Nicht alle schauen Weihnachten freudig entgegen: Einige fühlen sich einsam, kämpfen mit finanziellen Engpässen, sind gestresst wegen den Vorbereitungen oder befürchten familiäre Konflikte. Das Pfarreiforum zeigt, wie Pfarreien und Privatpersonen an Heiligabend für diese Menschen da sind.
«Viele sind an Weihnachten gestresst wegen den Vorbereitungen»
«Weihnachten ohne Stress» in der ökumenischen Gemeinde Halden St. Gallen: «Letzte Weihnachten feierten vierzig Personen bei uns – eine internationale Gruppe, darunter Familien aus dem Quartier, Durchreisende aus China sowie Menschen aus Afghanistan und der Ukraine», erzählt Andrea Weinhold. Die evang.-ref. Pfarrerin organisiert dieses Jahr «Weihnachten ohne Stress» zum dritten Mal. Sie hat diese Feier ins Leben gerufen, weil sie dem Weihnachtsstress entgegenwirken wollte: «Viele sind vor Weihnachten gestresst wegen den Vorbereitungen wie Geschenke einkaufen, Familienmitglieder einladen, kochen, dekorieren und so weiter. Wer zu uns kommt, kann dieser Anspannung elegant ausweichen.» Im ökumenischen Kirchgemeindehaus Halden sind alle willkommen, die gerne ungezwungen Weihnachten feiern: Jung und Alt, Singles und Familien, unabhängig von Religion und Kultur. Für Weinhold ist es wichtig, nicht bestimmte Milieus gezielt anzusprechen oder auszuschliessen. Es soll ein Angebot sein – und vielleicht auch eine Entlastung – für alle jene, die nicht im klassischen Sinn Weihnachten feiern oder niemandem zur Last fallen möchten.
Offen, spontan und flexibel
Wie läuft der Abend ab? «Um 18.30 Uhr trudeln die Menschen ein, dann gibt es Apéro. Ich erzähle eine Weihnachtsgeschichte, die nicht nur besinnlich, sondern auch humorvoll ist. Ich möchte, dass die Menschen an Weihnachten schmunzeln können.» Nach der Einstimmung wird das Buffet eröffnet, das jeweils vom Restaurant Tibits offeriert wird. «Das grosszügige Essen, das auch aus einem gewissen Überangebot besteht, wird sehr geschätzt», sagt Weinhold. Das Buffet trägt zudem zur lockeren Stimmung bei. «Da wir kein fixes Unterhaltungsprogramm haben, ist Platz für interessante Gespräche und Begegnungen, und so kann etwas Spontanes entstehen.» Eine Anmeldung sei zwar wünschenswert, aber bei Weinhold sind auch spontane Gäste willkommen. Dies zeigt auch ihre flexible Einstellung: «Ich vertraue darauf, dass wir genügend zu essen haben.» Zu dieser bedingungslosen Gastfreundschaft sagt sie: «Das ist doch Kirche!» Weitere Infos: haldenstgallen.ch
«Es sind auch Kinder dabei, das freut unsere älteren Gäste besonders»
«Miteinander Weihnachten feiern» im Pfarreiheim Herisau: «Wir legen grossen Wert auf das Miteinander und wir möchten Menschen an Weihnachten zusammenführen», sagt Iris Schmid, die katholische Seelsorgerin. Sie organisiert diesen Anlass schon seit mehr als zwanzig Jahren mit ihrem Mann Norbert Hochreutener sowie Beatrix und Daniel Künzle von der reformierten Kirchgemeinde. Initiant war ihr Mann, mittlerweile pensionierter Pastoralassistent. «Als er vor mehr als 30 Jahren die Feier ins Leben gerufen hat, wollte er zusammen mit anderen feiern, mit Familien, Paaren, Alleinstehenden und mit Menschen, die es nicht ganz einfach haben. Auch heute nehmen ganz unterschiedliche Personengruppen teil, die, aus welchem Grund auch immer, nicht zu Hause feiern möchten, etwa weil sie den typischen ‹Gschenkli-Weihnachten› ausweichen wollen oder einfach gerne in einer Gemeinschaft feiern. Es sind auch Kinder dabei, das freut unsere älteren Gäste besonders», erklärt Schmid. Die Organisatoren verstehen sich als Team, welches die Hauptvorbereitungen aufgleist, den Abend eröffnet und Raum schafft, damit sich Menschen begegnen können.
