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«Jedes Engagement ist essenziell»

Die Hilfs­or­ga­ni­sa­ti­on Fasten­ak­ti­on sieht die wach­sen­de Armut und Hitze­wel­len als gros­se ­Heraus­for­de­rung. Am ersten Akti­ons­fo­rum such­te unter ande­rem Lucre­zia Meier-Schatz, ehema­li­ge Natio­nal­rä­tin aus St. Peter­zell, Zukunftsstrategien.

Anfang Novem­ber lud das Stif­tungs­fo­rum des Hilfs­werks Fasten­ak­ti­on zum ersten Akti­ons­fo­rum in Solo­thurn ein. Rund 60 Perso­nen aus dem kirchen­na­hen Umfeld haben daran teil­ge­nom­men. Sie haben Einblick in die Arbeit von Fasten­ak­ti­on erhal­ten und über die aktu­el­len Heraus­for­de­run­gen gespro­chen sowie mögli­che Zukunfts­stra­te­gien konzi­piert. «Das Forum war sehr erfolg­reich. Es gab rege Diskus­sio­nen», sagt Lucre­zia Meier-Schatz. Die ehema­li­ge Natio­nal­rä­tin und frühe­re Präsi­den­tin der CVP/Die Mitte des Kantons St. Gallen ist seit 2006 Präsi­den­tin des Stif­tungs­fo­rums. Dieses ist zustän­dig für die Wahl der Stif­tungs­rä­tin­nen und Stif­tungs­rä­te und die Evalua­ti­on der Kampa­gnen. Im Stif­tungs­fo­rum sind zahl­rei­che katho­li­sche Orga­ni­sa­tio­nen vertre­ten. «Mit dem Akti­ons­fo­rum wollen wir näher an die vielen Menschen, die sich an der Basis für Fasten­ak­ti­on enga­gie­ren», so Meier-Schatz. Dabei geht es einer­seits um die Wissens­ver­mitt­lung, ande­rer­seits um den Austausch. «Das Akti­ons­fo­rum soll unse­re Botschaf­te­rin­nen und Botschaf­ter in ihrem Enga­ge­ment in den Kirch­ge­mein­den stär­ken. Sie sind unse­re Multiplikatoren.»

Umkämpf­ter Spendenmarkt

Fasten­ak­ti­on sieht sich seit Jahren mit dem Problem der welt­weit stei­gen­den Armut konfron­tiert. «Die Spen­den aus dem kirch­li­chen Umfeld reichen zur Finan­zie­rung der Projekt­ar­beit schon länger nicht mehr aus», sagt Lucre­zia Meier-Schatz. «Einer­seits spielt die Säku­la­ri­sie­rung im Sinne des Reli­gi­ons­ver­lus­tes und ande­rer­seits die immer weiter schwin­den­de Bedeu­tung der Reli­gi­on für den spür­ba­ren Spen­den­rück­gang aus kirch­li­chen Krei­sen eine Rolle.» Früher finan­zier­te Fasten­ak­ti­on ihre Projekt­ar­beit vor allem durch treue Spen­de­rin­nen und Spen­der. Älte­ren Gene­ra­tio­nen dürf­te das blau-violette Spen­den­säck­li von «Fasten­op­fer» noch in Erin­ne­rung sein. Dies hat sich gemäss Lucre­zia Meier-Schatz geän­dert. Heute habe sich das sozia­le Enga­ge­ment von insti­tu­ti­ons­ori­en­tier­ten Spen­den auf einzel­ne themen­spe­zi­fi­sche Projek­te verscho­ben, erklärt Meier-Schatz. «Die jünge­ren Gene­ra­tio­nen spen­den meist für Einzel­pro­jek­te und wollen sich, wie in vielen Lebens­la­gen, nicht binden oder auf eine einzel­ne Orga­ni­sa­ti­on konzen­trie­ren.» Lucre­zia Meier-Schatz wertet diese Entwick­lung nicht nega­tiv, sondern spricht von einer legi­ti­men Entschei­dung und ist über­zeugt: «Jedes gesell­schaft­li­che und sozia­le Enga­ge­ment ist essen­zi­ell.» Die Entwick­lung erfor­de­re von Fasten­ak­ti­on aller­dings ein Umden­ken. «Wir müssen die jünge­ren Menschen heute häufi­ger ausser­halb der kirch­li­chen Insti­tu­tio­nen anspre­chen und mehr­glei­sig fahren in der Kommunikation.»

In Bern lobbyieren

Als Bundes­par­la­men­ta­rie­rin war sich Lucre­zia Meier-Schatz gewöhnt, ihre Meinung zu vertre­ten. Ihre poli­ti­schen Erfah­run­gen setzt sie heute gezielt für Fasten­ak­ti­on ein. Das Schlag­wort hier lautet Lobby­ing. «Von den stän­di­gen poli­ti­schen Spar­be­mü­hun­gen des Parla­ments sind wir direkt betrof­fen», sagt Lucre­zia Meier-Schatz und spricht von einer riesi­gen Heraus­for­de­rung. «Wir brau­chen die Verbin­dun­gen ins Parla­ment, um den Scha­den für uns so gering wie möglich zu halten.» Sorgen berei­tet Lucre­zia Meier-Schatz die Stra­te­gie Inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit des Bundes­ra­tes. Dieser wird die Botschaft für die Jahre 2025 bis 2028 in den kommen­den Mona­ten dem Parla­ment unter­brei­ten. «Er schlägt vor, dass ein substan­zi­el­ler Teil der Gelder, 1,5 Milli­ar­den Fran­ken, also ganze 13 Prozent, die bis anhin für die Entwick­lungs­hil­fe im Süden reser­viert waren, zuguns­ten der Ukrai­ne reser­viert werden. Für die ärms­ten Länder  ist dies verhee­rend, auch für unse­re Program­me, da weni­ger Geld von der DEZA (Anm. der Red.: Direk­ti­on für Entwick­lung und Zusam­men­ar­beit) zur Verfü­gung steht», erklärt Lucre­zia Meier-Schatz und unter­streicht: «Gelder für die Unter­stüt­zung der Ukrai­ne müssen gespro­chen werden, dürfen aber nicht aus dem Topf, der für die Projek­te der Inter­na­tio­na­len Zusam­men­ar­beit im Süden vorge­se­hen ist, entnom­men werden.»

