Über 2500 Personen aus dem ganzen Bistum St.Gallen haben bereits die Erklärung “So nicht!» der Katholischen Kirche in der Stadt St.Gallen unterzeichnet. Angesichts der Missbrauchsfälle fordert die Bewegung einen Kultur- und Strukturwandel in der Kirche.
2514 Personen haben auf reformenjetzt.ch die Aktion «So nicht» unterzeichnet (Stand Redaktionsschluss 13. Oktober). Darunter Menschen aus urbanen Pfarreien wie Rapperswil oder Wil, aber auch aus ländlichen Regionen wie dem Walensee oder Sarganserland. «In der Erklärung nennen wir mehrere Punkte, die zu einem Kulturwandel in der Katholischen Kirche führen sollen», sagt Ann-Katrin Gässlein, eine der Initiatinnen. “Wir stellen die Machtfrage, die Sexualmoral, das Priesterbild, die Rolle der Frau und die Ausbildungs- und Personalpolitik in Frage, weil wir wissen, dass Kirche auch anders sein kann.» Ann-Katrin Gässlein ist katholische Theologin und Religionswissenschaftlerin. Sie arbeitet für das Ressort «Kultur und Bildung» der Katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen. Anfangs richtete sich die Bewegung an Gläubige, freiwillig Engagierte und kirchliche Mitarbeitende in der Stadt St. Gallen. Das Echo war gross, deshalb wurde sie für Menschen im ganzen Bistum geöffnet.
Nicht gegen Kirchenrecht
Eines fällt beim Blick in die Reformvorstösse gleich auf: Ganz heisse Eisen wie das Pflichtzölibat oder die Zulassung der Frauen zum Priesteramt kommen nicht vor. «Das Pflichtzölibat wird oft als erstes genannt”, räumt Ann-Katrin Gässlein ein, “diese Entscheidung liegt jedoch beim Papst. Unabhängig davon, ob solche Anliegen berechtigt sind, man kann es sich damit auch einfach machen: Man delegiert es an “die da oben”. Wir setzen auf einen anderen Stil: Wir werden als Basis aktiv.” Sie persönlich sei skeptisch, ob die Abschaffung des Pflichtzölibats das dringendste Anliegen sei. “Viel drängender sind Themen wie die Gleichstellung von Mann und Frau, Transparenz und Mitsprachemöglichkeiten der Gläubigen, unserer katholischen Basis.”
Teil der Lösung sein
Die St. Galler Reformaktion ist nicht der erste Versuch: Initiativen wie «Kirche mit* den Frauen», das schweizweite “Gebet am Donnerstag” für die Gleichstellung, die deutsche Aktion “Maria 2.0”, die auch in der Schweiz Sympathisant*innen mobilisierte, oder die “Allianz gleichwürdig katholisch” haben schon vor Jahren versucht, Bischöfe und den Papst zum Umdenken zu bringen. Konkretes ist wenig passiert. Ist bei «So nicht!» der Frust nicht vorprogrammiert? “Diese Initiativen waren und sind wichtig”, so Ann-Katrin Gässlein, “Unsere Reformvorstösse fokussieren auf Anliegen, die nach aktuellen kirchenrechtlichen Vorgaben auch realistisch sind. Um sie umzusetzen, braucht es nur Mut vonseiten der Bischöfe und der verantwortlichen Gremien – sowie den Druck von der Basis, weder ein neues Konzil noch einen neuen Papst.» Ann-Katrin Gässlein hält fest: “Wir wollen nicht gegen den Bischof agieren. Wir überlegen uns schon im Vorfeld, was im Bistum konkret umsetzbar ist. Wir wollen Teil der Lösung sein.” Darüber hinaus pocht sie auf die Verantwortung der Leitungsebene: „Wir erwarten, dass unsere Schweizer Bischöfe in Rom Spielraum für die Gestaltung neuer Strukturen in der Ortskirche hartnäckig einfordern.“
Feier in der Kathedrale
Anfang Oktober wurden die ersten Vorstösse bei Bischof Markus Büchel, aber auch anderen Verantwortungsträgern wie dem Domdekan oder dem Katholischen Administrationsrat eingereicht. “Wir machen das öffentlich und erwarten auch eine öffentliche Antwort”, sagt Ann-Katrin Gässlein. Unabhängig davon seien in den nächsten Monaten verschiedene Aktionen geplant. Und die Bewegung ist spirituell verankert: Am Sonntag, 10. Dezember 2023, um 16 Uhr findet eine Feier in der Kathedrale St. Gallen statt. Geleitet wird sie von den beiden Theologinnen Hildegard Aepli und Stefania Fenner sowie Dompfarrer Beat Grögli. Im Reformprozess geht es laut den Verantwortlichen auch darum, zusammen zu stehen, sich zu stärken und zu verbinden. Alle Mitfeiernden sind eingeladen, eine Kerze mitzubringen. Aktuell werden laut Ann-Katrin Gässlein bereits weitere Reformvorstösse ausgearbeitet – unter anderem zum Thema Privatleben: “Das Bistum soll künftig die partnerschaftlichen Beziehungen der Gläubigen und der Seelsorgenden respektieren. Konkret: Bei den Gesprächen und Formularen, mit denen Seelsorgende bei der Berufseinführung im Bistum St.Gallen konfrontiert werden, sollen die partnerschafltichen Beziehung kein Kriterium für die Zulassung mehr sein.” So schnell wird es also nicht ruhig um die St.Galler Bewegung “So nicht!”.
Text: Stephan Sigg
Bild: zVg.
Veröffentlicht: 13. Oktober 2023
Zeitungsinserat, Trauerfeier und Online-Petition
Der Missbrauchsskandal und das Verhalten der St.Galler Bischöfe Markus Büchel und Ivo Fürer hat Betroffenheit und Wut ausgelöst. Die Katholische Kirche St. Gallen setzte neben der Online-Petition «So nicht!» auch mit einer Trauerfeier und einem Zeitungsinserat ein Zeichen: Rund 500 Gläubige trafen sich am 18. September zu einer Art Trauerfeier in der Kathedrale St. Gallen und teilten Enttäuschung und Wut, aber auch Hoffnung. Im St. Galler Tagblatt forderten kirchliche Mitarbeitende in einem ganzseitigen Inserat einen Strukturwandel – das Inserat wurde darauf auf Facebook und Instagram in der ganzen Deutschschweiz geteilt. Einige Pfarreien aus dem Bistum St. Gallen veröffentlichten das Plakat in ihren Social-Media-Kanälen und auf ihren Websites.
Viele kennen die Situation nur allzu gut: Man läuft durch die Stadt und trifft auf Menschen, die einen nach Geld fragen. Etwas geben oder nicht? Die Entscheidung ist nicht einfach – und hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Ich persönlich gebe meistens den Bettelnden etwas: Manchmal Geld, aber nicht immer.
Gute Erfahrung habe ich gemacht, indem ich Menschen auch Essen kaufe, nach dem sie verlangen. Dies bot ich zum Beispiel einem jungen Mann am Bahnhof an, der mich nach Geld fragte. Er nahm das Angebot dankend an und es machte mir auch Freude, ihm etwas zu schenken, von dem ich wusste, dass es ihm wirklich dient. Ich denke, das ist meistens das Problem bei Bettel-Anfragen: Man ist sich nicht sicher, wofür die bettelnden Menschen das verlangte Geld ausgeben. Man möchte sicher sein, dass es wirklich für die Befriedigung von Grundbedürfnissen ausgegeben und nicht einfach als Taschengeld benutzt wird. Einem bettelnden Menschen Naturalien oder einen konkreten Einkauf anzubieten, erachte ich als einen guten Kompromiss.
