Dossier:Wer wählt den neuen St.Galler Bischof? Verschiedene Beiträge des Pfarreiforums geben Einblicke.
26. Januar 2025
Die Namen der Bischofskandidaten streichen
Neu in einem Amt und schon steht einer der wichtigsten Momente überhaupt an: Die Widnauerin Susi Miara erzählt, wie es ist, sich als neues Mitglied des katholischen Parlaments im Kanton St. Gallen auf die Bischofswahl vorzubereiten. Die 180 Parlamentsmitglieder können per Mehrheitsentscheid Kandidaten streichen. Deren Namen sind aber bis zuletzt geheim.
Volksnah, jung oder vor allem mutig? Das Bistum St.Gallen wollte mit einer Umfrage von den Gläubigen erfahren, wie der neue Bischof sein soll. Anders als bei den letzten Malen wurden sie nicht eingeladen, Namen von Kandidaten zu nennen, sondern gewünschte Eigenschaften und Fähigkeiten einzubringen.
Isabella Awad und Ann-Kathrin Gässlein nehmen Stellung zur Umfrage zur BischofswahlWas passiert, wenn die Bevölkerung zu den Eigenschaften ihres neuen Wunschbischofs befragt wird? Und wie fliessen diese Erwartungen tatsächlich in die Bischofswahl ein? Eine aktuelle Umfrage des Bistums St. Gallen soll zeigen, auf welchen Bischof gehofft werden kann.
Interview mit Guido Scherrer, Domdekan: Eine der Aufgaben des St. Galler Domkapitels ist die Wahl des Bischofs, die in St. Gallen in absehbarer Zeit ansteht. Wer es wird, steht noch in den Sternen – doch wie läuft die Wahl ab? Domdekan Guido Scherrer, der das Domkapitel leitet, gibt Auskunft.
Karfreitagseier sollen vor Unheil schützen. Peter Weber, Landwirt in Wildhaus SG, glaubt an die positiven Eigenschaften der Karfreitagseier. Er pflegt den Eierbrauch seit Kindesbeinen.
Erst wurde geglaubt, dann weitererzählt, dann aufgeschrieben; dies die Kurzfassung, wie die Schriften des Neuen Testamentes entstanden. Dass Jesus auferweckt wurde, hatte sich herumgesprochen. Erst waren es die Frauen, allen voran Maria von Magdala, die Apostelin der Apostel, die davon erzählten: Jesus lebt.
Nachdem die Männer ins leere Grab schauten und Jesus ihnen erschien, verstanden auch sie. Sie begannen zu erzählen; von ihren Erfahrungen, von ihren Begegnungen, selbst von ihrem Versagen. In den Erzählungen wurden seine Worte und seine Taten lebendig. Jedenfalls – die Auferstehung Jesu geht den Erzählungen über seine Geburt voraus. Ostern kommt vor Weihnachten.
Bild von Jesus geformt
Was sich herumgesprochen hatte, wurde nach und nach gesammelt und aufgeschrieben. Markus, Matthäus, Lukas und Johannes erzählen unterschiedlich von Jesus. Zu ihnen gesellt sich Paulus mit seiner eigenen Erfahrung der Begegnung mit dem Auferstandenen. Mein Bild von Jesus wurde geformt von jenen, die an ihn glaubten, die ihm glaubten. Jesus lässt sich nicht trennen von jenen, die von ihm erzählten. Jesus lässt sich nicht trennen von der erzählenden Gemeinde. Er lässt sich nicht trennen von der Kirche. Geglaubt, weitererzählt, aufgeschrieben – nehme ich diese Reihenfolge ernst, kann ich keinen ursprünglichen Jesus, losgelöst von jenen, die von ihm erzählten, herausdestillieren. Er ist Teil der Gemeinschaft, die von ihm erzählt.
Dazu gehöre auch ich. Wie ich von Jesus erzähle, so wird er bei den Menschen um mich herum lebendig.
