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Auf Reisen in die Fantasie

Die Spital­clow­nin Liz Monte­leo­ne aus Leng­gen­wil erzählt, wie Humor in schwe­ren Situa­tio­nen funktioniert.

«Ich konzen­trie­re mich als Dr. Floh oder Sissi Lebens­freu­de immer auf das, was gesund ist», sagt Liz Monte­leo­ne. Seit 21 Jahren arbei­tet die Leng­gen­wi­le­rin als Spital­clow­nin. Im Kittel, mit klei­ner roter Nase, blau­en Augen­brau­en und bunten Klei­dern besucht sie als Traum­dok­to­rin der Stif­tung Theodo­ra junge Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in Kinder­spi­tä­lern wie etwa jenes in St. Gallen. Als Sissi Lebens­freu­de ist sie zudem für die Stif­tung Lebens­freu­de in Alters- und Pfle­ge­hei­men unter­wegs. Und frei­schaf­fend tritt sie als Clow­nin Peppi­na Polen­ta auf. Gebucht wird sie für Geburts­ta­ge und Hoch­zei­ten oder auch wie jüngst für die Segens­fei­er in der Kathe­dra­le St. Gallen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.

Fein­ge­fühl und Spontanität

Sich aufs Gesun­de zu konzen­trie­ren, das heis­se beispiels­wei­se, ein Blumen­bild auf dem Roll­stuhl einer betag­ten Person als Anlass zu einer Reise zu nehmen. «Ich sage dann: ‹Sehen Sie schön aus. Geht es in den Ausgang?›», erzählt Liz Monte­leo­ne. «Wenn die Person antwor­tet, das könne sie doch nicht mehr, antwor­te ich wieder­um, dass Fanta­sie­rei­sen doch immer gingen. Schon geht es los.» Kinder hätten oft ein Stoff­tier dabei, über welches sich dann eben­falls eine Geschich­te aufbau­en lasse. Auch wenn sich Liz Monte­leo­ne über den Hinter­grund und die Diagno­sen der betrof­fe­nen Kinder und Erwach­se­nen infor­miert, braucht es während der Besu­che Fein­ge­fühl und vor allem Spon­ta­ni­tät. «Ich muss den Moment spüren und die rich­ti­gen Worte finden. Das können Floh, Sissi und auch Peppi­na viel besser als ich als Privat­per­son», sagt die 59-Jährige und fügt an: «Aber da Floh, Sissi und Peppi­na eben­falls nicht der Norm entspre­chen, ist es für sie einfa­cher, damit umzu­ge­hen.» Oft sei es auch allei­ne schon die Aufma­chung, die Türen und Tore zum Herzen des Gegen­übers öffne.

Strah­len­de Kinderaugen

Freu­de, Ablen­kung und Zeit: Das möch­te Liz Monte­leo­ne mit ihren Besu­chen schen­ken. Wie viel Kraft die Betrof­fe­nen daraus schöp­fen, erfährt sie aus Rück­mel­dun­gen. Und auch die strah­len­den Kinder­au­gen würden ihr zeigen, wie wich­tig die unbe­schwer­ten Momen­te seien. Diese Momen­te sind es, die Liz Monte­leo­ne selbst Kraft geben. Hinzu komme die gute Zusam­men­ar­beit mit Arbeits­kol­le­gin­nen und ‑kolle­gen, dem Perso­nal im Spital und den Heimen und das Wissen, dass im Hinter­grund die beiden Stif­tun­gen und zahl­rei­che Spen­de­rin­nen und Spen­der stehen. Eine ihrer stärks­ten Erin­ne­run­gen ist die Begeg­nung mit einem krebs­kran­ken Buben während ihrer Berufs­ein­füh­rung. Liz Monte­leo­ne war mit Dr. Stanis­laus, einem als Spital­clown erfah­re­nen Kolle­gen, auf der Onko­lo­gie unter­wegs. Da kam der Bub auf die beiden zuge­rannt und schnapp­te sich die Wasser­pis­to­le des Kolle­gen. Die beiden jagten sich den Flur hoch und runter und immer mehr Perso­nen feuer­ten sie an. «Dieser Moment war magisch. Da war beim ersten Anblick so erschre­ckend viel Krank­heit, doch dann hatte das Gesun­de für ein paar Minu­ten die komplet­te Überhand.»

Ein uner­reich­ba­rer Berufswunsch

Nebst diesen Erin­ne­run­gen an unbe­schwer­te Momen­te findet Liz Monte­leo­ne auch Ausgleich in der Natur, während Spazier­gän­gen oder des Gärt­nerns sowie bei ihrer Fami­lie und Freun­den. Sie ist Mutter zwei­er erwach­se­ner Kinder und fünf­fa­che Gross­mutter. Für den Beruf der Spital­clow­nin hatte sie sich entschie­den, nach­dem sie einen Fern­seh­bei­trag zu dem Thema gese­hen hatte. «Mein Wunsch kam mir uner­reich­bar vor und ich behielt ihn zwei Jahre für mich. Dann konn­te ich aber nicht mehr anders als mich auf diesen Weg zu bege­ben», sagt sie. So habe sie die Clown­kur­se bei David Gilm­o­re und die Thea­ter­kur­se bei Oliver Kühn besucht. Danach konn­te sie bei der Stif­tung Theodo­ra die Ausbil­dung zum Traum­dok­tor machen. «Dieser Beruf und ich, das war Liebe auf den ersten Blick. Und die ist bis heute gewachsen.»

Text und Bilder: Nina Rudnicki

Veröf­fent­li­chung: 1. Septem­ber 2022

«Das Recht auf ­Selbstbestimmung ist fragil»

Wer sich für einen Schwan­gerschafts­ab­bruch entschei­det, hat Recht auf Unter­stüt­zung, ­Respekt und Zuwen­dung, sagt der Schwei­ze­ri­sche Katho­li­sche Frau­en­bund. Damit reagiert er auf Entwick­lun­gen rund um den Globus und eine umstrit­te­ne Aussa­ge von Papst Franziskus.

«Jede Frau, die sich trotz Notla­ge für die Mutter­schaft entschei­det, die ein unge­plan­tes Kind zur Welt bringt, aber auch jede Frau, die einen Schwan­ger­schafts­ab­bruch vornimmt, hat Anspruch auf Unter­stüt­zung der Gesell­schaft, Respekt, Beglei­tung und Zuwen­dung. Dies ist eine Grund­for­de­rung christ­li­cher Nächs­ten­lie­be.» Mit diesen Worten reagiert der Schwei­ze­ri­sche Katho­li­sche Frau­en­bund (SKF) auf die Aussa­ge von Papst Fran­zis­kus im Juli, in der dieser Abtrei­bung mit Auftrags­mord verglich. «Wir müssen uns entschie­den gegen die Anspruchs­hal­tung stel­len, über den weib­li­chen Körper bestim­men zu können», begrün­det Sarah Pacia­rel­li, Medi­en­spre­che­rin des Schwei­ze­ri­schen Katho­li­schen Frau­en­bunds (SKF), die deut­li­chen Worte des Verban­des. «Das Recht auf Selbst­be­stim­mung haben sich die Frau­en in über hundert Jahren erkämpft. Dass dieses fragil ist, zeigen uns aber Entwick­lun­gen wie in den USA, wo nun das Recht auf Abtrei­bung ausser Kraft gesetzt wurde.»