Einsatz nicht gefährden

In den kommen­den Wochen wird Fasten­ak­ti­on die Stra­te­gie für die Jahre 2024 bis 2028 fest­le­gen. Die Länder­pro­gram­me, die syste­ma­tisch evalu­iert werden, sowie die Kampa­gnen  stehen, ange­sichts der erwähn­ten Heraus­for­de­run­gen, im Fokus. «Wir müssen sicher­stel­len, dass wir mit unse­rem Enga­ge­ment die Wirkung errei­chen, die die Lebens­qua­li­tät der Ärms­ten nach­hal­tig verbes­sert, und wir weiter­hin ein verläss­li­cher Part­ner für unse­re Part­ner­or­ga­ni­sa­tio­nen im Süden blei­ben.» Auch die Suche nach neuen Part­ner­schaf­ten wird die Verant­wort­li­chen in Zukunft beschäf­ti­gen. Für Lucre­zia Meier-Schatz ist klar: «Wir müssen wieder mehr die Gemein­schaft fördern in einer Zeit, in der der Indi­vi­dua­lis­mus Vorhand hat.» In den kommen­den Jahren sollen wieder Aktions­foren statt­fin­den. Die Heraus­for­de­run­gen für Fasten­ak­ti­on werden indes blei­ben. Aber Lucre­zia Meier-Schatz blickt posi­tiv in die Zukunft. Sie weiss: «Die Spen­den­be­reit­schaft in der Schweiz ist nach wie vor gross und dafür sind wir dank­bar.» Fasten­ak­ti­on hat 2022 Spen­den und Beiträ­ge in Höhe von rund 24 Millio­nen Fran­ken, davon 8 Millio­nen aus der öffent­li­chen Hand (u. a. DEZA), erhal­ten und in ihren 12 Länder­pro­gram­men 338 Projek­te unter­stützt. Mit ihrem Enga­ge­ment konn­te sie die Lebens­qua­li­tät von 2,5 Millio­nen Menschen errei­chen, 58 Prozent waren Frauen.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 10. Janu­ar 2024

«Die Lebensgeschichten verbinden»

Eine Tasse Tee trin­ken, zusam­men­sit­zen und sich Geschich­ten aus dem Leben erzäh­len. «Das Bedürf­nis, persön­li­che Geschich­ten zu hören und zu erzäh­len, ist gross», sagt Snje­z­a­na Gajski, kirch­li­che Sozi­al­ar­bei­te­rin. 2024 mode­riert sie in den Räum­lich­kei­ten des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes in Buchs fünf Erzählcafés.

Obwohl sich die Teil­neh­men­den bisher noch nicht kann­ten, entsteht bei einem Erzähl­ca­fé sehr schnell Gemein­schaft, die Lebens­ge­schich­ten verbin­den», sagt Snje­z­a­na Gajski, Leite­rin des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes von Cari­tas St. Gallen-Appenzell und der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg. «Das beein­druckt mich immer wieder. Meis­tens gehen die Gesprä­che schon nach kurzer Zeit in die Tiefe, es ist alles ande­re als Small­talk.» Bei manchen Themen werde es emotio­nal, auch Tränen seien schon geflos­sen – zum Beispiel bei den Themen Geschwis­ter und Freundschaft.

Ohne Bewer­tun­gen

Seit 2021 bietet Snje­z­a­na Gajski in der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg Erzähl­ca­fés an. Sie selbst ist ein gros­ser Fan der parti­zi­pa­ti­ven Metho­de, die seit Ende der 1980er-Jahre in der Erwach­se­nen­bil­dung und Sozi­al­ar­beit zum Einsatz kommt: «Anfangs dach­te ich, dass ich als Mode­ra­to­rin das Gespräch viel akti­ver steu­ern müss­te. Doch meis­tens genügt ein Einstieg und schon spru­delt es. Auch wer anfangs schüch­tern oder zurück­hal­tend ist und einfach nur zuhört, bringt sich doch bald auch selber ein.» Viele schät­zen es, erzäh­len zu können, ohne beur­teilt oder bewer­tet zu werden. Denn das Kommen­tie­ren ist tabu: «Es gibt nur drei Regeln: Man hört dem ande­ren aufmerk­sam zu, alle dürfen erzäh­len und das Gesag­te bleibt in der Gruppe.»

Gegen­sei­ti­ges Verständnis

Bis zu fünf­zehn Teil­neh­men­de sind jeweils beim Erzähl­ca­fé dabei. «Darun­ter auch Männer», betont Snje­z­a­na Gajski. Eini­ge Mitwir­ken­de kommen immer wieder, trotz­dem sei es jeweils eine ganz neue Grup­pe, die sich auf das Thema einlässt. Mit ihrem Ange­bot will Gajski das gegen­sei­ti­ge Verständ­nis fördern: «Ich bin mit den Erzähl­ca­fés in der Corona-Zeit gestar­tet, da waren die Span­nun­gen auch bei unse­ren Cafés deut­lich spür­bar.» Wer am Café teil­nimmt, lerne ande­re Perspek­ti­ven kennen und bekom­me so mit, wie ande­re ein Thema sehen oder welche Erfah­run­gen sie gemacht haben. Das einfa­che Erzäh­len und Zuhö­ren stär­ke die Gesprächs­kul­tur. «Das Erzähl­ca­fé ermög­licht auch Biogra­fie­ar­beit», hält die Sozi­al­ar­bei­te­rin fest. Man setze sich mit der eige­nen Vergan­gen­heit ausein­an­der: Was hat mich geprägt? «Es kann ein Impuls sein, sich selber neu zu betrach­ten und zu verstehen.»

Snje­z­a­na Gajski bietet 2024 Erzähl­ca­fés zu Themen rund um den gesell­schaft­li­chen Wandel an.

Gesell­schaft­li­cher Wandel

Jedes Erzähl­ca­fé beschäf­tigt sich mit einem ande­ren Thema. Die Themen seien so viel­fäl­tig wie die Teil­neh­men­den. Doch der gesell­schaft­li­che Wandel zieht sich wie ein roter Faden durch das Programm. «In vielen Berei­chen lassen sich tief­grei­fen­de Verän­de­run­gen beob­ach­ten», so Gajski, «wir erkun­den, wie der Wandel uns formt, heraus­for­dert und berei­chert.» So geht es zum Beispiel am 12. Janu­ar um «Kirche gestern, heute und morgen» oder am 1. März um «Frau­en­wel­ten im Wandel». Gespannt ist Snje­z­a­na Gajski aber auch auf das Thema «Jugend­li­che», das im Mai auf dem Programm steht. Etwas wird 2024 neu: War die Sozi­al­ar­bei­te­rin mit ihrem Erzähl­ca­fé bisher in den verschie­de­nen Pfar­rei­en der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg zu Gast, finden 2024 alle Erzähl­ca­fés zum Thema «Wandel» in den Räum­lich­kei­ten des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes in Buchs statt.

Maxi­mal 15 Perso­nen: Die Erzähl­ca­fés (19 bis 21 Uhr) werden jeweils in den Räum­lich­kei­ten des Kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes Zentrum Neuhof, Schin­gas­se 2, Buchs ange­bo­ten. Der Eintritt ist frei. Die Teil­neh­mer­zahl ist auf 15 Perso­nen begrenzt. Weite­re Infos und Anmel­dung: www.kathwerdenberg.ch

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 02.01.2024

«Die Bildschirmzeit sollte man im Auge behalten»

In welchen analo­gen und digi­ta­len Lebens­wel­ten bewe­gen sich Jugend­li­che heute? Ennio Mock (14), Schü­ler am Gymna­si­um St. Anto­ni­us in Appen­zell, hat dem Pfar­rei­fo­rum erzählt, welche Apps er nutzt und wann er das Handy sofort weglegt.

Wie infor­mierst du dich über das Weltgeschehen? 

Ennio Mock: Online mehr­heit­lich über Insta­gram und manch­mal auch auf X (ehemals Twit­ter). Zu Hause disku­tie­ren wir viel am Fami­li­en­tisch über poli­ti­sche Themen. 

Wie gehst du mit Kriegs­nach­rich­ten um?

Ennio Mock: Ich infor­mie­re mich aktu­ell nicht so viel über Kriegs­the­men. Ich schaue keine Tages­schau, mein Bruder ist dies­be­züg­lich mehr auf dem Laufen­den und mit ihm rede ich ab und zu darüber. 

