Die Spitalclownin Liz Monteleone aus Lenggenwil erzählt, wie Humor in schweren Situationen funktioniert.
«Ich konzentriere mich als Dr. Floh oder Sissi Lebensfreude immer auf das, was gesund ist», sagt Liz Monteleone. Seit 21 Jahren arbeitet die Lenggenwilerin als Spitalclownin. Im Kittel, mit kleiner roter Nase, blauen Augenbrauen und bunten Kleidern besucht sie als Traumdoktorin der Stiftung Theodora junge Patientinnen und Patienten in Kinderspitälern wie etwa jenes in St. Gallen. Als Sissi Lebensfreude ist sie zudem für die Stiftung Lebensfreude in Alters- und Pflegeheimen unterwegs. Und freischaffend tritt sie als Clownin Peppina Polenta auf. Gebucht wird sie für Geburtstage und Hochzeiten oder auch wie jüngst für die Segensfeier in der Kathedrale St. Gallen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.
Feingefühl und Spontanität
Sich aufs Gesunde zu konzentrieren, das heisse beispielsweise, ein Blumenbild auf dem Rollstuhl einer betagten Person als Anlass zu einer Reise zu nehmen. «Ich sage dann: ‹Sehen Sie schön aus. Geht es in den Ausgang?›», erzählt Liz Monteleone. «Wenn die Person antwortet, das könne sie doch nicht mehr, antworte ich wiederum, dass Fantasiereisen doch immer gingen. Schon geht es los.» Kinder hätten oft ein Stofftier dabei, über welches sich dann ebenfalls eine Geschichte aufbauen lasse. Auch wenn sich Liz Monteleone über den Hintergrund und die Diagnosen der betroffenen Kinder und Erwachsenen informiert, braucht es während der Besuche Feingefühl und vor allem Spontanität. «Ich muss den Moment spüren und die richtigen Worte finden. Das können Floh, Sissi und auch Peppina viel besser als ich als Privatperson», sagt die 59-Jährige und fügt an: «Aber da Floh, Sissi und Peppina ebenfalls nicht der Norm entsprechen, ist es für sie einfacher, damit umzugehen.» Oft sei es auch alleine schon die Aufmachung, die Türen und Tore zum Herzen des Gegenübers öffne.
Strahlende Kinderaugen
Freude, Ablenkung und Zeit: Das möchte Liz Monteleone mit ihren Besuchen schenken. Wie viel Kraft die Betroffenen daraus schöpfen, erfährt sie aus Rückmeldungen. Und auch die strahlenden Kinderaugen würden ihr zeigen, wie wichtig die unbeschwerten Momente seien. Diese Momente sind es, die Liz Monteleone selbst Kraft geben. Hinzu komme die gute Zusammenarbeit mit Arbeitskolleginnen und ‑kollegen, dem Personal im Spital und den Heimen und das Wissen, dass im Hintergrund die beiden Stiftungen und zahlreiche Spenderinnen und Spender stehen. Eine ihrer stärksten Erinnerungen ist die Begegnung mit einem krebskranken Buben während ihrer Berufseinführung. Liz Monteleone war mit Dr. Stanislaus, einem als Spitalclown erfahrenen Kollegen, auf der Onkologie unterwegs. Da kam der Bub auf die beiden zugerannt und schnappte sich die Wasserpistole des Kollegen. Die beiden jagten sich den Flur hoch und runter und immer mehr Personen feuerten sie an. «Dieser Moment war magisch. Da war beim ersten Anblick so erschreckend viel Krankheit, doch dann hatte das Gesunde für ein paar Minuten die komplette Überhand.»
Ein unerreichbarer Berufswunsch
Nebst diesen Erinnerungen an unbeschwerte Momente findet Liz Monteleone auch Ausgleich in der Natur, während Spaziergängen oder des Gärtnerns sowie bei ihrer Familie und Freunden. Sie ist Mutter zweier erwachsener Kinder und fünffache Grossmutter. Für den Beruf der Spitalclownin hatte sie sich entschieden, nachdem sie einen Fernsehbeitrag zu dem Thema gesehen hatte. «Mein Wunsch kam mir unerreichbar vor und ich behielt ihn zwei Jahre für mich. Dann konnte ich aber nicht mehr anders als mich auf diesen Weg zu begeben», sagt sie. So habe sie die Clownkurse bei David Gilmore und die Theaterkurse bei Oliver Kühn besucht. Danach konnte sie bei der Stiftung Theodora die Ausbildung zum Traumdoktor machen. «Dieser Beruf und ich, das war Liebe auf den ersten Blick. Und die ist bis heute gewachsen.»
Wer sich für einen Schwangerschaftsabbruch entscheidet, hat Recht auf Unterstützung, Respekt und Zuwendung, sagt der Schweizerische Katholische Frauenbund. Damit reagiert er auf Entwicklungen rund um den Globus und eine umstrittene Aussage von Papst Franziskus.
«Jede Frau, die sich trotz Notlage für die Mutterschaft entscheidet, die ein ungeplantes Kind zur Welt bringt, aber auch jede Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt, hat Anspruch auf Unterstützung der Gesellschaft, Respekt, Begleitung und Zuwendung. Dies ist eine Grundforderung christlicher Nächstenliebe.» Mit diesen Worten reagiert der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) auf die Aussage von Papst Franziskus im Juli, in der dieser Abtreibung mit Auftragsmord verglich. «Wir müssen uns entschieden gegen die Anspruchshaltung stellen, über den weiblichen Körper bestimmen zu können», begründet Sarah Paciarelli, Mediensprecherin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds (SKF), die deutlichen Worte des Verbandes. «Das Recht auf Selbstbestimmung haben sich die Frauen in über hundert Jahren erkämpft. Dass dieses fragil ist, zeigen uns aber Entwicklungen wie in den USA, wo nun das Recht auf Abtreibung ausser Kraft gesetzt wurde.»
Kriminalisiert und stigmatisiert
In seiner Stellungnahme bezeichnete der SKF die Aussage des Papstes zudem als «schockierend». «Schockierend, weil die Not der Frauen, die sich für eine Abtreibung entscheiden, verkannt wird. Keine Frau entscheidet sich leichtfertig für diesen Schritt», sagt Sarah Paciarelli. «Solche Aussagen führen einzig dazu, dass betroffene Frauen kriminalisiert und stigmatisiert werden.»
