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Durch Gallus weltweit vernetzt

Jakob Kurat­li Hüeb­lin hat es sich zum Ziel gemacht, welt­weit alle Gallus­ka­pel­len ­aufzu­spü­ren. Dafür betreibt er eine Websei­te. Seine Faszi­na­ti­on für Gallus endet auch nach Feier­abend als stell­ver­tre­ten­der Leiter des Stifts­ar­chivs nicht.

Eine verlot­ter­te Gallus­kir­che, womög­lich ohne Dach, irgend­wo abge­le­gen in Tsche­chi­en: Findet Jakob Kurat­li Hüeb­lin ein solches Objekt, ist jeweils ein Ziel seiner Feri­en erreicht. Der 45-jährige St. Galler betreibt die Websei­te sanktgallus.net mit der Absicht, welt­weit alle Gallus­ka­pel­len und ‑kirchen aufzu­spü­ren, zu doku­men­tie­ren und im histo­ri­schen, kultu­rel­len und spiri­tu­el­len Kontext einzu­bet­ten. «Das schöns­te an diesem Hobby ist, dass ich nicht an den typi­schen touris­ti­schen Orten mit ihren bekann­ten Sehens­wür­dig­kei­ten lande, sondern durch wunder­schö­ne Land­schaf­ten wie zum Beispiel in Mähren und Böhmen reise, die ich sonst nie sehen würde», sagt er. Nebst Tsche­chi­en hat er auf diese Weise unter ande­rem auch Deutsch­land, Irland und Frank­reich erkun­det. Befin­det sich eine Gallus­kir­che oder ‑kapel­le weiter entfernt wie etwa in den USA, Südame­ri­ka oder Afri­ka, ist er zudem auf Zuschrif­ten wie Lite­ra­tur­tipps oder zuge­sand­tes Bild­ma­te­ri­al angewiesen.

Eine Zufalls­lei­den­schaft

Auf die Idee, eine solche Websei­te zu betrei­ben, kam Jakob Kurat­li Hüeb­lin durch Zufall. In St. Gallen arbei­tet er als stell­ver­tre­ten­der Leiter des Stifts­ar­chivs. 2012 stand das 1400-Jahre-Gallus-Jubiläum an. Zu diesem Anlass veröf­fent­lich­te das Stifts­ar­chiv die Publi­ka­ti­on «1400 x Gallus». Diese enthält 1400 Orte, die mit dem Grün­der des Klos­ters St. Gallen zu tun haben. Jakob Kurat­li Hüeb­lin griff dafür auf eine Arbeit des Stifts­ar­chi­vars Paul Staerk­le aus dem Jahr 1951 zurück, der sich bereits inten­siv mit Gallus­pa­tro­zi­ni­en ausein­an­der­ge­setzt hatte. «Ich fand seine Recher­che eindrück­lich und das Ganze ein abwechs­lungs­rei­ches Hobby», sagt er, den die Faszi­na­ti­on für Gallus und dessen Wirken seit­her nicht mehr los liess.

Nur noch ein Schienbein

Einer der span­nends­ten Punk­te ist für Jakob Kurat­li Hüeb­lin, wie sich der Kult des Heili­gen Gallus von St. Gallen aus ausge­brei­tet hat. Dadurch könne aufge­zeigt werden, wie vernetzt die Kirche und wie gross der Einfluss des Klos­ters St. Gallen war. «Um eine Gallus­kir­che zu grün­den, muss­te man über Reli­qui­en verfü­gen. Ohne Über­res­te wie Knochen oder Stücke vom Buss­gür­tel des Heili­gen war das grund­sätz­lich nicht möglich», sagt er. Dass es heute welt­weit rund 450 Gallus­ka­pel­len und ‑kirchen gebe, bedeu­te also auch, dass im Mittel­al­ter mit den Gallus-Reliquien gross­zü­gig umge­gan­gen worden sei. «Später, während des refor­ma­to­ri­schen Bilder­sturms im 16. Jahr­hun­dert, in dem reli­giö­se Bilder und Gegen­stän­de in Kirchen zerstört und die Reli­qui­en entfernt wurden, wurden Witze über das Grab des heili­gen Gallus gemacht. Es fand sich darin nämlich nur noch ein Schien­bein», sagt er.

Jakob Kurat­li Hüeb­lin vor den baro­cken Statu­en der beiden St.Galler Grün­der­hei­li­gen Gallus und Otmar im Ostflü­gel des ehema­li­gen Klostergebäudes.

Auch Schutz­pa­tron des Viehs

«Sankt Gallus verbin­det uns», schreibt Jakob Kurat­li Hüeb­lin auf seiner Websei­te. Worin diese Verbin­dung liegen mag, kann heraus­fin­den, wer sich dort auf der Welt­kar­te zu einer der Gallus­ka­pel­len und ‑kirchen klickt. Nebst Fotos und Infor­ma­tio­nen gibt es auch die Möglich­keit, eini­ge der Kirchen mit einer 3D-Brille virtu­ell zu besu­chen. Eine Über­ra­schung sind die vielen refor­mier­ten Gallus­ka­pel­len und ‑kirchen. «Das war auch für mich der gröss­te Erkennt­nis­ge­winn – und dass refor­miert nicht gleich refor­miert ist», sagt Jakob Kurat­li Hüeb­lin. «Gallus ist ein ökume­ni­scher Heili­ger, der in refor­mier­ten Gegen­den als Missio­nar und vorbild­li­cher Predi­ger gilt.» Je nach Land­schaft verän­de­re sich auch die Bedeu­tung von Gallus als Patron. «Er ist nicht nur ein Klos­ter­pa­tron, sondern wird mancher­orts beispiels­wei­se ganz volks­tüm­lich als Schutz­pa­tron des Viehs verehrt.»

Einfach an Haus­tü­ren klingeln

Ein Mittag­essen bei einem Ehepaar auf einem abge­le­ge­nen Bauern­hof und vor allem viele Begeg­nun­gen: Auch das gehört zu den Dingen, die Jakob Kurat­li Hüeb­lin erlebt, wenn er sich auf die Spuren­su­che von Gallus­ka­pel­len und ‑kirchen begibt. Oftmals sind diese abge­schlos­sen. «Mir bleibt dann nichts ande­res übrig, als einfach bei Häusern in der Nähe zu klin­geln, um zu erfah­ren, wer für die Kirche oder Kapel­le zustän­dig ist», sagt er. «Die Menschen freu­en sich dann oft. Sie tref­fen jeman­den, der aus einer ganz ande­ren Gegend kommt, wo es mit Gallus aber etwas stark Verbin­den­des gibt.»

www.sanktgallus.net, dort finden sich auch Infos zu den jewei­li­gen Gottes­diens­te in den verschie­de­nen Galluskapellen.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 1. Novem­ber 2022

Plötzlich mit Messer und Gabel überfordert

An verschie­de­nen Statio­nen müssen Alltags­situationen aus der Perspek­ti­ve von Perso­nen mit Demenz gemeis­tert werden. Ein Spiel­zeug­au­to über eine gezeich­ne­te Stras­se schie­ben. Doch das Bild ist spie­gel­ver­kehrt, jede Kurve wird zur Gedulds­pro­be. Diese und zwölf weite­re Statio­nen des Demenz­si­mu­la­tors vermit­teln eine Ahnung vom Alltag von Menschen, die an Demenz erkrankt sind.

Frei­tag­nach­mit­tag im refor­mier­ten Kirch­ge­mein­de­haus in Ganter­schwil. Sieben Teil­neh­me­rin­nen des Kurses «Menschen mit Demenz beglei­ten» testen den «Demenz­si­mu­la­tor»: An einer Stati­on gilt es, eine Schür­ze anzu­zie­hen – aber mit über­gros­sen Hand­schu­hen. Jeder Knopf ist eine Heraus­for­de­rung. An einer ande­ren Stati­on wartet ein Text. Doch er ist von so vielen Hiero­gly­phen verun­stal­tet, dass man ihn nur mit viel Konzen­tra­ti­on lesen kann. Ich gebe mir Mühe, versu­che mich zu konzen­trie­ren, aber sehr schnell macht sich Unge­duld und Frus­tra­ti­on breit. An ande­ren Statio­nen fühlt man sich hilf­los oder verliert – weil es nicht so funk­tio­niert wie gewünscht – das Inter­es­se und die Lust. So geht es auch den ande­ren Teil­neh­me­rin­nen. Zwar wird ab und zu gelacht, doch die Betrof­fen­heit ist deut­lich spür­bar: Was für uns nur ein Test ist, ist für Menschen, die an Demenz ­erkrankt sind, der Alltag.