Inter­es­sierst du dich auch für loka­le News? Liest du die Zeitung? 

Ennio Mock: Ja, ich lese manch­mal am Morgen den «Appen­zel­ler Volks­freund». Und ich spre­che mit Kolle­gen oder mit meiner Fami­lie über aktu­el­le Gescheh­nis­se in der Region. 

Liest du Bücher oder hörst du Podcasts in deiner Freizeit?

Ennio Mock: Im Lese-Studium lese ich gera­de ein Buch über den Zwei­ten Welt­krieg. Das finde ich sehr inter­es­sant. Podcasts höre ich zum Beispiel während dem Rasen­mä­hen, vor allem unter­halt­sa­me Beiträge. 

Wie sieht dein typi­scher Alltag aus?

Ennio Mock: Ich habe jeden Tag bis am späten Nach­mit­tag Schu­le, ausser am Mitt­woch­nach­mit­tag habe ich frei; dann trai­nie­re ich von 17.00 bis 20.00 Uhr Uniho­ckey. Zudem trai­nie­re ich am Frei­tag­abend und am Sams­tag­mor­gen. Am Wochen­en­de kommen noch Spie­le oder Turnie­re dazu und ich tref­fe mich mit Freun­den oder unter­neh­me etwas mit meiner Fami­lie. Ich bin eigent­lich recht viel unterwegs. 

Das Handy ist zwar immer griff­be­reit, doch hat Ennio eine kriti­sche Haltung ­gegen­über seinem eige­nen Medienkonsum.

Welche Rolle spielt dein Smart­phone in deinem Leben?

Ennio Mock: Ich habe es eigent­lich immer im Hosen­sack. Ich der Schu­le benö­ti­gen wir es regel­mäs­sig für den Unter­richt. Ich brau­che es auch, um mich mit meinen Kolle­gen zu verab­re­den oder um meine Eltern anzu­ru­fen. Abends oder am Wochen­en­de game ich gerne mal online mit Freun­den oder schaue mir Vide­os und Bilder auf sozia­len Netz­wer­ken an. Bei schlech­tem Wetter schaue ich auch mal einen Film auf Netflix. Viel Frei­zeit bleibt mir nicht nebst Schu­le und Sport.

Auf welchen sozia­len Netz­wer­ken bist du unterwegs?

Ennio Mock: Ich nutze mehr­heit­lich Insta­gram und Snap­chat, gele­gent­lich auch X und Filme schaue ich mir auf Netflix an. Auf Insta­gram schaue ich mir Vide­os an und poste ab und zu ein Land­schafts­bild oder Eindrü­cke von Reisen mit meiner Fami­lie. Snap­chat nutze ich vor allem aus Spass und um meine Flämm­chen zu pflegen. 

Kannst du das mit den Flämm­chen auf Snap­chat erklären?

Ennio Mock: Das Flam­men­sym­bol bedeu­tet, dass zwei Freun­de mindes­tens drei Tage am Stück jeweils inner­halb 24 Stun­den «Snaps» ausge­tauscht haben. Um die Flam­men zu halten, muss die betei­lig­te Person täglich ein Foto oder Video im Chat senden, sonst erlischt sie. Eigent­lich ist es ein doofes Beloh­nungs­sys­tem – aber trotz­dem macht es jeder. 

Wie kommu­ni­zierst du mit deinen Freun­den? Welche Messenger-Dienste nutzt du? 

Ennio Mock: Alle wich­ti­gen Nach­rich­ten laufen via Whats­App. Um mit Freun­den abzu­ma­chen, nutze ich Sprach­nach­rich­ten. Wir haben zum Beispiel auch einen Klas­sen­chat sowie einen Team­chat vom Uniho­ckey auf WhatsApp. 

Gemäss der JAMES-Studie 2022 nutzen Jugend­li­che ihr Handy nach eige­nen Anga­ben an einem durch­schnitt­li­chen Wochen­tag rund drei Stun­den, am Wochen­en­de fast fünf Stun­den. Über­ra­schen dich diese Bildschirmzeiten?

Ennio Mock: (denkt nach) Nein, eigent­lich über­ra­schen mich diese Anga­ben nicht, aber es ist schon viel Zeit, die so verschwen­det wird. Eigent­lich soll­te man sie für sinn­vol­le­re Beschäf­ti­gun­gen nutzen.

Löst das Thema «Bild­schirm­zeit» in deiner Fami­lie oder in deinem Freun­des­kreis auch Diskus­sio­nen aus? 

Ennio Mock: Ja, immer mal wieder. Wenn sich meine Noten verschlech­tern, dann möch­ten meine Eltern meine Bild­schirm­zeit über­prü­fen. Manch­mal merke ich dann, dass ich eigent­lich doch noch viel Zeit online bin. Darum finde ich es auch gut, dass man seine eige­ne Bild­schirm­zeit kritisch im Auge behält.

Befolgst du irgend­wel­che Regeln oder Stra­te­gien im Umgang mit deinem Smart­phone? Und wie hand­habt ihr das unter Freunden?

Ennio Mock: Wenn ich ein Video nach dem ande­ren schaue, merke ich gar nicht, was ich konkret geschaut habe, man verliert sich gedank­lich dabei. Und dann kommt plötz­lich ein Moti­va­ti­ons­vi­deo mit so einer Botschaft wie «Hör einfach auf zu scrol­len, leg dein Handy weg. Mach etwas, das dich wirk­lich glück­lich macht» – und dann lege ich mein Handy sofort weg, weil mich das irgend­wie berührt. Der Umgang mit dem Handy ist unter Freun­den recht unter­schied­lich. Mit den einen gehe ich oft raus und unter­neh­me etwas wie Biken oder Fuss­ball­spie­len. Mit ande­ren game ich eher. Ich kenne auch Jugend­li­che, die sich prak­tisch nur noch «online» tref­fen, das finde ich sehr schade.

Die Studie sagt auch, dass Jungs häufi­ger gamen als Mädchen. Mädchen würden dage­gen mehr Zeit auf sozia­len Netz­wer­ken wie TikTok oder Insta­gram verbrin­gen. Erlebst du dies auch so in deinem Umfeld?

Ennio Mock: Ja, das ist voll so. Ich glau­be die Mädchen eifern mehr Influen­cern oder irgend­wel­chen Trends nach. Wir Jungs suchen eher den Wett­kampf. Darum spie­len wir mehr «Clash of Clans» oder «Fort­ni­te». Wir können uns dabei messen und jeder kann persön­lich neue Levels erreichen.

Machst du dir Gedan­ken zu deinem Daten­schutz? Oder anders gefragt: Hast du Einstel­lun­gen zum Schutz deiner Privat­sphä­re aktiviert? 

Ennio Mock: Ja, meine Accounts sind privat und ich folge nur Leuten, die ich kenne. Ich mache mir allge­mein wenig Sorgen über meine Daten, weil ich nicht viel Priva­tes preis­ge­be und mir bewusst ist, dass man sie im Inter­net nicht löschen kann.

Hast du selbst schon Belei­di­gun­gen in Chats oder via Social Media erfah­ren oder von Freun­den miterlebt? 

Ennio Mock: Nein, ich selbst war noch nie betrof­fen. Aber ich habe auch schon mitbe­kom­men, dass sich junge Menschen durch nega­ti­ve Kommen­ta­re gemobbt fühlten. 