Das Erlebnis mit dem jungen Mann am Bahnhof hat in mir ein paar Überlegungen ausgelöst: Was sagt es über unsere Gesellschaft aus, wenn man grosse Bedenken hat, jemandem Geld zu geben, damit er sich etwas kaufen kann? Wir sind gegenüber Menschen, die betteln, kritisch eingestellt. Oft vertrauen wir ihnen nicht und haben ihnen gegenüber viele Vorurteile. Das ist ganz normal und menschlich. Aber wieso soll man nicht gerade die Vorurteile überwinden und etwas geben? Gerade uns Christen kann in diesem Zusammenhang das Gebot der Goldenen Regel ein Leitgedanke sein: Alles nun, was Ihr wollt, dass Euch die Menschen tun, das tut auch Ihr ihnen ebenso (Matthäus 7,12).
Das Gebot fordert uns auf und lehrt uns, jemanden so zu behandeln, wie wir selbst gerne behandelt werden wollen. In solchen Situationen sollten wir uns immer wieder fragen: Wie sollen die Menschen uns behandeln, wenn wir in Not sind? Wenn wir selber im Alltag in irgendeiner Weise Hilfe benötigen, sind wir ebenfalls froh, wenn uns geholfen wird, ohne gross zu fragen oder von uns etwas zu verlangen. Bei manchen sind sie offensichtlicher (wie zum Beispiel bei bettelnden Menschen) und bei manchen verborgener. Warum also sollten wir nicht auch helfen, wenn andere in Not sind?
Und Hand aufs Herz: Die meisten von uns haben genug Geld, dass ein oder zwei Franken wirklich entbehrlich sind und man diese den bettelnden Menschen gut geben kann. Letztlich bleibt es aber natürlich die freie Entscheidung jeder einzelnen Person, wie er oder sie in solchen Momenten reagiert.
Eine neue Studie untersucht den Zusammenhang zwischen Religiosität und Engagement und kommt zum Schluss, dass religiös praktizierende Menschen stärker freiwillig tätig sind.
«Freiwillige gesucht», «Haben Sie Zeit und wollen sich einbringen?», «Wollen Sie sich ehrenamtlich engagieren?» Wer im Internet über Organisationen oder Vereine recherchiert, stösst oft auf solche Aussagen. Nicht zuletzt die Organisatoren von kirchlichen Veranstaltungen, wie etwa den Rorate-Frühstücken (im Bild: Altstätten), sind auf die Hilfe von Freiwilligen angewiesen. Die Bereitschaft ist in der Bevölkerung vorhanden. Doch wer ist eigentlich bereit, sich für die Gemeinschaft zu engagieren? Dieser Frage geht der Luzerner Religionssoziologe Anastas Odermatt in einer Studie nach. Unter dem Titel «Religion und Sozialkapital in der Schweiz. Zum eigenwilligen Zusammenhang zwischen Religiosität, Engagement und Vertrauen» untersucht der gebürtige St. Galler unter anderem, inwieweit das soziale Engagement von der Religiosität beeinflusst wird. Odermatt kommt zum Schluss: Religiosität und freiwilliges Engagement sind positiv korreliert. Vor allem die religiöse Praxis, insbesondere der Gottesdienstbesuch, verstärkt das freiwillige Engagement. Zudem zeigt die Studie, dass religiös praktizierende Menschen sowohl im religiösen als auch im säkularen Bereich stärker freiwillig tätig sind.
Teil einer Gruppe sein
Doch ist es wirklich so einfach? Engagieren sich gläubige Menschen mehr? «Ja», sagt Jürg Wüst, Pfarreibeauftragter aus Gommiswald, auf Nachfrage. «Die Bereitschaft für freiwilliges Engagement ist in den Pfarreien grundsätzlich gross. Das spüren wir schon.» Kirchgänger oder Menschen, die sich in Pfarreien engagieren, suchten die Interaktion mit der Gemeinschaft. «Sie suchen den Kontakt und wollen Teil einer Gruppe sein, in die sie sich einbringen können», so Wüst. Nach den Gottesdiensten biete sich dafür eine gute Gelegenheit. Ähnliche Erfahrungen hat Susanne Baumgartner von der ökumenischen Gemeinde St. Gallen-Halden gemacht. Im Nähcafé stellen freiwillige Helferinnen Interessierten ihre Zeit zur Verfügung. «Tendenziell engagieren sich bei uns mehr die Menschen mit religiösem Hintergrund freiwillig. Das hat auch mit der Kernaussage des Christentums zu tun, dass wir unsere Mitmenschen lieben sollen wie uns selbst», sagt Baumgartner. Das Wir-Gefühl sei davon unabhängig, auch durch den ökumenischen Gedanken, in den vergangenen Jahrzehnten in der Pfarrei stark gewachsen. «Bei uns im Quartier herrscht ein grosses Gemeinschaftsgefühl. Die Bereitschaft zur Unterstützung ist extrem gross. Unabhängig davon, ob die Menschen gläubig sind oder nicht.» Auf die Mithilfe von Freiwilligen ist auch Niklaus Fürer angewiesen. Fürer organisiert in der Pfarrei Abtwil-St. Josefen die Seniorentreffs mit Kaffeestube. Diese wird von Freiwilligen betreut. «Es sind alles religiös-engagierte Frauen. Auf ihre Unterstützung kann ich immer zählen», sagt Fürer. Er selber organisiert ehrenamtlich das Programm des Seniorentreffs, unter anderem Vorträge, Ausflüge und andere Zusammenkünfte. «Für mich ist es eine Befriedigung, wenn ich älteren Menschen interessante Themen und ein gemütliches Beisammensein anbieten kann.»
Bereitschaft gross
Benevol, die Fachstelle für freiwilliges Engagement, registriert laut Projektmanager Ueli Rickenbach pro Monat rund 100 neue Freiwillige auf benevol-jobs.ch. «Die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, ist nach wie vor gross», sagt Rickenbach. Entscheidend seien dabei die Stossrichtungen der einzelnen Gruppierungen, welche Anreize diese setzten und wie die Zusammenarbeit funktioniere. «Die Verbundenheit mit einer Organisation, das Teilen derselben Werte und das gemeinsame Bewegen sind Förderfaktoren. Diese sind sicherlich auch in der Kirche anzutreffen», sagt Rickenbach und ergänzt: «Beliebt sind Aufgaben, die zeitlich flexibel sind. ‹Lebenslange› Jobs sind weniger gefragt.» Entsprechend würden die Organisationen heute auch mehr auf Projektbasis arbeiten. Auch Jürg Wüst sagt: «Für Einzeleinsätze finden wir schneller Freiwillige. Bei längeren Einsätzen oder Dauereinsätzen ist es schwieriger. Anscheinend wollen sich die Leute heute nicht mehr allzu lang binden.»