Text: Erich Guntli, Pfarrer der Seelsorgeeinheit Werdenberg
Am Dienstag, 15. April 2025, 18.15 Uhr, feiert Bischof Markus Büchel in der Kathedrale St. Gallen die traditionelle Chrisam-Messe mit der Weihe der Öle (Chrisam). Die diesjährigen Jubilarinnen und Jubilare im Dienst der Kirche des heiligen Gallus sind:
70 Jahre
P. Benno Hegglin, OSB, Abtei St. Otmarsberg, Uznach
P. Eduard Mäder, MS, Missionshaus Untere Waid, Mörschwil
60 Jahre
P. Paul Zingg, ISch, St. Gallen
Hermann Hungerbühler, Pfarrer i. R., Gossau
P. Victor Buner, SVD, Amden
50 Jahre
P. Josef Rosenast, SAC, Jakobsbad
Charlie Wenk, Pastoralassistent i. R., St. Gallen
Niklaus Bayer, Pastoralassistent i. R., St. Gallen
40 Jahre
Innocent Udeafor, Vikar i. R., Gossau
Bruno Jud, Diakon i. R., Lütisburg
Kurt Schawalder, Diakon i. R., St. Gallen
Jacqueline Bollhalder, Religionspädagogin i. R., Gossau
Beate Kuttig, Seelsorgerin i. R., Lichtensteig
Norbert Hochreutener, Pastoralassistent i. R., Herisau
25 Jahre
Marjan Paloka, Kaplan, St. Gallen
P. Piotr Zaba, MS, Missionshaus Untere Waid, Mörschwil
P. Leszek Suchodolski, MS, Kaplan, Missionshaus Untere Waid, Mörschwil
Josef Michael Karber, Pfarrer, Oberurnen
P. António Brito, Portugiesenmissionar, Bischofszell
P. Gregorius Cacur, SVD, Pfarradministrator und Dekan, Rheineck
KI besitze keine emotionale oder soziale Intelligenz, so Peter G. Kirchschläger. Er spricht der KI die Moralfähigkeit ab. Sie erkenne nicht, was ethisch richtig und falsch ist. Der Professor für Theologische Ethik und Leiter des Instituts für Sozialethik an der Universität Luzern beleuchtet die ethischen Risiken von KI und schlägt moralische Kontrollmechanismen vor. Das Referat wurde aufgenommen beim MyHope-Kongress der Akademie für positive Psychologie zum Thema Würde in Götzis.
→ Podcast mit dem Referat (ORF Radio Vorarlberg, März 2025): Podcast anhören
Lorena Torres steht kurz vor der Matura. In ihrer Maturaarbeit untersucht die Tübacherin den Nutzen des Glaubens auf Therapien. Ein Thema, das ihr persönlich sehr am Herzen liegt.
Ein Schreibtisch, ein Bücherregal, ein Bett – alles schön ordentlich drapiert und aufgeräumt: Das Zimmer von Lorena Torres sieht aus wie das vieler Kantischülerinnen. Hier hat die 18-Jährige in den vergangenen Monaten viele Stunden verbracht, hat unzählige Bücher, unter anderem von Anselm Grün, gelesen, hat Interviews mit Spitalseelsorgern transkribiert und Zeile um Zeile auf ihrem Computer geschrieben. Herausgekommen ist eine Maturaarbeit mit dem Titel «Theologie und Psychologie: Wie der Glaube unterstützend sein kann in der Therapie». Mit der Arbeit will Lorena zeigen, wie der Glaube in schwierigen Situationen Hoffnung geben kann. «Gott ist immer da, egal in welchem Tief ich gerade stecke. Ich muss mich nie alleine fühlen.»