Zusammen feiern und lachen
«Inzwischen sind es 45 bis 50 Personen, die das Angebot nutzen. Viele kommen seit Jahren, einzelne stossen neu dazu oder entscheiden spontan, auch je nach Gesundheitszustand», sagt Schmid. Gestartet wird jeweils um 18 Uhr mit einem Apéro, danach schmücken sie gemeinsam den Christbaum, singen, lachen und musizieren miteinander. «Einige bringen ihr Instrument mit und präsentieren ein musikalisches Stück, andere erzählen ein Gedicht oder eine Geschichte, wie beispielsweise eine Frau, die jedes Jahr die Weihnachtsgeschichte vorlesen möchte. Und manche bringen lieber etwas Selbstgemachtes für den Dessert mit.» So entsteht ein spontanes Programm mit gemeinsamen Beiträgen. Das Festessen liefert ein Catering-Service und wird abwechslungsweise von der reformierten Kirchgemeinde und der katholischen Pfarrei finanziert. Um 22.30 Uhr endet der gemeinsame Teil. «Einige gehen dann in den Gottesdienst, andere lieber direkt nach Hause. Und ein paar helfende Hände bleiben immer, bis alles aufgeräumt ist», so Schmid. Weitere Infos: kath-herisau.ch
«Ich möchte der Gesellschaft einfach etwas zurückgeben»
«Winterzauber» im Bruggerhorn, St. Margrethen: Zum zweiten Mal lädt der Unternehmer Jvo Ganz im Rahmen des Winterzaubers zur Weihnachtsfeier im Bruggerhorn ein. Der Weihnachtsanlass richtet sich an Menschen aus der Region, die sich gerade in einer schwierigen Lebenssituation befinden. «An Weihnachten sollen sie sich um nichts kümmern müssen, sondern ein unbeschwertes Fest inklusive Bescherung feiern», sagt er. Er sei selbst alleinerziehend und wisse, wie schwierig es sein kann, auf sich selbst gestellt zu sein. Dieses Jahr erwarten Ganz und sein Team bis zu 150 Personen. Die Anmeldungen erfolgen zusammen mit örtlichen Sozialdiensten, Migrationsämtern und anderen Institutionen wie etwa der Heilsarmee. «Im letzten Jahr hatten wir eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft verschiedener Altersgruppen und Herkunftsländer. Es waren beispielsweise auch minderjährige Flüchtlinge dabei.»
Regionale Unterstützung
Für seine Gäste stellt Ganz ein besonderes Festprogramm zusammen. Die Feierlichkeiten finden in den geschmückten Chalets auf dem Camping-Areal Bruggerhorn statt. Sie starten am frühen Abend mit einem Parcours für die Kinder, gefolgt von Apéro und Festessen. Zudem spielt eine Live-Band vor Ort. Nach dem kulinarischen Teil folgt die Bescherung: «Alle Gäste erhalten beim Eintreffen eine Losnummer. Ein Kind wird dann als ‹Losfee› auserkoren und darf die Personen in der Reihenfolge der aufgerufenen Losnummer einladen, ein Geschenk auszuwählen.» Ein Projekt in dieser Grössenordnung erfordert entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen: «Zum Glück dürfen wir auf eine grosszügige Unterstützung unseres Hauptsponsors Migros, Rheinpark Einkaufscenter und weiteren Firmen, Institutionen, Partnern und Freunden zählen.» Ganz investiert als Organisator unzählige Arbeitsstunden und Herzblut in diese Weihnachtsfeier. Was bedeutet ihm dieses soziale Engagement? «Ich bin seit dreissig Jahren Unternehmer und habe schlechte und gute Zeiten erlebt. Ich möchte der Gesellschaft einfach etwas zurückgeben.» Weitere Infos: info@bruggerhorn.ch
Weitere Angebote
Im ganzen Bistum organisieren Freiwillige und kirchliche Institutionen offene Weihnachtsfeiern. Sie möchten Menschen, die an Heiligabend nicht zu Hause feiern möchten oder können, ein schönes Weihnachtsfest bescheren. Alle sind unabhängig vom Alter und von der Konfession herzlich eingeladen.
Text: Katja Hongler
Fotos: zVg.
Veröffentlicht am: 22. November 2023