David Rüttimann steht vor einem grossen Abenteuer. Während dreier Jahre wird der St. Galler mit seiner Familie in Kenia leben und bei der Ausbildung von Fachkräften helfen.
Ende August 2023: David Rüttimann sitzt in seiner Werkstatt im Keller, den Lötkolben in der Hand. Es ist einer der wenigen Räume im Haus, die noch voll eingerichtet sind. Die Zimmer haben sich in den vergangenen Wochen nach und nach geleert. Der Hausrat wurde eingelagert. «Wir lassen alles auf uns zukommen und nehmen eines nach dem anderen», sagt Rüttimann und strahlt eine Ruhe und Gelassenheit aus, die erstaunt. Denn: Sein Leben wird sich bald grundlegend ändern. David Rüttimann wird für die kommenden drei Jahre in Kenia leben und vor Ort sein Wissen als Elektrotechniker weitergeben. «An der Basis. Dort, wo es auch wirklich gebraucht wird», sagt er. Als Entwicklungshelfer für das Schweizer Hilfswerk Comundo – entstanden aus der Bethlehem Mission Immensee – wird der 54-Jährige am North Coast Medical Training College Lehrkräfte in Facility Management und Medizinaltechnik ausbilden und unter anderem den Aufbau von Werkstätten begleiten. Der Grund: In Kenia fehlen Fachkräfte für die Wartung und Reparatur von medizinischen Geräten. «Die Gesundheitseinrichtungen sind zwar gut ausgerüstet, aber die Handhabung und Reparatur der Apparaturen stellt die Mitarbeitenden immer wieder vor Probleme», sagt Rüttimann. «Nicht nur, dass die Apparate dann nicht mehr zur Verfügung stehen, auch entstehen so Unmengen an Abfall.»
Leben mit den Einheimischen
Auf seinem Einsatz wird David Rüttimann von seiner Ehefrau und den beiden Kindern Anna, 15 Jahre, und Bram, 13 Jahre, begleitet. Physiotherapeutin Willemijn Rüttimann wird zu 50 Prozent am College bei der medizinischen Ausbildung mitwirken. Die Reise führt die Familie ins circa 80 Kilometer nördlich der Millionenstadt Mombasa gelegene Kilifi – eine Stadt am Indischen Ozean mit rund 31000 Einwohnerinnen und Einwohnern. Der künftige Wohnort wurde bei einem Besuch im Februar sorgfältig ausgewählt, befindet sich unweit des künftigen Arbeitsplatzes und nahe einer internationalen Schule. «Wir wollten mit unseren Kindern nicht in die Grossstadt und auch nicht in einem Quartier wohnen, wo nur Ausländer oder Menschen mit weisser Hautfarbe leben.» Die Familie freut sich auf den Kontakt mit den «Locals». David Rüttimann lernt seit einem halben Jahr die Landessprache Swahili. «Die Sprache ist immer auch ein Türöffner.» Und für Rüttimann noch wichtiger: «Die Menschen in der Landessprache anzusprechen, hat für mich viel mit Respekt zu tun.»
Extreme Höhen und Tiefen
Zwei Koffer darf jedes Familienmitglied auf die Reise ins neue Leben mitnehmen. David Rüttimann hat zusätzlich noch Geräte und Werkzeuge aus der Schweiz im Gepäck. «Es gibt zwar alles in Kenia. Die Qualität ist allerdings nicht mit jener bei uns vergleichbar.» David Rüttimann und seine Frau wissen, dass der Umzug für die Kinder im Teenageralter nicht einfach ist. Sie sprechen die unterschiedliche Kultur an, die unbekannte Sprache, das ungewohnte Essen, die fehlenden Freunde. Diese Erfahrungen hat die Familie bereits einmal gemacht. Von 2014 bis 2016 waren die Rüttimanns in Simbabwe im Einsatz. «Wir wissen, dass es nicht immer einfach werden wird. Die Intensität der Gefühle wird sehr viel grösser sein. Es wird unheimlich viele Höhen und ebenso viele Tiefen geben.» Aber die vielen Erfahrungen würden alles wettmachen: „Es ist keine Einbahnstrasse. Wir werden viel aus dieser Zeit mitnehmen und von den Menschen dort lernen. Wir sehen es als Privileg, so tief in eine andere Kultur einzutauchen.»
Mittlerweile wurden auch die letzten an den Wänden verbliebenen Bilder im Einfamilienhaus in St. Gallen abgehängt. Am 11. September hiess es für die Rüttimanns: ab ins Flugzeug und hinein ins neue Leben.
Infos: www.comundo.org/kenia
Text: Alessia Pagani Bild: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 28. September 2023
Lichtensteig hat den Wakkerpreis 2023 des Schweizer Heimatschutzes erhalten. Was ist so besonders am Städtchen im Toggenburg? Auf Spurensuche vor Ort.
Es ist ein wunderschöner Sommertag Ende August. Die Sonnenstrahlen wärmen die Haut schon in den frühen Morgenstunden. Im Städtchen Lichtensteig am Fusse der Wasserfluh hat der Tag längst begonnen. Passantinnen und Passanten queren auf leisen Sohlen die Strasse, Ladenbesitzer wischen ihre Vorplätze, auf den Balkonen der Wohnhäuser werden die Pflanzen gegossen. Über den verwinkelten Gässlein der Altstadt liegt an diesem Morgen eine idyllische Ruhe. Einzig ein Auto durchbricht dann und wann die Stille. Reger Betrieb herrscht derweil bereits im Café Huber am Ortseingang. Die Plätze auf der Terrasse sind restlos belegt, die Angestellten haben alle Hände voll zu tun. Das Städtli – wie Lichtensteig liebevoll genannt wird – ist ein beliebtes Ausflugsziel. Und es war in den vergangenen Wochen vermehrt im Gespräch. Denn: Lichtensteig hat den Wakkerpreis 2023 erhalten. Der Heimatschutz Schweiz hat das Städtchen für seinen «Mut zur innovativen Belebung von leerstehenden Räumen» geehrt. Dadurch habe es zu einem «neu belebten Selbstbewusstsein» gefunden. Besonders gewürdigt werden dabei der Einbezug der Bevölkerung sowie die vielfältigen Umnutzungen von historischen Gebäuden.
Verwaltung macht Kultur Platz
Bei einem Spaziergang durch die Altstadt – im Inventar schützenswerter Ortsbilder der Schweiz enthalten – fallen den Besucherinnen und Besuchern diese schönen und meist liebevoll sanierten Altbauten direkt ins Auge. Arkaden und Bogengänge lassen einen in längst vergessene Zeiten eintauchen. Viele kleine Handwerkerbetriebe und Verkaufslädeli bieten ihre Waren und Dienstleistungen an. Das Angebot ist gross und vielfältig. Auch die Regionalität fehlt nicht. Darauf, so scheint es, wird ein grosses Augenmerk gelegt. Der Schweizer Heimatschutz nennt als positives Beispiel für die Stadtentwicklung die UBS-Filiale und das Rathaus. Das Rathaus aus dem 17. Jahrhundert diente dereinst der Stadt als Sitz der Verwaltung. Um allen Menschen den Zugang zu ermöglichen, wurde vor einigen Jahren ein Lifteinbau evaluiert. Aufgrund der Kosten und des starken Eingriffs in die historische Substanz entschied sich die Stadt allerdings dafür, nicht in die Renovation, sondern in den Erwerb des benachbarten UBS-Gebäudes zu investieren. 2018/2019 bezog die Stadtverwaltung die neuen Räume, das bisherige Rathaus wurde zum «Rathaus für Kultur». Dieses bietet seither Platz für Kreativwirtschaft und beherbergt verschiedene Ausstellungen. Als weiteres Beispiel hebt der Heimatschutz die Umnutzung des ehemaligen Postgebäudes hervor. Nach dem Auszug der Post 2016 wurde aus dem stattlichen Gebäude das Macherzentrum Toggenburg. In den Räumen werden heute Coworking-Plätze angeboten. Ein Angebot, das den heutigen Arbeitsanforderungen entspricht.