Frus­tra­ti­on und Scham

Welchen Hinder­nis­sen begeg­nen Demenz­kran­ke in ihrem Alltag? Maya Hauri Thoma, bei der Evangelisch-refomierten Kirche des Kantons St. Gallen zustän­dig für die Projekt­stel­le «Hoch­alt­rig­keit und Demenz», hat den Demenz­si­mu­la­tor mit seinen 13 Statio­nen in Deutsch­land entdeckt und in die Schweiz geholt. Er kommt bei Kursen zum Einsatz, wird aber auch an Kirch­ge­mein­den, Pfar­rei­en und Bildungs­in­sti­tu­tio­nen ausge­lie­hen. Die Reso­nanz sei gross, in diesem Jahr war er in der ganzen Deutsch­schweiz unter­wegs. Selbst­ver­ständ­lich: Der Simu­la­tor ist nur ein Versuch, Einbli­cke in das Erle­ben und Empfin­den von Demenz-Erkrankten zu ermög­li­chen – wie es den Betrof­fe­nen wirk­lich geht, wissen nur sie. Maya Hauri Thoma weist auch darauf hin: «Es gibt nicht die Demenz. Jeder Demenz­kran­ke ist anders.» Bei den Teil­neh­me­rin­nen in Ganter­schwil löst der Simu­la­tor viel aus. «Man kann einfach nicht begrei­fen, dass etwas so einfa­ches und selbst­ver­ständ­li­ches nicht mehr geht», sagt eine, «man ist frus­triert und schämt sich.» Alle von ihnen haben privat oder in ihrem frei­wil­li­gen Enga­ge­ment schon mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, zu tun gehabt. Jemand erzählt von einem Demenz-Betroffenen, der plötz­lich nicht mehr am Senio­ren­mit­tags­tisch teil­nahm, weil er mit Messer und Gabel über­for­dert war. «Sie schä­men sich, auswärts zu essen und das vergrös­sert die Isola­ti­on noch mehr.»

Tipps für den Alltag

Der Demenz­si­mu­la­tor soll mehr als nur Betrof­fen­heit auslö­sen: Er soll Verständ­nis wecken für die Gefüh­le und das Verhal­ten von Demenz­kran­ken. Gleich­zei­tig soll er auch einen unver­krampf­ten Umgang ermög­li­chen. Maya Hauri Thoma zeigt den Teil­neh­me­rin­nen konkre­te Tipps für den Alltag auf: «Wenn ich weiss, dass ein Verwand­ter Mühe hat, mit Messer und Gabel zu essen, dann kann ich Apéro-Gebäck anbie­ten, das man mit der Hand essen kann.»

«Einen unver­krampfteren Umgang»

Ende Novem­ber schlies­sen die Gossau­er ­Pfar­rei­en ihr ­Themen­jahr zur Demenz ab. Was hat es ausgelöst?

Martin Rusch, Sie sind ­Seel­sorger und ­Mitor­ga­ni­sa­tor des Themen­jah­res. Warum ­haben Sie dieses angeboten?

Martin Rusch: Die Kirche hat eine Verant­wor­tung für Demenz­kran­ke und deren Umfeld. Neben den medi­zi­ni­schen und sozia­len Ange­bo­ten leis­tet die Seel­sor­ge einen wich­ti­gen Beitrag. Wir wollen zeigen, dass wir für Betrof­fe­ne und deren Ange­hö­ri­ge da sind.

Wird es in Zukunft spezi­el­le Ange­bo­te für Demenz-­Erkrankte in den Gossau­er Pfar­rei­en geben?

Martin Rusch: Das war auch eine der Erkennt­nis­se in diesem Themen­jahr. Ursprüng­lich haben wir mit dem Gedan­ken gespielt, Gottes­diens­te für Demenz-Erkrankte zu initi­ie­ren. Fach­per­so­nen haben uns darauf hinge­wie­sen, dass es für die Betrof­fe­nen wich­tig sei, Gottes­diens­te in ihrer gewohn­ten Umge­bung mit dem gewohn­ten Ablauf zu erle­ben. Deshalb wäre es gera­de kontra­pro­duk­tiv, etwas Neues zu entwickeln.

Welche Erkennt­nis­se nehmen Sie aus diesem Themen­jahr mit?

Martin Rusch: Wir waren über­rascht von der gros­sen Reso­nanz. Alle Anläs­se sind auf gros­ses Echo gestos­sen, man hat gemerkt, wie sehr das Thema die Menschen beschäf­tigt. Mich haben die Inputs und Gesprä­che ermu­tigt, ein Stück offe­ner und natür­li­cher mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, umzu­ge­hen. Eines der schöns­ten Erleb­nis­se war das Singen mit Demenz-Erkrankten. Der St. Galler «Chor für Demenz­kran­ke» hat uns in Gossau besucht und mit Betrof­fe­nen aus unse­ren Pfar­rei­en gesun­gen. Die Sänge­rin­nen und Sänger haben mit gros­ser Hinga­be mitgemacht.

→ Der Demenz­si­mu­la­tor ist vom 28. Novem­ber bis 4. Dezem­ber noch­mals in Gossau ­(Gemein­schafts­haus Witten­wis) zu Gast. Infos: www.kathgossau.ch

Text: Stephan Sigg

Fotos: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 26. Okto­ber 2022

Im Moment da sein

Wie funk­tio­nie­ren Gottes­diens­te für Menschen mit Demenz? Zwei Seel­sor­gen­de erzäh­len, worauf es dabei ankommt und wieso es wich­tig ist, sie zu feiern.

Stär­ken­des mitgeben

«An erster Stel­le stehen für mich in einem Gottes­dienst für Menschen mit Demenz die eige­ne Grund­hal­tung und die Würde des Menschen», sagt Andre­as Barth, Verant­wort­li­cher für den Fach­be­reich «Seel­sor­ge­Plus» des Bistums St. Gallen. Hier­bei handelt es sich um Seel­sor­ge im Zusam­men­wir­ken mit Menschen mit und ohne Beein­träch­ti­gun­gen. «Die Würde steht jedem von uns zu jeder Zeit zu. Mit der Taufe bekommt man das Verspre­chen mit auf den Weg, dass man seine Würde bis zum Lebens­en­de und auch trotz star­ker Einschrän­kun­gen nicht verliert.» Der Gottes­dienst sei der Rahmen, in dem spür­bar werde, dass Gott für alle da ist. Ausser­dem solle der Gottes­dienst einem etwas mitge­ben, das fürs Leben stär­kend sei.

«Unge­plan­te Momen­te stos­sen bei mir immer auf ein offe­nes Herz und lösen ein Gefühl der Zuge­hö­rig­keit aus: Im Sinne von ‹schön, dass du da bist›», sagt Andre­as Barth, Verant­wort­li­cher Fach­be­reich «Seel­sor­ge­Plus» des Bistums St. Gallen.

In der Gelas­sen­heit bleiben

Anders als in einem gewöhn­li­chen Gottes­dienst ist in einem Gottes­dienst für Menschen mit Demenz vor allem die Spra­che. Laut Barth ist sie lang­sa­mer und besteht aus weni­ger Worten. Demge­gen­über steht eine grös­se­re Acht­sam­keit im Blick auf die Körper­spra­che, Mimik und Gestik. Auch die «Versinn­li­chung» wie durch Musik oder Gerü­che bekommt mehr Bedeu­tung. «Anders ist auch, dass man als Seel­sor­gen­der stär­ker im Moment präsent sein muss. Was durch­aus heraus­for­dernd ist», sagt er. «Es geht darum, körper­li­che und emotio­na­le Äusse­run­gen wahr­zu­neh­men. Lächelt jemand? Hat er Tränen in den Augen? Macht er etwas Spezi­el­les?» Barth erzählt von einem Mann mit Demenz, der jeweils seine Mund­har­mo­ni­ka hervor­zog. Er hatte darauf immer schon gerne Kirchen­lie­der gespielt. «Ich bat ihn folg­lich jeweils darauf zu spie­len und merk­te, dass seine Lieder auch vielen der ande­ren Perso­nen mit Demenz vertraut waren», sagt er. «Solche unge­plan­ten Momen­te stos­sen bei mir immer auf ein offe­nes Herz und lösen ein Gefühl der Zuge­hö­rig­keit aus: Im Sinne von ‹schön, dass du da bist›». Auch Ange­hö­ri­gen könne es helfen, zu versu­chen in der Gelas­sen­heit zu blei­ben. Anspan­nun­gen in einem selbst könn­ten die Unsi­cher­heit von Menschen mit Demenz noch verstär­ken. «Für Ange­hö­ri­ge ist es schwie­rig, wenn der Vater oder die Mutter ‹nicht mehr so funk­tio­niert› wie früher. Sie brin­gen Dinge anders und vor allem im Hier und Jetzt zum Ausdruck.»

