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«Fürs Leben gestärkt»

Die Schwei­zer Schau­spie­le­rin Heidi ­Maria Glöss­ner ist derzeit im Musi­cal The Rocky Horror Show am Thea­ter St. Gallen zu sehen. Aufge­wach­sen in Nieder­uz­wil haben in ihrem Leben bibli­sche Geschich­ten immer wieder eine Rolle gespielt.

Das Musi­cal The Rocky Horror Show, das Thea­ter­stück Gott sowie musi­ka­lisch umrahmt bibli­sche Geschich­ten: Das sind drei Forma­te, in denen die bekann­te Schwei­zer Schau­spie­le­rin jüngst auf verschie­de­nen Bühnen zu sehen war oder ist. Über ihre Moti­va­ti­on, nicht nur in gros­sen Bühnen­pro­duk­tio­nen aufzu­tre­ten, sondern auch in verschie­de­nen Berner Pfar­rei­en Geschich­ten aus der Bibel zu lesen, sagt die 81-Jährige im Berner Pfarr­blatt: «Ich fühle mich nach wie vor sehr in unse­rer katho­li­schen Konfes­si­on veran­kert, sozu­sa­gen zu Hause. Die Anfra­ge brach­te mich wieder dazu, mich mit bibli­schen Themen zu befas­sen. Dafür bin ich dankbar.»

In Pfle­ge­fa­mi­lie aufgewachsen

Bibli­sche Geschich­ten haben im Leben von Heidi Maria Glöss­ner inso­fern eine Rolle gespielt, als dass sie als Gymna­si­as­tin in ihrem Dorf einer Bibel­grup­pe ange­hör­te. Als Jugend­li­che besuch­te sie die Kantons­schu­le am Burg­gra­ben in St. Gallen. Sie sagt: «Wir waren idea­lis­ti­sche junge Leute, die etwas Posi­ti­ves in der Welt bewir­ken woll­ten. Wir haben über Geschich­ten aus der Bibel disku­tiert und hatten jeweils fröh­li­che, schö­ne Tref­fen.» Sie müsse geste­hen, dass sie seit­her aber kaum mehr in der Bibel gele­sen habe.

Heidi Maria Glöss­ner, die 1943 im deut­schen Mess­kirch auf die Welt gekom­men war, wuchs in einer katho­li­schen Pfle­ge­fa­mi­lie in Nieder­uz­wil auf. Ihre Mutter, die selbst aus Nieder­uzwil stamm­te, brach­te Glöss­ner aufgrund der Kriegs­wir­ren in Deutsch­land 1944 dort­hin. Über ihre Kind­heit und Jugend sagt Glöss­ner: «Meine Pfle­ge­fa­mi­lie verkör­per­te all das, was man sich unter einer christ­li­chen Lebens­wei­se vorstellt: Liebe zu allem Leben­di­gen, Mitge­fühl, Gross­zü­gig­keit, ein offe­nes Herz und eine offe­ne Hand für Notlei­den­de.» So sehr sie als rebel­li­sche Teen­age­rin auch versucht habe, irgend­ei­ne Unwahr­heit oder Schein­hei­lig­keit darin zu entde­cken, sie habe nie etwas Falsches finden können. «Ich durf­te sehr viel Liebe und Güte erfah­ren, die mich für mein ganzes Leben gestärkt haben.» Nach der Matu­ra absol­vier­te Heidi Maria Glöss­ner die Schau­spiel­schu­le in Zürich und hatte Enga­ge­ments an mehre­ren Bühnen in der Schweiz, in Deutsch­land und in Öster­reich. Einem brei­ten Publi­kum bekannt wurde sie 2006 durch ihre Haupt­rol­le im Film «Die Herbst­zeit­lo­sen». Heidi Maria Glöss­ner lebt heute in Bern, hat einen Sohn und zwei Enkelinnen.

Sinn­lich­keit in der Bibel

Welche Stel­len in der Bibel haben Heidi Maria Glöss­ner nun beson­ders beein­druckt? «Das Alte Testa­ment ist drama­ti­scher als das Neue Testa­ment», sagt sie und erwähnt das Stück «Dantons Tod» von Georg Büch­ner. An einer Stel­le erzäh­le Mari­on, eine «Dirne», dass sie von ihrer Mutter sehr streng erzo­gen wurde. Sie durf­te keine Bücher lesen, um ihre Tugend­haf­tig­keit nicht zu gefähr­den, ausser der Bibel. Und genau dort habe sie ihre Sinn­lich­keit entdeckt.

Text: red./nar

Bild: zVg/Tanja Dorendorf

Veröf­fent­li­chung: 2. Janu­ar 2025

«Der Weltfrieden wäre das Ziel»

Lässt sich durch Gebe­te Krie­gen entge­gen­wir­ken? Das Pfar­rei­fo­rum hat anläss­lich des Welt­friedenstages am 1. Janu­ar die Frie­dens­ge­bets­grup­pe Flawil besucht. Wer für den Frie­den bete, reflek­tie­re vor allem sein eige­nes Handeln, sagt Ruth Rohde Ehrat, die die Grup­pe leitet.

Was nützt beten? Diese Frage habe sie und ihren Mann in der Nacht vor dem Inter­view für diesen Text wach blei­ben lassen, sagt Ruth Rohde Ehrat, Seel­sor­ge­be­auf­trag­te in Flawil. Dann hätten sie darüber disku­tiert, dass fürs Beten vor allem die Gemein­schaft sowie die Erfah­rung wich­tig seien, dass man mit seinen Hoff­nun­gen und Sorgen nicht allei­ne ist. Beides findet Platz in der Frie­dens­ge­bets­grup­pe Flawil, die Ruth Rohde Ehrat alle zwei Wochen zusam­men mit einem refor­mier­ten und einem metho­dis­ti­schen Kolle­gen leitet. Als der Krieg gegen die Ukrai­ne vor bald drei Jahren begann, beschlos­sen die drei, dass sie fort­an regel­mäs­sig für den Frie­den und für die vom Krieg Betrof­fe­nen beten woll­ten. «Seit­her sind wir in der Frie­dens­ge­bets­grup­pe ein fester Stamm von etwa zwan­zig Perso­nen», sagt die 61-Jährige.