Krimi­na­li­siert und stigmatisiert

In seiner Stel­lung­nah­me bezeich­ne­te der SKF die Aussa­ge des Paps­tes zudem als «scho­ckie­rend». «Scho­ckie­rend, weil die Not der Frau­en, die sich für eine Abtrei­bung entschei­den, verkannt wird. Keine Frau entschei­det sich leicht­fer­tig für diesen Schritt», sagt Sarah Pacia­rel­li. «Solche Aussa­gen führen einzig dazu, dass betrof­fe­ne Frau­en krimi­na­li­siert und stig­ma­ti­siert werden.»

Sarah Pacia­rel­li, Medi­en­spre­che­rin des Schwei­ze­ri­schen ­Katho­li­schen Frauenbunds.

Zwei Initia­ti­ven lanciert

Dass das Recht auf Selbst­be­stim­mung nicht selbst­ver­ständ­lich ist, zeigen nicht nur Entwick­lun­gen in den USA, sondern auch in Euro­pa und selbst in der Schweiz. In Polen dürfen ­Frau­en nur bei Todes­ge­fahr, nach einer Verge­wal­ti­gung oder Inzest einen Schwan­ger­schafts­ab­bruch vorneh­men. Das polni­sche Abtrei­bungs­ge­setz gehört zu den strengs­ten in Euro­pa. In der Schweiz wurden aktu­ell mit «Lebens­fä­hi­ge Babys retten» und «Einmal darüber schla­fen» zwei Initia­ti­ven lanciert, die die Fris­ten­lö­sung in der Schweiz beschnei­den wollen. Die Fris­ten­lö­sung gilt in der Schweiz seit 2002 und über­lässt den Entscheid über eine Abtrei­bung bis zur 12. Schwan­ger­schafts­wo­che der Frau. Zur Diskus­si­on stand ausser­dem die Herzschlag-Initiative, die in der Schweiz ein Abtrei­bungs­ver­bot nach der sechs­ten Schwan­ger­schafts­wo­che vorsah. Aller­dings wurde dieses Vorha­ben vorerst zurückgezogen.

Soli­da­ri­täts­fond gegründet

Dass sich Frau­en meist nicht leicht­fer­tig für ­einen Schwan­ger­schafts­ab­bruch entschei­den, zeigen auch die Zahlen des Bundes­am­tes für Statis­tik. In der Schweiz nehmen sechs von 1000 Frau­en einen Schwan­ger­schafts­ab­bruch vor. Gemäss der Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sa­ti­on (WHO) gehört die Schweiz damit zu den Ländern mit den nied­rigs­ten Abtrei­bungs­ra­ten. Seit 2001 ist für den SKF daher klar, dass er den Entscheid der Frau über­las­sen möch­te. Noch vor Einfüh­rung der Fris­ten­lö­sung hielt er dies in seinem Posi­ti­ons­pa­pier fest. In den 1970er-Jahren grün­de­te der SKF auch den Soli­da­ri­täts­fond für Mutter und Kind. Dieser wurde laut Sarah Pacia­rel­li als Reak­ti­on darauf gegrün­det, dass damals die erste Abstim­mung für eine Fris­ten­re­ge­lung schei­ter­te. «So konn­ten Mütter, die in Not gera­ten waren, finan­zi­el­le Unter­stüt­zung bean­tra­gen», sagt sie. Den Fonds gibt es noch. In der Ostschweiz finden Frau­en in unter­schied­lichs­ten Situa­tio­nen zudem bei dem Bera­tungs­an­ge­bot «Mütter in Not» der SKF-Sektion St. Gallen-Appenzell eine Anlauf­stel­le. «Aus katho­li­scher Sicht setzen wir uns natür­lich und in erster Linie für den Schutz von unge­bo­re­nem Leben ein», sagt Sarah Pacia­rel­li. «Aber es gibt Situa­tio­nen, in denen sich Frau­en für eine Abtrei­bung entschei­den. Das gilt es zu respektieren.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: zVg. / pixabay.com

Veröf­fent­li­chung: 26. August 2022

«Ehrlichkeit und Achtsamkeit»

«Das Wich­tigs­te im Gespräch mit Ster­ben­den sind Ehrlich­keit und Acht­sam­keit», sagt Moni­ka Ganten­bein aus Wild­haus. Als frei­wil­li­ge Ster­be­be­glei­te­rin entlas­tet die ­Toggen­bur­ge­rin Ange­hö­ri­ge und steht Ster­ben­den in den letz­ten Tagen und Stun­den bei.

«Ich kann mich an eine Ster­ben­de erin­nern, die wünsch­te, dass ich ihr aus Unter­hal­tungs­ro­ma­nen vorle­se», erzählt Moni­ka Ganten­bein. «Die Bedürf­nis­se der Ster­ben­den sind indi­vi­du­ell. Es gibt nichts, das immer falsch oder immer rich­tig ist. Ich muss sehr aufmerk­sam wahr­neh­men, was mein Gegen­über wünscht oder was ihm guttun könn­te. In den letz­ten Stun­den verdie­nen sowohl die Ster­ben­den als auch die Ange­hö­ri­gen vor allem Ehrlich­keit und Empa­thie. Alles Aufge­setz­te ist jetzt fehl am Platz.» Oft seien es Berüh­run­gen, die gut tun: «Ich frage die Ster­ben­den, ob und wie sie berührt werden möch­ten oder halte ihnen als Ange­bot die Hand hin.»

Sprach­lo­sig­keit ausdrücken

Moni­ka Ganten­bein war bis zu ihrer Pensio­nie­rung als Pfle­ge­fach­frau tätig. Heute enga­giert sie sich frei­wil­lig bei der Hospiz­grup­pe Toggen­burg und beim Pallia­ti­ve Forum Toggen­burg. Sie kann verste­hen, dass die Begeg­nung und die Kommu­ni­ka­ti­on mit Ster­ben­den und deren Ange­hö­ri­gen für manche eine Heraus­for­de­rung ist: «Das ist nicht jedem gege­ben. Und es hängt natür­lich auch davon ab, in welchem Verhält­nis man vorher stand: Wenn ich zum Beispiel als Nach­ba­rin nur distan­zier­ten Kontakt hatte, dann könn­te es als aufge­setzt empfun­den werden, wenn man jetzt plötz­lich den Kontakt sucht.» Wenn man selber mit der Situa­ti­on über­for­dert ist, soll man das ausspre­chen: Ich kann dazu nichts sagen, das macht mich sprachlos.

Bedürf­nis nach offe­nem Ohr

Der Hospiz­dienst möch­te mit seinem Ange­bot Ange­hö­ri­ge von Ster­ben­den entlas­ten. «Von Seiten der Ange­hö­ri­gen nehme ich oft ein gros­ses Bedürf­nis nach einem offe­nen Ohr wahr», so Moni­ka Ganten­bein. «Egal wie nah man ihnen steht, ist es sicher nie verkehrt, einfach die Frage zu stel­len: Wie geht es dir? Manche freu­en sich auch, wenn man ihnen anbie­tet, einen Zmit­tag vorbei­zu­brin­gen. Was aber wohl weni­ger gut ankommt in diesem Moment sind Ratschlä­ge.» Durch ihr Enga­ge­ment bei der Hospiz­grup­pe weiss die Toggen­bur­ge­rin, wie schnell oft das Umfeld wieder auf den norma­len Alltag umstellt und sich nicht bewusst ist, dass Trau­er­ar­beit Zeit braucht. Aus diesem Grund hat sie auch den Trau­er­treff in Unter­was­ser mitauf­ge­baut. Die Reso­nanz auf das Ange­bot sei gross.