Worte erleb­bar machen

Laut Barth ist ein Gottes­dienst ein Raum für sinn­emp­find­li­che Wahr­neh­mung. «Umso wich­ti­ger ist es, ihn nicht mit Symbo­len zu über­frach­ten, sondern sich auf weni­ges zu konzen­trie­ren», sagt er. Barth arbei­tet gern mit den Worten von Jesus: «Kommet her zu mir alle, die ihr mühse­lig und bela­den seid (…) so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.» «Gleich­zei­tig zeige ich ein Bild von Jesus, der seine Arme öffnet oder reiche ein Herz aus Stoff herum. So dass dieses Gefühl durch ein Zeichen versinn­licht wird», sagt er. Eine weite­re Möglich­keit etwas zu versinn­li­chen sei beispiels­wei­se, mit Öl das Kreuz­zei­chen auf die Hand einer Person zu zeich­nen. Auch die Kommu­ni­on löse Emotio­nen aus. «Sie ist in der Gene­ra­ti­on, die aktu­ell an Demenz erkrankt ist, das Erken­nungs­zei­chen dafür, Teil einer Gemein­schaft zu sein und die Erin­ne­rung daran ist oft tief verankert.»

«Ich erle­be oft, dass wich­ti­ge Feste im Kirchen­jahr wie Weih­nach­ten oder Ostern mit ihrer spezi­el­len Atmo­sphä­re, ihren Symbo­len und Gerü­chen posi­ti­ve Emotio­nen bei Perso­nen mit Demenz auslö­sen», sagt Sepp Koller, Spital­seel­sor­ger am Kantons­spi­tal St. Gallen.

Sich an Bekann­tem orientieren

Auch für Sepp Koller, Spital­seel­sor­ger am Kantons­spi­tal St. Gallen, zeich­net sich ein Gottes­dienst für Menschen mit Demenz durch seine Schlicht­heit aus. «Wich­tig sind zudem vertrau­te Elemen­te, die aber möglichst kurz gehal­ten werden», sagt er. Gebe­te wie das Vater­un­ser, das Ave Maria oder auch bekann­te Bibel­tex­te würden meist gut funk­tio­nie­ren. «Da viele der älte­ren Perso­nen die Texte seit ihrer Kind­heit kennen, sind sie im Lang­zeit­ge­dächt­nis gespei­chert und geben ihnen ein Gefühl der Sicher­heit.» Dassel­be gelte für bekann­te Lieder wie die Mari­en­lie­der, das «Lobe den Herren», das «Gros­ser Gott, wir loben dich» sowie Weihnachts- oder Oster­lie­der. Vertraut­heit könne beispiels­wei­se zudem ein Gesang­buch schaf­fen, das die jewei­li­ge Person in den Händen halte. «Ich erle­be oft auch, dass wich­ti­ge Feste im Kirchen­jahr wie Weih­nach­ten oder Ostern mit ihrer spezi­el­len Atmo­sphä­re, ihren Symbo­len und Gerü­chen posi­ti­ve Emotio­nen bei Perso­nen mit Demenz auslö­sen», sagt er. «Voraus­set­zung ist immer, dass die Erin­ne­rung an die Kirche gute Gefüh­le auslöst.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: pixabay.com; zVg.; Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 25. Okto­ber 2022

«Nicht ­motzen, sondern machen»

Der St. Galler Banker Fabio de Deus (24) enga­giert sich bei «Churching», dem ­Reform- und Innova­ti­ons­pro­jekt des ­Bistums St. Gallen. «In der Kirche ­beschäf­tigt man sich oft viel zu sehr mit Brain­stor­men und Disku­tie­ren», sagt er, «viel wich­ti­ger wäre es, ins ­Machen und Auspro­bie­ren zu kommen.»

«Auf meinen Nach­na­men werde ich sehr oft ange­spro­chen – im Beruf, aber auch privat», sagt Fabio de Deus und lacht. Doch der Schwei­zer mit brasi­lia­ni­schen Wurzeln habe kein Problem damit, Gott (Deus) in seinem Namen zu tragen: «Ich bin ein gläu­bi­ger Mensch, der Glau­be und die Kirche sind mir wich­tig.» Aber ihm gehe es wie vielen ande­ren: «Die Struk­tu­ren der Kirche müssen über­dacht werden. Es muss wieder mehr um das Eigent­li­che gehen wie zum Beispiel um die Ausein­an­der­set­zung mit Jesus.» Deshalb betei­ligt er sich in seiner Frei­zeit beim Projekt «Churching».

Fabio de Deus wünscht sich von der Kirche mehr Mut am Ausprobieren.

Wich­ti­ge Plattform

Das kirch­li­che Inno­va­ti­ons­pro­jekt ist im Früh­ling gestar­tet. Das Bistum St. Gallen will damit jungen Erwach­se­nen ermög­li­chen, die Zukunft der Kirche aktiv mitzu­ge­stal­ten. «Die Mitwir­ken­den sind zwischen 17 und 30 Jahre alt», so Fabio de Deus, der beruf­lich in der Vermö­gens­ver­wal­tung bei einer Schwei­zer Gross­bank tätig ist. Zwei Churching-Treffen haben bereits statt­ge­fun­den, im Novem­ber geht es weiter (siehe Kasten). «Ich finde es toll, dass das Bistum diese Platt­form gegrün­det hat. Nach meinem Geschmack lag bei eini­gen Teil­neh­mern an den bishe­ri­gen Tref­fen der Fokus zu stark auf dem Kriti­sie­ren und Brain­stor­men. Kriti­sie­ren kann jeder, aber konkre­te Ideen kommen nur von weni­gen. Ich würde mir wünschen, dass die Kirche viel mehr Mut hat am Auspro­bie­ren und Expe­ri­men­tie­ren. Erst so findet man heraus, was funktioniert.»

Der 24-jährige Banker sieht Chan­cen in Gemeinschaftserlebnissen.

Gemein­schafts­er­leb­nis­se

Fabio de Deus besucht regel­mäs­sig den Gottes­dienst. Offen über den Glau­ben zu spre­chen, fällt ihm nicht schwer. Seit eini­gen Jahren enga­giert er sich zudem als Firm­be­glei­ter. Dort bekommt er mit, dass auch heute viele junge Menschen an Glau­bens­fra­gen inter­es­siert sind. «Um sie zu errei­chen, muss die Kirche aber unbe­dingt an der Spra­che und der Kommu­ni­ka­ti­on arbei­ten», sagt der 24-Jährige. Eine gros­se Chan­ce sieht er in der Gemein­schaft: «Zusam­men­sein, mitein­an­der etwas erle­ben – gera­de das ist doch Kirche. Die Kirche soll­te noch mehr auf Gemein­schafts­er­leb­nis­se setzen und diese nach aussen sicht­bar machen.» Das sei aus seiner Sicht viel wich­ti­ger als Poli­tik zu betrei­ben. «Wenn ande­re mitbe­kom­men: Da fühlen sich Menschen wohl, da erlebt man mitein­an­der etwas, dann bekom­men auch Kirchen­fer­ne Lust, dabei zu sein.» Diese Erfah­rung mache er auch als Firm­be­glei­ter bei den Firm­we­gen. «Junge Menschen knüp­fen hier Kontak­te, die oft über die Firmung hinaus bestehen.» Auch die Ideen, die er bei «Churching» einge­bracht hat, gehen in diese Rich­tung: «Ich fände es cool, wenn die Pfar­rei­en mehr Treff­punk­te für junge Menschen anbie­ten.» Er ist gespannt auf den drit­ten Churching-Anlass und hofft, dass auch eini­ge neue Leute dabei sind, die seine Philo­so­phie teilen: «Nicht motzen, sondern machen».