Im Alltag anfangen

Während 30 Minu­ten würde gemein­sam gesun­gen, aus der Bibel gele­sen, Kerzen ange­zün­det, in die Stil­le gekehrt, Fürbit­ten gele­sen und gebe­tet. «Natür­lich sind unse­re Ziele der Welt­frie­den und das Reich Gottes auf Erden», sagt sie. «Aber so leicht ist es ja leider nicht. Viel­mehr hat sich die Welt­la­ge in den vergan­ge­nen Jahren noch verschlim­mert.» In ihre Gebe­te schliesst die Frie­dens­ge­bets­grup­pe mitt­ler­wei­le daher auch von ande­ren Krie­gen und Konflik­ten Betrof­fe­ne ein. «Mit den Gebe­ten setzen wir der Sprach­lo­sig­keit und dem Gefühl der Ohnmacht etwas entge­gen», sagt sie und fügt an, dass ein Gebet immer ein Dialog mit Gott sei, zum Beispiel über etwas, das einen selbst über­steigt oder hilf­los fühlen lässt. «Gebe­te bewir­ken, dass wir die Hoff­nung nicht verlie­ren und uns selbst bewuss­ter machen, wo wir im Alltag fried­vol­ler sein können.»

Atem­pau­sen schaffen

Ruth Rohde Ehrat arbei­tet nebst ihrem 10-Prozent-Pensum als Seel­sor­ge­be­auf­trag­te auch in der Tages­be­treu­ung der Heil­päd­ago­gi­schen Schu­le in Flawil. Bei sich selbst oder auch bei den Kindern beob­ach­te sie, wie sich im Alltäg­li­chen vieles von den gros­sen Welt­ereig­nis­sen spie­gelt. «Streit und Konflik­te entste­hen oft dann, wenn sich jemand nicht gehört oder gese­hen fühlt. Manch­mal hilft es da schon, das Problem einfach zu benen­nen oder die Partei­en ausein­an­der­zu­neh­men und mit allen zu reden», sagt sie. Durch das Frie­dens­ge­bet habe sie zudem gelernt, wie wich­tig es ist, sich im Alltag Atem­pau­sen zu schaf­fen. «Dadurch verän­dern wir viel­leicht nicht die ganze Welt von heute auf morgen, aber zumin­dest unser eige­nes Handeln.»

Wie mit einer Freundin

Bei der Frie­dens­ge­bets­grup­pe kann jeder spon­tan mitma­chen. Diese trifft sich abwech­selnd in der katho­li­schen Kapel­le, im Zwing­li­saal der refor­mier­ten Kirche und in der evangelisch-methodistischen Kirche. Natür­lich lässt sich das Ganze auch zu Hause auspro­bie­ren. «Wich­tig ist einfach, dass man in die Stil­le kommt und mit Gott wie mit einer Freun­din oder einem Freund spricht», sagt sie und fügt an, dass der Vorteil vom gemein­schaft­li­chen Frie­dens­ge­bet aber sei, dass man sich nicht nur auf Persön­li­ches konzen­trie­re. Hinzu komme der ökume­ni­sche Austausch. «Während katho­li­sche und refor­mier­te Gläu­bi­ge eher vorfor­mu­lier­te Gebe­te gewohnt sind, beten die metho­dis­ti­schen Gläu­bi­gen häufig frei. Für den einen oder die ande­re ist das ein ganz neues Erlebnis.»

→ Frie­dens­ge­bets­grup­pen gibt es in verschie­de­nen Pfar­rei­en. Die Daten und Infos finden sich auf den Websites.

Welt­frie­dens­tag: «Vergib uns unse­re Schuld: Gewäh­re uns deinen Frie­den.» So lautet das Motto des 58. Welt­frie­dens­ta­ges, der am 1. Janu­ar gefei­ert wird. Inspi­riert ist das Motto gemäss vaticannews.va unter ande­rem von den Begrif­fen Hoff­nung und Verge­bung. Diese stehen im Mittel­punkt des Heili­gen Jahres 2025. Es brau­che eine Zeit der Umkehr, die uns aufruft, nicht zu verur­tei­len, sondern Versöh­nung und Frie­den zu stif­ten. Im Jahr 1967 hat Papst Paul VI. den Neujahrs­tag auch zum Welt­frie­dens­tag erklärt. Seit­her wird dieser Tag jedes Jahr am 1. Janu­ar, Hoch­fest der Gottes­mut­ter Maria, began­gen. Die Erfah­rung der vielen Krie­ge über­all auf der Welt zeige, wie wich­tig dieses Thema nach wie vor sei, heisst es in der Mittei­lung weiter.

Text: Nina Rudnicki

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 28. Dezem­ber 2024

Editorial Ausgabe Dezember 2024

Als Kind ging ich beson­ders in der Weih­nachts­zeit gerne in die Kirche. Der Raum war erfüllt von Stil­le und Kerzen­licht, und ich konn­te stau­nen. Dieses Stau­nen ist geblie­ben, etwa wenn ich wie für die aktu­el­le Repor­ta­ge Ange­bo­te wie Kirche Kunter­bunt besu­che. Das ist ein Ange­bot für Fami­li­en, bei dem es wild, frech und bunt zu und her geht und Kirche und somit Gemein­schaft neu erleb­bar wird. Kirche Kunter­bunt wider­spie­gelt, wie viel­fäl­tig unse­re Gesell­schaft zuneh­mend wird. Als leben­di­ger und diver­ser Ort ermög­licht sie, uns inter­kul­tu­rell oder gene­ra­tio­nen­über­grei­fend auszu­tau­schen. Und wir können Menschen mit verschie­de­nen Welt­an­schau­un­gen und Lebens­ent­wür­fen kennen­ler­nen. Das ist eine gros­se Chan­ce. Im oftmals hekti­schen Alltag tut Gemein­schaft gut. Wir brau­chen krea­ti­ve Auszei­ten, Austausch und Raum für Gesprä­che, Fragen und Zwei­fel. Wie lässt sich eine viel­fäl­ti­ge Gemein­schaft lang­fris­tig zusam­men­hal­ten? Zum einen bestimmt dadurch, dass wir viele neue Wege erkun­den. Inso­fern bedeu­tet kunter­bunt für mich, das Stau­nen nicht zu verler­nen, sondern immer wieder neu zu entdecken.