Sarah Paciarelli, Mediensprecherin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds.
Zwei Initiativen lanciert
Dass das Recht auf Selbstbestimmung nicht selbstverständlich ist, zeigen nicht nur Entwicklungen in den USA, sondern auch in Europa und selbst in der Schweiz. In Polen dürfen Frauen nur bei Todesgefahr, nach einer Vergewaltigung oder Inzest einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Das polnische Abtreibungsgesetz gehört zu den strengsten in Europa. In der Schweiz wurden aktuell mit «Lebensfähige Babys retten» und «Einmal darüber schlafen» zwei Initiativen lanciert, die die Fristenlösung in der Schweiz beschneiden wollen. Die Fristenlösung gilt in der Schweiz seit 2002 und überlässt den Entscheid über eine Abtreibung bis zur 12. Schwangerschaftswoche der Frau. Zur Diskussion stand ausserdem die Herzschlag-Initiative, die in der Schweiz ein Abtreibungsverbot nach der sechsten Schwangerschaftswoche vorsah. Allerdings wurde dieses Vorhaben vorerst zurückgezogen.
Solidaritätsfond gegründet
Dass sich Frauen meist nicht leichtfertig für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden, zeigen auch die Zahlen des Bundesamtes für Statistik. In der Schweiz nehmen sechs von 1000 Frauen einen Schwangerschaftsabbruch vor. Gemäss der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehört die Schweiz damit zu den Ländern mit den niedrigsten Abtreibungsraten. Seit 2001 ist für den SKF daher klar, dass er den Entscheid der Frau überlassen möchte. Noch vor Einführung der Fristenlösung hielt er dies in seinem Positionspapier fest. In den 1970er-Jahren gründete der SKF auch den Solidaritätsfond für Mutter und Kind. Dieser wurde laut Sarah Paciarelli als Reaktion darauf gegründet, dass damals die erste Abstimmung für eine Fristenregelung scheiterte. «So konnten Mütter, die in Not geraten waren, finanzielle Unterstützung beantragen», sagt sie. Den Fonds gibt es noch. In der Ostschweiz finden Frauen in unterschiedlichsten Situationen zudem bei dem Beratungsangebot «Mütter in Not» der SKF-Sektion St. Gallen-Appenzell eine Anlaufstelle. «Aus katholischer Sicht setzen wir uns natürlich und in erster Linie für den Schutz von ungeborenem Leben ein», sagt Sarah Paciarelli. «Aber es gibt Situationen, in denen sich Frauen für eine Abtreibung entscheiden. Das gilt es zu respektieren.»
«Das Wichtigste im Gespräch mit Sterbenden sind Ehrlichkeit und Achtsamkeit», sagt Monika Gantenbein aus Wildhaus. Als freiwillige Sterbebegleiterin entlastet die Toggenburgerin Angehörige und steht Sterbenden in den letzten Tagen und Stunden bei.
«Ich kann mich an eine Sterbende erinnern, die wünschte, dass ich ihr aus Unterhaltungsromanen vorlese», erzählt Monika Gantenbein. «Die Bedürfnisse der Sterbenden sind individuell. Es gibt nichts, das immer falsch oder immer richtig ist. Ich muss sehr aufmerksam wahrnehmen, was mein Gegenüber wünscht oder was ihm guttun könnte. In den letzten Stunden verdienen sowohl die Sterbenden als auch die Angehörigen vor allem Ehrlichkeit und Empathie. Alles Aufgesetzte ist jetzt fehl am Platz.» Oft seien es Berührungen, die gut tun: «Ich frage die Sterbenden, ob und wie sie berührt werden möchten oder halte ihnen als Angebot die Hand hin.»
Sprachlosigkeit ausdrücken
Monika Gantenbein war bis zu ihrer Pensionierung als Pflegefachfrau tätig. Heute engagiert sie sich freiwillig bei der Hospizgruppe Toggenburg und beim Palliative Forum Toggenburg. Sie kann verstehen, dass die Begegnung und die Kommunikation mit Sterbenden und deren Angehörigen für manche eine Herausforderung ist: «Das ist nicht jedem gegeben. Und es hängt natürlich auch davon ab, in welchem Verhältnis man vorher stand: Wenn ich zum Beispiel als Nachbarin nur distanzierten Kontakt hatte, dann könnte es als aufgesetzt empfunden werden, wenn man jetzt plötzlich den Kontakt sucht.» Wenn man selber mit der Situation überfordert ist, soll man das aussprechen: Ich kann dazu nichts sagen, das macht mich sprachlos.
Bedürfnis nach offenem Ohr
Der Hospizdienst möchte mit seinem Angebot Angehörige von Sterbenden entlasten. «Von Seiten der Angehörigen nehme ich oft ein grosses Bedürfnis nach einem offenen Ohr wahr», so Monika Gantenbein. «Egal wie nah man ihnen steht, ist es sicher nie verkehrt, einfach die Frage zu stellen: Wie geht es dir? Manche freuen sich auch, wenn man ihnen anbietet, einen Zmittag vorbeizubringen. Was aber wohl weniger gut ankommt in diesem Moment sind Ratschläge.» Durch ihr Engagement bei der Hospizgruppe weiss die Toggenburgerin, wie schnell oft das Umfeld wieder auf den normalen Alltag umstellt und sich nicht bewusst ist, dass Trauerarbeit Zeit braucht. Aus diesem Grund hat sie auch den Trauertreff in Unterwasser mitaufgebaut. Die Resonanz auf das Angebot sei gross.
Nachfragen
«Der Hospizdienst fokussiert sich auf die Zeit bis zum Tod, wir leisten eigentlich keine klassische Trauerarbeit», hält Monika Gantenbein fest. Doch wenn sie Wochen oder Monate später im Dorf Trauernden begegne, frage sie nach: «Ich erkundige mich, wie es ihnen geht, ob sie sich inzwischen etwas erholen konnten und ob der Verstorbene immer noch sehr fehlt. Ich mache die Erfahrung, dass viele so etwas schätzen.» Eines ist Monika Gantenbein dabei wichtig: «Ich wünsche ihnen dann keine Zuversicht, sondern Kraft, denn gerade das ist es, was Angehörige in dieser Zeit benötigen.»