Die Verwaltung hat neue Räume im ehemaligen Bankgebäude bezogen, das Rathaus wurde zum «Rathaus für Kultur».
Neue Menschen anziehen
Mit seiner aktiven Politik nutze Lichtensteig die Möglichkeit, auf die bauliche Entwicklung Einfluss zu nehmen und die Nutzung in eine zukunftsfähige Richtung zu lenken, so der Heimatschutz. Es gelinge, neue Menschen anzuziehen, Eingesessene zu halten, Kultur zu ermöglichen und so den Charakter eines urbanen Zentrums auf dem Land wieder zu stärken. Mit der Strategie «Mini.Stadt 2025» stützt sich Lichtensteig gemäss eigener Aussage für seine zukünftige Entwicklung auf ihre vorhandenen Potenziale. Augenmerk wird dabei auf die «einmalige Architektur, das kulturelle Angebot, das Unternehmertum sowie auf die mutigen und innovativen Bürgerinnen und Bürger» gelegt. Und diese lassen sich immer wieder etwas einfallen. Etwa einen Pop-up-Manufakturladen mit verschiedensten Produkten von Schweizer Herstellerinnen und Herstellern und regionalen Produzenten.
Preis als Wertschätzung
Die Stadt Lichtensteig geht selbstbewusst mit dem Wakkerpreis um. Auf der Website wird in grossen Lettern und an prominenter Stelle darauf verwiesen. Und das Bewusstsein ist auch in der Bevölkerung vorhanden. «Natürlich wissen wir Lichtensteigerinnen und Lichtensteiger, dass wir den Wakkerpreis erhalten haben. Es freut uns sehr», sagt eine Passantin. Die Ehrung des Heimatschutzes sei eine Wertschätzung für sie und mache sich auch an den Besucherzahlen bemerkbar. «Wir hatten schon immer viele auswärtige Besucherinnen und Besucher. In diesem Jahr aber noch mehr. Das spüren wir schon. Aber wir Lichtensteigerinnen und Lichtensteiger waren schon immer sehr innovativ» ruft die Frau noch zu, bevor sie in einem Hauseingang verschwindet.
Text: Alessia Pagani Bilder: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 25. September 2023
An einem goldenen Herbsttag auf die Alp Sellamatt: Die Lukas-Kapelle hat nicht nur architektonisch eine besondere Ausstrahlung, auch deren Namensgebung ist nicht alltäglich. Für die Familie Lötscher, Gastgeberin auf der Sellamatt, ist die Bergkapelle von grosser, emotionaler Bedeutung.
Der Bau dieser Kapelle war ein lang ersehnter Wunsch unserer Familie», sagt Magdalena Lötscher (50). Ihre Eltern Hanni und Valentin Lötscher führten den Berggasthof Sellamatt in zweiter Generation und wollten aus Dankbarkeit, für das, was sie erreicht haben, eine Kapelle erbauen lassen. «Es war allerdings ein langer Weg, bis alle einverstanden waren mit dem Bauvorhaben», erinnert sich Magdalena. «Ich war gerade mit unserem ältesten Sohn schwanger, als die Bauarbeiten im Jahr 2002 starten konnten. Als es zu einer Frühgeburt kam, hatten die Grosseltern die Idee, die Kapelle nach dem Namen ihres ersten Enkels zu benennen.» Es sei wie ein zufälliges Zeichen gewesen, «beide mussten noch wachsen, Lukas und die Kapelle».
Nach der Frühgeburt ihres ersten Sohnes haben Magdalena Lötscher und Franz Niederberger auf der Alp Sellamatt in der Lukas-Kapelle geheiratet.
Stolzer Namensgeber
Und beides verlief wie erhofft: Lukas wurde kräftiger und das Bauprojekt konnte im darauffolgenden Jahr erfolgreich abgeschlossen werden. Zur Krönung heirateten die Eltern Magdalena Lötscher und Franz Niederberger in eben dieser neu erbauten Kapelle. Lukas Niederberger ist mittlerweile 21 Jahre alt, ausgebildeter Schreiner und aktuell in seiner Zweitausbildung zum Zimmermann. Was bedeutet es für ihn persönlich, dass die Kapelle nach ihm benannt ist? «Es ist mir eine Ehre und erfüllt mich schon ein wenig mit Stolz», antwortet er. Denn schliesslich habe nicht jeder eine Kapelle, die ihm gewidmet sei. Er und seine Familie besuchen jedes Jahr den Weihnachtsgottesdienst hier in der Kapelle. «Seit ich grösser bin, darf ich manchmal auch die Lesung lesen.» Beim Alpgottesdienst im Juli komme er auch immer auf die Sellamatt und als sein Gotti vor dreizehn Jahren hier oben heiratete, durfte er die Ringe übergeben: «Das war sehr emotional für mich.» Generell bedeutet ihm dieser Ort und die Umgebung sehr viel: «Die Aussicht an diesem Pätzli ist einfach einmalig. Im Norden der ganze Alpstein und im Süden die Churfirsten.»
Aus dem «Frühchen» Lukas ist ein lebensfroher, junger Mann geworden.
«Es ist mir eine Ehre und erfüllt mich schon ein wenig mit Stolz.»
Markant und begehrt
Die mit markanten Natursteinen gebaute Bergkapelle ähnelt einem Tessiner Grotto. Der quadratische Baukörper und der freistehende Turm stehen an ausgezeichneter Lage auf einem Vorsprung an der Lichtung beim Gasthaus Sellamatt auf 1400 m ü. M. Der grosszügige Fensterkranz lässt die bezaubernde Natur durchblicken und der Innenraum ist mit behaglichem Holz ausgekleidet. Gebaut wurde die Bergkapelle von der Architekturgemeinschaft Güttinger und Buschor aus Wattwil. Das Berggasthaus Sellamatt verwaltet und pflegt die Kapelle. Die Nachfrage für Hochzeiten, Taufen und immer mehr auch für Abdankungsfeiern ist gross. Letztere bieten sich insbesondere an, weil es neben der Kapelle einen unkonventionellen Friedhof für Naturbestattungen gibt. Die Asche der Verstorbenen wird in die Erde unter einen Felsstein gestreut. «Auch für Chorproben ist die Kapelle sehr gefragt, weil die Akustik ideal ist», ergänzt Franz, der selbst im lokalen «Churfirstenchörli» mitsingt.