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Churching mit dem Bischof

Das 3. «Churching»-Netzwerktreffen findet am 26. ­Novem­ber 2022, 14 bis 18 Uhr in St. Gallen statt. An diesem Tref­fen werden sich auch Bischof Markus Büchel und weite­re kirch­li­che Entscheidungs­träger:innen betei­li­gen. Infos: www.churching.ch

«Ein ­Zeichen für das Verbindende»

Der pensio­nier­te Jurist Bruno Glaus bringt Kunst in das Begeg­nungs­zen­trum der kath. Kirch­ge­mein­de Uznach. Dabei sah er sich mit unbe­kann­ten ­Heraus­for­de­run­gen konfrontiert.

«Es ist meine erste Ausstel­lung, die ich in kirch­li­chen Räum­lich­kei­ten kura­tie­re. Es gab die eine oder ande­re Heraus­for­de­rung zu bewäl­ti­gen», sagt Bruno Glaus und lacht. Es dürfen keine Nägel in die Wände geschla­gen werden, es sind kaum Aufhän­ge­vor­rich­tun­gen vorhan­den, statt­des­sen hängen Kreu­ze an den Wänden. «Man hätte diese Kreu­ze einfach abneh­men können. Doch wir haben uns dafür entschie­den, sie mit den Werken zu kombi­nie­ren. Zwei der Künst­ler wiesen mich darauf hin, dass im Kreuz auch das Plus-Zeichen zu finden ist. Das christ­li­che Symbol kann auch als Zeichen für das Verbin­den­de gele­sen werden.»

Bruno Glaus
Bruno Glaus bringt Kunst ins katho­li­sche Begeg­nungs­zen­trum Uznach © Ana Kontou­lis / Pfarreiforum

Schöp­fe­ri­sche Urkraft

Die erste Ausstel­lung im katho­li­schen Begeg­nungs­zen­trum wirkt wie aus einem Guss. Die ausge­stell­ten Werke sind ganz bewusst plat­ziert. So steht beispiels­wei­se an der Front­wand im Sitzungs­zim­mer eine sommer­li­che Natur­fo­to­gra­fie von Klaus Robin. Sie gibt dem Raum eine beschwing­te, inspi­rie­ren­de Atmo­sphä­re. Der pensio­nier­te Jurist hatte sich schon in seiner beruf­li­chen Tätig­keit auf Kunst­recht spezia­li­siert. Seit vielen Jahren enga­giert er sich im Linth­ge­biet als Kunst­för­de­rer und ‑vermitt­ler. «Die Anfra­ge der Kirch­ge­mein­de für diese Aufga­be hat mich über­rascht, aber gefreut», sagt er. Er bezeich­ne sich als Agnos­ti­ker, doch er unter­schei­de zwischen der Kirche als Insti­tu­ti­on und den Gläu­bi­gen. «Mit ihnen verbin­den mich die glei­chen Werte.» Posi­tiv in Erin­ne­rung geblie­ben ist ihm, dass die katho­li­sche Kirch­ge­mein­de Uznach ihn, der keinen Bezug zur Kirche hat, vor eini­gen Jahren in die Kunst­kom­mis­si­on beru­fen habe. Damals muss­ten beim Neubau des Begeg­nungs­zen­trums zwei Objek­te ausge­wählt werden. Auch dieses Mal habe er viel Vertrau­en und Offen­heit erfah­ren. Hinter dem Slogan «Kosmos – Kirche – Kunst» könne Bruno Glaus voll und ganz stehen: «Der Glau­be an eine schöp­fe­ri­sche Urkraft verbin­det, wenn nicht alle, so doch die meis­ten Menschen», sagt er. «Die schöp­fe­ri­sche Urkraft im Kosmos steht über allen und allem, sie mani­fes­tiert sich in jedem Menschen als das Schö­ne, im Reli­giö­sen wie im Künst­le­ri­schen.» Vorläu­fig habe er zuge­sagt, drei Jahres­aus­stel­lun­gen zu kura­tie­ren. Diese sollen jeweils am Palm­sonn­tag starten.

Wich­ti­ge Plattformen

«Kirche und Kunst haben sich schon immer inspi­riert», sagt er. Er denkt an bekann­te Namen wie Gerhard Rich­ter oder Neo Rauch. «Seit Jahr­hun­der­ten geben die Kirchen Künst­lern wich­ti­ge Platt­for­men und haben damit das Kunst­schaf­fen geför­dert.» Glaus begrüs­se es sehr, dass die Kirch­ge­mein­de Uznach es regio­na­len Künst­le­rin­nen und Künst­lern ermög­licht, ihre Werke auszu­stel­len. «Muse­en zeigen heute meist nur die ganz gros­sen Namen. Die regio­na­len Kunst­schaf­fen­den gehen oft verges­sen.» Die erste Ausstel­lung ist dem Riet­land im Linth­ge­biet und dessen viel­fäl­ti­ger Natur­land­schaft gewid­met. Zu sehen sind unter ande­rem Kunst­wer­ke von Stefan Gort, Chris­to­pher T. Hunzi­ker, Klaus Robin und Georg Wick. Manche davon wurden eigens für die Ausstel­lung kreiert.

Bruno Glaus zeigt die Werke von Künstler*innen aus der Region

Auch Jugend­li­che begeistern

Glaus ist der vermit­teln­de Charak­ter der Ausstel­lung wich­tig: «Sie soll Menschen mit Kunst in Verbin­dung brin­gen, die sich sonst nicht damit beschäf­ti­gen.» In Uznach bringt er die Menschen nicht nur zur Kunst, sondern auch in kirch­li­che Räum­lich­kei­ten. Vor kurzem hat er in einer Führung Lehr­per­so­nen aus der Regi­on die Ausstel­lung gezeigt – in der Hoff­nung, dass diese wieder­um mit ihren Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Ausstel­lung besu­chen und so eine junge Gene­ra­ti­on Zugang zur Kunst findet.

Die Ausstel­lung ist jeweils nach dem Gottes­dienst und am Donners­tag von 9 bis 11 Uhr geöff­net. Weite­re Infos

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 10. Okto­ber 2022

Gesuche für finanzielle ­Unterstützung nehmen zu

Die wirt­schaft­li­chen Verwer­fun­gen der Pande­mie wirken noch immer nach: Diver­se kultu­rel­le und gemein­nüt­zi­ge Ange­bo­te, aber auch Privat­per­so­nen sind deswe­gen auf finan­zi­el­le Unter­stüt­zung ange­wie­sen. Auch die katho­li­sche Kirche erhält zuneh­mend mehr Anfragen.

Ist es in Ordnung, dass die Kirchen immer mehr Anfra­gen für finan­zi­el­le Unter­stüt­zungs­ge­su­che bekom­men, sich gleich­zei­tig aber viele Perso­nen für einen Kirchen­aus­tritt entschei­den? Diese Frage stell­te eine refor­mier­te Pfar­re­rin aus Zürich jüngst öffent­lich im Sozia­len Medi­um Twit­ter. Diese Entwick­lung sei Thema in Sitzun­gen ihrer Kirch­ge­mein­de. Auch im Bistum St. Gallen haben die Gesu­che etwa für finan­zi­el­le Notfall­über­brü­ckun­gen zuge­nom­men. «Gera­de während der Corona-Massnahmen haben wir massiv mehr Anfra­gen erhal­ten», sagt Phil­ipp Holder­eg­ger, Geschäfts­lei­ter der Cari­tas St. Gallen-Appenzell. «Gleich­zei­tig haben wir aber auch die nöti­gen finan­zi­el­len Mittel erhal­ten. Einer­seits von kirch­li­cher Seite, die die Hälf­te aller Mittel aufbringt. Ande­rer­seits haben wir beispiels­wei­se vom Kanton eine Vier­tel­mil­li­on Fran­ken bekom­men und von der Hilfs­ak­ti­on «Ostschwei­zer helfen Ostschwei­zern» (OhO) zwei­mal je eine halbe Million.»