Nach­fra­gen

«Der Hospiz­dienst fokus­siert sich auf die Zeit bis zum Tod, wir leis­ten eigent­lich keine klas­si­sche Trau­er­ar­beit», hält Moni­ka Ganten­bein fest. Doch wenn sie Wochen oder Mona­te später im Dorf Trau­ern­den begeg­ne, frage sie nach: «Ich erkun­di­ge mich, wie es ihnen geht, ob sie sich inzwi­schen etwas erho­len konn­ten und ob der Verstor­be­ne immer noch sehr fehlt. Ich mache die Erfah­rung, dass viele so etwas schät­zen.» Eines ist Moni­ka Ganten­bein dabei wich­tig: «Ich wünsche ihnen dann keine Zuver­sicht, sondern Kraft, denn gera­de das ist es, was Ange­hö­ri­ge in dieser Zeit benötigen.»

Glau­be als wich­ti­ge Hilfe

Auch wenn Moni­ka Ganten­bein inzwi­schen über einen gros­sen Ruck­sack an Erfah­run­gen im Umgang mit Ster­ben­den und deren Ange­hö­ri­gen verfü­ge, spüre sie auch heute noch vor jedem Einsatz die Anspan­nung: «Wenn ich zu einer Person geru­fen werde, weiss ich nicht, was mich erwar­tet und wem ich begeg­ne. Ich sehe das als Chan­ce: Ich lasse mich sehr fokus­siert und konzen­triert auf die Begeg­nung ein und versu­che mit allen Sinnen wahr­zu­neh­men, mit wem ich es zu tun habe und welche Bedürf­nis­se mein Gegen­über hat. Eine wich­ti­ge Hilfe ist für mich mein Glau­be: Ich weiss, dass da jemand ist, der mir hilft und egal, welche Situa­ti­on mich erwar­tet, mich unterstützt.»

Text: Stephan Sigg

Bild: zVg.

Veröf­fent­licht: 24.08.2022

«Hauptsache, man macht ums Thema keinen grossen Bogen»

Wieso fehlen uns ausge­rech­net dann die Worte, wenn sie wich­tig wären? Anne Heither-Kleynmans (44) aus Altstät­ten erzählt, wie sie als Spital­seel­sor­ge­rin­ge­lernt hat, Passen­des zu sagen und auch ­Pausen auszu­hal­ten. Denn zu einem gelin­gen­den Gespräch gehört mehr als Worte.

Anne Heither-Kleynmans, Sie sind Spital­seel­sor­ge­rin und leiten das Trau­er­ca­fé in Altstät­ten. Sie sind schwie­ri­ge Momen­te gewohnt. Wann fällt es Ihnen dennoch schwer, das Rich­ti­ge zu sagen?

Anne Heither-Kleynmans: Das ist für mich immer dann der Fall, wenn die Umstän­de beson­ders schwie­rig sind. Im Spital ist das etwa, wenn junge Mütter oder Väter im Ster­ben liegen oder ich Menschen begeg­ne, die viele schwe­re Schick­sals­schlä­ge erlit­ten haben. Ich habe einmal eine älte­re Frau getrof­fen, deren Mann und zwei erwach­se­ne Kinder inner­halb von fünf Jahren gestor­ben sind. Das macht einen sprachlos.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich im ersten ­Moment sprach­los fühlen?

Anne Heither-Kleynmans: Ich denke, das schlimms­te ist, wenn man dann einfach weiter redet und viel­leicht sogar zu viele Worte wählt. Mir ist es wich­tig, dass ich inne­hal­te und dann auch sage und benen­ne, dass ich auf bestimm­te Situa­tio­nen auch kaum etwas zu sagen weiss. Und ich fasse in Worte, was es in mir auslöst. Dann versu­che ich heraus­zu­fin­den, was mein Gegen­über gera­de beschäf­tigt. Um beim Beispiel mit der ster­ben­den jungen Mutter oder dem jungen Vater zu blei­ben: Manch­mal beschäf­ti­gen ganz alltäg­li­che Dinge wie der Geburts­tag des 4‑jährigen Sohnes: Wer orga­ni­siert das Fest während man selbst schwer­krank im Spital liegt? Ande­rer­seits sind da der Zwei­fel und das Hadern mit seinem Schick­sal. Ich versu­che daher bei jedem Gespräch zu verste­hen, in welcher Situa­ti­on sich jemand befindet.

Das heisst aber auch, einen ­fixen Ablauf für Gesprä­che in schwie­ri­gen Lebens­si­tua­tio­nen haben Sie nicht?

Anne Heither-Kleynmans: Nein, für mich gibt es über­haupt keinen festen Ablauf. Fix ist nur, dass ich mich am Anfang eines Gesprächs vorstel­le, falls ich jeman­den noch nicht kenne und am Schluss versu­che, einen runden Abschluss zu machen. Das ist manch­mal ein Segen, ein Gebet, eine Kran­ken­kom­mu­ni­on oder einfach Wünsche, die auf mein Gegen­über zutref­fen. Das sollen keine Flos­keln sein, sondern zusam­men­fas­sen, was aus meiner Sicht für jeman­den das Wich­tigs­te zu sein scheint. Das trifft sowohl auf Gesprä­che zu, die eine Vier­tel­stun­de dauern, wie auch für über Einstündige.

Klappt das bei kurzen und ­langen Gesprä­chen glei­cher­mas­sen gut?

Anne Heither-Kleynmans: Einen Abschluss mit den rich­ti­gen Worten zu finden, funk­tio­niert schon einfa­cher bei Gesprä­chen, die in die Tiefe gehen. Ich hatte einmal eine hoch­alt­ri­ge Pati­en­tin, die als Kind eine verstö­ren­de Gewalt­tat beob­ach­tet hatte. Sie hatte noch nie zuvor jeman­dem davon erzählt. In dem Moment, als sie mir davon erzähl­te, war sie sehr bewegt. Das lag ja 85 Jahre zurück. Wenn man über so etwas redet, braucht es viel Zeit und geht in die Tiefe. Da kommen viele Emotio­nen hoch.

Welche Worte soll man wählen, damit beim Gegen­über auch ankommt, was man wirk­lich gemeint hat? (Bild: pixabay.com)

Aber was sagen Sie denn, wenn Ihnen jemand von so ­einer schreck­li­chen Erin­ne­rung erzählt? Nahe­lie­gend wäre da doch «Was, wirk­lich?», «Ist das wahr?», «Im Ernst?» …

Anne Heither-Kleynmans: Naja, von so einer ­Erin­ne­rung zu erzäh­len, kommt ja nicht aus dem blau­en Himmel, sondern bahnt sich im Gespräch lang­sam an. ­Häufig merke ich auch, dass die ­Perso­nen mir noch etwas erzäh­len wollen, wenn ich zum ­Gesprächs­ab­schluss komme. So ein Gespräch ist ein gemein­sa­mes Durch­ar­bei­ten von verschie­de­nen Themen. Wenn ich da die falschen Worte wählen würde wie «Das lassen wir jetzt mal sein» könn­te so ein Gespräch schnell been­det sein.

Sie sind seit 16 Jahren ­Seel­sor­ge­rin, 12 davon ­Spital­seel­sor­ge­rin. Können Sie heute besser die passen­den Worte wählen als früher?