Was denkst du, wie wird sich die Welt mit der künst­li­chen Intel­li­genz entwi­ckeln? Wie stark wird sie dein Privat- und Berufs­le­ben beeinflussen? 

Ennio Mock: Ich habe noch nicht so viel Erfah­rung mit ChatGPT und ande­ren KI-Tools, aber ich denke, sie werden unser Leben verein­fa­chen. Wahr­schein­lich brau­chen wir für gewis­se Arbeits­ab­läu­fe in Zukunft weni­ger Zeit  als unse­re Mütter und Väter. 

Ich habe schon mitbe­kom­men, dass sich junge Menschen durch nega­ti­ve Kommen­ta­re gemobbt fühlten.

Ennio Mock, Schü­ler der 2. Klas­se am Gymna­si­um St. Anto­ni­us in Appenzell

JAMES-Studie

JAMES steht für Jugend, Akti­vi­tä­ten, ­Medi­en – Erhe­bung Schweiz. Die Studie der Zürcher Hoch­schu­le für Ange­wand­te Wissen­schaf­ten befragt jeweils über 1000 Jugend­li­che im Alter von 12 bis 19 Jahren zum Freizeit- und Medi­en­ver­hal­ten. → www.zhaw.ch

Veröf­fent­licht am 26. Dezem­ber 2023

Text: Katja Hong­ler, Bilder: Ana Kontoulis

Miteinander die Tagesschau diskutieren

Arbeits­plä­ne, Social Media, Tages­nach­rich­ten – die Schwes­tern des Klos­ters Maria­zell Wurms­bach setzen seit eini­ger Zeit fast ausschliess­lich auf digi­ta­le Medi­en und verzich­ten auf Fern­se­her und teil­wei­se auf gedruck­te Zeitun­gen. Für die Ordens­frau­en bietet der Compu­ter viele Vortei­le, sie wissen aller­dings auch um dessen Gefahren.

Eine idyl­li­sche Ruhe liegt an diesem Morgen über dem Klos­ter Maria­zell Wurms­bach am Ufer des Zürich­sees. Der Schnee­fall der vergan­ge­nen Tage hat das Gelän­de in eine weis­se Schnee­de­cke gehüllt, die Vögel pfei­fen von den Bäumen, auf dem See schwim­men die Enten laut­los ihre Bahnen. Das Ther­mo­me­ter zeigt Minus­gra­de an. Schnel­len Schrit­tes laufen an diesem grau­en Winter­tag Schwes­ter Made­lei­ne Feder­spiel, Schwes­ter Andrea Fux und Schwes­ter Marianne-Franziska Imhas­ly zum Sitzungs­zim­mer im Gäste­haus. Unter dem Arm haben alle drei Ordens­frau­en ihr uner­läss­li­ches Arbeits­ge­rät: den Laptop. Darauf befin­den sich die Arbeits­plä­ne, der E‑Mail-Account mit dem gesam­ten Kommu­ni­ka­ti­ons­ver­lauf, Apps für Online-Meetings und priva­te Notizen. 

Der Laptop ist mitt­ler­wei­le das wich­tigs­te Arbeits­ge­rät der Schwes­tern im Klos­ter Maria­zell Wurmsbach.

Prio­rin Schwes­ter Andrea infor­miert ihre Mitschwes­tern im Sitzungs­zim­mer über den Verlauf des kürz­lich abge­hal­te­nen Zoom-Meetings und bringt sie auf den neus­ten Stand. Die Medi­en­nut­zung hat sich in den vergan­ge­nen Jahren stark gewan­delt. Längst haben die digi­ta­len Medi­en auch im Klos­ter­all­tag Einzug gehal­ten und sind für die Ordens­frau­en mitt­ler­wei­le uner­läss­lich gewor­den. «Der Laptop ist für uns wie ein gros­ses Handy und im Alltag unver­zicht­bar», sagt Schwes­ter Made­lei­ne, die Gäste­schwes­ter. Sie ist die ältes­te in der Runde, was aber nicht heisst, dass sie weni­ger versiert ist in der Hand­ha­bung des Laptops. Stolz zeigt sie die Touchscreen-Funktion an ihrem Bild­schirm und wech­selt gekonnt und blitz­schnell zwischen verschie­de­nen Seiten.

Beamer statt Fernseher

Während die digi­ta­len Medi­en im Alltag des Klos­ters Maria­zell immer mehr an Bedeu­tung gewon­nen haben, nahm jene der analo­gen Medi­en – also von Zeitung, Fern­se­her oder Radio – immer weiter ab. Die Schwes­tern haben sich vor zwei Jahren entschlos­sen, in Zukunft auf einen Fern­se­her zu verzich­ten. «Wir haben ihn nicht mehr gebraucht», erklärt Schwes­ter Andrea. Soll nicht heis­sen, dass die Schwes­tern nicht über das Alltags­ge­sche­hen Bescheid wissen. Inter­es­san­te Fern­seh­bei­trä­ge – haupt­säch­lich Hinter­grund­be­rich­te – werden seit­her noch stär­ker und häufi­ger in der Gemein­schaft ange­spro­chen und wenn gewünscht gemein­sam via Beamer ange­schaut. Die Schwes­tern weisen einan­der auf inter­es­san­te Beiträ­ge hin. Die Tages­schau, den Club oder die ZDF-Talkshow Markus Lanz lässt sich Schwes­ter Andrea aller­dings selten entge­hen und schaut die Sendun­gen am Laptop. Beim gemein­sa­men Mittag­essen infor­mie­ren sich die Schwes­tern zudem täglich mit der SRF-Radiosendung «Rendez-vous» über das aktu­el­le Gesche­hen. Die gedruck­ten Medi­en sind nicht gänz­lich aus dem Klos­ter­all­tag verschwun­den. Die Abos für Tages­zei­tun­gen gibt es weiter­hin, eben­so für verschie­dens­te, meist kirchlich-religiöse Publi­ka­tio­nen. Der «Tages-Anzeiger» wird jedoch per Digital-Abo gelesen. 

Schwes­ter Andrea ist zustän­dig für die Bewirt­schaf­tung der Social-Media-Kanäle.

Inter­es­san­te oder themen­spe­zi­fi­sche Berich­te drucken die Schwes­tern aus und zeigen sie den Mitschwes­tern. «Wir haben einen regen Austausch. Es ist wie in einer gros­sen Fami­lie. Man erfährt fast alles. Dieser Reich­tum ist einer der Vortei­le einer Gemein­schaft», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. Ein Austausch sei sehr wich­tig für die Meinungs­bil­dung. «Wir können die Themen so vertieft und von unter­schied­li­chen Seiten anschau­en. Teil­wei­se ände­re ich meine Meinung dann auch.»

Gemein­sam verarbeiten

Wer heute die aktu­el­len Tages­mel­dun­gen – sei es online oder nicht – verfolgt, stösst häufig auf Nega­tiv­mel­dun­gen. In farbi­gen Bildern sehen wir zerbomb­te Stras­sen, weinen­de Kinder oder sogar verpi­xel­te Leichen in Kriegs­ge­bie­ten. Eini­ge Bilder und die dazu­ge­hö­ri­gen Berich­te sind schwer zu ertra­gen. Auch für die Ordens­frau­en. Schwes­ter Marianne-Franziska ist ange­sichts der aktu­el­len welt­po­li­ti­schen Lage beispiels­wei­se froh, dass sie die Nach­rich­ten bewusst auswäh­len kann auf PLAY SRF und dadurch für ihre Tätig­keit als Geschichts­leh­re­rin infor­miert ist. «Gewis­se Nach­rich­ten sind zum Teil wenig aufbau­end und kolpor­tie­ren Unwich­ti­ges. Ich bin froh, wenn ich mir nicht alles zu Gemü­te führen muss. Ich komme da heute manch­mal an meine Gren­zen», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. 