Nina Rudni­cki, Redak­to­rin Pfar­rei­fo­rum, 27. Dezem­ber 2024

In die Kirche wie Pippi Langstrumpf

Wild und chao­tisch sowie gast­freund­lich und gene­ra­tio­nen­über­grei­fend: So soll Kirche Kunter­bunt sein. Das Pfar­rei­fo­rum hat sich auf dieses Erleb­nis einge­las­sen und ist der Frage nach­gegangen, was dieses neue Format bei Fami­li­en im ganzen Bistum St. Gallen so beliebt macht.

Die Finger der Kinder sind von oben bis unten mit Zucker­guss verschmiert. Die Klei­nen sitzen an einem Tisch im Domzen­trum in St. Gallen und bekle­ben ster­nen­för­mi­ge Kekse mit Smar­ties und Zucker­per­len. Aus einem Raum im Erdge­schoss ist ein Laubbläser zu hören. Mit diesem jagen eini­ge Buben Luft­bal­lo­ne um Verkehrs­hüt­chen herum. Und im Flur sitzen eini­ge Fami­li­en um ein Klavier herum und lernen mit einem Musi­ker Weih­nachts­lie­der. Rund 100 Perso­nen sind es, die an diesem Sonn­tag­vor­mit­tag zwischen den verschie­de­nen Posten von Kirche Kunter­bunt im Domzen­trum hin- und herei­len. Das drei­stö­cki­ge Gebäu­de ist von Lachen und Rufen erfüllt und manche Passan­tin­nen und Passan­ten blei­ben auf dem Gallus­platz bei der Kathe­dra­le erstaunt stehen und schau­en zu dem Gebäu­de herüber. In einer Scha­le auf dem Boden vor dem Eingang zum Domzen­trum brennt ein Feuer, in dem eini­ge Kinder mit Draht umwi­ckel­te Karton­ster­ne verbren­nen. Übrig bleibt eine ster­nen­för­mi­ge Figur zum Aufhängen.

Tisch­fuss­ball und Papiersterne

Wo sollen wir anfan­gen? Meine zwei Buben und ich drücken uns erst einmal an der Haus­wand entlang. Seel­sor­ge­rin Anne-Dominique Wolfers, die zusam­men mit ihrer Kolle­gin Ramo­na Casa­no­va Kirche Kunter­bunt orga­ni­siert, hat uns vorge­warnt: «Kirche Kunter­bunt ist wild und chao­tisch und voller Leben.» Genau­so solle es sein, wie bei Pippi Lang­strumpf in der Villa Kunter­bunt eben. Und dann sind wir mitten­drin: Wir spie­len Tisch­fuss­ball am Tögge­li­kas­ten und basteln Papier­ster­ne. Und gerne schau­en wir den vielen ande­ren Kindern zu. Es gibt viele Babys und Klein­kin­der und noch mehr Kindergarten- und Primar­schul­kin­der. Es gibt Kinder, die wir schon vom Fuss­ball­ver­ein und vom Kinder­tur­nen kennen, und solche, denen wir regel­mäs­sig im Quar­tier begeg­nen. Und dann gibt es ganz viele Eltern, Tanten, Onkel und Gross­el­tern, die an diesem Tag bei Kirche Kunter­bunt mit dabei sind. Eine Mutter, die wir vom Kinder­tur­nen kennen, sagt: «Kirche Kunter­bunt ist einfach so herzig gemacht, dass ich regel­mäs­sig mit meinen Kindern hier­her­kom­me. Weil mein Mann dieses Wochen­en­de weg ist, habe ich meine Eltern als Verstär­kung mitgebracht.»

Von über­all her

Gene­ra­tio­nen­über­grei­fend, gast­freund­lich und krea­tiv: So soll Kirche Kunter­bunt sein. Alle sind will­kom­men. Ziel des Forma­tes ist es, eine Gemein­schaft aufzu­bau­en, in welcher der Glau­be ohne Zwang auspro­biert und gelebt werden kann. Ramo­na Casa­no­va sagt: «Viele Fami­li­en haben bei der Taufe Berüh­rungs­punk­te mit der Kirche und dann erst wieder, wenn ihre Kinder den Reli­gi­ons­un­ter­richt in der Primar­schu­le besu­chen. Mit Kirche Kunter­bunt können wir diese Lücke schlies­sen.» Spezi­ell an Kirche Kunter­bunt im Domzen­trum ist, dass die Fami­li­en nicht nur aus dem Quar­tier kommen, sondern auch von weiter her, wie beispiels­wei­se aus Heris­au oder Mörschwil. Und es sind eini­ge Fami­li­en der eritre­ischen Sprach­ge­mein­schaft mit dabei, die ihren Mittel­punkt in einer benach­bar­ten Pfar­rei hat.

Davon mit dem Jesuskind

Nach einein­halb Stun­den Aktiv­zeit der Kirche Kunter­bunt mit den verschie­de­nen Posten steht jetzt der nächs­te Programm­punkt an: die Feier­zeit. Wir drän­gen uns auf eine Fens­ter­bank in der Nähe des Klaviers im Saal im Erdge­schoss. Dieser füllt sich rasch. «Dieses Mal sind doppelt so viele Fami­li­en gekom­men, wie wir erwar­tet haben. Unser Küchen­team hat das wirk­lich gut gemeis­tert und spon­tan darauf reagiert», sagt Anne-Dominique Wolfers. Für Kirche Kunter­bunt muss man sich nicht anmel­den, sondern kann einfach spon­tan kommen. Das gemein­sa­me Essen ist ein weite­rer Höhe­punkt von Kirche Kunter­bunt. Es ist kosten­los und die Fami­li­en können sich an den Tischen kennen­ler­nen. Zuerst wird an der Feier aber gesun­gen, gehüpft, geklatscht und vieles mehr. Von unse­rem Fens­ter­platz aus  beob­ach­ten wir, wie während der Feier ein Bub stän­dig versucht, heim­lich das Jesus­kind in der Krip­pe aus dem Raum zu schie­ben, um es für sich allei­ne zu haben. «Jetzt schafft er es», sagt mein Sohn und lacht. Aber dann kommt schon seine Mutter dazu und hält ihn auf. Jede Fami­lie bekommt einen Papier­stern und alle dürfen auf diesen ihre Wünsche schrei­ben. Es soll etwas sein, das  man sich in den folgen­den Tagen auch erfül­len kann. «Gemein­sam am Abend basteln», steht auf unse­rem Stern. Zum Abschluss halten alle Fami­li­en­mit­glie­der eine Ecke ihres Sterns und geben ihrem Gegen­über ein Gebet mit auf den Weg. Für weni­ger Albträu­me in der Nacht bittet mein Jünge­rer für seinen älte­ren Bruder.