Anne Heither-Kleynmans: Ja, ich würde sagen, ich bin heute geüb­ter darin. Gesprächs­füh­rung ist ja auch Teil der Ausbil­dung zur Spital­seel­sor­ge­rin. Gelernt habe ich in all dieser Zeit auch, dass es nicht nur um Worte geht. Die Haltung beispiels­wei­se ist genau­so wich­tig: Bin ich zuge­wandt und verständ­nis­voll. Ausser­dem sind manch­mal Gesprächs­pau­sen wich­tig. Diese geben Raum, sich zu öffnen.

Im Spital haben Sie mit schwer­kran­ken Perso­nen zu tun, im Trau­er­ca­fé mit ­Ange­hö­ri­gen. Was ist für Sie schwieriger?

Anne Heither-Kleynmans: Da gibt es für mich keine pauscha­le Antwort. Jeder Mensch und jede Situa­ti­on sind unter­schied­lich. Im Gespräch mit ande­ren zu sein ist immer indi­vi­du­ell. Man kann Leid nicht abwie­gen. Ein Leid ist nicht schlim­mer als das ande­re. Es geht immer auch darum, nach Posi­ti­vem und Ressour­cen zu suchen.

Gera­de im Trau­er­ca­fé tref­fen so viele verschie­de­ne Perso­nen mit verschie­de­nen ­Geschich­ten und Erleb­tem ­aufein­an­der. Wie schafft man es da, eine ­gemein­sa­me ­Spra­che zu finden?

Anne Heither-Kleynmans: So unter­schied­lich das Erleb­te ist, so finde ich doch, dass Trau­ern­de unter­ein­an­der sich bestär­ken. Oft hilft es Perso­nen, die neu ins Trau­er­ca­fé kommen, zu hören was ande­ren in Krisen­si­tua­tio­nen gehol­fen hat. Das soll­te aber nicht als Auffor­de­rung oder Befehl formu­liert werden, also in der Art «Mach doch auch mal das und das …». Das versu­chen wir zu vermei­den. Denn was dem einen gehol­fen hat muss der ande­ren nicht auch helfen. Aber wenn jemand einfach von seiner eige­nen Erfah­rung erzählt, probiert die ande­re das viel­leicht auch einmal aus. Oft sind es auch die trös­ten­den und bestär­ken­den Worte von uns Leiten­den und den ande­ren Trau­ern­den, die die Betrof­fe­nen als hilf­reich empfin­den, gera­de da Trau­ern­de oft auch Worte hören, die sie sehr verletzen.

Was soll­te man denn eher nicht sagen?

Anne Heither-Kleynmans: Zum Beispiel «Das kommt schon wieder gut» oder «Zeit heilt alle Wunden». Das sind Flos­keln oder Sprü­che, die oftmals aus Hilf­lo­sig­keit gesagt werden.

Wieso fallen uns denn oftmals genau solche Flos­keln ein statt der passen­den Worte?

Anne Heither-Kleynmans: Ich denke, es ist Gewohn­heit. Das ist wie mit dem «Wie geht es dir?». Gera­de Trau­ern­de werden das stän­dig gefragt. Aber wenn sie anfan­gen zu erzäh­len, inter­es­siert es den ande­ren viel­fach bereits nicht mehr. Wir sagen solche Sätze oft einfach ohne uns bewusst zu sein, was in ihnen steckt. Wenn man beispiels­wei­se gera­de keine Zeit hat für ein Gespräch, wäre es ehrli­cher zu sagen: «Schön, dass ich dich sehe. Ich kann mir vorstel­len, dass es schwer ist im Moment für dich. Ich melde mich morgen bei dir.» Dann ist es aber auch wich­tig, das einzu­hal­ten und sich wirk­lich am nächs­ten Tag zu melden.

Haben Sie selbst schon einmal eine Reak­ti­on bekom­men, die Sie völlig unpas­send fanden?

Anne Heither-Kleynmans: Dass ich mich in alltäg­li­chen Situa­tio­nen miss­ver­stan­den fühle, kommt natür­lich immer wieder einmal vor. Da denke ich dann, mein Gegen­über hat jetzt gar nicht verstan­den, worum es mir geht. Gene­rell gilt es im Gespräch mit jeman­dem, acht­sam und aufmerk­sam zu sein und Flos­keln zu vermeiden.

Welche Worte sind beim ­Kondo­lie­ren passend? Und ist es zum Beispiel ange­mes­sen, jeman­dem über Whats­App zu kondolieren?

Anne Heither-Kleynmans: Ich denke, es muss immer für einen selbst stim­men. Ob man schrift­lich, münd­lich oder sogar per Whats­App kondo­liert, hängt auch davon ab, wie man selbst ist und auf welchem Weg beide Perso­nen sonst kommu­ni­zie­ren. Wie man kondo­lie­ren soll ist ein riesi­ges Thema und es gibt in der Bevöl­ke­rung eine Unsi­cher­heit, was da heute ange­mes­sen ist. Man kann beim Kondo­lie­ren sagen, was einem wich­tig ist wie «Ich denke an dich» oder «Ich wünsche dir Kraft». Auch beim Zeit­punkt des Kondo­lie­rens kann man sich auf sein Gefühl verlas­sen. Haupt­sa­che ist, man macht keinen gros­sen Bogen um die betrof­fe­nen Menschen oder denkt «Oh, jetzt ist es eh zu spät.» Seine Anteil­nah­me kann man auch Wochen später ausdrü­cken und sich daran erin­nern, was einen mit dem Verstor­be­nen verbun­den hat.

Text: Nina Rudnicki

Bild: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 23.08.2022

Zum Thema:

«Ehrlich­keit und Acht­sam­keit» (24.08.2022)

«Das Wich­tigs­te im Gespräch mit Ster­ben­den sind Ehrlich­keit und Acht­sam­keit», sagt Moni­ka Ganten­bein aus Wild­haus. Als frei­wil­li­ge Ster­be­be­glei­te­rin entlas­tet die Toggen­bur­ge­rin Ange­hö­ri­ge und steht Ster­ben­den in den letz­ten Tagen und Stun­den bei.

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Othmarskrypta St.Gallen

Letzter Ruheort für St. Galler Bischöfe

Der emeri­tier­te Bischof Ivo Fürer wurde am 18. Juli in der Otmar­s­kryp­ta (unter der ­Kathe­dra­le) beigesetzt. Die Kryp­ta ist seit dem frühen Mittel­al­ter ein Ort des Gebets und des Gottes­diens­tes. Erst seit 1966 werden die St. Galler Bischö­fe dort bestattet.

«Dort, wo heute die St. Galler Bischö­fe bestat­tet werden, befand sich ab dem 9. Jahr­hun­dert die ursprüng­li­che Pfarr­kir­che – die Kirche, die für die Gläu­bi­gen zugäng­lich war», erklärt Peter Erhart, Leiter des Stifts­ar­chivs St. Gallen. Die Klos­ter­kir­che im Westen war den Mönchen vorbe­hal­ten. «Ursprüng­lich ging es aber darum, eine Grab­le­ge für die Über­res­te des Grün­der­abts Otmar zu errich­ten.» Diese wurden 867 in einem Stein­sar­ko­phag unter dem Altar der Kirche beigesetzt. Über die Einrich­tung einer Kryp­ta berich­tet die Klos­ter­chro­nik erst für die Zeit um 980. «Da erfah­ren wir, dass es sich um einen Gewöl­be­raum mit reicher künst­le­ri­scher Ausstat­tung gehan­delt hat», so Erhart. «Bei den vier Sand­stein­säu­len, die heute in der Kryp­ta zu finden sind, handelt es sich jedoch nicht um Origi­na­le, sondern um Repli­ka von 1964.» Bei der Ausstat­tung hatte man im frühen Mittel­al­ter vor allem die Pilger im Blick: Sie betre­ten die Kryp­ta durch einen langen Gang, der sie zum Sarko­phag des Heili­gen Otmars führt. Dort können sie verwei­len und beten, anschlies­send führt ein ande­rer Stol­len wieder hinaus.