Die Schwes­tern des Klos­ters Maria­zell Wurms­bach tauschen sich oft in der Gemein­schaft aus – sei es über das aktu­el­le Welt­ge­sche­hen, exter­ne Anfra­gen oder Arbeitspläne.

Die schreck­li­chen Nach­rich­ten verar­bei­te sie, indem sie die betrof­fe­nen Menschen in ihre Gebe­te einschlies­se und mit ihren Schwes­tern über die Gescheh­nis­se spreche.

Frage der Sichtbarkeit

Mit den digi­ta­len Medi­en haben auch die sozia­len Medi­en den Weg ins Klos­ter gefun­den. Das Klos­ter Maria­zell Wurms­bach pflegt einen eige­nen Facebook- und Insta­gram-Account und ist auf YouTube aktiv. «Es wäre komisch, wenn wir nichts posten würden. Das dient auch der Sicht­bar­keit. Es macht Sinn, auf Social Media präsent zu sein, auch als Klos­ter», sagt Schwes­ter Andrea. Sie weiss, wovon sie spricht. Sie ist für die Bewirt­schaf­tung der Social-Media-Kanäle verant­wort­lich. Dies bedeu­tet, dass sie regel­mäs­sig Kommen­ta­re beant­wor­tet, neue Beiträ­ge postet, Kanä­le ande­rer kirch­li­cher Insti­tu­tio­nen durch­fors­tet und ihre Mitschwes­tern über ande­re Accounts auf dem Laufen­den hält. Sie macht die Arbeit gerne, weiss aber auch um deren Auswir­kun­gen: Das Bewirt­schaf­ten der Accounts bindet sehr viele zeit­li­che Ressour­cen. Manch­mal sitzt Schwes­ter Andrea Fux dafür stun­den­lang am Laptop. In der Woche sind es zwischen zwei und zehn Stun­den, «je nach­dem, wie viel grad los ist. Wenn man es rich­tig machen will, braucht es einfach Zeit», sagt die Ordens­schwes­ter. Man merkt: Schwes­ter Andrea würde sich wünschen, manch­mal weni­ger Zeit vor dem Laptop-Bildschirm zu verbrin­gen. Seit eini­ger Zeit hat das Klos­ter deshalb eine Tourismus-Fachfrau in einem 40-Prozent-Pensum ange­stellt. Diese hilft Schwes­ter Andrea bei den Social-Media-Aktivitäten und berei­tet Beiträ­ge auf. «Natür­lich ist es viel Aufwand, aber der gehört dazu und unser dies­be­züg­li­ches Enga­ge­ment bringt auch Vortei­le: Die Teil­neh­me­rin­nen und Teil­neh­mer unse­rer ‹Auszeit für junge Menschen› oder der ‹Lern­ta­ge am See› sind fast alle durch unse­re bewor­be­nen Beiträ­ge auf Insta­gram und Face­book auf unse­re Ange­bo­te aufmerk­sam geworden.»

Von den Jungen lernen

Die Kennt­nis­se für die Bewirt­schaf­tung und Hand­ha­bung der Social-Media-Kanäle hat sich Schwes­ter Andrea im Laufe der Jahre mehr­heit­lich selbst erar­bei­tet. Zudem besuch­te sie mehre­re Kurse zu diesem Thema. 

Die Schwes­tern sind versiert im Umgang mit den digi­ta­len Medien.

Für die Schwes­tern sind nicht alle Social-Media-Kanäle gleich nütz­lich. So haben sie sich bewusst gegen einen eige­nen TikTok-Account entschie­den. «Das braucht zu viel Zeit, wenn man es profes­sio­nell machen will. Wenn man einen Kanal hat, muss man diesen auch bewirt­schaf­ten, ansons­ten ist das kontra­pro­duk­tiv», sagt Schwes­ter Andrea. Schwes­ter Marianne-Franziska konn­te und kann bezüg­lich Inter­net und digi­ta­ler Medi­en als Lehre­rin im Talent-Campus Zürich­see viel von ihren Schü­le­rin­nen und Schü­lern lernen. «Die Jungen gehen natür­li­cher mit dem Inter­net um. Sie können mir viel zeigen und mir immer wieder helfen.» Aller­dings hat sich Schwes­ter Marianne-Franziska mitt­ler­wei­le viel eige­nes Wissen ange­eig­net und konn­te bei der jünge­ren Gene­ra­ti­on auch schon mit ihren Kennt­nis­sen bril­lie­ren. «Wenn ich den Jugend­li­chen helfen oder ihnen etwas erklä­ren kann, macht mich das natür­lich stolz», sagt sie. A jour blei­ben die Schwes­tern auch im Austausch mit den jungen Erwach­se­nen, welche beim Ange­bot «Auszeit für junge Menschen» mitma­chen und Tür an Tür mit der Klos­ter­ge­mein­schaft leben und auch mitarbeiten.

Erwach­se­ne in der Pflicht

Trotz der Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der die Schwes­tern die sozia­len Medi­en nutzen, sehen sie darin auch eine Gefahr. «Smart­phone, Compu­ter und Social Media können schnell zur Sucht werden, vor allem für Jugend­li­che in der Ober­stu­fe», sagt Schwes­ter Marianne-Franziska. Für sie sei es nicht immer einfach, weil Smart­phone und Inter­net heute ein unver­zicht­ba­rer Teil des Alltags gewor­den seien. Schwes­ter Andrea sieht vor allem die Erwach­se­nen in der Pflicht. «Wir haben eine riesi­ge Verant­wor­tung gegen­über den Jungen, die wir leider oft zu wenig wahr­neh­men.» Als Erwach­se­ner müsse man den Jugend­li­chen bewusst machen, dass Smart­phone und Inter­net zwar Vortei­le bieten und gut seien, dass es aber auch wich­tig und wert­voll ist, reale Erfah­run­gen zu machen. «Wir Erwach­se­nen müssen den Jugend­li­chen Alter­na­ti­ven und einen ande­ren Tages­rhyth­mus bieten.» Das Smart­phone ist für die Schwes­tern mitt­ler­wei­le zu einem verstaub­ten Relikt gewor­den. Im Klos­ter­all­tag wird es nicht regel­mäs­sig gebraucht – ganz nach der Bene­dikts­re­gel, in der das «Mass­hal­ten» in verschie­dens­ter Hinsicht ein zentra­ler Wert ist. Schwes­ter Made­lei­ne nimmt es noch mit, wenn sie das Klos­ter­ge­län­de verlässt, beispiels­wei­se auf Velo­fahr­ten, zum Foto­gra­fie­ren oder zur Konsul­ta­ti­on der Wetter­pro­gno­se. Auch die ande­ren Schwes­tern verzich­ten im Alltag fast gänz­lich auf das Smart­phone – der Laptop als «gros­ses Handy» leis­tet seinen Dienst zur volls­ten Zufriedenheit.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 23.12.2023

Architektur und Musik als Lebenspfeiler

Auf einer Anhö­he bei Berg thront das Schloss Klei­ner Hahn­berg. Schloss­herr ist Archi­tekt Robert Bamert. Er hat in seinem Leben zahl­rei­che öffent­li­che Projek­te reali­siert – etwa den Umbau und die Restau­rie­rung der Tonhal­le St. Gallen.