Schlaf­los vor Vorfreude

Beim Essen­ho­len wird es noch­mals chao­tisch. Wie schafft man es mit einem Drei- und einem Sechs­jäh­ri­gen vom Buffet zurück an den Platz, ohne dass die Nudeln auf dem Boden landen? Während die beiden später am Tisch darüber disku­tie­ren, ob ihnen die Butter­nu­deln nun schme­cken oder nicht, setzt sich ein weite­rer Kinder­gärt­ner mit seiner Mutter zu uns. Sie erzählt, dass sie regel­mäs­sig in die Kirche Kunter­bunt kommt und wie sehr sich ihr Bub jeweils darauf freut. «Heute ist er mitten in der Nacht um drei Uhr aufge­wacht und hat bis sechs Uhr Bücher ange­schaut, weil er vor Vorfreu­de nicht mehr schla­fen konn­te», sagt sie. Er lacht und nickt. Und bei den letz­ten Löffeln Dessert sehen seine Augen müde und zufrie­den aus.

Musik, Thea­ter und krea­ti­ve Verkün­di­gung: Kirche Kunter­bunt hat ihren Ursprung als «Messy Church» in England. Die Initia­ti­ve versteht sich als eine frische Ausdrucks­form von Kirche. Junge Fami­li­en können hier Gemein­de erle­ben, auch wenn sie bisher wenig Bezug zu Glau­ben und Kirche hatten. Kirche Kunter­bunt läuft stets gleich ab und findet regel­mäs­sig alle paar Wochen statt: Während der 30-minütigen Will­kom­mens­zeit tref­fen die Fami­li­en ein. Danach folgt die Aktiv­zeit mit verschie­de­nen Posten, gefolgt von der Feier­zeit mit Musik, Thea­ter und krea­ti­ver Verkün­di­gung. Den Abschluss bildet die Essens­zeit. Jede Kirche Kunter­bunt steht unter einem Thema oder einer bibli­schen Erzäh­lung. Im Bistum St. Gallen findet sie in den Pfar­rei­en oder Seel­sor­ge­ein­hei­ten Gäbris, Widnau/Balgach/Diepolsdau-Schmitter, Berneck/Au/Heerbrugg, Gais, Appen­zell, Rorschach, Buech­berg, Eich- und Blat­ten­berg, Gams, Gaster, Walen­see, Uznach, Ober­zwil und Nieder­uz­wil sowie in der Stadt St. Gallen im DomZen­trum und in der Pfar­rei Heilig­kreuz statt.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 24. Dezem­ber 2024

Familien kreativ und neu begegnen

Kirche Kunter­bunt hat die Uznacher Reli­gi­ons­päd­ago­gin Sandra Buss­lin­ger von Beginn an begeis­tert. Die 51-Jährige sagt, ­wieso diese in Uznach ökume­nisch ist, welche Rolle Insta­gram spielt und ob das ­Ganze auch bei Senio­rin­nen und Senio­ren funk­tio­nie­ren würde.

Sandra Buss­lin­ger, was macht Kirche Kunter­bunt in Uznach besonders?

In Uznach gibt es bereits eini­ge tolle Ange­bo­te für Kinder und Jugend­li­che, wie etwa den Kinder­chor oder die Jugend­treffs. Hinzu kommen Ange­bo­te, die sich gezielt an Klein­kin­der und ihre Eltern rich­ten. Doch was uns fehl­te, war etwas, das die ganze Fami­lie anspricht. Am besten soll­te das nieder­schwel­lig und unkom­pli­ziert sein.

Sandra Buss­lin­ger

Kirche Kunter­bunt ist vor allem aber frech und wild…

Und darin liegt defi­ni­tiv ein Mehr­wert. Es werden alle Sinne ange­spro­chen. Das ist wunder­voll. Es wird gesun­gen, gespielt, geges­sen, gebas­telt, erlebt und vieles mehr. Die Kinder und ihre Eltern können sich zwischen den verschie­de­nen Posten frei entschei­den und auch selbst wählen, wie lange sie an einem Posten blei­ben oder wie oft sie diesen wieder­ho­len. Bis auf die vier Fixpunk­te Will­kom­mens­zeit, Aktiv­zeit, Feier­zeit und Essens­zeit läuft alles spon­tan und frei ab. Fami­li­en fühlen sich wohl und will­kom­men. In der Kirche Kunter­bunt trifft man auch Fami­li­en an, die man sonst nicht im Gottes­dienst sieht.

Wann war klar, dass das Projekt nach Uznach kommt?

Der entschei­den­de Moment war der April 2022. Damals orga­ni­sier­te das Bistum St. Gallen zusam­men mit der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St. Gallen und «Kirche Kunter­bunt Deutsch­land» einen Inspi­ra­ti­ons­tag. Ich wuss­te sofort, dass ich daran teil­neh­men werde. Dort traf ich meine evangelisch-reformierte Kolle­gin aus Uznach, Kath­rin Kägi, und wir waren beide total begeis­tert und inspi­riert. Uns beiden stell­te sich zudem nicht die Frage, ob, sondern wann wir mit Kirche Kunter­bunt star­ten würden. Schon fünf Mona­te später hatten wir die erste Ausga­be auf die Beine gestellt.

Kirche Kunter­bunt ist in Uznach ökume­nisch. Was ist der Vorteil davon?