In Kryp­ta umgebettet

Heute ist nur noch ein Zugang erhal­ten. 1964 wurde bei archäo­lo­gi­schen Grabun­gen der Stein­sarkophag des heili­gen Otmars entdeckt. «Er war leer», so Peter Erhart, «im Laufe der Zeit wurden die Gebei­ne an diver­se Orte verteilt wie beispiels­wei­se bei neuerrich­te­ten Kirchen, die dem heili­gen Otmar geweiht wurden.» 1966 bekam die Kryp­ta ihr heuti­ges Ausse­hen und wurde zum Bestat­tungs­ort der St. Galler Bischö­fe. Die bereits sieben verstor­be­nen Bischö­fe des 1847 gegrün­de­ten Bistums St. Gallen wurden in die Kryp­ta umge­bet­tet – die bishe­ri­ge bischöf­li­che Grab­an­la­ge befand sich im Kreuz­gang der Kathe­dra­le. Die ­Otmar­s­kryp­ta ist schlicht gehal­ten, ins Auge stechen die beiden Zita­te – einmal auf Latein, einmal auf Deutsch – vorne an der Wand aus dem St. Galler Ritua­le: «Geden­ket eurer Hirten, die euch Gottes Wort verkün­det haben und über die Seelen wach­ten, für die sie Gott Rechen­schaft able­gen muss­ten.» Die Kryp­ta ist heute an allen Sams­ta­gen von Ostern bis Aller­hei­li­gen für einen stil­len Besuch geöffnet.

Die Othmar­s­kryp­ta ist ein Ort des Gebe­tes und des Gottesdienstes.

Bis nach Prag

Die Schä­del des heili­gen Otmars und heili­gen Gallus gelang­ten bis nach Prag, wo sie bis heute im Veits­dom liegen: «Sie sind in typi­schen baro­cken Reli­quia­ren gefasst und beschrif­tet», so Erhart. 2018 – anläss­lich des Jubi­lä­ums 1300 Jahre Kathe­dra­le St. Gallen – sorg­ten die Schä­del für eini­gen Medi­en­rum­mel in der Schweiz: Lorenz Hollen­stein, Altstifts­ar­chi­var und Vorgän­ger von Peter Erhart, hatte die Geschich­te der Reli­qui­en von Gallus und Otmar aufge­ar­bei­tet. Karl IV., König von Böhmen, späte­rer römisch-deutscher Kaiser und ein fana­ti­scher Reli­qui­en­samm­ler, hatte vor vier­hun­dert Jahren die Reli­qui­en erwor­ben und nach Prag gebracht. Es gab sogar Versu­che, die Reli­qui­en wieder nach St. Gallen zu holen. Daraus ist nichts geworden.

Zitat aus dem Sankt Galler Rituale

Keine Rück­füh­rung geplant

Peter Erhart, seit 2009 Stifts­ar­chi­var, kann mit der Idee der Rück­füh­rung wenig anfan­gen: «In unse­rer Zeit ist es nicht wirk­lich sinn­voll, Reli­qui­en zurück­zu­for­dern, sofern sie nicht gefähr­det sind. Zudem ist es ja nicht so, dass das Bistum St. Gallen keine Reli­qui­en von Otmar besitzt – etwa im Kasten­al­tar der Otmar­s­kryp­ta in einem golde­nen Schrein.» Mit einem Schmun­zeln merkt er an: ­«Wer meint, er könne die Reli­qui­en aus dem ehema­li­gen Karl­stei­ner Reli­qui­en­schatz entfer­nen, muss sich hüten. Es droht nicht nur eine Anzei­ge, sondern seit dem Mittel­al­ter die Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Das wollen wir ­lieber nicht riskieren.»

Text: Stephan Sigg

Bilder: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 19.08.2022

Margot Vogelsanger

«Das Stigma ist gross»

Maria Magda­le­na, das Bera­tungs­an­ge­bot des Kantons St. Gallen für Sexar­bei­ten­de, bietet seit Früh­jahr jede Woche in Buchs, Uznach und St. Gallen ein «Café des Profes­sio­nel­les» an. Es geht dabei um Austausch, aber auch um Gesund­heits­the­men und recht­li­che Fragen.

Der Tisch ist gedeckt, Kaffee­tas­sen, ein Kuchen, Guetz­li, eine Scha­le mit frischen Kirschen stehen bereit. «Mit unse­rem Café wollen wir Sexar­bei­ten­den die Möglich­keit geben, sich auszu­tau­schen», erklärt Margot Vogel­s­an­ger, Psycho­lo­gin und Team­lei­te­rin des Bera­tungs­an­ge­bots Maria Magda­le­na. «Die Teil­neh­men­den erhal­ten aber auch Inputs zu Gesund­heits­the­men, recht­li­chen Fragen oder auch zum Self­mar­ke­ting.» Dazu gehö­ren zum Beispiel Fragen rund um den Daten­schutz. Das Café erfül­le auch die Funk­ti­on von Selbst­hilfe. «Manch­mal spru­delt es nur so.» Und bei sprach­li­chen Miss­ver­ständ­nis­sen helfe auch schon mal die Über­set­zungs­funk­ti­on von Goog­le. Die Cafés stos­sen bis jetzt auf unter­schied­li­che Reso­nanz: Manch­mal seien sechs oder mehr Gäste bei einem Café, manch­mal tauche auch niemand auf.

Zusam­men­ar­beit mit Caritas

Ein Thema beschäf­ti­ge gegen­wär­tig viele: Seit der Corona-Pandemie hat die Nach­fra­ge nach­ge­las­sen. «Woran das genau liegt, weiss man nicht», sagt Margot Vogel­s­an­ger, «aber ein Grund ist sicher­lich die Digi­ta­li­sie­rung.» Einer­seits ermög­li­chen Apps und Online-Portale Sexar­bei­ten­den mehr Selbst­stän­dig­keit, da sie ihre Dienst­leis­tun­gen online bewer­ben können. Ande­rer­seits vergrös­sern sie die Konkur­renz. «Apps wie Tinder haben die Ware Sex viel schnel­ler verfüg­bar gemacht. Es kommt immer häufi­ger vor, dass Amateu­re ihre Dienst­leis­tun­gen anbie­ten.» Die exis­ten­zi­el­len Notla­gen nehmen zu. Laut Jahres­be­richt 2021 von Maria Magda­le­na sind finan­zi­el­le Fragen bei den Bera­tungs­ge­sprä­chen ein gros­ses Thema: 30 Prozent der Gesprächs­the­men beschäf­tig­ten sich damit. «Wir sind froh, auf die Zusam­men­ar­beit mit der Cari­tas zählen zu können», sagt Margot Vogel­s­an­ger. «Die Cari­tas unter­stützt Sexar­bei­ten­de bei der Schul­den­be­ra­tung oder bietet mit den Caritas-Märkten in St. Gallen und Wil die Möglich­keit, güns­tig einzu­kau­fen.» Während der Corona-Pandemie hätten zudem Cari­tas und der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen Spen­den­gel­der für Sexar­bei­ten­de, die in finan­zi­el­le Not gera­ten sind, zur Verfü­gung gestellt.