Persönliche Erfahrungen prägen
Lorena Torres besucht die Kantonsschule am Burggraben in St. Gallen und schliesst das Gymnasium im Sommer ab. In der Freizeit ist sie gerne in der Natur unterwegs und macht viel Sport. Erst kürzlich hat sie Pilates für sich entdeckt. Zudem ist sie sehr musikalisch, spielt Cello und singt. Sie ist eine aufgestellte, sympathische, junge Frau. Beim Interview lacht sie viel. Die Stimmung ist ausgelassen. Aber Lorena hatte, wie viele andere junge Menschen, auch weniger gute Tage. In solchen Momenten habe sie gemerkt, wie der Glaube tragend sein kann. «Er gibt mir Orientierung und Unterstützung. Und neue Kraft in mir. Ich kann immer wieder zu Jesus kommen und mit ihm sprechen.» Lorena weiss, dass der Glaube kein Allzweckmittel gegen Verstimmungen ist, «aber er kann uns eine andere Sichtweise auf die Dinge geben. Wichtig ist, dass ein Patient beziehungsweise eine Klientin offen ist, diese Perspektive wahrzunehmen». Lorena Torres persönlich fiel das nicht schwer. Dies ist wenig verwunderlich. Der Glaube spielt seit jeher eine bedeutende Rolle in ihrem Leben. Sie ist in der Adoray-Bewegung in St. Gallen und Mitglied der Schönstatt-Jugend. Mittlerweile ist sie dort in der Lagerleitung aktiv. Und auch ihre nahe Zukunft plant sie bei der katholischen Kirche St. Gallen. Im Sommer startet sie ein Praktikum in der Administration der flade und im Sekretariat der Dompfarrei. «Ich freue mich sehr darauf.»
Interesse aus dem Umfeld
In ihrer Maturaarbeit, die mit einer Bestnote bewertet wurde, thematisiert Lorena Torres auch den sozialen Aspekt des Glaubens: «Glaube hat immer auch mit Gemeinschaft zu tun. Wenn ich mich wohlfühle in einer Gemeinschaft, kann das positiv wirken.» Lorena Torres steht offen zu ihrem Glauben. Sie ist sich bewusst, dass das nicht nur auf Verständnis stösst. «Viele haben mittlerweile eine negative Einstellung zur Kirche. Das ist schade.» Wie haben denn die Mitschülerinnen und Mitschüler auf die Themenwahl reagiert? Lorena Torres lächelt: «Es war sehr interessant. Viele in meinem Umfeld sind nicht religiös, aber genau sie waren interessiert und haben viele Fragen gestellt. Das finde ich natürlich cool und wirkt motivierend.» Etwas unterscheidet das Zimmer von Lorena Torres dann eben doch von dem vieler Kantischülerinnen: Auf dem Pult liegt eine Bibel – ihre Megaquelle: «Bei wichtigen Entscheidungen schlage ich sie auf und lese passende Bibelstellen.»
Text: Alessia Pagani Bild: Urs Bucher Veröffentlichung: 28. März 2025
Nach einer Überlastungskrise beschliesst Martin Rusch, seine Selbstständigkeit aufzugeben und Seelsorger zu werden.Den Entschluss hat er nie bereut — im Gegenteil.
«Ich habe meine Arbeit sehr gerne gemacht. Was das betrifft, hätte ich keinen Wechsel gebraucht», sagt Martin Rusch. Der gelernte Schreiner hat die Holzfachschule in Biel absolviert und sich im Jahr 2000 mit einem Planungsbüro für Architektur und Innenarchitektur selbstständig gemacht. In der Freizeit engagierte sich Martin Rusch in der Bergrettung, war ab 2000 als Obmann für die Einsatzleitung zuständig. Was viele sich wünschen, wurde dem heute 51-Jährigen irgendwann zu viel: der berufliche Erfolg. Mitten im Berufsleben stehend, erlitt Martin Rusch 2006 eine Überlastungskrise und spürte, dass es mehr gibt als volle Auftragsbücher.