«Erinnerungsbänkli»
Seit diesem Sommer hat dieser Ort für die Familie Lötscher noch eine zusätzliche Bedeutung erhalten. Die Grossmutter von Lukas ist im Frühjahr verstorben und im August hat die Familie in der Kapelle ihren Abschied gefeiert und eine Gedenkstätte für sie errichtet. Auf der Anhöhe vor der Kapelle umrahmen zwei «Erinnerungsbänkli» diesen einzigartigen Platz mit einem Ahornbaum und einem Brunnen. Tochter und Schwiegersohn der Verstorbenen sind sich einig: «Es wäre ihr vergönnt gewesen, noch ein bisschen länger den Ruhestand geniessen zu können. Sie war stets hier oben und hat jeden Tag im Betrieb gearbeitet.»
In Gedenken an Hanni Lötscher (Grossmutter von Lukas) ist diese Gedenkstätte mit zwei Erinnerungsbänkli entstanden.
Besinnlicher Ort
Ihr Ableben erinnert Magdalena und Franz auch daran, das eigene Leben bewusst zu geniessen und auch mal innezuhalten. Magdalena sagt: «Ich gehe gerne in die Kapelle, um meinen Gedanken nachzugehen oder zu beten. Ich mag die Stille hier.» Für Franz ist die Kapelle ein Kraftort, wo er Energie auftanken kann und Distanz zum Alltagsstrudel findet: «Ich stelle mir manchmal vor, wie mein Leben und mein Umfeld in zwanzig Jahren wohl aussehen werden. Wenn man über weite Zeitspannen voraus- und zurückschaut, werden die aktuellen Sorgen oft kleiner.»
Alp Sellamatt
Die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln führt mit der Bahn von Wil nach Nesslau. Ab Nesslau fährt das Postauto nach Alt St. Johann. Die Alp Sellamatt erreicht man ganzjährig mit der Bergbahn. Die Kombi-Bahn mit offenen Vierersesseln und geschlossenen Gondeln führt von Alt St. Johann in sechs Minuten auf die Sellamatt (1400 m ü. M.). Während des Sommerbetriebes ist die gebührenpflichtige Alpstrasse bis zur Alp Sellamatt gut fahrbar. Die Bergstation befindet sich unmittelbar neben dem rollstuhlgängigen Berghotel Sellamatt.
Wanderempfehlung
Ausgangspunkt für diese moderate Wanderung ist der kostenlose Parkplatz bei der Talstation der Sallamatt-Bahn in Alt St. Johann. Von hier aus geht es in 25 Gehminuten nach Unterwasser. Dann führt ein stündiger Anstieg hinauf zum Schwendisee im Naturschutzgebiet. Das Ufer des Schwendisees ist von Schilf gesäumt und bietet an beiden Enden Grillmöglichkeiten. Weiter geht es über Hinterseen entlang des Klangweges via Iltios zur Alp Sellamatt (1 h). Der Abstieg zurück nach Alt St. Johann ist mit der Sellamatt-Bahn oder über die Wanderroute Chueweid-Pfruendwald (1 h) möglich.
Highlights
Schwendisee, Klangweg, Bergpanorama auf der Sellamatt mit Blick auf Alpstein mit Säntis und Churfirsten.
Höhendifferenz
500 Höhenmeter
Reine Wanderzeit
3,5 Stunden inklusive Abstieg nach Alt St. Johann
Papst Franziskus hat mit der Aargauerin Helena Jeppesen-Spuhler eine von zehn Personen ernannt, die bei der Weltsynode im Oktober in Rom die Kirche Europas vertreten. Die Fastenaktion-Mitarbeiterin setzt sich für eine glaubwürdige und partizipative Kirche ein.
«Ich hoffe, dass die katholische Kirche dann ein diverses Gesicht haben darf, dass wir es schaffen, diese Fragen anzugehen: die Rolle der Frau und auch die des Einbezugs der queeren Menschen in der katholischen Kirche. Ich hoffe auf mehr Diversität, mehr Stärke und Entscheidungsmöglichkeit auf der lokalen Ebene», sagt Helena Jeppesen vor der Synode. 364 Personen werden vom 4. bis 29. Oktober an der Weltsynode in Rom teilnehmen. Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus etwas Neues geschaffen. Erstmals haben auch nichtgeweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht, obwohl es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode handelt. Mit Jeppesen werden insgesamt 80 nicht bischöfliche Personen an der Weltsynode mit Stimmrecht teilnehmen. Aus der Schweiz sind neben Helena Jeppesen Bischof Felix Gmür und Claire Jonard, Koordinatorin für das Zentrum für Berufungspastoral in der Westschweiz, dabei.«Ich hoffe, dass die katholische Kirche dann ein diverses Gesicht haben darf, dass wir es schaffen, diese Fragen anzugehen: die Rolle der Frau und auch die des Einbezugs der queeren Menschen in der katholischen Kirche. Ich hoffe auf mehr Diversität, mehr Stärke und Entscheidungsmöglichkeit auf der lokalen Ebene», sagt Helena Jeppesen vor der Synode. 364 Personen werden vom 4. bis 29. Oktober an der Weltsynode in Rom teilnehmen. Mit der Weltsynode hat Papst Franziskus etwas Neues geschaffen. Erstmals haben auch nichtgeweihte Männer und Frauen ein Stimmrecht, obwohl es sich kirchenrechtlich um eine Bischofssynode handelt. Mit Jeppesen werden insgesamt 80 nicht bischöfliche Personen an der Weltsynode mit Stimmrecht teilnehmen. Aus der Schweiz sind neben Helena Jeppesen Bischof Felix Gmür und Claire Jonard, Koordinatorin für das Zentrum für Berufungspastoral in der Westschweiz, dabei.
Offene Diskussionen
Die Missbrauchskrise und der Verlust der Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche sind die Themen, die Helena Jeppesen nach Rom mitnimmt: «Ich erwarte, dass die systemischen Ursachen diskutiert und angegangen werden.» Dabei hofft sie auf offene Diskussionen und zukunftsweisende Entscheide. Es brauche partizipative Entscheidungsprozesse auf allen Ebenen. Katholikinnen und Katholiken weltweit hätten bei der synodalen Befragung ausserdem die Gleichberechtigung der Frauen in der Kirche als wichtiges Anliegen klar geäussert.
Von Jugendarbeit geprägt
Helena Jeppesen ist stark geprägt von Erfahrungen in der kirchlichen Jugendarbeit. In Wislikofen im Kanton Aargau, wo sie aufwuchs, habe es eine sehr gute kirchliche Jugendarbeiterin gehabt. Dank ihr hätten sie als Jugendliche selbstständig regionale Ostertreffen und Jugendtreffs organisieren können. «Da habe ich das Prinzip Empowerment selbst erlebt», sagt Helena Jeppesen. Das sei auch in der Entwicklungszusammenarbeit für Fastenaktion sehr wichtig. Sie besuchte in Luzern das Katechetische Institut, das heutige Religionspädagogische Institut (RPI) und arbeitete als Katechetin und Jugendarbeiterin. Dann wurde im Philippinenprogramm der Fastenaktion eine Stelle frei. Helena Jeppesen holte für diese Aufgabe berufsbegleitend das Nachdiplom für Entwicklungszusammenarbeit an der ETH Zürich nach.