Margot Vogelsanger, Maria Magdalena
Margot Vogel­s­an­ger berät auch Sexar­bei­ten­de beim Ausstieg.

Gesell­schaft­li­ches Stigma

Die Frage nach dem Ausstieg aus dem Beruf sei bei den Cafés bisher kaum ein Thema gewe­sen. «Wenn, dann taucht so etwas in Einzel­ge­sprä­chen auf, aber auch das eher selten», so Vogel­s­an­ger. Viele Bran­chen suchen momen­tan nach Perso­nal und die Chan­cen für Quer­ein­stei­ge­rin­nen und ‑einstei­ger sind gut, denkt da trotz­dem niemand an den Ausstieg? «Es mag wohl manche über­ra­schen, aber viele Sexar­bei­ten­de machen ihren Beruf gerne», betont Margot Vogel­s­an­ger. «Falls jemand ausstei­gen will, ist das oft eine Heraus­for­de­rung. Das gesell­schaft­li­che Stig­ma ist gross. Sie können ja bei der Bewer­bung nicht offen ange­ben, was sie bisher gemacht haben. Ich habe mir schon mit Klien­tin­nen den Kopf zerbro­chen, wie genau sie das in ihrem Lebens­lauf formu­lie­ren, ohne dass die Tür gleich wieder zugeht.» Für viele Beru­fe seien auch die sprach­li­chen Hürden zu hoch.

Viel­falt der Biografien

Margot Vogel­s­an­ger ist seit zwei Jahren bei Maria Magda­le­na tätig. Sie persön­lich habe die Viel­falt der Biogra­fien über­rascht: «In den Medi­en werden meist nur Klischees gezeigt: Auf der einen Seite Frau­en als Opfer von Ausbeu­tung und Menschen­han­del, auf der ande­ren Seite die Models, die perfekt ausse­hen. Natür­lich gibt es beides, aber das sind eher die Ausnah­men. Die Reali­tät ist viel diffe­ren­zier­ter.» In der Schweiz geht man nach einer Studie von 4000 bis 8000 Sexar­bei­ten­den aus. Doch in der Ostschweiz finde Sexar­beit meist im Verbor­ge­nen in Privat­woh­nun­gen statt. «Das macht es für uns schwie­ri­ger, mit ihnen in Kontakt zu kommen und auf unser Ange­bot aufmerk­sam zu machen.» Bei der Bera­tung hätten Fragen rund um Präven­ti­on von über­trag­ba­ren Krank­hei­ten, aber auch recht­li­che Fragen einen zentra­len Stel­len­wert «Aber häufig geht es um Themen, die Menschen in allen gesell­schaft­li­chen Milieus beschäf­ti­gen: Proble­me in der Ehe oder mit den Kindern, Stress, der Umgang mit eige­nen Wünschen und Bedürfnissen …»

Margot Vogelsanger, Maria Magdalena
Die Psycho­lo­gin Margot Vogel­s­an­ger ist seit zwei Jahren bei «Maria Magda­le­na» tätig.

Name als Türöffner

Das Bera­tungs­an­ge­bot für Sexar­bei­ten­de trägt den Namen einer bibli­schen Person. Margot Vogel­s­an­ger schmun­zelt: «Warum die Verant­wort­li­chen bei der Grün­dung unse­res Ange­bots vor 22 Jahren auf Maria Magda­le­na gekom­men sind, weiss ich nicht. Aber ich erle­be diesen Namen oft als Türöff­ner. Vor allem Sexar­bei­ten­de aus südame­ri­ka­ni­schen Ländern, aber auch aus Osteu­ro­pa wissen sofort etwas mit dem Namen anzu­fan­gen, sie fühlen sich ange­spro­chen und reagie­ren posi­tiv darauf.»

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 09. August 2022

Gegenwart einer Flucht spüren

Ein neuer Velohör­weg entlang der österreichisch-schweizerischen Gren­ze am Rhein erzählt die ­Geschich­ten geflüch­te­ter Menschen während des Zwei­ten Welt­krie­ges nach. Er soll aber auch auf die aktu­el­le Flücht­lings­po­li­tik aufmerk­sam machen.

«Ich schlei­che leise durch das Dickicht. Das Fluss­ufer wird kontrol­liert, der Tram­pel­pfad verrät, dass die Solda­ten, die die Gren­ze bewa­chen, diesen Weg oft passie­ren. Ich warte eine Weile, wage mich bis zum Fluss, kehre aber schnell wieder zurück.» So beginnt die Geschich­te von Bohu­mil Pavel Snižek, dem es am 26. August 1941 gelingt, bei Koblach die Gren­ze zwischen Öster­reich und der Schweiz zu über­que­ren. Zwei Wochen zuvor war der 27-jährige Tsche­che in seiner Heimat aufge­bro­chen, um aus dem Macht­be­reich der Nazis zu flie­hen. Erzählt wird sein Schick­sal an der 34. Stati­on des neuen Velo­wegs «Über die Gren­ze». An 52 symbo­li­schen Grenz­stei­nen entlang der Velo­rou­te Nr.1 können sich Velo­fah­re­rin­nen und Velo­fah­rer zwischen Loch­au am Boden­see, durchs Rhein­tal bis in die Silvret­ta per QR-Code und in Form eines Hörstücks auf die ­Geschich­te des jewei­li­gen Ortes einlassen.

Absperr­band und Polizeihelikopter

Die Idee für das Projekt hatte Hanno Loewy, Direk­tor des Jüdi­schen Muse­ums Hohen­ems vor zwei Jahren während des Lock­downs. «Geschlos­se­ne Gren­zen, rot-weisse Absperr­bän­der entlang des Rheins und Heli­ko­pter, die am Himmel kreis­ten. Das alles führ­te zu einer bedroh­li­chen Stim­mung», sagt er. «Die Bedeu­tung einer Gren­ze rück­te dadurch ziem­lich stark ins Bewusst­sein der Bevöl­ke­rung und verun­si­cher­te viele.» Zugleich habe die Corona-Pandemie dazu geführt, dass viele Menschen zu Fuss oder mit dem Velo in der Natur unter­wegs waren. «Das Velo ist das beste Medi­um, um sich aufmerk­sam auf die Land­schaft einlas­sen zu können und zugleich eine grös­se­re Distanz zurück­le­gen zu können», sagt er.

Steti­ges Mahnmal

Die Flucht­ge­schich­ten entlang der Velo­rou­te beinhal­ten sowohl eine histo­ri­sche wie auch eine aktu­el­le Dimen­si­on. Einer­seits stehen sie reprä­sen­ta­tiv für alle jene Perso­nen, die während des Zwei­ten Welt­krie­ges mit dem Thema Flucht zu tun hatten. Dazu gehö­ren nebst den jüdi­schen Flücht­lin­gen etwa Zwangs­ar­bei­te­rin­nen und ‑arbei­ter, Deser­teu­re, Wider­ständ­le­rin­nen und Wider­ständ­ler, Homo­se­xu­el­le, zahl­rei­che Helfe­rin­nen und Helfer sowie auch die Behör­den und die Poli­zei. Ande­rer­seits halten sie im Bewusst­sein, wie viele Menschen aktu­ell Woche für Woche beim Versuch ums Leben kommen, die Aussen-grenzen Euro­pas zu über­que­ren. «Umso dreis­ter ist es, wenn die Poli­tik Flücht­lin­ge gegen­ein­an­der ausspielt und Menschen aus der Ukrai­ne beispiels­wei­se jenen aus Syri­en oder Afgha­ni­stan gegen­über­stellt», sagt Hanno Loewy.