Glaube als wichtige Hilfe
Auch wenn Monika Gantenbein inzwischen über einen grossen Rucksack an Erfahrungen im Umgang mit Sterbenden und deren Angehörigen verfüge, spüre sie auch heute noch vor jedem Einsatz die Anspannung: «Wenn ich zu einer Person gerufen werde, weiss ich nicht, was mich erwartet und wem ich begegne. Ich sehe das als Chance: Ich lasse mich sehr fokussiert und konzentriert auf die Begegnung ein und versuche mit allen Sinnen wahrzunehmen, mit wem ich es zu tun habe und welche Bedürfnisse mein Gegenüber hat. Eine wichtige Hilfe ist für mich mein Glaube: Ich weiss, dass da jemand ist, der mir hilft und egal, welche Situation mich erwartet, mich unterstützt.»
Wieso fehlen uns ausgerechnet dann die Worte, wenn sie wichtig wären? Anne Heither-Kleynmans (44) aus Altstätten erzählt, wie sie als Spitalseelsorgeringelernt hat, Passendes zu sagen und auch Pausen auszuhalten. Denn zu einem gelingenden Gespräch gehört mehr als Worte.
Anne Heither-Kleynmans, Sie sind Spitalseelsorgerin und leiten das Trauercafé in Altstätten. Sie sind schwierige Momente gewohnt. Wann fällt es Ihnen dennoch schwer, das Richtige zu sagen?
Anne Heither-Kleynmans: Das ist für mich immer dann der Fall, wenn die Umstände besonders schwierig sind. Im Spital ist das etwa, wenn junge Mütter oder Väter im Sterben liegen oder ich Menschen begegne, die viele schwere Schicksalsschläge erlitten haben. Ich habe einmal eine ältere Frau getroffen, deren Mann und zwei erwachsene Kinder innerhalb von fünf Jahren gestorben sind. Das macht einen sprachlos.
Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich im ersten Moment sprachlos fühlen?
Anne Heither-Kleynmans: Ich denke, das schlimmste ist, wenn man dann einfach weiter redet und vielleicht sogar zu viele Worte wählt. Mir ist es wichtig, dass ich innehalte und dann auch sage und benenne, dass ich auf bestimmte Situationen auch kaum etwas zu sagen weiss. Und ich fasse in Worte, was es in mir auslöst. Dann versuche ich herauszufinden, was mein Gegenüber gerade beschäftigt. Um beim Beispiel mit der sterbenden jungen Mutter oder dem jungen Vater zu bleiben: Manchmal beschäftigen ganz alltägliche Dinge wie der Geburtstag des 4‑jährigen Sohnes: Wer organisiert das Fest während man selbst schwerkrank im Spital liegt? Andererseits sind da der Zweifel und das Hadern mit seinem Schicksal. Ich versuche daher bei jedem Gespräch zu verstehen, in welcher Situation sich jemand befindet.
Das heisst aber auch, einen fixen Ablauf für Gespräche in schwierigen Lebenssituationen haben Sie nicht?
Anne Heither-Kleynmans: Nein, für mich gibt es überhaupt keinen festen Ablauf. Fix ist nur, dass ich mich am Anfang eines Gesprächs vorstelle, falls ich jemanden noch nicht kenne und am Schluss versuche, einen runden Abschluss zu machen. Das ist manchmal ein Segen, ein Gebet, eine Krankenkommunion oder einfach Wünsche, die auf mein Gegenüber zutreffen. Das sollen keine Floskeln sein, sondern zusammenfassen, was aus meiner Sicht für jemanden das Wichtigste zu sein scheint. Das trifft sowohl auf Gespräche zu, die eine Viertelstunde dauern, wie auch für über Einstündige.
Klappt das bei kurzen und langen Gesprächen gleichermassen gut?
Anne Heither-Kleynmans: Einen Abschluss mit den richtigen Worten zu finden, funktioniert schon einfacher bei Gesprächen, die in die Tiefe gehen. Ich hatte einmal eine hochaltrige Patientin, die als Kind eine verstörende Gewalttat beobachtet hatte. Sie hatte noch nie zuvor jemandem davon erzählt. In dem Moment, als sie mir davon erzählte, war sie sehr bewegt. Das lag ja 85 Jahre zurück. Wenn man über so etwas redet, braucht es viel Zeit und geht in die Tiefe. Da kommen viele Emotionen hoch.
Welche Worte soll man wählen, damit beim Gegenüber auch ankommt, was man wirklich gemeint hat? (Bild: pixabay.com)
Aber was sagen Sie denn, wenn Ihnen jemand von so einer schrecklichen Erinnerung erzählt? Naheliegend wäre da doch «Was, wirklich?», «Ist das wahr?», «Im Ernst?» …
Anne Heither-Kleynmans: Naja, von so einer Erinnerung zu erzählen, kommt ja nicht aus dem blauen Himmel, sondern bahnt sich im Gespräch langsam an. Häufig merke ich auch, dass die Personen mir noch etwas erzählen wollen, wenn ich zum Gesprächsabschluss komme. So ein Gespräch ist ein gemeinsames Durcharbeiten von verschiedenen Themen. Wenn ich da die falschen Worte wählen würde wie «Das lassen wir jetzt mal sein» könnte so ein Gespräch schnell beendet sein.
Sie sind seit 16 Jahren Seelsorgerin, 12 davon Spitalseelsorgerin. Können Sie heute besser die passenden Worte wählen als früher?
Anne Heither-Kleynmans: Ja, ich würde sagen, ich bin heute geübter darin. Gesprächsführung ist ja auch Teil der Ausbildung zur Spitalseelsorgerin. Gelernt habe ich in all dieser Zeit auch, dass es nicht nur um Worte geht. Die Haltung beispielsweise ist genauso wichtig: Bin ich zugewandt und verständnisvoll. Ausserdem sind manchmal Gesprächspausen wichtig. Diese geben Raum, sich zu öffnen.
Im Spital haben Sie mit schwerkranken Personen zu tun, im Trauercafé mit Angehörigen. Was ist für Sie schwieriger?
Anne Heither-Kleynmans: Da gibt es für mich keine pauschale Antwort. Jeder Mensch und jede Situation sind unterschiedlich. Im Gespräch mit anderen zu sein ist immer individuell. Man kann Leid nicht abwiegen. Ein Leid ist nicht schlimmer als das andere. Es geht immer auch darum, nach Positivem und Ressourcen zu suchen.
Gerade im Trauercafé treffen so viele verschiedene Personen mit verschiedenen Geschichten und Erlebtem aufeinander. Wie schafft man es da, eine gemeinsame Sprache zu finden?