Fokus auf die Schwächsten
Die Synode will sich mit neuen Wege der Mitwirkung der kirchlichen Basis bei wichtigen Entscheidungen in der katholischen Kirche beschäftigen. Schon vor Beginn wird die Synode in kirchlichen Medien kontrovers diskutiert und Hoffnungen und Befürchtungen geteilt. «Es wird eine grosse Herausforderung sein, Offenheit zu schaffen für lösungsorientiertes Arbeiten und die Bereitschaft, freimütig zu reden.» Dass Helena Jeppesen selbst keine Angst davor hat, hat sie bei der Vorversammlung im Juni in Rom gezeigt: Bei der Pressekonferenz trat sie selbstbewusst auf und ergriff als einzige nichtgeweihte Person das Mikrofon. «In solchen Situationen kommt mir meine Erfahrung in der Menschenrechtsarbeit bei der Fastenaktion zugute», sagt sie, «das Fokussieren auf die Schwächsten und die Ausgeschlossenen in einem Staat oder einer Organisation und das Vernetzen mit anderen helfen mir die Angst vor einem übermächtigen System zu überwinden.»
Franz Kreissl leitet das Pastoralamt des Bistums St. Gallen.
«Menschen warten auf Antworten»
Franz Kreissl, wie blickt das Bistum St. Gallen der Synode entgegen?
Franz Kreissl: Wir hoffen, dass die Synode Grundlagen für mehr Synodalität – also Mitwirkung und Beteiligung aller Gläubigen – in der Kirche schafft. Bevor konkrete Themen diskutiert werden können, muss Grundsätzliches geklärt werden: Wie kommen wir zu Entscheidungen? Wer ist an Entscheidungen beteiligt? Wie schaffen wir es, entscheidungsfähig zu werden und zwar auf den verschiedenen Ebenen: Weltkirche, Bischofskonferenz, Bistum?
Im Juni hat der Vatikan ein Arbeitspapier für die Synode veröffentlicht. Die Schweizer Bistümer haben dazu Stellungnahmen verfasst. Welche Anliegen gibt das Bistum St. Gallen der Arbeitsgruppe mit?
Franz Kreissl: Die Menschen warten auf Antworten. Es reicht nicht, an der Synode einfach noch einmal über alles zu reden. Es muss nun darum gehen, entscheidungsfähig zu werden. Ein Beispiel ist die Frage der Regionalisierung: Die Möglichkeit, bei bestimmten Themen regionale Lösungen zu finden. An vielen Punkten kommen wir nicht weiter, weil die Realität in den verschiedenen Regionen der Welt nicht überall die gleiche ist.
Wie präsent wird die Synode und deren Themen im Bistum St. Gallen sein?
Franz Kreissl: Konkret werden wir sie bereits beim Pastoralforum, der Tagung der Diözesanen Räte, im November aufgreifen: Da werden wir uns unter anderem mit dem Thema kirchliche Sprache beschäftigen: Wie muss sich die Sprache in der Kirche verändern, damit sie die Menschen erreicht und verstanden wird? Auch bei der Umfrage, die wir im Vorfeld der Synode durchgeführt haben, haben viele dieses Thema als eines der dringendsten Anliegen genannt.
Der Bischof des Bistums St. Gallen hat am 13. September zur Medienkonferenz in den Saal der Bischofswohnung geladen. «Es ist erschreckend und beschämend, was herausgekommen ist», sagt Bischof Markus Büchel vor einer Schar Medienschaffenden über die Pilot-Studie – die Kameras auf ihn gerichtet, die Mikrofone vor ihm auf dem Tisch.
Bischof Markus Büchel stellt sich den Fragen der Medienschaffenden – einen Tag nachdem die schweizweite Pilot-Studie der Universität Zürich über sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche publik geworden ist. «Ich fühle grossen Schmerz und werde alles daransetzen, dass die beschlossenen Massnahmen greifen», sagt Bischof Markus Büchel. Die Studie brachte erschreckende Zahlen zum Vorschein. Zwischen 1950 und heute gab es schweizweit 1002 Fälle sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche.
Fehler gemacht
Die Studie attestiert dem Bistum St. Gallen eine professionelle Führung des Archivs und eine vollumfängliche Unterstützung durch den Archivar. Die Archivierung der Akten des Fachgremiums seien gar vorbildhaft. Die Studie zeigt aber auch zwei Fälle aus dem Bistum St. Gallen. Bischof Markus Büchel wirkt angespannt, als er am ovalen Tisch Auskunft gibt und den Anwesenden Red und Antwort steht. «Ich habe Fehler gemacht. Einen grossen Fehler», sagt er mit gebrochener Stimme. «Dazu muss ich stehen.» Durch sein Verhalten seien Fälle bagatellisiert und einer Vertuschung Vorschub geleistet worden. «Das tut mir leid. Ich möchte daraus lernen.» Bischof Ivo Fürer, Büchels Vorgänger, unterliess es – so die Studie – trotz Hinweisen, einen beschuldigten Priester aus dem Bistum St. Gallen zu melden beziehungsweise mit Konsequenzen zu belegen. Büchel seinerseits wird in der Studie vorgeworfen, nicht konsequent genug gehandelt zu haben.
Anders handeln
Bei seinem Amtsantritt habe er keine offenen Fälle übergeben bekommen, erklärt Büchel am Mediengespräch. «Ich bin davon ausgegangen, dass der Fall abgeschlossen ist.» Er habe es unterlassen, die Vorabklärungen durch Bischof Ivo Fürer erneut zu prüfen und zu handeln. «Es war der einzige Fall, der mir vom Fachgremium gemeldet wurde, den ich aber nicht angegangen bin.» Der Fall war seinerzeit einer der ersten, den das 2002 von Bischof Ivo Fürer gegründete Fachgremium gegen sexuelle Übergriffe behandelte. Seinen Vorgänger nimmt Markus Büchel teilweise in Schutz. «Er nahm die Sache ernst und hat mit dem Beschuldigten Gespräche geführt. Aber es gab eine Befangenheit.» Zudem bestehe die Pflicht, solche Fälle in Rom zu melden, erst seit 2019. Büchel zeigt sich einsichtig: «Ich hätte intensiver handeln müssen. Heute hätte ich anders gehandelt.»
Massnahmen getroffen
Bei Missbrauchsfällen muss heute seitens der Kirche Strafanzeige bei der Polizei eingereicht werden. Am Mediengespräch sagt Bischof Markus Büchel, er wisse noch nicht, wer der Beschuldigte sei. Die Studie sei stark anonymisiert worden – auch zum Schutz der Betroffenen. Nur kurze Zeit später räumt das Bistum auf nochmalige Nachfrage ein: «Der betreffende Priester arbeitet definitiv nicht mehr in der Seelsorge.» Wie Bischof Markus Büchel an der Pressekonferenz mitteilt, ist eine Voruntersuchung eingeleitet und eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft eingereicht worden. Er hoffe, dass nun Licht ins Dunkel und eine Rückmeldung aus Rom komme, so Büchel. Die Verantwortlichen verweisen auf das laufende Verfahren, weitere Auskünfte sind deshalb nicht möglich. Für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Ein Journalist stellt die Frage nach den persönlichen Konsequenzen für den St. Galler Bischof: Tritt er von seinem Amt zurück? Bischof Markus Büchel verneint, das sei vorerst noch kein Thema. Er wolle zuerst die Ergebnisse der Voruntersuchung abwarten. «Wenn Rom meinen Rücktritt fordert, werde ich zurücktreten.»