Dankbarkeit überwiegt
Beim Interview sitzt Martin Rusch in einem Café in St. Gallen. Man merkt ihm an, dass er glücklich ist und nicht mit dem Schicksal hadert: «Die ganze Sache hatte viel Positives. Es ist gut so, wie es jetzt ist. Ich empfinde meine jetzige Arbeit als sinnvoller.» Martin Rusch hat nach der Zwangsarbeitspause umgesattelt: Gemeinsam mit seiner Frau hat er 2008 den vierjährigen Studiengang Theologie am Theologisch-pastoralen Bildungsinstitut in Zürich begonnen. Von 2013 bis 2018 hängte er ein Studium an der Theologischen Hochschule in Chur an. «Im ersten Moment war das schon viel, aber es hat mir so gut gefallen. Es hat einfach so sein müssen.» Im Jahr 2022 wurde Martin Rusch zum Diakon geweiht. Heute begleitet der zweifache Vater im Regensamt des Bistums St. Gallen angehende Priester, Seelsorgerinnen und Seelsorger oder Religionspädagoginnen und ‑pädagogen bei der Aus- und Weiterbildung. «Ich bin einfach nur dankbar, dass alles so gekommen ist.» Seinen Sinn hat er darin gefunden, die christliche Botschaft mit den Mitmenschen zu teilen und mit diesen unterwegs zu sein.
Drei tragende Elemente
Unterstützung erhielt Martin Rusch stets von seiner Frau und den beiden Söhnen. «Es gab in all diesen Jahren drei Sachen, die mich aufgefangen haben: eine tolle Frau und tolle Kinder beziehungsweise Freunde, tolle Ärzte und ein toller Glaube.» Das Planungsbüro konnte Martin Rusch mittlerweile seinem Mitarbeiter übergeben. Für den Innerrhödler ein Glücksfall. «Es ist schön zu wissen, dass es weitergeht und dass das Unternehmen in guten Händen ist.» Reinreden möchte er ihm nicht. Martin Rusch schaut nicht mehr zurück. Im Gegenteil. Er freut sich auf alles, was kommt, beruflich und mit seinen Liebsten und Bekannten. «Wenn ich mit etwas abgeschlossen habe, dann habe ich abgeschlossen. Das war schon immer so.»
Text: Alessia Pagani Bild: Roger Fuchs Veröffentlichung: 25. März 2025
Renzo Andreani war glücklich in seinem Job und hätte ihn gerne noch länger gemacht. Doch nicht er selber, sondern andere haben entschieden: 2019 wurde der heute 67-Jährige überraschend als Gemeindepräsident abgewählt.
Er musste innerhalb von knapp zwei Monaten seinen Schreibtisch räumen, stand plötzlich und ungewollt ohne Berufsalltag da: Renzo Andreani wird den 17. März 2019 nie mehr vergessen. An diesem Tag wurde er unerwartet abgewählt als Gemeindepräsident von Herisau. Die Stimmberechtigten bevorzugten einen in der Gemeinde kaum bekannten Verwaltungsmitarbeiter – quasi ein Angestellter Andreanis.
Lied hilft aus dem ersten Tief
Für den Abgewählten, aber auch für sein nahes Umfeld kam alles völlig überraschend. «Es war, als würde ich mit dem Auto gegen eine Betonwand fahren. Es hat eine Zeit gebraucht, bis ich das einordnen konnte», sagt Andreani rückblickend. Richtig realisiert habe er seine Abwahl aber erst abends im Bett. «Als es ruhig um mich herum wurde und ich alles sacken lassen konnte.» Im ersten Moment hat ihn vor allem seine Frau aufgefangen. Sie war für ihn da und hatte ein offenes Ohr. Und sie hatte ein Lied parat für den gläubigen Christen: «Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand» von Arno Pötzsch. Es hat Renzo Andreani aus dem ersten Tief herausgeholt. Er sagt: «In Krisenmomenten kommt man Gott wieder näher.»
«Definieren uns über Leistung»
Von hundert ungewollt auf null. Renzo Andreani musste zwangsläufig einen ganz neuen Weg einschlagen. Die Monate nach der Abwahl waren schwierig für den 67-Jährigen. «Menschen und ich denke vor allem wir Männer definieren uns gerne über unsere Leistung. Wenn man so etwas erlebt, ist das nicht einfach. Es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich wieder Tritt gefunden habe und zuversichtlich nach vorne blicken konnte.» Ganz offen spricht er heute über diese Zeit und seine damalige Gefühlslage. «Mittlerweile kann ich das gut. Das war nicht immer der Fall.»
