sieht die Flade als Mehr­wert für die Stadt.


Gros­ser Mehr­wert
Die Bazen­hei­de­rin über­nimmt das Präsi­di­um in einer schwie­ri­gen Phase: Es geht um die Zukunft der katho­li­schen Schu­le, es müssen neue Verein­ba­run­gen mit der Stadt verhan­delt werden. Ein Prozess, der sich hinzieht und dessen Ausgang bis zum Schluss offen ist. «Ich habe das Ziel nicht aus den Augen verlo­ren und mir immer wieder bewusst gemacht, dass ich Verant­wor­tung für viele Ange­stell­te habe», erklärt sie. «Ich werde nie den Tag verges­sen, als ich morgens um sieben Uhr die acht­zig Mitar­bei­ten­den infor­mie­ren konn­te: Wir haben eine Lösung gefun­den.» Bei den heraus­for­dern­den Verhand­lun­gen habe sie gemerkt, wie wich­tig es ist, sich mit Herz­blut für etwas einzu­set­zen. «Es gelingt nur, wenn du selbst von etwas ganz über­zeugt bist.» Margrit Stad­ler bezeich­net die neuen Verein­ba­run­gen zwischen der Stadt und der Flade als zukunfts­wei­send. Neu steht die Flade allen Schü­le­rin­nen und Schü­lern der Stadt St.Gallen offen, unab­hän­gig von ihrer Konfes­si­on. Die Flade erwei­tert ihr Ange­bot und führt auch Real-Klassen. Die Stadt über­nimmt das Schul­geld für Jugend­li­che aus der Stadt. «Es ist für die Stadt ein gros­ser Mehr­wert, dass es eine Schu­le mit christ­li­cher Prägung gibt», betont Margrit Stad­ler, «und die Schu­le ist eine Chan­ce für die Kirche: die Kirche hat einen wich­ti­gen Bildungs­auf­trag. Hier können wir jungen Menschen etwas fürs Leben mitgeben.»

Orts­kir­che zählt
«Oft wurde ich gefragt: Was willst du als Frau bei der katho­li­schen Kirche – warum tust du dir das an?», sagt Margrit Stad­ler. Sie habe sich als Frau in der katho­li­schen Kirche immer will­kom­men und respek­tiert gefühlt: «Für mich steht die Orts­kir­che im Vorder­grund, hier lebe ich und enga­gie­re ich mich – und hier hat es für mich immer gestimmt.» Sie finde es wich­tig, dass Frau­en sich für die Gleich­be­rech­ti­gung in der Kirche einset­zen. «Gleich­zei­tig soll­te man auch sehen und schät­zen, was im Bistum St.Gallen alles möglich ist: In der Seel­sor­ge, in den Gremi­en und auch im Admi­nis­tra­ti­ons­rat sind die Frau­en heute ganz selbst­ver­ständ­lich vertreten.»

Margrit Stadler-Egli
Margrit Stadler-Egli freut sich auf mehr Zeit mit ihren Enkel­kin­dern und für das Theaterspielen.

Spanisch lernen
«Ich errei­che mit dem 65. Geburts­tag das Pensi­ons­al­ter, zudem wurde die 3‑jährige Einfüh­rungs­pha­se des neuen Flade Schul­mo­dells diesen Sommer abge­schlos­sen», sagt Margrit Stad­ler, «das ist der rich­ti­ge Zeit­punkt, um aufzu­hö­ren.» Mit dem Rück­tritt heisst es für das aktu­ell amts­äl­tes­te Mitglied des Admi­nis­tra­ti­ons­ra­tes auch Abschied­neh­men von der Stadt St.Gallen – die Stadt sei der wasch­ech­ten Toggen­bur­ge­rin ans Herz gewach­sen. Um nah am Gesche­hen zu sein, miete­te sie während ihrer Amts­zeit eine Zweit­woh­nung in der Stadt. Sie freue sich auf die Zeit danach. «Ich spüre, dass der nächs­te Lebens­ab­schnitt viel Poten­zi­al für Neues bereit­hält, darauf freue ich mich.» Konkre­te Pläne will sie noch nicht schmie­den. Sie freut sich auf mehr Zeit mit ihrem Mann, den Kindern und den Enkel­kin­dern. «Ich möch­te Spanisch lernen», sagt sie. Ihre Schwie­ger­toch­ter, eine gebür­ti­ge Mexi­ka­ne­rin, möch­te ihr nämlich schon lange ihre Heimat zeigen. «Da will ich mich verstän­di­gen können.» Und für eines soll künf­tig wieder mehr Zeit sein: Das Thea­ter­spie­len. Sie spiel­te in der von ihr mitge­grün­de­ten Thea­ter­grup­pe Bazen­heid, später grün­de­te sie mit fünf Frau­en die „Thea­ter­la­dies“. Bis heute stan­den sie über vier­hun­dert Mal vor Publi­kum auf der Bühne. Margrit Stad­ler erzählt von den verschie­de­nen Rollen, die sie über­nom­men hat: «Der Kapu­zi­ner, Petrus oder der Bahn­hofs­vor­ste­her … Es waren immer Männer­rol­len. Das war jedes Mal eine beson­de­re Erfah­rung.» Die Freu­de der Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er habe ihr viel Kraft gege­ben. «Bei diesem Hobby konn­te ich immer meine Ener­gie­quel­len wieder aufla­den.» Die schei­den­de Admi­nis­tra­ti­ons­rä­tin strahlt und man ahnt, dass sie auch in Zukunft in manch uner­war­te­te Rolle schlüp­fen wird.

Text: Stephan Sigg
Bilder: Ana Kontoulis

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