Aufdecken und aufarbeiten
Wie Bischof Markus Büchel ausführt, wird die Rolle des Bistums St. Gallen im Bezug auf die Zusammenarbeit mit dem Fachgremium noch kritischer überprüft. «Es ist beispielsweise nicht richtig, wenn das Fachgremium nur Beratungsfunktion hat.» Alle beschlossenen Massnahmen (siehe Kasten) sollen auch im Bistum St.Gallen umgesetzt werden. Dieses verpflichtet sich, die für die Umsetzung der Massnahmen nötigen Ressourcen bereitzustellen. Der Bischof setze sich für «ein schonungsloses Aufdecken und Aufarbeiten des sexuellen Missbrauchs im Bistum St. Gallen» ein.
«Ich glaube dem Bischof»
An der Pressekonferenz ist auch Vreni Peterer anwesend. Die 62-Jährige ist Präsidentin der Interessengemeinschaft für Missbrauchsbetroffene im kirchlichen Umfeld (IG-MikU) und selbst Betroffene. Aufmerksam lauscht sie den Ausführungen des St. Galler Bischofs. «Ich nehme ihm die Entschuldigung ab und glaube dem Bischof, wenn er sagt, es täte ihm leid», sagt Peterer nach dem Mediengespräch auf Nachfrage. «Ja, er hat einen grossen Fehler gemacht. Ich denke jedoch, dass er nicht wirklich vorsätzlich vertuscht hat. Er hat aber im entscheidenden Moment nicht richtig gehandelt beziehungsweise nicht hingeschaut und nicht gehandelt.» Enttäuscht und schockiert ist sie vom Vorgehen von Bischof Ivo Fürer, der das Fachgremium mehrmals vertröstet habe. «Im Nachhinein wirkt sein damaliger Auftrag zur Gründung des Fachgremiums auf mich wie eine Alibiübung.» Wie sie zuvor am Mediengespräch ausführt, habe sie in ihrer Funktion mehrmals von Betroffenen gehört, dass deren Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wurde. «Das darf nicht sein. Wichtig ist, dass den Betroffenen geglaubt wird.» Sie erwarte nun die nötige Professionalität der Verantwortungsträger. «Diese müssen den Mut haben, Fehler einzugestehen und sich und ihr Verhalten zu korrigieren.»
Forderung der IG-MikU
Vreni Peterer begrüsst die Massnahmen des Bistums. «Jede Massnahme bringt uns einen Schritt weiter und hilft, die Schwelle für weitere Missbräuche höher zu legen.» Dennoch hofft sie, dass noch weitere Anstrengungen seitens der Katholischen Kirche unternommen werden. Die IG-Miku fordert, dass die Bevölkerung nun nicht alleine gelassen wird. Gemeint sind all jene Menschen, die nicht unmittelbar betroffen, aber dennoch verunsichert und ergriffen sind. «Es tun sich nun Fragen auf wie: Wem kann ich überhaupt noch vertrauen? Diese Menschen müssen aufgefangen werden.» Denkbar wären etwa Informationsabende. Peterer sieht auch die Pfarreien in der Pflicht. «Die Angebote sollen auch von der Basis kommen.»
Konkrete Massnahmen
Bischof Joseph Maria Bonnemain, der bei der Medienkonferenz in Zürich die Bischofskonferenz vertrat, kündigte konkrete Massnahmen an. Unter anderem sollen für Betroffene schweizweit professionelle Angebote geschaffen werden, bei denen sie Missbräuche melden können. Künftige Priester, ständige Diakone, Mitglieder von Ordensgemeinschaften und weitere Seelsorgende sollen im Rahmen ihrer Ausbildung standardisierte psychologische Abklärungen durchlaufen. In einer schriftlichen Selbstverpflichtung erklären alle kirchlichen Verantwortlichen an der Spitze von Bistümern, Landeskirchen und Ordensgemeinschaften, keine Akten mehr zu vernichten, die im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen stehen oder den Umgang damit dokumentieren. Die Studie wird im Januar 2024 mit einem vierjährigen Folgeprojekt fortgesetzt.
Text: Alessia Pagani / Stephan Sigg
Foto: Regina Kühne
Veröffentlicht: 14.09.2023
Zeitzeugen gesucht
Die Forscherinnen und Forscher bieten eine öffentliche Ringvorlesung an der Universität Zürich an (Start: 28. September). Ausserdem rufen sie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen auf, sich für die weitere Forschung zu melden: forschung-missbrauch@hist.uzh.ch
Anlaufstellen für Betroffene von sexuellen Missbrauch im kirchlichen Umfeld:
«So schmerzhaft es sein mag, wir müssen uns den Tatsachen stellen», schreibt Bischof Markus Büchel in einem offenen Brief an alle Mitarbeitende in der Seelsorge sowie freiwillig und ehrenamtlich Engagierte wenige Tage nach Präsentation der Pilot-Studie zum sexuellen Missbrauch — das Pfarreiforum konnte Auszüge aus dem Brief vorab lesen. Der Bischof zeigt sich in seinem Brief selbstkritisch: «Ich ganz persönlich muss zu den Fehlern stehen, die ich gemacht habe.» Ihm sei «sehr bewusst, dass durch jeden einzelnen Fall von sexuellem Missbrauch Menschen in ihrem Leben und Glauben verunsichert und teilweise aus der Bahn geworfen werden.»
Perspektivenwechsel
Wie beim Mediengespräch in St. Gallen betont der St. Galler Bischof auch in seinem Brief, «der Respekt vor den Opfern gebietet es, sich mit den Ergebnissen der Studie zu befassen», es brauche einen Perspektivenwechsel. Was er darunter versteht und wie das genau geschehen soll, führt er nicht aus. Er zählt nochmals alle Massnahmen auf, die die Schweizer Bischofskonferenz beschlossen hat und weist darauf hin, dass sie entschlossen seien, «in den Themen der Machtfragen, der Sexualmoral, des Priester- und Frauenbildes wie der Ausbildung und Personalauswahl konkrete Schritte zu unternehmen, die auch in der Studie eingefordert werden».
Die Fälle im Bistum St. Gallen
In die Studie wurden zwei Fälle, die das Bistum St. Gallen betreffen, aufgenommen: Iddaheim in Lütisburg (Studie, S. 69 bis 71): Beschrieben sind Meldungen zahlreicher Fälle psychischer, physischer und sexueller Gewalt unter anderem im Zeitraum zwischen 1978 und 1988, durch einen der Direktoren, ein Priester aus dem Bistum St. Gallen. Weiter beschreibt die Studie Berichte von sexuellen Übergriffen und Gewalt durch einen Erzieher und einen Gärtner (zwischen 1964 bis 1971) sowie durch Menzinger Schwestern. Es gilt die Unschuldsvermutung. Das heutige Kinderdörfli Lütisburg ist seit vielen Jahren nicht mehr unter kirchlicher Führung.