Mehr Menschen verschuldet

Laut Holder­eg­ger befin­den sich die Gesu­che derzeit in etwa wieder auf demsel­ben Niveau wie vor Coro­na. «Inso­fern würde ich der Aussa­ge auf Twit­ter nicht ganz zustim­men», sagt er. «Was wir aber fest­stel­len ist, dass aktu­ell immer mehr Perso­nen zu uns in die Schul­den­be­ra­tung kommen. Die Betrof­fe­nen haben beispiels­wei­se während der Pande­mie die Limits ihrer Kredit­kar­ten aufge­braucht und wissen nicht, wie es finan­zi­ell weiter­ge­hen soll.» Holder­eg­ger betont, dass die Cari­tas ja genau dafür da sei, dass man vorbei­kom­men könne. «Die Schul­den­be­ra­tung und allen­falls finan­zi­el­le Unter­stüt­zung sind eine der Kern­auf­ga­ben, die der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil mit seinen Beiträ­gen an uns verknüpft hat», sagt er.

Gemein­nüt­zi­ge Engagements

Beim Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen sind es vor allem Orga­ni­sa­tio­nen und Insti­tu­tio­nen, die um finan­zi­el­le Unter­stüt­zung anfra­gen. Laut Medi­en­spre­cher Roger Fuchs war die Zahl der Gesu­che in den vergan­ge­nen Jahren stei­gend. «Die Diens­te und Leis­tun­gen des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils werden inner­halb und ausser­halb der Kirche immer besser bekannt», sagt Roger Fuchs über diese Entwick­lung. «Gleich­zei­tig sind in vielen Berei­chen die Heraus­for­de­run­gen in den letz­ten Jahren mit der Pande­mie gewach­sen: Über­all muss gespart werden. Bei Sozia­lem und Kultu­rel­lem ist der Rotstift häufig sehr schnell ange­setzt. Folg­lich läuft vieler­orts die Suche nach Finan­zen.» Aktu­ell unter­stützt der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil unter ande­rem das Respect Camp in Gossau, die Rhein­ta­ler Bach­ta­ge, die Stif­tung Auto­bahn­kir­che Ande­er, die Darge­bo­te­ne Hand Ostschweiz oder den Verein B‑treff Flawil. Während der Pande­mie haben der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil und die Cari­tas beispiels­wei­se auch über Maria Magda­le­na (ein Bera­tungs­an­ge­bot des Kantons St. Gallen für Sexar­bei­ten­de) Spen­den­gel­der für Sexar­bei­ten­de, die in finan­zi­el­le Not gera­ten sind, zur Verfü­gung gestellt (siehe www.pfarreiforum.ch, Ausga­be 08/2022). Die Anspruchs­hal­tung, dass die Kirche finan­zi­el­le Unter­stüt­zung leis­ten soll, bezeich­net Roger Fuchs in Bezug auf den Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil als berech­tigt. «Der Konfes­si­ons­teil verwal­tet die Einnah­men aus der Zentral­steu­er. Es gehört unter ande­rem zu seinen Aufga­ben, das kultu­rel­le Erbe zu bewah­ren, Güter und Immo­bi­li­en für die Nach­welt zu erhal­ten und auch in wohl­tä­ti­ge Arbei­ten zu inves­tie­ren», sagt er. Die Kirche trage mit ihren verschie­de­nen Enga­ge­ments zum Gemein­wohl und letzt­lich auch zum Zusam­men­halt in der Gesell­schaft bei.

Zu wenig zum Leben

Kaum jemand, der bei der Cari­tas in die Schul­den­be­ra­tung kommt, fordert laut Phil­ipp Holder­eg­ger, dass diese sämt­li­che seiner Schul­den beglei­chen solle. «Und eine Zunah­me dies­be­züg­lich stel­le ich auch nicht fest. Es sind Einzel­per­so­nen, die eine solche Erwar­tung haben und die gab es früher genau­so wie heute», sagt er. Ziel­grup­pe der Cari­tas sind von Armut betrof­fe­ne Perso­nen und Working Poor. Letz­te­res sind Perso­nen, die zwar keine Sozi­al­hil­fe bezie­hen, aber so wenig verdie­nen, dass das Geld nur knapp oder nicht bis Ende Monat reicht. «Oft schä­men sich die Betrof­fe­nen oder glau­ben, selbst schuld an ihrer Situa­ti­on zu sein», sagt Holder­eg­ger. «In solchen Situa­tio­nen stehen wir als Cari­tas hin und schau­en mit der betrof­fe­nen Person, was wir machen und wie wir aus dieser Situa­ti­on hinaus­hel­fen können.»

Text: Nina Rudnicki

Bild: Kellen­ber­ger und Kaminski/Caritas Schweiz

Veröf­fent­li­chung: 8. Okto­ber 2022

Podium Einsamkeit

«Allein bin ich ein Mensch ohne Seele»

Wie kann ich verhin­dern, dass ich einsam werde? Ein Podi­um in Watt­wil zeig­te auf, warum immer mehr Menschen unter Einsam­keit leiden und welche Auswe­ge es gibt.

Mit sieb­zig Jahren ist man nicht zu alt, um eine neue Bezie­hung einzu­ge­hen», sagt Sonja Ruck­li, während die Kame­ra sie beim Chat­ten filmt. Sie ist eine von sieben Menschen, die sich im Film «Einsam­keit hat viele Gesich­ter» porträ­tie­ren lies­sen. Der Film bildet den Einstieg ins Podi­um im BBZ zum Thema Einsam­keit, das am 7. Septem­ber unter ande­rem vom Amt für Gesund­heits­fra­gen des Kantons St. Gallen, der Seel­sor­ge­ein­heit Neutog­gen­burg und der evan­ge­li­schen Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg orga­ni­siert wurde. Die Einsam­keit in unse­rer Gesell­schaft nimmt zu. Das nehmen alle Podi­ums­teil­neh­men­den wahr. Und: Gefüh­le der Isola­ti­on treten nicht erst im Alter auf. «Ich erle­be in meiner Tätig­keit auch viele junge Menschen, denen Einsam­keit zu schaf­fen macht», sagt Stefan Rüsch, Psycho­lo­ge. «Sich einsam zu fühlen, ist mit Scham verbun­den.» Doch sich einzu­ge­ste­hen, einsam zu sein, sei oft ein erster Schritt. «Leider ist für viele die Hürde gross, Hilfe anzu­neh­men», so Tanja Merten. Die Fach­ärz­tin rech­net damit, dass die Einsam­keit in den nächs­ten Jahren durch die Digi­ta­li­sie­rung weiter zuneh­men wird: Viele Berei­che verla­gern sich ins Digi­ta­le, auch Einkäu­fe werden immer mehr online erle­digt. So fallen Kontak­te wie die Begeg­nun­gen in den Geschäf­ten oder der Plausch mit der Kassie­re­rin weg.

Rainer Pabst (mitte) moti­vier­te die Anwe­sen­den, mehr aufein­an­der zuzugehen.

Kontak­te zu Jüngeren

Agnes Heiniger-Gmür von Pro Senec­tu­te Wil & Toggen­burg weist darauf hin, dass unter Hoch­alt­ri­gen Einsam­keit beson­ders verbrei­tet sei. «Die Kraft, neue Kontak­te aufzu­bau­en lässt mit dem Alter nach. Man tut sich immer schwe­rer, Kontak­te zu pfle­gen oder aufzu­bau­en.» Ein Mittel gegen Einsam­keit können Hobbys sein: «Für viele ist es eine Hilfe, sich in einem Hobby vertie­fen zu können: Malen, schrei­ben …», hält Karo­li­na Stani­szew­ski vom Amt für Gesund­heits­vor­sor­ge fest. «Hilf­reich ist auch, regel­mäs­sig zu tele­fo­nie­ren oder Brief­freund­schaf­ten aufzu­bau­en. Das kann ich auch noch, wenn ich mobil einge­schränkt bin.» Rainer Papst, refor­mier­ter Pfar­rer der Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg, erlebt, dass oft auch Ehren­äm­ter und die Kontak­te, die dadurch entste­hen, Funda­men­te bis ins hohe Alter bilden: «Wenn ich mich lange beim Mittags­tisch oder beim Kirchen­ca­fé enga­giert habe, dann kann ich auch später dort hinge­hen, ich kenne die Leute und fühle mich will­kom­men.» Der refor­mier­te Pfar­rer sieht eine Chan­ce im Gene­ra­tio­nen­dia­log: «Wer die Möglich­keit hat, soll­te unbe­dingt auch Kontak­te zu jünge­ren Menschen aufbau­en.» Davon würden nicht nur die älte­ren, sondern auch die jünge­ren profi­tie­ren: «Älte­re Menschen haben so viel Lebens­er­fah­rung, es ist ein Gewinn für alle, wenn sie sich einbringen.»