Drei­mal an der Türe zum Schloss­turm klop­fen, so laute­te die Vorga­be. Gesagt, getan, und schon führt uns Robert Bamert durch die statt­li­chen Räume  des Schlos­ses Klei­ner Hahn­berg bei Berg. Seit fast 50 Jahren bewohnt er das 500-jährige Haus, das er über viele Jahre restau­riert hat, um die Spuren der Geschich­te ans Licht zu brin­gen. Robert Bamert ist 84 Jahre alt und Archi­tekt. Zu seinen renom­mier­tes­ten Neubau­ten zählen die ETH-Lausanne aus den 70er-Jahren, die Sied­lung Wolf­gang­hof im Westen St. Gallens und das Schul­heim für schwer­be­hin­der­te Kinder in Kron­bühl. Er verant­wor­te­te unter ande­rem die Reno­va­ti­on des St. Galler Bahn­hofs und der Tonhal­le oder der Kunst­hal­le Ziegel­hüt­te Appen­zell sowie zahl­rei­che Kirchen­re­stau­rie­run­gen, etwa der katho­li­schen Andreas-Kirche Gossau und der Klos­ter­kir­che Fischingen.

«Archi­tek­tur, die Schwes­ter der Musik»

Die Archi­tek­tur ist nicht Robert Bamerts einzi­ge Leiden­schaft. Die zwei­te gehört seit über 70 Jahren der Musik. Jeden Morgen setzt er sich an eines seiner Tasten­in­stru­men­te, etwa an seine Mathis-Orgel im Erdge­schoss des Schlos­ses. Er ist über­zeugt: «Man beginnt den Tag einfach anders – ruhi­ger, harmo­ni­scher.» Wenn Robert Bamert über die Musik spricht, begin­nen seine Augen zu leuch­ten. Begon­nen hat alles in der 6. Klas­se mit dem Bau einer Geige. «Sie war eckig, aber hat geklun­gen.» Zu dieser Zeit begann er auch Gottes­diens­te in der Kathe­dra­le zu besu­chen. «Ich war faszi­niert vom Raum, den Figu­ren, Bildern und der Dom-Musik von Orgel und Chor.» Diese Besu­che und der St. Galler Klos­ter­plan präg­ten Robert Bamert derart, dass er sich schliess­lich für das Archi­tek­tur­stu­di­um entschied. Die Bezie­hung zur Kathe­dra­le St. Gallen besteht bis heute. Während 20 Jahren amte­te er dort als Organisten-Aushilfe. Mit 77 Jahren verab­schie­de­te er sich mit der dori­schen Tocca­ta von J. S. Bach. Die Musik nennt Bamert – nebst der Archi­tek­tur – seinen Lebens­pfei­ler. Mit 65 Jahren hat er sich seinen Traum erfüllt und das Studi­um der Musik­wis­sen­schaft aufge­nom­men. «Dabei durf­te ich lernen, wie bedeu­tend das Klos­ter St. Gallen für die frühes­te Entwick­lung der abend­län­di­schen Musik war.» Die Archi­tek­tur bezeich­net Robert Bamert als «Schwes­ter der Musik». Er spricht von harmo­ni­ka­len Propor­tio­nen: «Wenn etwas harmo­niert, ist es schön – sowohl in der Musik als auch in der Architektur.»

Für mehre­re Gene­ra­tio­nen denken

Die Faszi­na­ti­on, einen Klang­kör­per zu schaf­fen, hat Robert Bamert nicht mehr losge­las­sen. Im Laufe der Jahre hat er mehre­re Tasten-Instrumente nach histo­ri­schen Vorbil­dern gebaut. Vor über 14 Jahren hat er mit dem Bau von zwei Orgeln begon­nen – einer Spani­schen und einer Italie­ni­schen. Vor weni­gen Wochen ist er damit fertig gewor­den. Demnächst sollen sie ihren Platz im Konzert­raum im Erdge­schoss des Schlos­ses einneh­men, und Robert Bamert hat bereits das nächs­te Projekt geplant: Ein Astro­la­bi­um am Schloss­turm, ein Uhrwerk, mit dem man Verän­de­run­gen am Himmel nach­bil­den kann. Seit 30 Jahren treibt ihn diese Idee um. Gleich wie beim Instru­men­ten­bau hat er sich dafür in spezi­fi­sche Lite­ra­tur vertieft. Still­ste­hen ist für den kinder­lo­sen Seni­or keine Opti­on. Warum er das alles macht im hohen Alter, ist man gewillt zu fragen. Robert Bamert über­legt keine Sekun­de. «Gut gebau­te Instru­men­te können bis 300 Jahre alt werden und blei­ben für die nächs­ten Gene­ra­tio­nen erhal­ten und spiel­bar.» Er lässt den Blick über den Park und sein Schloss glei­ten. «Etwas zu schaf­fen, das Gene­ra­tio­nen über­dau­ert, macht Sinn und Freude.»

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontoulis

Wachsreste für die Ukraine

Die Ukrai­ne­rin Nata­lia Moser hat im vergan­ge­nen Jahr eine Hilfs­ak­ti­on gestar­tet. Dabei konn­te sie auf die Unter­stüt­zung der ­Pfar­rei Berschis-Tscherlach zählen. Im Novem­ber wurde das Projekt zum ­zwei­ten Mal durchgeführt.

«Haben Sie Kerzen­res­te?» Welch gros­se Wirkung eine solch einfa­che Anfra­ge haben kann, zeigt das Beispiel von Nata­lia Moser. Die 51-Jährige wohnt seit 22 Jahren in Tscher­lach und hat in der klei­nen Gemein­de am Walen­see im vergan­ge­nen Jahr eine Hilfs­ak­ti­on ins Leben geru­fen. Mehre­re hundert Kilo­gramm Wachs­res­te wurden auf ihre Initia­ti­ve hin in den umlie­gen­den Pfar­rei­en gesam­melt und in Mosers Heimat­land zu Kerzen verar­bei­tet. Aber von Anfang an: Nata­lia Moser stammt aus der Ukrai­ne – jenem Land, das seit Jahren unter den Angrif­fen von Russ­land leidet. Sie verfolgt die Nach­rich­ten aus dem Heimat­land aufmerk­sam und mit gros­sem Schmerz. «Die Bilder zu sehen, tut unheim­lich weh. Die Situa­ti­on macht einen ohnmäch­tig. Man versteht das alles gar nicht», sagt sie. Den Menschen in der Ukrai­ne fehle es am Notwen­digs­ten. «Es gibt vieler­orts keinen Strom und kein Wasser.» Als Nata­lia Moser im vergan­ge­nen Jahr eine Anfra­ge von ihrer Freun­din Lesja Berger aus dem Rhein­tal erreich­te, ob sie eine Sammel­ak­ti­on für Wachs­res­te star­ten könne, zöger­te sie keine Sekun­de. «Es ist nicht viel, das ich hier machen kann. Aber wenn ich helfen kann, dann helfe ich», sagt Moser.