Anne Heither-Kleynmans: So unterschiedlich das Erlebte ist, so finde ich doch, dass Trauernde untereinander sich bestärken. Oft hilft es Personen, die neu ins Trauercafé kommen, zu hören was anderen in Krisensituationen geholfen hat. Das sollte aber nicht als Aufforderung oder Befehl formuliert werden, also in der Art «Mach doch auch mal das und das …». Das versuchen wir zu vermeiden. Denn was dem einen geholfen hat muss der anderen nicht auch helfen. Aber wenn jemand einfach von seiner eigenen Erfahrung erzählt, probiert die andere das vielleicht auch einmal aus. Oft sind es auch die tröstenden und bestärkenden Worte von uns Leitenden und den anderen Trauernden, die die Betroffenen als hilfreich empfinden, gerade da Trauernde oft auch Worte hören, die sie sehr verletzen.
Was sollte man denn eher nicht sagen?
Anne Heither-Kleynmans: Zum Beispiel «Das kommt schon wieder gut» oder «Zeit heilt alle Wunden». Das sind Floskeln oder Sprüche, die oftmals aus Hilflosigkeit gesagt werden.
Wieso fallen uns denn oftmals genau solche Floskeln ein statt der passenden Worte?
Anne Heither-Kleynmans: Ich denke, es ist Gewohnheit. Das ist wie mit dem «Wie geht es dir?». Gerade Trauernde werden das ständig gefragt. Aber wenn sie anfangen zu erzählen, interessiert es den anderen vielfach bereits nicht mehr. Wir sagen solche Sätze oft einfach ohne uns bewusst zu sein, was in ihnen steckt. Wenn man beispielsweise gerade keine Zeit hat für ein Gespräch, wäre es ehrlicher zu sagen: «Schön, dass ich dich sehe. Ich kann mir vorstellen, dass es schwer ist im Moment für dich. Ich melde mich morgen bei dir.» Dann ist es aber auch wichtig, das einzuhalten und sich wirklich am nächsten Tag zu melden.
Haben Sie selbst schon einmal eine Reaktion bekommen, die Sie völlig unpassend fanden?
Anne Heither-Kleynmans: Dass ich mich in alltäglichen Situationen missverstanden fühle, kommt natürlich immer wieder einmal vor. Da denke ich dann, mein Gegenüber hat jetzt gar nicht verstanden, worum es mir geht. Generell gilt es im Gespräch mit jemandem, achtsam und aufmerksam zu sein und Floskeln zu vermeiden.
Welche Worte sind beim Kondolieren passend? Und ist es zum Beispiel angemessen, jemandem über WhatsApp zu kondolieren?
Anne Heither-Kleynmans: Ich denke, es muss immer für einen selbst stimmen. Ob man schriftlich, mündlich oder sogar per WhatsApp kondoliert, hängt auch davon ab, wie man selbst ist und auf welchem Weg beide Personen sonst kommunizieren. Wie man kondolieren soll ist ein riesiges Thema und es gibt in der Bevölkerung eine Unsicherheit, was da heute angemessen ist. Man kann beim Kondolieren sagen, was einem wichtig ist wie «Ich denke an dich» oder «Ich wünsche dir Kraft». Auch beim Zeitpunkt des Kondolierens kann man sich auf sein Gefühl verlassen. Hauptsache ist, man macht keinen grossen Bogen um die betroffenen Menschen oder denkt «Oh, jetzt ist es eh zu spät.» Seine Anteilnahme kann man auch Wochen später ausdrücken und sich daran erinnern, was einen mit dem Verstorbenen verbunden hat.
Text: Nina Rudnicki
Bild: zVg.
Veröffentlichung: 23.08.2022
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«Ehrlichkeit und Achtsamkeit» (24.08.2022)
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Der emeritierte Bischof Ivo Fürer wurde am 18. Juli in der Otmarskrypta (unter der Kathedrale) beigesetzt. Die Krypta ist seit dem frühen Mittelalter ein Ort des Gebets und des Gottesdienstes. Erst seit 1966 werden die St. Galler Bischöfe dort bestattet.
«Dort, wo heute die St. Galler Bischöfe bestattet werden, befand sich ab dem 9. Jahrhundert die ursprüngliche Pfarrkirche – die Kirche, die für die Gläubigen zugänglich war», erklärt Peter Erhart, Leiter des Stiftsarchivs St. Gallen. Die Klosterkirche im Westen war den Mönchen vorbehalten. «Ursprünglich ging es aber darum, eine Grablege für die Überreste des Gründerabts Otmar zu errichten.» Diese wurden 867 in einem Steinsarkophag unter dem Altar der Kirche beigesetzt. Über die Einrichtung einer Krypta berichtet die Klosterchronik erst für die Zeit um 980. «Da erfahren wir, dass es sich um einen Gewölberaum mit reicher künstlerischer Ausstattung gehandelt hat», so Erhart. «Bei den vier Sandsteinsäulen, die heute in der Krypta zu finden sind, handelt es sich jedoch nicht um Originale, sondern um Replika von 1964.» Bei der Ausstattung hatte man im frühen Mittelalter vor allem die Pilger im Blick: Sie betreten die Krypta durch einen langen Gang, der sie zum Sarkophag des Heiligen Otmars führt. Dort können sie verweilen und beten, anschliessend führt ein anderer Stollen wieder hinaus.
InKrypta umgebettet
Heute ist nur noch ein Zugang erhalten. 1964 wurde bei archäologischen Grabungen der Steinsarkophag des heiligen Otmars entdeckt. «Er war leer», so Peter Erhart, «im Laufe der Zeit wurden die Gebeine an diverse Orte verteilt wie beispielsweise bei neuerrichteten Kirchen, die dem heiligen Otmar geweiht wurden.» 1966 bekam die Krypta ihr heutiges Aussehen und wurde zum Bestattungsort der St. Galler Bischöfe. Die bereits sieben verstorbenen Bischöfe des 1847 gegründeten Bistums St. Gallen wurden in die Krypta umgebettet – die bisherige bischöfliche Grabanlage befand sich im Kreuzgang der Kathedrale. Die Otmarskrypta ist schlicht gehalten, ins Auge stechen die beiden Zitate – einmal auf Latein, einmal auf Deutsch – vorne an der Wand aus dem St. Galler Rituale: «Gedenket eurer Hirten, die euch Gottes Wort verkündet haben und über die Seelen wachten, für die sie Gott Rechenschaft ablegen mussten.» Die Krypta ist heute an allen Samstagen von Ostern bis Allerheiligen für einen stillen Besuch geöffnet.