Renzo Andreani, ehemaliger Gemeindepräsident von Herisau
Neue Aufgaben übernommen
Wie schwer ihm die Abwahl anfangs fiel, zeigt ein erstes kurzes Statement in der Appenzeller Zeitung: Er müsse das Resultat zuerst verarbeiten und sich Gedanken über seine Zukunft machen. Mittlerweile hat er diese wieder gestaltet und verplant: Der gelernte Architekt arbeitet heute als Berater im Immobilienbereich. Seit zwei Jahren ist er stellvertretender Präsident der reformierten Kirchgemeinde Appenzeller Hinterland und hat in dieser Funktion bei der Fusion von vier Kirchgemeinden mitgeholfen. Ausserdem ist er Mitglied im Kantonsrat Appenzell-Ausserrhoden. Renzo Andreani liebt es, mitzugestalten und mitzudenken. Gerne hätte er noch vier Jahre als Gemeindepräsident angehängt und Projekte vorangetrieben. Es lag nicht in seiner Hand.
Frage nach dem Wesentlichen
Heute, mit mehreren Jahren Abstand, ist Renzo Andreani glücklich, so wie es ist, und spricht vom Besten, das ihm hätte passieren können. «Wir arbeiten, gehen voran und immer läuft alles gut. Manchmal vergisst man da das Wesentliche», sagt er und fährt fort: «Nach der Abwahl war ich gezwungen, meinen Wertekatalog zu hinterfragen und zu überlegen, was denn für mich wichtige Werte sind – nämlich Familie und Freunde. Ich habe wieder einmal gelernt, dass Beziehungen das Wichtigste sind. Und plötzlich merkt man: Das Leben bezieht sich nicht nur auf Leistung.» Mittlerweile nimmt Renzo Andreani das Leben etwas ruhiger: Er geniesst seine zusätzlichen Stunden Freizeit, verreist in den Sommermonaten mit seiner Frau und geht gerne mit ihr in den Alpstein. «Ich liebe und schätze es, Grossvater zu sein und Zeit mit der Familie und meiner Frau zu verbringen», sagt er. Mit sechs Kindern und fünf Enkelkindern geht Renzo Andreani hier die «Arbeit» nicht so schnell aus.
Text: Alessia Pagani Bild: Urs Bucher Veröffentlichung: 25. März 2025
Susanne und Hans Sutter-Wartenweiler aus Degersheim führen im Kloster Magdenau ein eigenes Webatelier. Als sie mit 60 Jahren plötzlich ohne Job dastehen, erfüllen sie sich diesen langjährigen Wunsch. Weben helfe einem gerade auch in Krisensituationen, sagen sie.
Susanne Sutter-Wartenweiler öffnet eine der vielen Türen im Kreuzgang des Klosters Magdenau. Schon steht sie mitten in ihrem Webatelier, das sie zusammen mit ihrem Mann Hans betreibt. Garn in allen Farben, Geschirrtücher mit den Namen «Mondlicht», «Tulpenfeld» und «Geburtstag, alle Freunde sind gekommen», selbst gemachte Hemden, Schals und vieles mehr leuchten einem entgegen. Der Blick fällt durch die Fenster in den Klostergarten. «Jeden Monat gibt’s draussen im Garten andere Farben, die mich während des Webens inspirieren», sagt die 77-Jährige. Acht Webstühle, darunter moderne Modelle sowie über hundertjährige historische Exemplare, stehen in den drei Räumen des Webateliers. Weben ist für Susanne Sutter-Wartenweiler etwas, das sich durch ihr ganzes Leben zieht und das Körper, Seele und Geist in Einklang bringt. Es ist eine Tätigkeit, die sie selbst in schwierigen Lebenssituationen gerettet hat und mit der sie anderen durch Krisen hilft. Das Webatelier in Magdenau besuchen nebst handwerklich interessierten Personen etwa auch Menschen, die von einem Burn-out betroffen sind oder die eine Suchterkrankung haben. «Wenn man das Gefühl hat, nichts mehr in seinem Leben auf die Reihe zu bringen und dass nichts mehr klappt, kann es ungemein helfen, wenn man auf einmal so etwas Schönes wie ein Stück Stoff selbst herstellt», sagt sie.