Flucht­er­fah­rung heute

Seit vielen Jahren setzt sich das Jüdi­sche Muse­um für Flücht­lin­ge in der Gegen­wart ein. Wie wich­tig es sei, Soli­da­ri­tät mit Flücht­lin­gen zu zeigen, sei gera­de auch in der Zivil­ge­sell­schaft in Vorarl­berg stark veran­kert. «Das liegt vor allem daran, dass es sich um eine Grenz­re­gi­on handelt und dieses Thema daher präsent ist», sagt er. «Zudem leben unter uns auch heute viele Menschen mit Flucht­er­fah­run­gen wie etwa all jene, die vor dem Krieg im ehema­li­gen Jugo­sla­wi­en oder Tsche­tsche­ni­en geflüch­tet sind. Das Thema ist nicht einfach mit dem Zwei­ten Welt­krieg abgeschlossen.»

Sich auf Gegen­satz einlassen

Nach­den­ken, den Gegen­satz zwischen der Idyl­le der Natur und der Geschich­te auf sich wirken lassen sowie Empa­thie und Soli­da­ri­tät mit Flücht­lin­gen entwi­ckeln: Das möch­te Hanno Loewy mit dem Velohör­weg errei­chen. Für das Medi­um des Hörens statt etwa für Bilder oder Tafeln hat er sich entschie­den, weil Hören das direk­tes­te Medi­um sei. Er sagt: «Bei einem Bild gibt es immer einen Rahmen. Aber wer hört, der spürt die Gegen­wart eines Spre­chen­den, eines Flücht­lings, fast so, als stün­de man vor ihm. Das ist unmit­tel­ba­rer als jede ande­re Wahrnehmung.»

→ www.ueber-die-grenze.at

Text: Nina Rudnicki

Bilder: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 8. August 2022

Musik mit ­allen Risiken

Ob als Kanti­leh­rer, Orga­nist, Chor­dirigent oder wie in diesem Jahr als musi­ka­li­scher Leiter der Schloss­fest­spie­le Werden­berg: Karl Hard­eg­ger aus Gams erzählt, was es braucht, damit der Funke aufs Publi­kum überspringt.

Ein Camping­platz, ein Mond­auf­gang und Nebel, der diese Szene­rie einhüllt. Dazu Solis­tin­nen und Solis­ten, Chor und Orches­ter, die das Gesche­hen auf der Bühne musi­ka­lisch darstel­len. Auf diesen Teil im 3. Akt des Stücks «Die lusti­gen Weiber von Wind­sor» freut sich Karl Hard­eg­ger, musi­ka­li­scher Leiter der Schloss­fest­spie­le Werden­berg, beson­ders. Am 5. August ist es so weit: Dann dient der Werden­ber­ger See während zwei­er Wochen als Opern­ku­lis­se. «Der Mond­auf­gang ist der perfek­te Moment. Wenn von den Solos, über den Chor bis zum Orches­ter alles zu einem Gesamt­kunst­werk vereint ist, weiss man, worauf man hinge­ar­bei­tet hat», sagt er. «Gera­de da so eine Auffüh­rung Thea­ter und Musik live mit allen Risi­ken ist.»

Frische Stim­men für den Chor

Fast täglich hat der 65-Jährige im Juli mit den rund hundert Sängern und Sänge­rin­nen, Tänzern und Tänze­rin­nen, Musi­kern und Musi­ke­rin­nen sowie der Regie in der Lokre­mi­se in Buchs oder auf der Bühne am See geprobt. Das Stück handelt von Sir John Falstaff, der zwei Frau­en die Ehe verspricht. Als ihm diese auf die Schli­che kommen, ertei­len sie ihm eine Lekti­on. Karl Hard­eg­ger ist über­zeugt, dass der komö­di­en­haf­te Stoff in deut­scher Spra­che und die moder­ne Insze­nie­rung verschie­de­nes Publi­kum anspre­chen werden, auch solches, «das weit weg von der Oper ist». Wie wich­tig gera­de dieses Zusam­men­spiel mit dem Publi­kum ist, weiss Karl Hard­eg­ger durch seine lang­jäh­ri­ge Arbeit als Diri­gent und Chor­lei­ter etwa an der Operet­ten­büh­ne in Balzers oder der Weih­nachts­kon­zer­te mit dem Kanti­chor und der Rhein­ta­li­schen Sing­ge­mein­schaft. Als Musi­ker hat es Karl Hard­eg­ger immer geschätzt, glei­cher­mas­sen mit jungen Menschen und Laien sowie mit Profis zusam­men­ar­bei­ten zu können. «An den Konzer­ten mit dem Kanti­chor und der Rhein­ta­li­schen Sing­ge­mein­schaft waren von den 120 Sänge­rin­nen und Sänger die Hälf­te Jugend­li­che. Sie konn­ten von der Erfah­rung der Älte­ren profi­tie­ren, haben dafür mit ihren frischen Stim­men den Chor berei­chert», sagt er.

Immer ein Publikum

Aufge­wach­sen ist Karl Hard­eg­ger in Gams in einer Musi­ker­fa­mi­lie. Sein Vater war Akkor­deo­nist in der dama­li­gen Volks­mu­sik­grup­pe Kapel­le Alpstein. Schon in seiner Kind­heit trat Karl Hard­eg­ger mit dieser Grup­pe auf – seine Liebe zur Musik hatte er auf einem Klavier in seinem Eltern­haus entdeckt. Nach dem Lehrer­se­mi­nar folg­te ein Studi­um in Klavier und Orgel am Landes­kon­ser­va­to­ri­um in Feld­kirch. Sein Profes­sor habe ihm damals mit auf den Weg gege­ben: «Wenn du Orgel spielst, hast du immer ein Publi­kum.» Seit über 40 Jahren spielt Karl Hard­eg­ger seit­her regel­mäs­sig in den beiden Landes­kir­chen in Gams, Senn­wald und Sax. Am besten gefal­le ihm, dass heute in den Messen von Kirchen­stü­cken, über Musi­cal­me­lo­dien, volks­tüm­li­chen Liedern bis hin zu moder­nen Hits alles gespielt werden könne. «Wer mit Karl Hard­eg­ger spricht, bekommt einen Eindruck davon, wie ein Leben für die Musik und die perfek­ten Momen­te auf der Bühne sein muss – viel­leicht ist das für die eine oder den ande­ren ein Grund, sich in diesem Sommer einmal als Gast unter das Publi­kum an den Werden­ber­ger Schloss­fest­spie­len zu mischen.

→ Infos und Tickets: www.dielustigenweiber22.ch

Text: Nina Rudnicki 

Bild: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 4. August

Sr. Mirjam, Kloster Jakobsbad

Kapuzinerin hält 1.August-Rede

Die Luft­seil­bahn Jakobsbad-Kronberg AG hat ange­sichts Corona-Krise und Krieg dieses Jahr für die 1. August-Rede auf dem Kron­berg bewusst eine spiri­tu­el­le Person ange­fragt: Worüber wird Schwes­ter Mirjam Huber, Mutter des Klos­ters Leiden Chris­ti in Jakobs­bad AI, sprechen?