Die Othmarskrypta ist ein Ort des Gebetes und des Gottesdienstes.
Bis nach Prag
Die Schädel des heiligen Otmars und heiligen Gallus gelangten bis nach Prag, wo sie bis heute im Veitsdom liegen: «Sie sind in typischen barocken Reliquiaren gefasst und beschriftet», so Erhart. 2018 – anlässlich des Jubiläums 1300 Jahre Kathedrale St. Gallen – sorgten die Schädel für einigen Medienrummel in der Schweiz: Lorenz Hollenstein, Altstiftsarchivar und Vorgänger von Peter Erhart, hatte die Geschichte der Reliquien von Gallus und Otmar aufgearbeitet. Karl IV., König von Böhmen, späterer römisch-deutscher Kaiser und ein fanatischer Reliquiensammler, hatte vor vierhundert Jahren die Reliquien erworben und nach Prag gebracht. Es gab sogar Versuche, die Reliquien wieder nach St. Gallen zu holen. Daraus ist nichts geworden.
Zitat aus dem Sankt Galler Rituale
Keine Rückführung geplant
Peter Erhart, seit 2009 Stiftsarchivar, kann mit der Idee der Rückführung wenig anfangen: «In unserer Zeit ist es nicht wirklich sinnvoll, Reliquien zurückzufordern, sofern sie nicht gefährdet sind. Zudem ist es ja nicht so, dass das Bistum St. Gallen keine Reliquien von Otmar besitzt – etwa im Kastenaltar der Otmarskrypta in einem goldenen Schrein.» Mit einem Schmunzeln merkt er an: «Wer meint, er könne die Reliquien aus dem ehemaligen Karlsteiner Reliquienschatz entfernen, muss sich hüten. Es droht nicht nur eine Anzeige, sondern seit dem Mittelalter die Exkommunikation. Das wollen wir lieber nicht riskieren.»
Maria Magdalena, das Beratungsangebot des Kantons St. Gallen für Sexarbeitende, bietetseit Frühjahr jede Woche in Buchs, Uznach und St. Gallen ein «Café des Professionelles» an. Es geht dabei um Austausch, aber auch um Gesundheitsthemen und rechtliche Fragen.
Der Tisch ist gedeckt, Kaffeetassen, ein Kuchen, Guetzli, eine Schale mit frischen Kirschen stehen bereit. «Mit unserem Café wollen wir Sexarbeitenden die Möglichkeit geben, sich auszutauschen», erklärt Margot Vogelsanger, Psychologin und Teamleiterin des Beratungsangebots Maria Magdalena. «Die Teilnehmenden erhalten aber auch Inputs zu Gesundheitsthemen, rechtlichen Fragen oder auch zum Selfmarketing.» Dazu gehören zum Beispiel Fragen rund um den Datenschutz. Das Café erfülle auch die Funktion von Selbsthilfe. «Manchmal sprudelt es nur so.» Und bei sprachlichen Missverständnissen helfe auch schon mal die Übersetzungsfunktion von Google. Die Cafés stossen bis jetzt auf unterschiedliche Resonanz: Manchmal seien sechs oder mehr Gäste bei einem Café, manchmal tauche auch niemand auf.
Zusammenarbeit mit Caritas
Ein Thema beschäftige gegenwärtig viele: Seit der Corona-Pandemie hat die Nachfrage nachgelassen. «Woran das genau liegt, weiss man nicht», sagt Margot Vogelsanger, «aber ein Grund ist sicherlich die Digitalisierung.» Einerseits ermöglichen Apps und Online-Portale Sexarbeitenden mehr Selbstständigkeit, da sie ihre Dienstleistungen online bewerben können. Andererseits vergrössern sie die Konkurrenz. «Apps wie Tinder haben die Ware Sex viel schneller verfügbar gemacht. Es kommt immer häufiger vor, dass Amateure ihre Dienstleistungen anbieten.» Die existenziellen Notlagen nehmen zu. Laut Jahresbericht 2021 von Maria Magdalena sind finanzielle Fragen bei den Beratungsgesprächen ein grosses Thema: 30 Prozent der Gesprächsthemen beschäftigten sich damit. «Wir sind froh, auf die Zusammenarbeit mit der Caritas zählen zu können», sagt Margot Vogelsanger. «Die Caritas unterstützt Sexarbeitende bei der Schuldenberatung oder bietet mit den Caritas-Märkten in St. Gallen und Wil die Möglichkeit, günstig einzukaufen.» Während der Corona-Pandemie hätten zudem Caritas und der Katholische Konfessionsteil des Kantons St. Gallen Spendengelder für Sexarbeitende, die in finanzielle Not geraten sind, zur Verfügung gestellt.
Margot Vogelsanger berät auch Sexarbeitende beim Ausstieg.
Gesellschaftliches Stigma
Die Frage nach dem Ausstieg aus dem Beruf sei bei den Cafés bisher kaum ein Thema gewesen. «Wenn, dann taucht so etwas in Einzelgesprächen auf, aber auch das eher selten», so Vogelsanger. Viele Branchen suchen momentan nach Personal und die Chancen für Quereinsteigerinnen und ‑einsteiger sind gut, denkt da trotzdem niemand an den Ausstieg? «Es mag wohl manche überraschen, aber viele Sexarbeitende machen ihren Beruf gerne», betont Margot Vogelsanger. «Falls jemand aussteigen will, ist das oft eine Herausforderung. Das gesellschaftliche Stigma ist gross. Sie können ja bei der Bewerbung nicht offen angeben, was sie bisher gemacht haben. Ich habe mir schon mit Klientinnen den Kopf zerbrochen, wie genau sie das in ihrem Lebenslauf formulieren, ohne dass die Tür gleich wieder zugeht.» Für viele Berufe seien auch die sprachlichen Hürden zu hoch.