Wir werden sicher einmal all jenen Paaren gerecht, die konfes­sio­nell gemischt sind. Das heisst zugleich auch, dass wir auto­ma­tisch mehr Perso­nen anspre­chen. Ein weiterer Vorteil ist, dass wir die Ressour­cen und die Finan­zen besser vertei­len können. Wir feiern Kirche Kunter­bunt unge­fähr alle zwei Mona­te. Wir bitten zwar jeweils um Anmel­dung, die Fami­li­en können aber auch spon­tan kommen. Kirche Kunter­bunt erfor­dert ein gewis­ses Mass an Flexi­bi­li­tät, da ist es sicher gut, wenn man breit abge­stützt ist.

Gibt es ein Netz­werk, in dem Sie sich austau­schen können?

Einmal im Jahr gibt es einen Fach­aus­tausch, den das Bistum orga­ni­siert. Dort disku­tie­ren wir darüber, was gelun­gen ist und was für Kirche Kunter­bunt nicht so gut funk­tio­niert hat. Man kann sich gegen­sei­tig Tipps geben oder Mate­ria­li­en austau­schen. Eine wich­ti­ge Quel­le ist für mich auch Insta­gram. Dort folge ich ande­ren Kirchen Kunter­bunt, wie etwa jenen in der Stadt St. Gallen oder der Seel­sor­ge­ein­heit Gaster. Es ist span­nend und inspi­rie­rend zu sehen, zu welchen Themen sie Kirche Kunter­bunt gestalten.

Welches war bis jetzt Ihre Lieb­lings­aus­ga­be in Uznach?

Ich fand Kirche Kunter­bunt zum Thema Scha­fe beson­ders berüh­rend. Wir hatten einen Bauern einge­la­den. Die Kinder durf­ten die Scha­fe strei­cheln und erfuh­ren alles rund um die Tiere und die Wolle. So lern­ten sie etwa, dass Schaf­wol­le etwa bei Hals­weh helfen kann, indem die Wolle aufge­legt wird. Gelun­gen fand ich auch jene Kirche Kunter­bunt, in der wir die Chris­tof­fel Blin­den­mis­si­on einge­la­den hatten. Eine blin­de Person erzähl­te den Kindern von ihrem Alltag. Zudem durf­ten wir den Bus der Orga­ni­sa­ti­on mit verschie­de­nen Posten und Spie­len nutzen.

Was lässt sich für ande­re Ziel­grup­pen abschau­en, etwa für Senio­rin­nen und Senioren?

Wir haben bereits eine Seniorinnen- und Senio­ren­grup­pen mit eige­nen Program­men. Das läuft gut. Viel­leicht können wir uns von Kirche Kunter­bunt aber abschau­en, dass es wich­tig ist, neue Formen auszu­pro­bie­ren. Ich denke da etwa an den Fami­li­en­kreuz­weg am Karfrei­tag. Früher war der immer gut von Fami­li­en besucht. Im vergan­ge­nen Jahr kamen aber nur weni­ge. Wir haben die Idee, dass wir diesen Kreuz­weg neu mit Aktiv­pos­ten rund um die Kirche gestal­ten. Solche Dinge möch­ten wir inspi­riert von Kirche Kunter­bunt testen.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: zVg

Veröf­fent­li­chung: 24. Dezem­ber 2024

Weihnachtskrippe Amden

Rolf Böni, Krip­pen­bau­er und Sakristan der Pfar­rei Amden, baut auch in diesem Jahr in der Kirche Amden die berühm­te Weih­nachts­krip­pe, die Menschen aus der ganzen Regi­on anzieht. Ab 24. Dezem­ber kann sie besich­tigt werden.

Jedes Jahr zur Weih­nachts­zeit zieht die belieb­te Ammler Krip­pe in der Gallus­kir­che in Amden viele Besu­che­rin­nen und Besu­cher in das Berg­dorf am Walen­see. Die einzig­ar­ti­ge Krip­pen­land­schaft enthält viele hand­ge­schnitz­te Krip­pen­fi­gu­ren. Die Vorbe­rei­tungn für die Weih­nachts­krip­pe begin­nen bereits im Früh­ling. Dann begibt sich Rolf Böni auf Entde­ckungs­rei­se in der Natur. Unter­stützt wird er dabei von seiner Fami­lie und Freun­den. Bäume und Wurzeln müssen zuge­schnit­ten werden. Damit die Krip­pe im Dezem­ber unge­stört vorbe­rei­tet werden kann, werden in dieser Zeit keine Gottes­diens­te in der Kirche gefei­ert, die Pfar­rei weicht in die St.-Anna-Kapelle aus. Erst an Heilig­abend wird das Geheim­nis gelüf­tet und die Krip­pe darf besich­tigt werden.

Rolf Böni ist Verant­wort­li­cher und Erschaf­fer der Krip­pe, welche die gesam­te Kirche ausfüllt.
Als Deko­ra­ti­on arbei­tet Rolf Böni Mate­ria­li­en aus der Natur ein.
Mehre­re Tage ist Ralf Böni beschäf­tigt, bis jede Figur am rich­ti­gen Platz steht.
Erst am 24. Dezem­ber ist es soweit: Die Bevöl­ke­rung darf die neue Weih­nachts­krip­pe bestaunen.
Das Herz der Weih­nachts­krip­pe: Maria, Josef und das Jesus-Kind in der Krippe.
Die Weih­nachts­krip­pe visua­li­siert die verschie­de­nen Szenen aus der bibli­schen Weih­nachts­er­zäh­lung, hier: die Hirten auf dem Feld.
… und auch die Heili­gen Drei Köni­ge, die Jesus besu­chen, dürfen nicht fehlen.
Die Krip­pen­fi­gu­ren sind bis in die kleins­ten Details ausgearbeitet.
Die Krip­pe enthält auch viele Bezü­ge zur alpi­nen Welt wie zum Beispiel pitto­res­ke Bergbäche.
Noch ist es ruhig in der Kirche, aber ab 24. Dezem­ber zieht sie unzäh­li­ge Menschen aus der ganzen Regi­on und darüber hinaus an.