Der Fall E.M. (Pseudonym, S. 96 bis 100): Im Jahr 2002, als das Fachgremium erstmals eingesetzt wurde, meldete eine Frau länger zurückliegende Übergriffe des Priesters E.M.. Es fanden Gespräche mit dem Beschuldigten und Ivo Fürer, dem damaligen Bischof, statt. Da E.M. die gegen ihn erhobenen Vorwürfe bestritt und sich die Anschuldigungen nicht erhärteten, schienen sich diese zu entkräften. Wenige Wochen später gab es weitere Hinweise durch eine ehemalige Heimmitarbeiterin, worauf das Fachgremium Empfehlungen an Bischof Fürer aussprach. Das Fachgremium stellte zudem klar, dass es nicht Untersuchungsbehörde sein kann. Trotz eindeutiger Empfehlungen durch das Fachgremium St. Gallen und jenes der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) unternahm der damalige Bischof keine weiteren Schritte; E.M. erhielt eine weitere Stelle. Bis 2009 war er zusätzlich in einer Funktion im Bistum angestellt. Im April 2010 feierte E.M. zusammen mit dem neuen Bischof Markus Büchel eine Messe. Dies führte bei einer betroffenen Person zu einer heftigen emotionalen Reaktion, worauf sie sich beim Fachgremium meldete. 2012 wurde E.M. zwar versetzt, aber trotzdem in verschiedenen Gemeinden als Seelsorger eingesetzt. Noch im Januar 2023 sind gemäss Studie Eucharistiefeiern mit E.M. festgehalten. Es gilt die Unschuldsvermutung. (Bistum St.Gallen / ssi)
Am 12. September 2023 präsentiert ein Forschungsteam des Historischen Seminars der Universität Zürich eine Vorstudie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche seit den 1950er-Jahren.
«Grosses Spektrum von Fällen sexuellen Missbrauchs im Umfeld der katholischen Kirche»
Am 12. September stellte das Forschungsteam der Universität Zürich die Ergebnisse der Pilotstudie zur sexualisierten Gewalt in der katholischen Kirche Schweiz vor.
Es gibt auch gute Nachrichten bezüglich Foodwaste: Mit Chats und Apps kann heute jeder Einzelne helfen, Obst und Gemüse sowie Mahlzeiten vor der Mülltonne zu retten. So kann «Erntedank» ganz konkret gelebt werden.
Kirschen: zu klein für Handel, Eier: zu kleines Kaliber, Blaubeeren: Retouren, Bananen: zu gelb für Handel», so liest sich die aktuelle Mängelliste, die Ivo Streiff (52) von «Foodchat.ch» jeweils seinen Kunden in Gais, Herisau oder St. Gallen schickt. «Wir verkaufen Gemüse und Früchte mit Mängeln oder aus Überproduktion und vermeiden so, dass tonnenweise Lebensmittel im Abfall landen.» Der Jurist und ehemalige Versicherungsmanager hat seine Geschäftsidee bei einem Glas Wein mit einem guten Freund und Lebensmittelhändler entwickelt. «Er hat mir an jenem Abend erzählt, dass er zwei Tonnen beste Trauben wegschmeissen müsse. Ich habe dann kurzerhand einen Gruppenchat für das ganze Dorf organisiert, um die Früchte an verschiedene Abnehmer auszuliefern.»
Obst und Gemüse mit Handicap
Die Geschichte mit den Trauben ist leider kein Einzelfall. Oft wird einwandfreies Gemüse und Obst weggeworfen, nur weil es nicht der Optik entspricht oder überschüssig produziert wurde. Laut Medienmitteilung des Bundesrates wird fast ein Drittel der für den Schweizer Konsum produzierten Lebensmittel verschwendet oder unnötig weggeworfen. Dies entspricht rund 330 Kilogramm Abfall pro Kopf und Jahr. Mit dem nachhaltigen Geschäftsmodell konnte «Foodchat» im letzten Jahr 300 Tonnen Frischprodukte retten. Interessierte können sich auf der Website für den Gruppen-Chat registrieren. Streiff informiert sie dann über die aktuellen Angebote, inklusive Herkunft, Preis und «Handicap». Mittlerweile bedient der Thurgauer 20 Standorte in der Ostschweiz und stösst allmählich an seine Kapazitätsgrenzen. «Ich bin Montag bis Freitag unterwegs und verkaufe die Frischprodukte über die Rampe meines Lieferwagens und abends fülle ich das Lager mit neuen Produkten auf, die palettenweise angeliefert werden». Nun steht der nächste Schritt an: «Ich werde eine zusätzliche Person anstellen und einen grösseren Lieferwagen anschaffen.» Der Erfolg seiner dreijährigen Firma ist auch auf seiner Whatsapp-Liste offensichtlich: «Ich habe mittlerweile 10 000 Kontakte.»
Mahlzeiten retten
Im April 2022 hat der Bundesrat einen Aktionsplan verabschiedet mit dem Ziel, die Lebensmittelverschwendung bis 2030 im Vergleich zu 2017 zu halbieren. Er richtet sich an alle Unternehmen und Organisationen der Lebensmittelbranche sowie an Bund, Kantone und Gemeinden. Eine von vielen Akteuren ist die weltweite Organisation «Too Good to Go». Mit Hilfe dieser App können unverkaufte Lebensmittel von Geschäften und Restaurants vor dem Wegwerfen verschont werden. Die App ist seit 2018 in der Schweiz aktiv und entwickelte sich in kürzester Zeit zur bekanntesten Marke im Kampf gegen Foodwaste. Laut Unternehmen zählt sie über 2 Millionen User*innen in der Schweiz und arbeitet mit mehr als 7100 Partnerbetrieben zusammen, darunter auch Migros und Coop. In den vergangen fünf Jahren konnten bereits über acht Millionen «Mahlzeitenpäckli» gerettet werden.
Bewusst einkaufen
Was kann ich als einzelner schon bewegen? Eigentlich sehr viel! Mit rund einem Drittel Anteil am Foodwaste gehört der Endkonsument zu den Hauptverursachern. Es liegt letztlich in der Verantwortung jedes einzelnen Haushalts, einen umsichtigen Umgang mit unseren Lebensmitteln zu pflegen. Bewusst einkaufen lohnt sich für die Umwelt sowie das Haushaltsbudget. Und manchmal geht es sogar fast ganz gratis: Lässt die Nachbarin an ihren Sträuchern oder Bäumen das Obst oder das Gemüse verderben? Warum frage ich sie nicht, ob ich das für sie übernehmen und das Geerntete verwenden darf?
Herbstzeit ist Erntezeit – in den Pfarreien wird Erntedank gefeiert und die ökumenische Aktion «Schöpfungszeit» sensibilisiert für Schöpfungsverantwortung – der ideale Zeitpunkt, um Apps gegen Foodwaste zu installieren oder das Einkaufsverhalten unter die Lupe zu nehmen. Tipps von WWF gegen Foodwaste:
– bewusst Gemüse und Obst kaufen, das nicht perfekt ist: z. B. eine App installieren, die unperfektes Gemüse und Obst verkauft
– Unnötige Einkäufe vermeiden = Blick in Kühlschrank vor dem Einkaufen
– Einkäufe planen: Menüplan und Einkaufsliste erstellen
– Frisches kaufen: Lieber häufiger, dafür gezielter einkaufen
– Verfalldatum hinterfragen: Zuerst testen, ob abgelaufene Produkte wirklich nicht mehr geniessbar sind
Text: Katja Hongler
Bild: pixabay.com
Veröffentlicht: 11. September 2023
Pfarrblatt im Bistum St.Gallen Webergasse 9 9000 St.Gallen