Vielfalt der Biografien
Margot Vogelsanger ist seit zwei Jahren bei Maria Magdalena tätig. Sie persönlich habe die Vielfalt der Biografien überrascht: «In den Medien werden meist nur Klischees gezeigt: Auf der einen Seite Frauen als Opfer von Ausbeutung und Menschenhandel, auf der anderen Seite die Models, die perfekt aussehen. Natürlich gibt es beides, aber das sind eher die Ausnahmen. Die Realität ist viel differenzierter.» In der Schweiz geht man nach einer Studie von 4000 bis 8000 Sexarbeitenden aus. Doch in der Ostschweiz finde Sexarbeit meist im Verborgenen in Privatwohnungen statt. «Das macht es für uns schwieriger, mit ihnen in Kontakt zu kommen und auf unser Angebot aufmerksam zu machen.» Bei der Beratung hätten Fragen rund um Prävention von übertragbaren Krankheiten, aber auch rechtliche Fragen einen zentralen Stellenwert «Aber häufig geht es um Themen, die Menschen in allen gesellschaftlichen Milieus beschäftigen: Probleme in der Ehe oder mit den Kindern, Stress, der Umgang mit eigenen Wünschen und Bedürfnissen …»
Die Psychologin Margot Vogelsanger ist seit zwei Jahren bei «Maria Magdalena» tätig.
Name als Türöffner
Das Beratungsangebot für Sexarbeitende trägt den Namen einer biblischen Person. Margot Vogelsanger schmunzelt: «Warum die Verantwortlichen bei der Gründung unseres Angebots vor 22 Jahren auf Maria Magdalena gekommen sind, weiss ich nicht. Aber ich erlebe diesen Namen oft als Türöffner. Vor allem Sexarbeitende aus südamerikanischen Ländern, aber auch aus Osteuropa wissen sofort etwas mit dem Namen anzufangen, sie fühlen sich angesprochen und reagieren positiv darauf.»
Ein neuer Velohörweg entlang der österreichisch-schweizerischen Grenze am Rhein erzählt die Geschichten geflüchteter Menschen während des Zweiten Weltkrieges nach. Er soll aber auch auf die aktuelle Flüchtlingspolitik aufmerksam machen.
«Ich schleiche leise durch das Dickicht. Das Flussufer wird kontrolliert, der Trampelpfad verrät, dass die Soldaten, die die Grenze bewachen, diesen Weg oft passieren. Ich warte eine Weile, wage mich bis zum Fluss, kehre aber schnell wieder zurück.» So beginnt die Geschichte von Bohumil Pavel Snižek, dem es am 26. August 1941 gelingt, bei Koblach die Grenze zwischen Österreich und der Schweiz zu überqueren. Zwei Wochen zuvor war der 27-jährige Tscheche in seiner Heimat aufgebrochen, um aus dem Machtbereich der Nazis zu fliehen. Erzählt wird sein Schicksal an der 34. Station des neuen Velowegs «Über die Grenze». An 52 symbolischen Grenzsteinen entlang der Veloroute Nr.1 können sich Velofahrerinnen und Velofahrer zwischen Lochau am Bodensee, durchs Rheintal bis in die Silvretta per QR-Code und in Form eines Hörstücks auf die Geschichte des jeweiligen Ortes einlassen.
Absperrband und Polizeihelikopter
Die Idee für das Projekt hatte Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems vor zwei Jahren während des Lockdowns. «Geschlossene Grenzen, rot-weisse Absperrbänder entlang des Rheins und Helikopter, die am Himmel kreisten. Das alles führte zu einer bedrohlichen Stimmung», sagt er. «Die Bedeutung einer Grenze rückte dadurch ziemlich stark ins Bewusstsein der Bevölkerung und verunsicherte viele.» Zugleich habe die Corona-Pandemie dazu geführt, dass viele Menschen zu Fuss oder mit dem Velo in der Natur unterwegs waren. «Das Velo ist das beste Medium, um sich aufmerksam auf die Landschaft einlassen zu können und zugleich eine grössere Distanz zurücklegen zu können», sagt er.
Innehalten bei einem der 52 symbolischen Grenzsteine: Per QR-Code können sich Velotouristinnen und Velotouristen auf die jeweilige Fluchtgeschichte einlassen.Hanno Loewy bei der Eröffnung des Velohörwegs.
Stetiges Mahnmal
Die Fluchtgeschichten entlang der Veloroute beinhalten sowohl eine historische wie auch eine aktuelle Dimension. Einerseits stehen sie repräsentativ für alle jene Personen, die während des Zweiten Weltkrieges mit dem Thema Flucht zu tun hatten. Dazu gehören nebst den jüdischen Flüchtlingen etwa Zwangsarbeiterinnen und ‑arbeiter, Deserteure, Widerständlerinnen und Widerständler, Homosexuelle, zahlreiche Helferinnen und Helfer sowie auch die Behörden und die Polizei. Andererseits halten sie im Bewusstsein, wie viele Menschen aktuell Woche für Woche beim Versuch ums Leben kommen, die Aussen-grenzen Europas zu überqueren. «Umso dreister ist es, wenn die Politik Flüchtlinge gegeneinander ausspielt und Menschen aus der Ukraine beispielsweise jenen aus Syrien oder Afghanistan gegenüberstellt», sagt Hanno Loewy.
Fluchterfahrung heute
Seit vielen Jahren setzt sich das Jüdische Museum für Flüchtlinge in der Gegenwart ein. Wie wichtig es sei, Solidarität mit Flüchtlingen zu zeigen, sei gerade auch in der Zivilgesellschaft in Vorarlberg stark verankert. «Das liegt vor allem daran, dass es sich um eine Grenzregion handelt und dieses Thema daher präsent ist», sagt er. «Zudem leben unter uns auch heute viele Menschen mit Fluchterfahrungen wie etwa all jene, die vor dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien oder Tschetschenien geflüchtet sind. Das Thema ist nicht einfach mit dem Zweiten Weltkrieg abgeschlossen.»
Sich auf Gegensatz einlassen
Nachdenken, den Gegensatz zwischen der Idylle der Natur und der Geschichte auf sich wirken lassen sowie Empathie und Solidarität mit Flüchtlingen entwickeln: Das möchte Hanno Loewy mit dem Velohörweg erreichen. Für das Medium des Hörens statt etwa für Bilder oder Tafeln hat er sich entschieden, weil Hören das direkteste Medium sei. Er sagt: «Bei einem Bild gibt es immer einen Rahmen. Aber wer hört, der spürt die Gegenwart eines Sprechenden, eines Flüchtlings, fast so, als stünde man vor ihm. Das ist unmittelbarer als jede andere Wahrnehmung.»