Weben am Treppengeländer
Susanne Sutter-Wartenweiler ist fünf Jahre alt, als ihre Mutter einen kleinen Webstuhl geschenkt bekommt. «Es war mein grösster Wunsch, diesen zu benutzen, aber das erlaubte mir meine Mutter nicht», sagt sie und erzählt, wie sie daher am Treppengeländer Schnüre spannte und an diesen webte. Später als junge Frau bringt sie sich das Weben selber bei, macht eine Ausbildung zur Sozialpädagogin und anschliessend zur Logotherapeutin. Ob in Altersheimen, Institutionen für Menschen mit einer Behinderung oder für Menschen mit einer Suchterkrankung: Stets merkt sie, dass das Weben eine beruhigende Wirkung auf die jeweiligen Personen hat und diese zufrieden macht. «Durch meine eigene Geschichte konnte ich mich immer in Menschen hineinversetzen, die sich in herausfordernden Lebenssituationen befanden», sagt sie.
In eine solche Situation gerät auch Susanne Sutter-Wartenweiler unvermittelt nach der Geburt ihres dritten Kindes. Die Plazenta löst sich nicht und muss operativ während einer Vollnarkose entfernt werden. Am Ende der Narkose beginnt Susanne Sutter-Wartenweiler nicht, selbstständig zu atmen. Rund zweieinhalb Minuten dauert es, bis sie wieder mit Sauerstoff versorgt ist. «In diesem Moment hatte ich eine Nahtoderfahrung. Ich schwebte über mir und sah mich selbst. Dann erblickte ich die Buchstaben des Wortes «Jesus» in falscher Reihenfolge vor mir und konnte sie nicht ordnen. Und eine Stimme fragte mich ständig nach dem Sinn. Aber ich konnte keinen Sinn sehen, in nichts», sagt Susanne Sutter-Wartenweiler, die in Degersheim in einer evangelisch-reformierten Familie aufgewachsen ist und in deren Leben der Glaube immer eine grosse Rolle gespielt hat.
Den Sinn wiederfinden
Das Gefühl der Sinnlosigkeit zieht sich durch die Wochen nach der Geburt und wird stärker. «Wickeln, kochen, essen, putzen und das pausenlos», sagt sie. Eines Nachts steht sie auf dem Balkon und möchte sich hinunterstürzen. «Da bat ich Gott um ein Zeichen, dass alles bald besser wird.» Am nächsten Morgen klingelt es. Vor der Haustüre steht ein Mitglieder der Heilsarmee. «Ich erzählte ihm alles, etwa wie schlecht es mir ging und dass ich den Sinn im Leben verloren hätte», sagt sie. Der Mann habe sich aber kaum für ihre Geschichte interessiert. Er habe bloss gesagt, wenn es ihr so schlecht gehe, solle sie doch einfach mal ans Kreuz schauen. Dort sei einer, der genau der Sinnfrage wegen gestorben sei. «Danach ging es mir immer besser. Und nach 14 Tagen fragte mich mein Mann, was nur passiert sei. Ich sei wie ausgewechselt. Der Grund dafür war, dass Gott mich kleinen Menschen mit meiner Not tatsächlich gesehen hatte.»
Ein gemeinsames Projekt
Als beide 55 Jahre alt sind, bekommen Susanne und Hans Sutter-Wartenweiler die Leitung des Hotels Pension Heimeli in Hemberg des Verbandes für christliche Hotels in der Schweiz angeboten. «Wir haben das einfach gewagt, weil wir uns schon immer nach einem gemeinsamen Projekt gesehnt haben», sagt Susanne Sutter-Wartenweiler. Einerseits sei es ein klassisches Seminarhotel gewesen. Andererseits ein Ort, an dem etwa Menschen mit einer Behinderung gemeinsam die Feiertage über Weihnachten und Ostern verbringen konnten.