Aufein­an­der zugehen

Bei eini­gen im Film Porträ­tier­ten tauch­te die Einsam­keit nach der Pensio­nie­rung auf – meist nicht direkt, aber ein paar Jahre später: «Wer im Berufs­le­ben steht, hat viele Kontak­te und da trai­niert man auto­ma­tisch den Austausch mit ande­ren Menschen», so Karo­li­na Stani­szew­ski, «wenn die Kontak­te wegfal­len, dann fehlt auch das Trai­ning und man verliert immer mehr die Routi­ne, mit ande­ren zu inter­agie­ren.» Auf eines wollen alle Podi­ums­teil­neh­men­den hinwei­sen: Es muss sich etwas in der Gesell­schaft tun. Doch das ist gar nicht so einfach, Einsam­keit sei ein stil­les Leiden. «Auf der Stras­se sieht man es nieman­dem an, dass er einsam ist», so Agnes Heiniger-Gmür. «Viele älte­re Menschen haben das Bedürf­nis, sich mitzu­tei­len. Deshalb ist es sicher nicht verkehrt, Fragen in diese Rich­tung zu stel­len.» Das Votum von Rainer Papst geht in eine ähnli­che Rich­tung: «Wir müssen alle Bezie­hungs­fä­hig­keit einüben. Die ganze Gesell­schaft muss akti­ver auf ande­re zuge­hen. Das ist kein Selbstläufer.»

Text und Bild: Stephan Sigg

Veröf­fent­licht: 03. Okto­ber 2022

Film über Einsamkeit

Im 34-minütigen Doku­men­tar­film «Einsam­keit hat viele Gesich­ter» erzäh­len sieben Perso­nen aus der Deutsch­schweiz über ihre Erfah­rung mit Einsam­keit: Was macht ihnen zu schaf­fen und was wünschen sie sich? «Allein bin ich ein Mensch ohne Seele», bringt Moham­med Malla seine Gefüh­le auf den Punkt. Gleich­zei­tig wird im Film auch sicht­bar, wie sie versu­chen, sich aus ihrer Isola­ti­on zu befrei­en. Der Film kann online ange­schaut werden.

→ www.einsamkeit-gesichter.ch

Kloster Wurmsbach

Erlebnisweg Obersee

Was zeich­net die Regi­on Ober­see aus? Welche Ecken sind beson­ders schön? Das Pfar­rei­fo­rum hat auf einer Tour um den Ober­see Lieb­lings­or­te von Perso­nen besucht, die dort leben.

Schwes­ter Andrea Fux öffnet das Fens­ter im oberen Stock des «Türm­li». Es befin­det sich direkt am Ober­see und ist Teil der Mauern, die das Klos­ter Maria­zell Wurms­bach umge­ben. «Wir blicken von hier aus hinüber zur Gräfin von Alten­dorf. Mir gefällt, dass durch den Erleb­nis­weg rund um den Ober­see auf diese Weise nun zwei star­ke Frau­en mitein­an­der verbun­den sind», sagt sie. Beim Erleb­nis­weg handelt es sich um eine rund 37 Kilo­me­ter lange Wander- oder Velo­rou­te rund um den Ober­see und durch die zwei Kanto­ne St. Gallen und Schwyz mit verschie­de­nen Charak­ter­köp­fen wie eben die Gräfin, die Schlipfloch­he­xe, den Stein­brüch­ler und seit diesem Sommer neu die Äbtis­sin im soge­nann­ten «Türm­li». Bei jeder Stati­on gibt es ein Rätsel zu lösen und die Besu­che­rin­nen und Besu­cher erfah­ren, weshalb die jewei­li­ge Person für die Regi­on wich­tig war.

Für eine kurze Rast

Im Türm­li taucht eine Licht­in­stal­la­ti­on den klei­nen Raum in rotes, blau­es und gelbes Licht. Auf einem Schreib­tisch finden sich alte Hand­schrif­ten. Wer sie entzif­fert, löst womög­lich das Rätsel rund um die Äbtis­sin Maria Dumy­sen von Rappers­wil, welche das Klos­ter 52 Jahre lang leite­te. Schwes­ter Andrea reicht derweil ein Infor­ma­ti­ons­blatt zur Äbtis­sin. Dieses erzählt davon, wie sich die Äbtis­sin anfangs des 17. Jahr­hun­derts gegen neue Vorschrif­ten der Gnädi­gen Herren der Stadt Rappers­wil wehr­te, die den Schwes­tern viele Frei­hei­ten wegneh­men woll­ten. Das Infor­ma­ti­ons­blatt liegt im Türm­li auch auf Ukrai­nisch auf. «In den ehema­li­gen Räumen unse­res Klos­ter­in­ter­nats leben derzeit 30 aus der Ukrai­ne geflüch­te­te Perso­nen», sagt Schwes­ter Andrea und führt vom Türm­li zum Seeufer. Während der Blick nach rechts in Rich­tung des eins­ti­gen Mädchen­in­ter­nats fällt, blickt man links auf eine grüne Wiese. In den kommen­den Wochen sollen hier eini­ge Sitz­ge­le­gen­hei­ten für die Velo- und Wander­tou­ris­tin­nen und ‑touris­ten entste­hen. «Wir wollen zusam­men mit dem Türm­li auch einen Teil von unse­rem Seean­stoss für die Öffent­lich­keit zugäng­lich machen», sagt die 56-Jährige. An diesem Morgen sind es bereits drei Velo­grup­pen, die auf der Wiese eine kurze Rast einlegen.

Sr. Andrea Fux
Sr. Andrea Fux zeigt das «Türm­li».

Mit Fide­lio und Saba

Die Zister­zi­en­se­rin­nen­ab­tei und deren Umge­bung sind für Schwes­ter Andrea längst zur Heimat gewor­den. Seit über 30 Jahren lebt sie hier. «Der See gibt mir das Gefühl von Weite. Das Seeufer ist daher einer der schöns­ten Orte hier. Aber ich bin mit unse­ren beiden Hunden Fide­lio und Saba auch sehr gerne im Klos­ter­gar­ten mit seinem Wäld­li unter­wegs.» Wie wich­tig es sei, im Moment zu leben, das würde sie von den beiden Hunden immer wieder aufs Neue lernen. Eine weite­re Velo­grup­pe fährt den Kies­weg zum Seeufer hinun­ter. Schwes­ter Andrea Fux begrüsst sie und führt die Grup­pe zum Türmli.

Entlang der Seepromenade

Vom Klos­ter Maria­zell Wurms­bach, das etwa vier Kilo­me­ter von Rapperswil-Jona entfernt liegt, geht es mit dem Velo weiter Rich­tung Schme­ri­kon. Auf dieser Etap­pe fällt der Erleb­nis­weg mit dem Mein­rad­weg zusam­men, einem inter­na­tio­na­len und spiri­tu­el­len Pilger­ve­lo­weg auf den Spuren des Heili­gen Mein­rad. Unter­wegs in Ober­bol­lin­gen findet sich auf einer klei­nen Land­zun­ge am Ober­see daher auch die Mein­rad­ska­pel­le aus dem 13. Jahr­hun­dert. Den Schlüs­sel dazu gibt es in der nahe­ge­le­ge­nen Wirt­schaft zum Hof. Danach ist es nicht mehr weit bis Schme­ri­kon. Von der Seepro­me­na­de aus glei­tet der Blick über den See und auf die hüge­li­ge Land­schaft dahin­ter. «Die Regio­nen Ober­see und Lint­he­be­ne bedeu­ten für mich Lebens­qua­li­tät und Viel­falt», sagt Corne­lia Brändli-Bommer bei einem Kaffee. Sie ist Mitglied der Regie­rung des Katho­li­schen Parla­ments im Kanton St. Gallen. Dort ist sie als Admi­nis­tra­ti­ons­rä­tin für das Ressort «Aufsicht und Kirch­ge­mein­den» zustän­dig. Mit Viel­falt meint sie einer­seits das kultu­rel­le Ange­bot, ande­rer­seits die abwechs­lungs­rei­che Natur mit ihren viel­fäl­ti­gen ökolo­gi­schen Lebens­räu­men. Corne­lia Brändli-Bommer ist in der Regi­on aufge­wach­sen und vor 30 Jahren nach Uznach gezo­gen. «Heimat ist für mich aber vor allem jener Ort, an dem man sich aufge­nom­men fühlt, vernetzt ist und sich gemein­sam mit ande­ren für etwas enga­gie­ren kann», sagt sie. Als Beispiel nennt sie den Kunst­ver­ein Oberer Zürich­see, in dessen Vorstand sie seit der Grün­dung vor 15 Jahren dabei ist und den sie seit zwei Jahren präsi­diert. Er bildet eine Platt­form für Kunst­schaf­fen­de und Kultur­ver­mit­teln­de in der Regi­on und orga­ni­siert verschie­de­ne Veran­stal­tun­gen. Und auch das kirch­li­che Enga­ge­ment sei wich­tig, um eine Gemein­de leben­dig zu halten. In Uznach beispiels­wei­se sind im Begeg­nungs­zen­trum der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de in wech­seln­den Kunst­au­stel­lun­gen die Werke regio­na­ler Künst­le­rin­nen und Künst­ler zu sehen.