Spezi­el­le Herstellungstechnik

Die Wachs­res­te werden in der Ukrai­ne gebraucht, um eine Art Hinden­burg­licht herzu­stel­len. Dieses wurde schon im Ersten Welt­krieg einge­setzt, um in Luft­schutz­bun­kern oder Schüt­zen­grä­ben für eine Notbe­leuch­tung zu sorgen. Die Kerzen­res­te werden via das Rhein­tal an Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen in der Ukrai­ne gelie­fert. Diese schmel­zen das Wachs ein und gies­sen es in leere Konser­ven­do­sen. Als Docht fungie­ren Karton­strei­fen, welche – teils spiral­för­mig oder als Paar – in den noch heis­sen Wachs geführt werden. Durch die spezi­el­le Herstel­lungs­tech­nik sollen die Kerzen für mehr Hellig­keit sorgen. «Licht und Wärme sind sehr wich­tig für die Menschen in der Ukrai­ne. Vor allem jetzt im Winter.» Die Kerzen werden gemäss Nata­lia Moser in ehren­amt­li­cher Arbeit gefer­tigt und kosten­los an die Bevöl­ke­rung verteilt. «Es ist eine einfa­che Sache mit gros­ser Wirkung.»

Pfar­rei koor­di­niert Sammlung

Schnell war für Nata­lia Moser klar, dass sie für die Akti­on Unter­stüt­zung bei der katho­li­schen Kirche sucht. In Pavel Zupan aus der Pfar­rei Berschis-Tscherlach hat sie eine wert­vol­le Unter­stüt­zung gefun­den. Zupan war sofort Feuer und Flam­me für das Projekt und koor­di­nier­te die Samm­lung fort­an. Der Trans­port wurde im Rhein­tal orga­ni­siert. Zu den 250 Kilo­gramm gesam­mel­ten Wachs­res­ten spen­de­te die Hong­ler Kerzen AG aus Altstät­ten noch­mals 250 Kilo­gramm Wachs und so fand im vergan­ge­nen Jahr schliess­lich eine  halbe Tonne Mate­ri­al den Weg in die Ukrai­ne. «Das Wohl­wol­len und die Unter­stüt­zung war riesen­gross. Ich hätte nie damit gerech­net, dass so viel Wachs zusam­men­kommt», sagt Nata­lia Moser. Sie hat in der Schweiz eine neue Heimat gefun­den. Ande­ren geht es nicht so. «Viele Menschen, die geflo­hen sind, wollen wieder heim.» Die Hilfs­ak­ti­on wurde diesen Novem­ber zum zwei­ten Mal durch­ge­führt. ­Nata­lia Moser ist dank­bar für die Hilfe aus der Pfar­rei und spricht zum Schluss noch eine ande­re wich­ti­ge Kompo­nen­te an: «Das Projekt zeigt den Menschen in der Ukrai­ne, dass sie nicht verges­sen werden.»

Die Sammel­ak­ti­on dauert bis Janu­ar. Wachs­res­te und Kerzen können an folgen­den Sammel­stel­len abge­ge­ben werden: Kath. Kirche Lauren­ti­us Flums; Kath. Kirche Johan­nes der Täufer Murg; Kath. Kirche Johan­nes Evan­ge­list Tscher­lach; Kath. Kirche Luzi­us und Florin Walen­stadt, Kath. Pfarr­amt Berschis, Allm­end­stras­se 16.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Regi­na Kühne
Veröf­fent­li­chung: 1. Dezem­ber 2023

«Traditionen stiften Identität»

Nicht nur der Advent und die Weih­nachts­zeit, sondern unser ganzes Leben ist von Tradi­tio­nen geprägt. Im Inter­view erklärt Manue­la Reiss­mann, Fach­ver­ant­wort­li­che der kanto­na­len Fach­stel­le Kultur­er­be St. Gallen, warum Tradi­tio­nen für unse­re Gesell­schaft wich­tig sind.

Wie entste­hen Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Wenn beispiels­wei­se bestimm­te Kennt­nis­se, Werte oder Über­zeu­gun­gen, Ereig­nis­se oder Tätig­kei­ten von mehre­ren Menschen regel­mäs­sig wieder­holt und weiter­ge­ge­ben werden, können sich daraus über den Zeit­raum von mehre­ren Gene­ra­tio­nen Tradi­tio­nen bilden. Die Grün­de für die Entste­hung von Tradi­tio­nen sind dabei sicher so viel­fäl­tig wie die Tradi­tio­nen selbst.

Was können solche Grün­de für neue ­Tradi­tio­nen sein?

Manue­la Reiss­mann: Die Alpwirt­schaft zum Beispiel brach­te verschie­de­ne Tradi­tio­nen hervor wie die Alpfahr­ten, Betru­fe und die Käse­pro­duk­ti­on. Das Wissen um land­wirt­schaft­li­che oder hand­werk­li­che Tech­ni­ken konn­te das Einkom­men sichern. Aus der Notwen­dig­keit von Hirten und Bauern, in den Bergen über weite Entfer­nun­gen zu kommu­ni­zie­ren, entstand das Alphorn­spie­len und vermut­lich auch der Jodel. Dann gibt es zahl­rei­che Bräu­che im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten, wie die Fasnachts­bräu­che zum Vertrei­ben des Winters. Und natür­lich spie­len auch die Reli­gio­nen eine wich­ti­ge Rolle bei der Entste­hung von Tradi­tio­nen, wie beispiels­wei­se das Chris­ten­tum beim Weih­nachts­fest, das heute in vielen Ländern gefei­ert wird.

Wann spricht man von einer Tradition?

Manue­la Reiss­mann: Hinter dem Begriff «Tradi­ti­on» verber­gen sich Bräu­che, Gepflo­gen­hei­ten, Fertig­kei­ten und Ausdrucks­for­men, die inner­halb einer Grup­pe oder Gemein­schaft gelebt, gepflegt und von einer Gene­ra­ti­on an die nächs­te weiter­ge­ge­ben werden. Tradi­tio­nen finden sich in verschie­de­nen Berei­chen und umfas­sen beispiels­wei­se Formen des Musi­zie­rens, Bräu­che und Kennt­nis­se in land­wirt­schaft­li­chen Berei­chen, Tradi­tio­nen im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten und hand­werk­li­che Fertig­kei­ten. Sie können unter ande­rem in Fami­li­en, durch Träger­schaf­ten wie Verei­ne, Berufs­grup­pen, reli­giö­se Gemein­schaf­ten sowie durch Gemein­den oder Regio­nen ausge­übt und weiter­ent­wi­ckelt werden.

Wie wich­tig sind Tradi­tio­nen für uns?

Manue­la Reiss­mann: Welche Bedeu­tung Tradi­tio­nen beigemes­sen wird, ist sehr unter­schied­lich. Für manche mag es eher nach etwas Verstaub­tem und Über­flüs­si­gem klin­gen, ande­re setzen sich inten­siv für ihre Bewah­rung und Über­lie­fe­rung ein. Bei den meis­ten Menschen dürf­te die Verbun­den­heit mit Tradi­tio­nen wohl irgend­wo dazwi­schen liegen. Grund­sätz­lich kann man aber sagen, dass Tradi­tio­nen Iden­ti­tät stif­ten und die Zusam­men­ge­hö­rig­keit in einer Gemein­schaft stär­ken sowie Orien­tie­rung und Stabi­li­tät vermit­teln können. Durch sie erhal­ten wir Infor­ma­tio­nen zu unse­rer Herkunft und Geschich­te und können somit aus der Vergan­gen­heit lernen und einen Nutzen für die Gestal­tung unse­rer Gegen­wart und viel­leicht auch Zukunft gewinnen.