Mit 60 Jahren ohne Arbeit
Nach fünf Jahren, an Weihnachten 2007, mussten Susanne und Hans Sutter-Wartenweiler ihren Gästen mitteilen, dass das Hotel verkauft worden sei und in Kürze geschlossen werde. «Das war ein sehr schwerer Moment. Die Gäste, die teils seit Jahren dort hinkamen, waren betroffen und traurig. Und ich und mein Mann standen mit 60 Jahren ohne Arbeit da», sagt sie. «Ich fand dann, es sei vielleicht einfach der passende Moment, einen Traum wahr werden zu lassen und ein eigenes Webatelier zu gründen.» Dieses richten sie zunächst in Degersheim ein. Bald spricht sie eine Bekannte darauf an, dass die Schwestern im Kloster Magdenau seit Langem nach jemandem suchen, der den historischen Webstuhl flicken und betreiben kann, und ob sie das nicht tun wolle. «Ich wollte nicht. Aber ich ging dann des Friedens willen im Kloster Magdenau vorbei», sagt sie.
Der Ort, die Räume und der Blick in den blühenden Klostergarten: Susanne und Hans Sutter-Wartenweiler sind sofort begeistert und ziehen 2017 mit ihrem Webatelier ins Kloster. «Schwester Rafaela erzählte mir, dass sie acht Jahre lang gebetet habe, um jemanden für den historischen Webstuhl zu finden», sagt sie. Seither ist das Webatelier jeden Mittwoch oder nach Absprache auch an anderen Tagen für alle Interessierten geöffnet. Ein Halbtag kostet 25 Franken, hinzu kommen die Materialkosten wie etwa für Garn. Bevor die Teilnehmenden eintreffen, richten Susanne und Hans Sutter-Wartenweiler die Webstühle jeweils ein und ziehen die Fäden auf. «Ich liebe diese Vorbereitungen, denn alles muss perfekt sein», sagt sie.
Das Leben so nehmen
Ihren Mann Hans bezeichnet Susanne Sutter-Wartenweiler als ihren besten Weber. Auch an diesem Morgen sitzt er konzentriert an einem Stück Stoff oder behebt technische Probleme an den Webstühlen. Einmal löst sich ein Gewicht an einem der Rahmen und muss wieder eingehängt werden. Ein anderes Mal hilft er einer Teilnehmerin beim Umspannen. Diese erzählt, wie sie die Visitenkarte des Webateliers zwei Jahre lang aufbewahrt habe, bis sie sich endlich die Mittwochmorgen fürs Weben habe freischaffen können. Am Nachmittag hat sich zudem noch eine Ärztin aus München angekündigt, die gleich an vier aufeinanderfolgenden Tagen in Magdenau weben möchte. «Wir sind 77 Jahre alt. Unsere Produkte laufen im Klosterladen so gut, dass wir mit Weben kaum nachkommen», sagt Susanne Sutter-Wartenweiler. «Wir machen das, was uns glücklich macht. Dafür muss man das Leben so nehmen, wie es kommt, und Vertrauen haben», sagt sie und nennt zum Abschied einen grossen Wunsch: dass sich bald eine Nachfolge fürs Webatelier findet. «Denn das ist in der heutigen Zeit gar nicht so einfach.»
Der Film «Heldin» nimmt die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf die stressige Nachtschicht einer Pflegefachfrau. Der St. Galler Spitalseelsorger Sepp Koller erklärt, wie nahe der Film wirklich an der Realität ist.
Sie hetzt von einem Patienten zum nächsten, verabreicht hier ein Medikament, hat dort ein offenes Ohr: Im Film «Heldin» der Regisseurin Petra Volpe tauchen die Zuschauerinnen und Zuschauer in den hektischen Arbeitsalltag einer Pflegefachfrau ein. Pflichtbewusst versucht sie alle ihr obliegenden Aufgaben zu erledigen und doch kommt es schliesslich zu einem folgenschweren Fehler. Die Geschichte spielt an einem fiktiven Spital in der Schweiz – könnte aber auch in St. Gallen stattfinden, wie Spitalseelsorger Sepp Koller erklärt: «Der Film ist nahe an der Realität und gibt einen Eindruck, wie der Spitalalltag aussieht.» Koller arbeitet seit acht Jahren am Kantonsspital St. Gallen und ist nebst seiner Arbeit als Seelsorger auch Teil des spitalinternen Care Teams. Der 55-Jährige hat sich den Film kürzlich im Kino angeschaut und hat eine dezidierte Meinung darüber: «Der Spitalalltag ist prägnant dargestellt. Es wird vieles so gezeigt, wie es tatsächlich ist. Aber der Film ist etwas überzeichnet.»