Für Corne­lia Brändli-Bommer bedeu­tet der Obere Zürich­see Lebens­qua­li­tät und Vielfalt.

Eiszap­fen und Blumen

Nach der Pause an der Seepro­me­na­de in Schme­ri­kon führt ein Abste­cher ins Aabach­to­bel, einem der Lieb­lings­or­te von Corne­lia Bränd­li. Der Aabach fliesst dort durch eine wilde und grüne Schlucht. «Während der Pande­mie war ich hier regel­mäs­sig zwei bis drei Stun­den unter­wegs. Und auch sonst spazie­re ich gerne hier. Es ist ein guter Ort, um Ausgleich und Inspi­ra­ti­on zu finden. Und von beein­dru­cken­den Eiszap­fen im Winter über Blumen und spezi­el­le Pflan­zen im Früh­ling und Sommer gibt es hier immer etwas zu entde­cken», sagt sie. Biken, Wandern, Schwim­men, Paddeln: Auf diese Weise könne man die Regi­on am besten erkun­den. «Bei Wande­run­gen in den umlie­gen­den Bergen schät­ze ich auch die zahl­rei­chen Alpbeiz­li, in denen man sich eine Pause gönnen und die Gesel­lig­keit pfle­gen kann.»

Cornelia Brändli-Bommer
Corne­lia Bränd­li ist am Oberen Zürich­see aufgewachsen.

Die drei schöns­ten Orte

Die letz­te Stati­on an diesem Vormit­tag ist die Gryn­au. Das Schloss liegt am Linth­ka­nal, der die Gren­ze zwischen den Kanto­nen St. Gallen und Schwyz bildet. Auch der Erleb­nis­weg führt dort vorbei und bald soll als neue Rätsel­sta­ti­on ein Schloss­ge­spenst die Besu­che­rin­nen und Besu­cher empfan­gen. Wer Zeit hat zum Baden, kann ein Stück dem Kanal entlang laufen und sich dann im Wasser bis zu einer der zahl­rei­chen Ausstiegs­stel­len hinun­ter­trei­ben lassen. «Schme­ri­kon, der Aabach und die Gryn­au sind für mich die drei schöns­ten Orte», sagt Corne­lia Brändli-Bommer zum Abschied. Auf der ande­ren Seite des Kanals wartet so eini­ges auf dieje­ni­gen, die noch Ausdau­er für einen weite­ren Kanton haben: Die Insel Ufen­au mit ihrer Kapel­le und Kirche, die zum Klos­ter Einsie­deln gehö­ren, Wälder und Naturschutzgebiete.

Zum Thema:

Mit dem Schiff in die USA — Das Reise­bü­ro Linth (23. Septem­ber 2022)

Text: Nina Rudnicki

Fotos: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 25.09.2022

«Intensiv über die Zukunft diskutiert»

Gross­an­drang bei den Pilger­ta­gen, inten­si­ve Besin­nungs­mo­men­te: «Die Akti­vi­tä­ten rund um das Bistums­ju­bi­lä­um sind auf grös­se­re Reso­nanz gestos­sen als erwar­tet», freut sich Ines Scha­ber­ger, Geschäfts­füh­re­rin des Bistums­ju­bi­lä­ums, kurz vor dem gros­sen Fest­tag am 25. September.

Allein am ersten Pilger­tag haben rund hundert Perso­nen teil­ge­nom­men», sagt Ines Scha­ber­ger, Geschäfts­füh­re­rin des Bistums­ju­bi­lä­ums. Auch an den Pilger­ta­gen hätten viele die Gele­gen­heit genutzt, sich in einer unbe­kann­ten Bistums­re­gi­on auf den Weg zu machen. «Viele Teil­neh­men­de haben es geschätzt, dass sie beim Pilgern neue Menschen kennen­ler­nen konn­ten.» Scha­ber­ger merkt an: «Wer noch dabei sein möch­te, hat noch am 17. Pilger­tag am 24. Septem­ber eine Möglich­keit dazu.» Am Jubi­lä­ums­tag, 25. Septem­ber, selbst gibt es Stern­pil­gern zur Kathe­dra­le. Die verschie­de­nen Orte und Start­zei­ten sind online (siehe unten) zu finden.

Mit Geschich­te beschäftigt

Vergli­chen mit ande­ren Bistü­mern ist das Bistum des Heili­gen Gallus mit seinen 175 Jahren noch ziem­lich jung. Trotz­dem oder gera­de deshalb scheint dessen Geschich­te viele zu inter­es­sie­ren. So stiess auch die Fest­aka­de­mie im Früh­ling auf Reso­nanz: «Wir hatten so viele Anmel­dun­gen, dass die Veran­stal­tung in einen grös­se­ren Raum verlegt werden muss­te», so Ines Scha­ber­ger. Neben Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sor­gern seien auch viele Kirchen­ver­wal­tungs­rä­te, Pfar­rei­rä­te und auch Vertre­ter aus der Poli­tik dabei gewe­sen. «Viele der hundert­zwan­zig Teil­neh­men­den hat beson­ders die Frage inter­es­siert, woher wir kommen und wie beispiels­wei­se das beson­de­re Bischofs­wahl­recht des Bistums St. Gallen entstan­den ist. Es wurde auch inten­siv über die Zukunft disku­tiert: Wie werden Kirche und unser Bistum morgen sein?» Einfa­che Lösun­gen gibt es nicht, aber die Refe­ren­tin­nen und Refe­ren­ten zeig­ten mögli­che Wege auf: «Wir dürfen Kirche nicht nach der verfüg­ba­ren Zahl der Amts­trä­ger gestal­ten», sagte Eva-Maria Faber, Profes­so­rin an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur. «Man kann Menschen nicht verbie­ten, Kirche zu sein.»

«Beispiels­wei­se wird sich im Novem­ber das Pasto­ral­fo­rum mit dem Thema Hören und Zuhö­ren beschäf­ti­gen – das passt sowohl zum synoda­len Prozess als auch zu den Anlie­gen des Bistumsjubiläums.»

Ines Scha­ber­ger

Vom Vati­kan bestärkt

Das Jubi­lä­um 175 Jahre Bistum St. Gallen habe von einem uner­war­te­ten Ereig­nis aus Rom profi­tiert: «Als die Planun­gen für das Jubi­lä­um begon­nen haben, wuss­ten wir noch nicht, dass Papst Fran­zis­kus fast zeit­gleich die Synoda­len Prozes­se initi­iert. Wir versuch­ten, diese Anlie­gen mit unse­ren Jubi­lä­ums­ak­ti­vi­tä­ten zu verbin­den», so Scha­ber­ger. Das Bistum will an manchen Ideen, die bei den Jubi­lä­ums­fei­er­lich­kei­ten bespro­chen wurden, dran­blei­ben: «Beispiels­wei­se wird sich im Novem­ber das Pasto­ral­fo­rum mit dem Thema Hören und Zuhö­ren beschäf­ti­gen – das passt sowohl zum synoda­len Prozess als auch zu den Anlie­gen des Bistumsjubiläums.»