Wie stark hängen Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen zusammen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen können auf verschie­de­ne Weise zusam­men­hän­gen. Dazu gehö­ren sicher die Erwar­tun­gen an Perso­nen einer Gemein­schaft, dass tradier­te Regeln, Gepflo­gen­hei­ten oder Prak­ti­ken beibe­hal­ten und fort­ge­führt werden. So haben viele Menschen bestimm­te Ritua­le, Abläu­fe und Spei­sen für das Weih­nachts­fest, vieles davon wurde über Gene­ra­tio­nen weiter­ge­ge­ben. Auch daran sind Erwar­tun­gen geknüpft, zum Beispiel Besinn­lich­keit und Gebor­gen­heit im Krei­se der Liebs­ten zu erfah­ren und zu bewah­ren. Es lässt sich wohl sagen, dass Erwar­tungs­hal­tun­gen dazu beitra­gen können, dass Tradi­tio­nen erhal­ten blei­ben oder aber auch dazu, dass sie abge­lehnt werden, zum Beispiel dann, wenn sie persön­li­chen Werten zu stark entgegenstehen.

Wann verän­dern sich Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen müssen sich manch­mal ändern, um weiter fort­be­stehen zu können. Manch­mal endet eine Tradi­ti­on auch. Ob und wie sich Tradi­tio­nen ändern, hängt von verschie­de­nen Einfluss­fak­to­ren ab. Dies können beispiels­wei­se die bereits erwähn­ten Erwar­tungs­hal­tun­gen, neue tech­no­lo­gi­sche Errun­gen­schaf­ten oder kultu­rel­ler Wandel, verän­der­te Werte, Bedürf­nis­se und Lebens­wei­sen sein, die auf eine Tradi­ti­on wirken. Eben­so kann die kommer­zi­el­le oder touris­ti­sche Verwer­tung einer Tradi­ti­on diese verän­dern oder aber auch vermeint­lich authen­tisch erhal­ten. Das Inter­es­se der jeweils jünge­ren Gene­ra­ti­on an einer Tradi­ti­on sowie die Art, wie diese das Über­lie­fer­te für sich inter­pre­tiert, lebt und weiter­ent­wi­ckelt, ist eben­falls von gros­ser Bedeutung.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 23. Novem­ber 2023

Fröhliche Weihnachten für alle

Nicht alle schau­en Weih­nach­ten freu­dig entge­gen: Eini­ge fühlen sich einsam, kämp­fen mit ­finan­zi­el­len Engpäs­sen, sind gestresst wegen den Vorbe­rei­tun­gen oder befürch­ten fami­liä­re Konflik­te. Das Pfar­rei­fo­rum zeigt, wie Pfar­rei­en und Privat­per­so­nen an Heilig­abend für diese Menschen da sind.

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Leserfrage: Würden Sie wieder Theologie studieren?

Ein langer Prozess liess mich step by step auf dem drit­ten Bildungs­weg Theo­lo­gie studie­ren. Es war eine genia­le, ­inter­es­san­te Zeit, für die ich sehr dank­bar bin.

Ursprüng­lich war der Abschluss zur Theo­lo­gin nicht geplant. Er ist gewor­den dank vielen Menschen und Erfah­run­gen auf dem Weg. Da waren junge Menschen. Es waren Erfah­run­gen als Mutter, die mich den mütterlich-väterlichen Gott entde­cken lies­sen. Da waren aber auch die Menschen im Alters- und Pfle­ge­heim, die ich in den Tod beglei­ten durf­te. Die Not der ster­ben­den Menschen, die sich in Sätzen zeig­te wie: «Schwes­ter Judith, brin­gen Sie mir nie einen Pries­ter!» oder die Aussa­ge von Frau­en: «Wie schön, Sie dürfen eine theo­lo­gi­sche Ausbil­dung machen – ich wäre so gerne Pries­te­rin gewor­den» haben mich dazu gedrängt, den Abschluss zu machen. Ich woll­te und will den Menschen, denen Gott – einfach durch ihr Mensch­sein und beson­ders in der Taufe – die könig­li­che, prophe­ti­sche und pries­ter­li­che Würde ein für alle Mal zuge­spro­chen hat, Raum und Stim­me geben.

Die aktu­el­le Situa­ti­on in der Kirche?

Die Miss­brauchs­stu­die – sie hat mich nicht über­rascht. Ich verste­he die Menschen, die den Kirchen­aus­tritt geben. Dabei geht es nicht um den Austritt aus dem Glau­ben, es geht um die Unglaub­wür­dig­keit unse­rer kirch­li­chen Struk­tu­ren. Leider sind sich die Austre­ten­den oft nicht bewusst, dass sie damit haupt­säch­lich die Pfar­rei­en vor Ort schwä­chen, denn nur ein ganz klei­ner Teil der Kirchen­steu­er geht ans Bistum oder noch weiter. Ich bin aber auch für all jene dank­bar, die trotz allem blei­ben, uns so in der Pfar­rei­ar­beit unter­stüt­zen und dadurch Hoffnungsträger:innen sind. Die Welt­syn­ode, die momen­tan in Rom statt­fin­det: Was ich da erwar­te? Ein Wunder!

Warum ich immer noch in der Kirche arbeite?

Weil für mich der christ­li­che Glau­be das Poten­zi­al hat, Sinn und Hoff­nung in frohe und in schwie­ri­ge Lebens­si­tua­tio­nen zu geben. Und weil ich mich freue, in all diesen unter­schied­li­chen Situa­tio­nen Menschen beglei­ten zu dürfen. Weil da Menschen sind vor Ort, die mitein­an­der und fürein­an­der da sind. Weil ich dank­bar bin fürs Team, die Räte und Ehren­amt­li­chen, dass wir einan­der unter­stüt­zen. Weil da Menschen sind, die aufste­hen für not-wendende Refor­men in der Kirche. Ich denke an die Junia-Initiative, Maria 2.0, die Alli­anz gleich­wür­dig katho­lisch, «So nicht!» und viele mehr. Weil ich dank­bar bin für die vielen, die beten und mit denen ich beten darf und so im Vertrau­en auf Gottes Geist­kraft die Anlie­gen der Welt vor ihn brin­gen. Auch wenn immer wieder düste­re Wolken über der Kirche und unse­rem Leben krei­sen, so wünsche ich uns allen das Vertrau­en in die Lebens- und Liebes­kraft. Ich wünsche uns allen den Mut, für nöti­ge Verän­de­run­gen einzu­ste­hen und die Hoff­nung und Zuver­sicht, dass Gottes Geist­kraft uns begleitet.

Judith Romer-Popp
Seel­sor­ge­rin, Seel­sor­ge­ein­heit Steinerburg

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Veröf­fent­li­chung: 10. Novem­ber 2023

Adventsengel

Die 3. Ober­stu­fen­schü­le­rin­nen der Mait­li­sek Gossau haben für den Advent 2023 eine Advents­bei­la­ge für das Pfar­rei­fo­rum gestaltet.

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