Bis Ende Januar

Die Weih­nachts­krip­pe wird am 24. Dezem­ber um 14:00 Uhr eröff­net, sie kann bis Ende Janu­ar täglich von 9:00 bis 18:00 Uhr besich­tigt werden. Rolf Böni bietet für Grup­pen auch Führun­gen an. Dabei erzählt er Hinter­grund­in­fos zur Krip­pe und deren Entste­hung und gibt auch Einbli­cke in die Aufbau- und Abbauphase. 

Weite­re Informationen

Text: Stephan Sigg

Bild: Manue­la Matt

Veröf­fent­li­chung: 23.12.2024

Editorial Dezemberausgabe

Ich kann mich noch gut daran erin­nern, wie ich zum ersten Mal an Heilig­abend die Mitter­nachts­mes­se besucht habe, wie ich als Kind mit den Krip­pen­fi­gu­ren meiner Gross­el­tern gespielt und mich schon Tage vor dem gros­sen Fest auf das obli­ga­te Fondue Chinoi­se gefreut habe. 

Weih­nach­ten ist mit aller­lei Tradi­tio­nen verbun­den, die über Gene­ra­tio­nen gepflegt und weiter­ge­ge­ben werden. Dabei ist es nicht immer einfach, allen Bedürf­nis­sen gerecht zu werden.

Für die einen gehö­ren Geschen­ke unter den feier­lich geschmück­ten und mit Kugeln behäng­ten Baum, ande­ren sagen diese Symbo­le nichts. Eini­ge möch­ten den Heilig­abend singend verbrin­gen, ande­re würden lieber einer Weih­nachts­ge­schich­te horchen. Das kann auch schon mal zu Miss­tö­nen in den warmen Stuben führen. 

Gera­de für Chris­tin­nen und Chris­ten, die nicht in der Schweiz gebo­ren wurden, ist es nicht immer einfach, die ihnen bekann­ten Tradi­tio­nen auch in der neuen Heimat aufrecht­zu­er­hal­ten. Sie sitzen zwischen Stüh­len und Bänken. Das Verbin­den­de: Die Weih­nachts­bot­schaft. Trotz Glit­zer und Lamet­ta, ob ein echter Baum oder ein künst­li­cher, das Zusam­men­sein mit den Liebs­ten und das Feiern der Geburt Jesu ist es, worauf es an Weih­nach­ten ankommt. Nicht umsonst trägt das Fest auch den Namen «Fest der Liebe».

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 17. Dezem­ber 2024

Zeit, Rückblick zu halten?

In der Kolum­ne Meine Sicht ist dies­mal die Rorscha­cher Seel­sor­ge­rin Vera Maria Rösch an der Reihe. Sie denkt über das sich zu Ende neigen­de Jahr nach und darüber, was uns hoff­nungs­voll auf Neues blicken lässt.

Meine altmo­di­sche Papieragen­da wird wieder schlan­ker. Ein volles Jahr, das sich dem Ende zuneigt.

Seite um Seite gefüllt mit To-do-Listen, Noti­zen, Wich­ti­gem und Klei­nig­kei­ten, mit Erleb­tem, das das vergan­ge­ne Jahr präg­te. Nur noch weni­ge Wochen, schon ist das Jahr 2024 wieder Geschich­te. Zeit, Rück­blick zu halten? Bestimmt war da auch bei Ihnen viel Schö­nes und Freu­di­ges. Feste, Erfol­ge, beson­de­re Erleb­nis­se und Glücks­mo­men­te. Vermut­lich gab es aber auch Stil­les, Dinge, die im Dunk­len lagen, die viel Schnauf brauch­ten, die Sie erschöpf­ten und ermü­de­ten. Und neben all dem Priva­ten immer wieder gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Neuig­kei­ten, die den klei­nen geschütz­ten Mikro­kos­mos durch­bra­chen. Ich weiss nicht, wie es Ihnen ergeht, aber in mir löst dieses schwin­den­de Jahr, beglei­tet durch den einen oder ande­ren trüben Nebel­tag oft eine diffu­se Melan­cho­lie aus – die Frage, was das neue Jahr brin­gen wird, nimmt sich Raum.

Hoff­nungs­schim­mer

«Das geknick­te Rohr wird er nicht zerbre­chen, und den glim­men­den Docht wird er nicht auslö­schen.» Die bibli­schen Texte, die im Advent gele­sen werden, nehmen die Zerbrech­lich­keit unse­res Lebens auf und schen­ken Hoff­nungs­schim­mer: Gera­de in der Dunkel­heit sind wir nicht allein. Die alte Verheis­sung, dass das Licht das Dunk­le besiegt, gilt auch heute. Diese Zusa­ge verdich­tet sich an Weih­nach­ten: «Fürch­tet euch nicht», so die Botschaft, die der Engel an Maria und die Hirten rich­tet, es kommt gut. Mit der festen Absicht, mich vorsich­tig von dieser Zuver­sicht tragen zu lassen, kaufe ich mir eine neue Agen­da und bin gespannt auf das, was das neue Jahr brin­gen wird.

Text: Vera Maria Rösch, Seel­sor­ge­rin Katho­li­sche Kirche Regi­on Rorschach

Bild: zVg

Veröf­fent­li­chung: 13. Dezem­ber 2024

Leserfrage: Wie findet man als Erwachsene neue Freunde?

Die Seel­sor­ge­rin Betti­na Flick erzählt, wie es ihr gelang, nach einem Umzug vom Toggen­burg ins Linth­ge­biet neue Freun­de zu finden. 

Vor gut zwei Jahren bin ich berufs­mäs­sig vom Toggen­burg ins Linth­ge­biet gezo­gen. Zuerst war die Versu­chung da, meinen alten Wohn­ort mit Freun­den und vielen guten Bezie­hun­gen nicht aufzu­ge­ben und lieber täglich zu pendeln.