Fest für alle

Jetzt konzen­triert sich Ines Scha­ber­ger aber auf das Jubi­lä­ums­fest am 25. Septem­ber – der Klos­ter­platz in St. Gallen soll ein gros­ser Begeg­nungs­ort für die ganze Bevöl­ke­rung werden: «Wir freu­en uns auf einen Tag mit einem reich­hal­ti­gen Programm. Im Jubi­lä­ums­got­tes­dienst um 10.30 Uhr wollen wir die Viel­falt der Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken im Bistum sicht­bar machen: Es wirken zahl­rei­che Migra­ti­ons­ge­mein­den mit», sagt sie und betont: «Es ist ein Geburts­tags­fest, zu dem wir alle einla­den. Deshalb sind auch alle Ange­bo­te und selbst das Essen bei den Food­stän­den kosten­los.» Auf dem Programm stehen unter ande­rem eine Kathedralturm-Besichtigung und Führun­gen durch die Stifts­bi­blio­thek. Für Fami­li­en gibt es nach dem Fami­li­en­got­tes­dienst in der Schutz­en­gel­ka­pel­le eine Spiel­wie­se im Klos­ter­hof mit einer Klet­ter­wand von Jungwacht-Blauring, Hüpf­kir­che und Bull Riding. Für die Durch­füh­rung werden noch Frei­wil­li­ge gesucht, die beim Auf- und Abbau helfen oder zum Beispiel einen Kuchen beisteuern.

Infos Pilger­tag sowie Programm 25. Septem­ber: www.bistum-stgallen.ch/175jahre

Text: Stephan Sigg

Bild: zVg.

Veröf­fent­licht: 19.09.2022

Sechs Mona­te, die den Alltag veränderten

Sechs Mona­te hat Sara Lenherr (40) bei den Gros­sen Exer­zi­ti­en im Alltag mitge­macht, die im Rahmen des Bistums­ju­bi­lä­ums ange­bo­ten wurden: «Ich habe schnell gemerkt, dass das Zeit­neh­men für die Gros­sen Exer­zi­ti­en im Alltag für mich kein Müssen, sondern ein Geschenk ist», sagt die Fami­li­en­frau und Kate­che­tin aus Wil. «Zuvor hatte ich immer das Gefühl, der Tag ist so durch­ge­tak­tet, es hat kaum mehr Platz – aber für die Gebets­zeit war immer Zeit. Mit drei Kindern zwischen 8 und 12 Jahren, den Abschluss­prü­fun­gen in der Ausbil­dung zur Kate­che­tin und dem Home Office meines Mannes war es sehr heraus­for­dernd. Wir wohnen in einem klei­nen Haus, also muss­te ich erfin­de­risch werden: Ich ging in die Kirche, in die Natur oder in den Keller, um zu beten. Mein einge­rich­te­ter Gebets­platz ist für mich aber immer noch der schöns­te Ort, wo ich zur Ruhe komme. Ich schrieb alles nieder und verbrann­te die Blät­ter mit meinem geist­li­chen Beglei­ter. Das war so wohl­tu­end! Die Verlet­zun­gen waren nicht weg, aber sie hatten sich verwan­delt, hatten nicht mehr diesel­be Kraft. Wenn ich mir jetzt anse­he, was ich während der Gros­sen Exer­zi­ti­en im Alltag aufge­schrie­ben habe, denke ich: Das war gar nicht ich! Es ist schön, zu merken, dass in mir etwas passiert ist. Ich habe in mir einen Schatz gefun­den, eine Liebe, die bleibt. Ich bin dank­ba­rer, ausge­gli­che­ner und zufrie­de­ner gewor­den. Mein Bild von Jesus hat sich verän­dert, das merke ich auch im Reli­gi­ons­un­ter­richt. Ich kann jetzt natür­li­cher erzäh­len, weil ich Erfah­run­gen mit dem Bibel­text gemacht habe. Für mich geht es defi­ni­tiv weiter.» (aufge­zeich­net: isa)

Leserfrage: Wieso gibt es auf ­Kirchtürmen Hahn oder Kreuz?

«Warum hat es auf den refor­mier­ten Kirchen einen Güggel und auf katho­li­schen das Kreuz?» Dafür gibt es doch Gründe?

Viel­leicht auch noch ande­re Grün­de als die Geschich­te von Petrus, der Jesus drei­mal verleug­net und sich dann total über sich selbst ärgert, als der Hahn kräht, genau wie Jesus es ihm voraus­ge­sagt hatte. Ausge­rech­net er, Simon, der von Jesus den Über-Namen Petrus bekom­men hat: Der Fels! Er war stets bereit, von einem Extrem ins ande­re zu fallen, der wankel­mü­tigs­te von allen Apos­teln, mit flat­ter­haf­tem Charak­ter. Ausge­rech­net den Petrus mit dieser «Hahn-Geschichte» macht Jesus zum Chef! «Wenn ein Chef in einem Unter­neh­men eine solche Perso­nal­ent­schei­dung tref­fen würde, dann würden seine Mitar­bei­ten­den zumin­dest hinter vorge­hal­te­ner Hand flüs­tern: Das ist doch ein Witz! Und Jesus kann sich einen solchen Witz erlau­ben. Er hat in einem tiefe­ren Sinn Humor, als er uns meist zur Verfü­gung steht. Jeden­falls macht er damit deut­lich, dass er nicht auf (unse­re) mensch­li­chen Vorga­ben ange­wie­sen ist», schreibt Pater Albert Keller. Das wären ja schon zwei Grün­de für den Güggel auf dem Kirch­turm: Ich darf mitma­chen trotz meiner Fehler und Schwä­chen. Und Gott hat Humor.

Vorsicht in ande­ren Gegenden

Ein Zeichen von Humor ist ja auch dies: Der Hahn zeigt mir, dies ist eine refor­mier­te Kirche, eine katho­li­sche hätte ein Kreuz auf dem Turm! Aber Vorsicht! In vielen Gegen­den – im katho­li­schen Bayern wie im evan­ge­li­schen Nord­deutsch­land – ist es genau umge­kehrt! Viel­leicht hat dies der liebe Gott mit seinem Humor so einge­rich­tet, um uns auch zu zeigen: Die Kirchen, auch wenn sie verschie­den sind, sind mir lieb und sind mir wert­voll. Hahn und Kreuz sind austausch­bar! Der Güggel auf dem Kirch­turm will mich erin­nern: Wir Menschen brau­chen immer wieder Verge­bung und Verzei­hung, wie Petrus. Und: Rette dich nicht mit Lügen wie Petrus! Der hat nämlich aus lauter Angst gelo­gen und gesagt: «Ich habe nichts mit Jesus zu tun.» Ausser­dem: Sei ganz wach­sam! Lass dich nicht von Jesus wegzie­hen. Und wenn dir das doch mal passiert ist, geh immer wieder zurück zu ihm.

Güggel als Wetterfahne

Manch­mal funk­tio­niert der Güggel oben auch als Wetter­fah­ne, beson­ders am Meer. Dann sagt uns der Hahn: als Chris­ten sollen wir eben nicht immer unse­re Jacke nach dem Wind hängen. Sondern uns nach Jesus ausrich­ten. Sowohl Kreuz wie Güggel können auch Blitz­ab­lei­ter sein. Das kann mir sagen: Chris­tus ist ein Blitz­ab­lei­ter für mich dann, wenn meine Ängs­te oder Zorn und Wut mich beherr­schen wollen. Die Rock­band Jeth­ro Tull hat ein Lied gesun­gen vom Wetter­hahn auf dem Kirch­turm: «Guten Morgen Wetter­hahn! Zeig uns die Rich­tung! Verbin­de du uns mit den guten Winden!» Auch darum steht der Güggel auf dem Kirch­turm: Wie das Kreuz ist auch der Hahn ein Segens­zei­chen: ein Symbol für Jesus selbst. Durch sein Krähen kündigt der Hahn als Erster das Morgen­rot an. Und Chris­tus ist das neue Licht in deinem Tag und in meinem Tag.

Rein­hard Paulzen

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Text: Rein­hard Paul­zen, Pfar­rei­be­auf­trag­ter Heerbrugg

Veröf­fent­li­chung: 6. Septem­ber 2022

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