Ob als Kantilehrer, Organist, Chordirigent oder wie in diesem Jahr als musikalischer Leiter der Schlossfestspiele Werdenberg: Karl Hardegger aus Gams erzählt, was es braucht, damit der Funke aufs Publikum überspringt.
Ein Campingplatz, ein Mondaufgang und Nebel, der diese Szenerie einhüllt. Dazu Solistinnen und Solisten, Chor und Orchester, die das Geschehen auf der Bühne musikalisch darstellen. Auf diesen Teil im 3. Akt des Stücks «Die lustigen Weiber von Windsor» freut sich Karl Hardegger, musikalischer Leiter der Schlossfestspiele Werdenberg, besonders. Am 5. August ist es so weit: Dann dient der Werdenberger See während zweier Wochen als Opernkulisse. «Der Mondaufgang ist der perfekte Moment. Wenn von den Solos, über den Chor bis zum Orchester alles zu einem Gesamtkunstwerk vereint ist, weiss man, worauf man hingearbeitet hat», sagt er. «Gerade da so eine Aufführung Theater und Musik live mit allen Risiken ist.»
Frische Stimmen für den Chor
Fast täglich hat der 65-Jährige im Juli mit den rund hundert Sängern und Sängerinnen, Tänzern und Tänzerinnen, Musikern und Musikerinnen sowie der Regie in der Lokremise in Buchs oder auf der Bühne am See geprobt. Das Stück handelt von Sir John Falstaff, der zwei Frauen die Ehe verspricht. Als ihm diese auf die Schliche kommen, erteilen sie ihm eine Lektion. Karl Hardegger ist überzeugt, dass der komödienhafte Stoff in deutscher Sprache und die moderne Inszenierung verschiedenes Publikum ansprechen werden, auch solches, «das weit weg von der Oper ist». Wie wichtig gerade dieses Zusammenspiel mit dem Publikum ist, weiss Karl Hardegger durch seine langjährige Arbeit als Dirigent und Chorleiter etwa an der Operettenbühne in Balzers oder der Weihnachtskonzerte mit dem Kantichor und der Rheintalischen Singgemeinschaft. Als Musiker hat es Karl Hardegger immer geschätzt, gleichermassen mit jungen Menschen und Laien sowie mit Profis zusammenarbeiten zu können. «An den Konzerten mit dem Kantichor und der Rheintalischen Singgemeinschaft waren von den 120 Sängerinnen und Sänger die Hälfte Jugendliche. Sie konnten von der Erfahrung der Älteren profitieren, haben dafür mit ihren frischen Stimmen den Chor bereichert», sagt er.
Immer ein Publikum
Aufgewachsen ist Karl Hardegger in Gams in einer Musikerfamilie. Sein Vater war Akkordeonist in der damaligen Volksmusikgruppe Kapelle Alpstein. Schon in seiner Kindheit trat Karl Hardegger mit dieser Gruppe auf – seine Liebe zur Musik hatte er auf einem Klavier in seinem Elternhaus entdeckt. Nach dem Lehrerseminar folgte ein Studium in Klavier und Orgel am Landeskonservatorium in Feldkirch. Sein Professor habe ihm damals mit auf den Weg gegeben: «Wenn du Orgel spielst, hast du immer ein Publikum.» Seit über 40 Jahren spielt Karl Hardegger seither regelmässig in den beiden Landeskirchen in Gams, Sennwald und Sax. Am besten gefalle ihm, dass heute in den Messen von Kirchenstücken, über Musicalmelodien, volkstümlichen Liedern bis hin zu modernen Hits alles gespielt werden könne. «Wer mit Karl Hardegger spricht, bekommt einen Eindruck davon, wie ein Leben für die Musik und die perfekten Momente auf der Bühne sein muss – vielleicht ist das für die eine oder den anderen ein Grund, sich in diesem Sommer einmal als Gast unter das Publikum an den Werdenberger Schlossfestspielen zu mischen.
Die Luftseilbahn Jakobsbad-Kronberg AG hat angesichts Corona-Krise und Krieg dieses Jahr für die 1. August-Rede auf dem Kronberg bewusst eine spirituelle Person angefragt: Worüber wird Schwester Mirjam Huber, Mutter des Klosters Leiden Christi in Jakobsbad AI, sprechen?
Ein bisschen erschrocken bin ich schon, als ich für die Festrede angefragt wurde», gesteht Sr. Mirjam im Gespräch mit dem Pfarreiforum. Es sei für sie in erster Linie eine Ehre, aber auch eine kleine Belastung. «Ich bin eigentlich kein Mensch der grossen Worte.» Nach einer kurzen Bedenkzeit hat sie trotzdem zugesagt: «Es hat mich vor allem gefreut, dass jemand aus der Kirche angefragt wurde. Darum habe ich mich dann auch entschieden, diese Aufgabe anzunehmen und die Chance zu nutzen, die christliche Sichtweise zu vertreten.» Sie notiert sich immer wieder Gedanken für die Rede, die ihr im Alltag durch den Kopf gehen. «Viele Leute haben schwierige Zeiten hinter sich, darum möchte ich mit meiner Rede Zuversicht und Hoffnung durch den Glauben verbreiten. Gleichzeitig möchte ich auch meine Dankbarkeit für die guten Lebensbedingungen in der Schweiz zum Ausdruck bringen.» Gemäss Felix Merz, Geschäftsleiter der Luftseilbahn Jakobsbad-Kronberg AG, hat das 1. August-Sonnenaufgangs-Programm auf dem Kronberg eine lange Tradition: «Wir durften schon Bundesräte und andere, vielfältige Prominenz als Redner oder Rednerin verpflichten. Dieses Jahr freut es uns ganz besonders, dass wir mit der Ansprache von Sr. Mirjam eine ganz neue Perspektive einbringen können. Wegen des aktuellen Weltgeschehens mit Corona und Krieg wollten wir bewusst eine Persönlichkeit mit einem spirituellen Hintergrund einladen.»