Ich habe mich dann entschie­den, ganz ins Linth­ge­biet zu ziehen und einen neuen Anfang zu wagen. Dieser Neuan­fang ist nicht nur beruf­lich sehr geglückt. Natür­lich hat mir mein Beruf als Seel­sor­ge­rin auch gehol­fen, Menschen kennen­zu­ler­nen. Aber dass daraus in kurzer Zeit Freund­schaf­ten entstan­den, hat wohl auch haupt­säch­lich mit zwei Haltun­gen zu tun: Die erste ist meine Entschie­den­heit, mich am neuen Ort wirk­lich zu verwur­zeln. Und die zwei­te ist meine Neugier.

Lieb­lings­or­te kennengelernt

In den ersten Wochen habe ich über­all herum­ge­schaut, was mir hier am neuen Ort Freu­de berei­ten könn­te. Ich habe das Inter­net genau­so durch­fors­tet wie die Kleinanzeigen bei den Super­märk­ten und im Bioladen, habe die Plakat­wän­de studiert und immer mehr auch Menschen, die ich zufäl­lig traf, ange­spro­chen. Ich habe meinen Inter­es­sen entspre­chend nach Wander- und Velowegen gefragt, mich erkun­digt, wo es über­all Hoflä­den gibt, und vieles auch besucht. Beson­ders die Frage nach einem Lieb­lings­platz war ein rich­tig­ge­hen­der «Tür-Öffner», gern haben mir ganz unter­schied­li­che Leute erzählt, wo sie sich gern aufhal­ten. Manche haben es mir auch gezeigt. Dann kam mein erster Geburts­tag im Linth­ge­biet. Es wäre einfach und nahe­lie­gend gewe­sen, einen schö­nen Abend mit meinen alten Freun­din­nen und Bekann­ten zu gestal­ten. Aber ich nahm meinen Mut zusam­men und lud nur neue Bekannt­schaf­ten von vor Ort ein. Es kamen viel weni­ger Gäste, als ich erwar­tet hatte. Ich hatte noch eini­ge Zeit damit zu tun, die Gemüse-Sticks und die Kuchen selbst zu essen. Und doch war diese Einla­dung wie ein Signal: Die Menschen spür­ten, dass ich mich hier wirk­lich einlas­sen möchte.

Hilfe anneh­men

Als ich vor einem halben Jahr einen Velounfall hatte, durf­te ich erle­ben, wie das neue Netz trägt. Kaum war ich vom Spital daheim in meiner Wohnung, kam ein Anruf: «Betti­na, ich mache gera­de Risot­to. Soll ich eine Porti­on für dich mitko­chen und vorbei­brin­gen?» Solan­ge die viel­fäl­ti­gen Brüche noch nicht verheilt waren, haben mir Menschen Essen nach Hause gebracht, mich zum Arzt gefah­ren oder waren für mich einkau­fen. Jemand bot mir sogar an, meine Wohnung zu putzen. Ich muss­te manch­mal über meinen Schat­ten sprin­gen, um diese Ange­bo­te zu akzep­tie­ren. Und zugleich hat auch jede Hilfe, die ich anneh­men konn­te, das Band der Freund­schaft gestärkt. Entschie­den­heit, Neugier und die Offen­heit, sich beschen­ken zu lassen, haben mir gehol­fen, neue, wunder­vol­le Freund­schaf­ten zu finden.

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Text: Betti­na Flick, Seel­sor­ge­rin, Seel­sor­ge­ein­heit Obersee

Veröf­fent­li­chung: 10. Dezem­ber 2024

Spenden wir jetzt mehr?

Im Dezem­ber ist die Bereit­schaft zu spen­den grös­ser als sonst im Jahr. Wie gross­zü­gig sind die Menschen in der Ostschweiz? Wie entwi­ckelt sich das Spen­den­ver­hal­ten? Und wie wich­tig sind inzwi­schen die digi­ta­len Spende-Möglichkeiten und Influencer?

Die Menschen in der Ostschweiz sind beson­ders hilfs­be­reit und schät­zen gemein­schaft­li­che Werte. Das schlägt sich in ­einem hohen Spen­den­en­ga­ge­ment nieder», sagt Karin Schä­fer, Geschäfts­füh­re­rin von Miva (Bild oben). Das katho­li­sche Hilfs­werk mit Sitz in Wil SG ist seit Jahr­zehn­ten für ein unkon­ven­tio­nel­les Spen­den­mo­dell bekannt: den Kilometer-Rappen. Er gilt als Dank für jeden unfall­frei gefah­re­nen Kilo­me­ter. Miva setzt sich seit 1932 dafür ein, die Lebens­be­din­gun­gen in abge­le­ge­nen Regio­nen von Entwick­lungs­län­dern zu verbes­sern, indem sie Trans­port­mit­tel für dort ansäs­si­ge Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen finan­ziert. Für miva ist der Dezem­ber ein wich­ti­ger Monat: «Es wird dann deut­lich mehr gespen­det als in ande­ren Mona­ten. Wir können im Dezem­ber bis zu 30 Prozent der Spen­den eines Jahres einneh­men», sagt Karin Schä­fer. Die Grün­de sind viel­fäl­tig. Einer­seits verstär­ken viele Hilfs­wer­ke vor Weih­nach­ten die Spen­den­auf­ru­fe und machen mehr Werbung. «Ande­rer­seits sind die Menschen in der Weih­nachts­zeit beson­ders gross­zü­gig und haben das Bedürf­nis, ande­ren etwas Gutes zu tun.»

Miva: Benach­tei­lig­te Jugend­li­che in Tansa­nia werden mit einem mobi­len Ausbil­dungs­bus unter­rich­tet und können dadurch eine beruf­li­che Zukunft aufbau­en, trotz ihrer schwie­ri­gen Lage.