Spitalseelsorger Sepp Koller: «Der Spitalalltag ist prägnant dargestellt. Es wird vieles so gezeigt, wie es tatsächlich ist. Aber der Film ist etwas überzeichnet.»
Emotional berührend
Regisseurin Petra Volpe bezeichnet den Film, der an der Berlinale Premiere feierte, in einem Interview mit dem NDR als «Liebeserklärung an die Pflegenden». Den Fokus setzt sie auf Hauptdarstellerin Leonie Benesch. Die Bilder sind eher düster, die Szenerie wirkt teilweise fast ein wenig bedrohlich. Die Umsetzung gefällt Sepp Koller: «Ich finde es sehr gut, dass der Film emotional berührt. Man fühlt sich schnell mit der Schauspielerin verbunden, leidet am Schluss sogar mit ihr mit.» Der Spitalseelsorger spricht aber auch von einer einseitigen Fokussierung: «Es dreht sich alles um den Dienst dieser Pflegefachfrau. Andere Disziplinen – also alle Dienste im Support wie die Seelsorge, das Care Team, die Sozialen Dienste, das Ethikforum, die Psychosomatik und Psychoonkologie – kommen nicht vor. In der Realität arbeiten diese Bereiche eng miteinander zusammen und unterstützen sich in schwierigen Situationen», sagt Sepp Koller. Er schätzt, dass dies so gewollt ist, und verweist auf den Filmtitel: «Als hätte die Regisseurin getreu dem Namen des Films ein Heldenepos schaffen wollen. Und das ist ihr sehr gut gelungen». Sepp Koller spricht auch irritierende Szenen im Film an, etwa als eine betagte Frau ruhig sterbe und die Pflegefachfrau das Reanimationsteam aufbietet, da es der Sohn im Moment der Trauer nicht begreifen kann.
Der Film ist eine Liebeserklärung an die Pflegenden.
Wertschätzung steigern
Trotz inhaltlicher Irritationen und Fokussierung auf eine Person ist Sepp Koller froh, den Film gesehen zu haben, und er hofft, dass es ihm einige gleichtun: «Es lohnt sich. Schön und positiv ist auch, dass der Film sicherlich die Wertschätzung für die Arbeit der Pflegefachpersonen stärkt. Sie hätten das verdient, weil sie wirklich viele Stresssituationen zu bewältigen haben.» Als Spitalseelsorger ist Sepp Koller nicht nur für die Betreuung der Patienten und deren Angehörigen zuständig, sondern auch für die Mitarbeitenden. Er hat die Coronapandemie und die Massenentlassungen vom vergangenen Herbst am Kantonsspital St. Gallen miterlebt und weiss, wie sehr diese Ereignisse den Spitalalltag der Pflegefachpersonen zusätzlich belastet hatten. Während der Pandemie war der Bedarf kurzzeitig stark gestiegen. Rund 30 Prozent des Pensums wandten die Spitalseelsorgenden damals für die Mitarbeitenden auf. Mittlerweile ist die Zahl wieder gesunken. «Im Gesundheitssystem ist es stressig, das gehört dazu. Manche können besser damit umgehen, andere weniger gut. Ich würde mir einfach wünschen, dass die Arbeit der Pflegepersonen noch mehr geschätzt wird», so Koller. Die Pflegeinitiative sei ein erster wichtiger Schritt dahingehend gewesen. «Der Film zeigt uns allen anschaulich, was die Pflegekräfte für eine wertvolle Arbeit leisten. Sie hätten auf ganzer Linie mehr Unterstützung und Wertschätzung verdient.»
Text: Alessia Pagani
Bild: zVg
Veröffentlicht: 19.03. 2025
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