Lampions und Feuerwerk
Sr. Mirjam, aufgewachsen in Schwarzenbach SG, schätzt das Leben hierzulande: «Schweizerin zu sein, löst bei mir in erster Linie eine grosse Dankbarkeit aus. Ich sehe es als Geschenk an, in diesem schönen Land leben zu dürfen. Die Schweiz ist gut organisiert, wir leben im Frieden und wir können unserer Regierung vertrauen.» Daher ist für sie der Nationalfeiertag auch ein wichtiger Tag, der gefeiert werden soll: «Wir dürfen unsere Freude zeigen und feiern, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.» In ihrer Familie wurde der 1. August im kleinen Rahmen gefeiert. Sie verbindet damit schöne Kindheitserinnerungen: «Wir durften beim Eindunkeln mit unseren Lampions durchs Dorf laufen und am Abend haben wir fein gegessen und sind zusammengesessen. Der Vater hat kleine Vulkane und Sonnenfeuerwerk angezündet und wir Kinder durften bengalische Zündhölzer im Kreis schwingen.»
Besuch aus anderen Klöstern
Im Kloster Leiden Christi leben insgesamt acht Schwestern, die jüngste Schwester ist 30 Jahre jung und die Älteste ist 87-jährig. Eine Schwester ist Slowakin und zwei weitere sind aus Deutschland. Der Alltag in der Gemeinschaft findet mehrheitlich hinter den eigenen Klostermauern statt. Sie pflegen ihre Geschwisterlichkeit gerne untereinander, haben aber auch einen regen Austausch mit anderen Kapuzinerinnen aus verschiedenen Klöstern der Schweiz. So trifft sich jährlich eine Delegation von allen Gemeinschaften abwechselnd in einem anderen Kloster für einen Begegnungstag. Zudem organisieren sie gemeinsame Weiterbildungs-Kurse und Ferien in anderen Klöstern. Sr. Mirjam erinnert sich: «Früher hatten wir am 1. August jeweils Besuch von einer Gruppe Schwestern von St. Katharina Wil. Sie verbrachten ganz in der Nähe ihre Ferien und so haben wir am Abend zusammen gefeiert.» Aus gesundheitlichen Gründen ist es heute nicht mehr allen Schwestern von St. Katharina möglich, ins Appenzellerland zu reisen. Zwei von ihnen kämen nach wie vor tageweise in die Ferien: «So bleiben die besonderen 1. Augustfeiern in lebendiger Erinnerung.» Der Nationalfeiertag wird nun im eigenen Kreis gefeiert: «Wir haben am Abend eine Eucharistiefeier und beten insbesondere für unsere Heimat und unsere Regierung. Danach sitzen wir im Klostergarten zusammen und geniessen eine Bratwurst vom Grill, singen ein paar Lieder und lassen den Abend gemütlich ausklingen.» Gut möglich, dass Sr. Mirjam vor diesem 1. August ein bisschen früher zu Bett gehen wird, weil sie für ihre Rede vor Sonnenaufgang aufstehen musste.
Seit 1506 sorgen die Schweizergardisten für die Sicherheit des Papstes und für Ordnung in der Vatikanstadt. Mit anderen Worten: Seit über 500 Jahren ist die Garde bester Werbeträger unseres Landes und der Katholischen Kirche der Schweiz.
Die Gardisten tragen Werte wie Professionalität, Disziplin, Diskretion und Freundlichkeit in die Welt hinaus. Dazu vereint das Korps Tradition und Moderne: Mit grösster Sorgfalt gehen die Gardisten seit jeher ihrem Auftrag nach, während die Anforderungen an einen modernen Sicherheitsdienst laufend zunehmen.
Dieser Spagat fordert auch heraus. Und er macht Investitionen nötig, zumal der Truppenbestand vergrössert wurde, um den gestiegenen Anforderungen weiterhin gerecht zu werden. Die Aufstockung des Sollbestands von 110 auf 135 Mann, wie es der Papst im Jahr 2018 beschlossen hat, akzentuiert allerdings das Platzproblem. Ferner sind die heutigen Unterkünfte marode und der Unterhalt entsprechend kostspielig. Eine Machbarkeitsstudie kommt zum Schluss, dass nur ein Neubau Sinn macht.
Beitrag aus Fonds statt aus Steuergeldern
Das Kollegium der Katholischen Kantonalkirche St. Gallen hat beschlossen, 1,5 Millionen Franken an die Erneuerung der Kaserne (Gesamtkosten 50 Millionen Franken, inklusive Provisorium für die Bauzeit) zu leisten. Dieser Kredit wird jedoch erst nach Vorliegen der Baubewilligung an die für den Bau zuständige Stiftung in der Schweiz ausbezahlt. Es werden dazu keine Steuergelder verwendet. Das Geld nimmt man aus dem sogenannten Sparad-Fonds – also aus dem Fonds, der aus dem verbleibenden Bankvermögen bei der seinerzeitigen Liquidation der Sparad (Sparkasse der Administration) gebildet wurde. Für die St. Galler Kantonalkirche ist es sehr zeitgemäss, sich an diesem Bau zu beteiligen. Die Garde ist ein Dienst an der Weltkirche. Sie öffnet der Schweizer Kirche nicht nur Türen im Vatikan und schafft gegenseitiges Verständnis, der Mitteleinsatz unterstreicht auch die örtliche Verbundenheit mit der Garde: Gemessen an der Gesamtzahl der Gardisten, die in den vergangenen zwei Jahrhunderten rekrutiert wurden, liegt St. Gallen auf Platz vier der Kantonsrangliste. All diese Gardisten sind Repräsentanten unseres Landes und der Kirche – und oft engagieren sie sich auch nach ihrer Rückkehr weiterhin in Kirche und Gesellschaft.
Ökologischen Standards Rechnung tragen
Eine zeitgemässe Kaserne trägt ausserdem heutigen ökologischen Standards besser Rechnung und dürfte dazu beitragen, die Rekrutierung neuer Gardisten zu vereinfachen. Es ist überdies anzunehmen, dass sich mehr Gardisten als bisher für einen längeren Zeitraum als die minimalen 25 Monate verpflichten. Nicht zu vergessen, dass die neue Kaserne in ihrer Struktur darauf ausgerichtet ist, dass auch Frauen in die Garde aufgenommen werden könnten. Völlig klar: Solches bedingte einen entsprechenden Entscheid des Papstes und käme einer Revolution gleich. Mit der vorausschauenden Planung wäre die räumliche und zeitgemässe Voraussetzung dazu aber gegeben.
Text: Roger Fuchs, Kommunikationsbeauftragter des Katholischen Konfessionsteils des Kantons St. Gallen
Bild: zVg. / Stiftung Kaserne Schweizergarde
Veröffentlicht: 25.07.2022
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