Höchs­te Spendenbereitschaft

Beim Spen­den gibt es regio­na­le Unter­schie­de, wobei sich die Ostschweiz gemäss Schä­fer am spen­den­freu­digs­ten zeigt. Sie spricht von beein­dru­cken­den «87 Prozent der Haus­hal­te». Gemäss der Miva-Geschäftsführerin ist die Spen­den­be­reit­schaft so hoch, dass man sagen könne, dass fast alle spen­den: Frau­en und Männer, Junge und Älte­re, Stadt- und Land­be­woh­ner. «Unter­schie­de kann man am ehes­ten noch am Alter aufzei­gen: Am spen­den­be­rei­tes­ten sind Menschen über 55 Jahren, aber auch die jünge­ren Alters­grup­pen zeigen wach­sen­den Einsatz und spen­den heut­zu­ta­ge häufi­ger als früher.» Schä­fer spricht gene­rell von einer wach­sen­den Anzahl Spen­dern. «Es spen­den mehr Menschen als früher, jedoch selte­ner, dafür mit höhe­ren Beträ­gen.» Dabei wird in den vergan­ge­nen Jahren vermehrt für akute Nothil­fe gespen­det. «Ereig­nis­se wie Krie­ge und Natur­ka­ta­stro­phen erhal­ten viel Aufmerk­sam­keit und lösen hohe Spen­den­be­reit­schaft aus. Der Anteil an solchen ‹ausser­or­dent­li­chen› Einzel­spen­den nimmt stark zu», sagt Schä­fer. Schwie­ri­ger sei es hinge­gen für die Entwick­lungs­hil­fe, die ange­sichts der omni­prä­sen­ten Krisen leicht in Verges­sen­heit gerät.

Miva enga­giert sich seit 1932 für Menschen in Entwicklungsländern.

Online­prä­senz ausbauen

Miva setzt nicht nur auf die klas­si­schen Kommu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, sondern hat auch die Online­präsenz stark ausge­baut, um neue Ziel­grup­pen anzu­spre­chen. «Online­spen­den nehmen von Jahr zu Jahr zu und machen bei vielen Hilfs­wer­ken bereits rund zehn Prozent des Volu­mens aus», so Schä­fer. In den Sozia­len Medi­en sieht sie denn auch eine Chan­ce. «Künf­tig möch­ten wir gerne auch mit Influen­cern zusam­men­ar­bei­ten, da sie sich das Vertrau­en ihrer Follower bereits erar­bei­tet haben und damit sehr authen­tisch wirken können, wenn sie von einer guten Sache wie unse­ren Hilfs­pro­jek­ten über­zeugt sind.»

Neue Mass­nah­men testen

Im selben Span­nungs­feld bewegt sich auch Cari­tas Schweiz. Sie versucht das Vertrau­en in die Orga­ni­sa­ti­on über verschie­de­ne Kanä­le auf- und auszu­bau­en. «Um am Puls zu blei­ben und die Spender/-innen dort abzu­ho­len, wo sie sich bewe­gen, testen wir stetig neue Mass­nah­men im Online- und Offline-Bereich», sagt Medi­en­spre­che­rin Daria Jenni. Auch Cari­tas Schweiz verzeich­net einen stei­gen­den Anteil digi­ta­ler Spen­den am Gesamts­pen­den­vo­lu­men, wobei in Kata­stro­phen­fäl­len jeweils noch­mals ein Anstieg erkenn­bar ist. Twint wird mitt­ler­wei­le bei den Spen­den über die Caritas-Website mit Abstand am häufigs­ten genutzt. Bei den Privat­spen­den sei die Ostschweiz vergleich­bar mit dem Mittel­land und der Zentral­schweiz, so Jenni. Im Dezem­ber führt Cari­tas Schweiz jeweils eine gros­se Kampa­gne gegen Armut durch. Nicht ohne Resul­tat: «Der Dezem­ber ist ein sehr spen­den­star­ker Monat.». Cari­tas hat über die vergan­ge­nen Jahre eben­falls einen Trend hin zu Spen­den für Kata­stro­phen­hil­fe und akute Krisen fest­ge­stellt. «Aber auch für die Menschen in der Schweiz wird weiter­hin gespendet.»

Die Akti­on Stern­sin­gen konn­te auch 2024 ein Spen­den­plus vermelden.

Stern­sin­ger boomen

«Mit der vergan­ge­nen Akti­on Stern­sin­gen konn­ten wir bei den Spend­en­er­geb­nis­sen wieder­um ein leich­tes Plus verzeich­nen», freut sich Hans­pe­ter Ruedl, Marke­ting­lei­ter bei Missio Schweiz. Die Akti­on Stern­sin­gen ist die bekann­tes­te Spen­den­samm­lung des katho­li­schen Hilfs­werks. Durch­ge­führt wird sie gemein­sam mit den Pfar­rei­en, die meis­ten Stern­sin­ger in der Schweiz sammeln für eines der Projek­te von Missio. Anders war die Situa­ti­on vor ca. 35 Jahren: «Da war der Sternsinger-Brauch ziem­lich einge­schla­fen und droh­te auszu­ster­ben.» Seit­her erlebt der Brauch einen regel­rech­ten Boom. Dies lässt sich nicht nur an der Betei­li­gung von über 10 000 Kindern und Jugend­li­chen in den vergan­ge­nen Jahren, sondern auch an wach­sen­den Spend­en­er­geb­nis­sen fest­ma­chen. «Das beson­de­re bei dieser Akti­on ist sicher­lich, dass Kinder für Kinder sammeln», sagt Ruedl, «wenn Kinder sich frei­wil­lig für ande­re enga­gie­ren, da fällt es schwer, ihnen nichts zu geben.» Auch die Stern­sin­ger erhal­ten Spen­den vermehrt digi­tal: «Die Stern­sin­ger sind mit einer Büch­se unter­wegs, aber sie vertei­len auch Flyer mit dem QR-Code für Twint-Spenden. Dieses Ange­bot wird immer mehr genutzt.»

Unzäh­li­ge Influencer

Im Marke­ting setzen heute viele auf Influen­cer – hat auch Missio schon darüber nach­ge­dacht? Hans­pe­ter Ruedl lacht: «Wir über­le­gen uns tatsäch­lich gera­de, einen Influen­cer aufzu­bau­en, die oder den man mit unse­rer Arbeit verbin­det und die oder der uns gegen aussen ein Gesicht gibt.» Vorerst sind es im Dezem­ber und Janu­ar die Stern­sin­ger – unzäh­li­ge Kinder und Jugend­li­che, die als «Influen­cer» schweiz­weit für Kinder in Not im Einsatz sind.

Text: Stephan Sigg, Ales­sia Pagani

Bild: zVg

Veröf­fent­li­chung: 3. Dezem­ber 2024

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