Ein biss­chen erschro­cken bin ich schon, als ich für die Fest­re­de ange­fragt wurde», gesteht Sr. Mirjam im Gespräch mit dem Pfar­rei­fo­rum. Es sei für sie in erster Linie eine Ehre, aber auch eine klei­ne Belas­tung. «Ich bin eigent­lich kein Mensch der gros­sen Worte.» Nach einer kurzen Bedenk­zeit hat sie trotz­dem zuge­sagt: «Es hat mich vor allem gefreut, dass jemand aus der Kirche ange­fragt wurde. Darum habe ich mich dann auch entschie­den, diese Aufga­be anzu­neh­men und die Chan­ce zu nutzen, die christ­li­che Sicht­wei­se zu vertre­ten.» Sie notiert sich immer wieder Gedan­ken für die Rede, die ihr im Alltag durch den Kopf gehen. «Viele Leute haben schwie­ri­ge Zeiten hinter sich, darum möch­te ich mit meiner Rede Zuver­sicht und Hoff­nung durch den Glau­ben verbrei­ten. Gleich­zei­tig möch­te ich auch meine Dank­bar­keit für die guten Lebens­be­din­gun­gen in der Schweiz zum Ausdruck brin­gen.» Gemäss Felix Merz, Geschäfts­lei­ter der Luft­seil­bahn Jakobsbad-Kronberg AG, hat das 1. August-Sonnenaufgangs-Programm auf dem Kron­berg eine lange Tradi­ti­on: «Wir durf­ten schon Bundes­rä­te und ande­re, viel­fäl­ti­ge Promi­nenz als Redner oder Redne­rin verpflich­ten. Dieses Jahr freut es uns ganz beson­ders, dass wir mit der Anspra­che von Sr. Mirjam eine ganz neue Perspek­ti­ve einbrin­gen können. Wegen des aktu­el­len Welt­ge­sche­hens mit Coro­na und Krieg woll­ten wir bewusst eine Persön­lich­keit mit einem spiri­tu­el­len Hinter­grund einladen.»

Lampi­ons und Feuerwerk

Sr. Mirjam, aufge­wach­sen in Schwar­zen­bach SG, schätzt das Leben hier­zu­lan­de: «Schwei­ze­rin zu sein, löst bei mir in erster Linie eine gros­se Dank­bar­keit aus. Ich sehe es als Geschenk an, in diesem schö­nen Land leben zu dürfen. Die Schweiz ist gut orga­ni­siert, wir leben im Frie­den und wir können unse­rer Regie­rung vertrau­en.» Daher ist für sie der Natio­nal­fei­er­tag auch ein wich­ti­ger Tag, der gefei­ert werden soll: «Wir dürfen unse­re Freu­de zeigen und feiern, ohne ein schlech­tes Gewis­sen zu haben.» In ihrer Fami­lie wurde der 1. August im klei­nen Rahmen gefei­ert. Sie verbin­det damit schö­ne Kind­heits­er­in­ne­run­gen: «Wir durf­ten beim Eindun­keln mit unse­ren Lampi­ons durchs Dorf laufen und am Abend haben wir fein geges­sen und sind zusam­men­ge­ses­sen. Der Vater hat klei­ne Vulka­ne und Sonnen­feu­er­werk ange­zün­det und wir Kinder durf­ten benga­li­sche Zünd­höl­zer im Kreis schwingen.»

Besuch aus ande­ren Klöstern

Im Klos­ter Leiden Chris­ti leben insge­samt acht Schwes­tern, die jüngs­te Schwes­ter ist 30 Jahre jung und die Ältes­te ist 87-jährig. Eine Schwes­ter ist Slowa­kin und zwei weite­re sind aus Deutsch­land. Der Alltag in der Gemein­schaft findet mehr­heit­lich hinter den eige­nen Klos­ter­mau­ern statt. Sie pfle­gen ihre Geschwis­ter­lich­keit gerne unter­ein­an­der, haben aber auch einen regen Austausch mit ande­ren Kapu­zi­ne­rin­nen aus verschie­de­nen Klös­tern der Schweiz. So trifft sich jähr­lich eine Dele­ga­ti­on von allen Gemein­schaf­ten abwech­selnd in einem ande­ren Klos­ter für einen Begeg­nungs­tag. Zudem orga­ni­sie­ren sie gemein­sa­me Weiterbildungs-Kurse und Feri­en in ande­ren Klös­tern. Sr. Mirjam erin­nert sich: «Früher hatten wir am 1. August jeweils Besuch von einer Grup­pe Schwes­tern von St. Katha­ri­na Wil. Sie verbrach­ten ganz in der Nähe ihre Feri­en und so haben wir am Abend zusam­men gefei­ert.» Aus gesund­heit­li­chen Grün­den ist es heute nicht mehr allen Schwes­tern von St. Katha­ri­na möglich, ins Appen­zel­ler­land zu reisen. Zwei von ihnen kämen nach wie vor tage­wei­se in die Feri­en: «So blei­ben die beson­de­ren 1. August­fei­ern in leben­di­ger Erin­ne­rung.» Der Natio­nal­fei­er­tag wird nun im eige­nen Kreis gefei­ert: «Wir haben am Abend eine Eucha­ris­tie­fei­er und beten insbe­son­de­re für unse­re Heimat und unse­re Regie­rung. Danach sitzen wir im Klos­ter­gar­ten zusam­men und genies­sen eine Brat­wurst vom Grill, singen ein paar Lieder und lassen den Abend gemüt­lich ausklin­gen.» Gut möglich, dass Sr. Mirjam vor diesem 1. August ein biss­chen früher zu Bett gehen wird, weil sie für ihre Rede vor Sonnen­auf­gang aufste­hen musste.

Text: Katja Hongler

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 28. Juli 2022

Visualisierung Kaserne Schweizergarde

Neue Kaserne der Schweizer­garde: nötig und zeitgemäss?

Seit 1506 sorgen die Schwei­zer­gar­dis­ten für die Sicher­heit des Paps­tes und für Ordnung in der Vati­kan­stadt. Mit ande­ren Worten: Seit über 500 Jahren ist die Garde bester Werbe­trä­ger unse­res Landes und der Katho­li­schen Kirche der Schweiz. 

Die Gardis­ten tragen Werte wie ­Profes­sio­na­li­tät, Diszi­plin, Diskre­ti­on und Freund­lich­keit in die Welt hinaus. Dazu vereint das Korps Tradi­ti­on und Moder­ne: Mit gröss­ter Sorg­falt gehen die Gardis­ten seit jeher ihrem Auftrag nach, während die Anfor­de­run­gen an einen moder­nen Sicher­heits­dienst laufend zunehmen.

Dieser Spagat fordert auch heraus. Und er macht Inves­ti­tio­nen nötig, zumal der Trup­pen­be­stand vergrös­sert wurde, um den gestie­ge­nen Anfor­de­run­gen weiter­hin gerecht zu werden. Die Aufsto­ckung des Soll­be­stands von 110 auf 135 Mann, wie es der Papst im Jahr 2018 beschlos­sen hat, akzen­tu­iert aller­dings das Platz­pro­blem. Ferner sind die heuti­gen Unter­künf­te maro­de und der Unter­halt entspre­chend kost­spie­lig. Eine Machbarkeits­studie kommt zum Schluss, dass nur ein Neubau Sinn macht.

Beitrag aus Fonds statt aus Steuergeldern

Das Kolle­gi­um der Katho­li­schen Kanto­nal­kir­che St. Gallen hat beschlos­sen, 1,5 Millio­nen Fran­ken an die Erneue­rung der Kaser­ne (Gesamt­kos­ten 50 Millio­nen Fran­ken, inklu­si­ve Provi­so­ri­um für die Bauzeit) zu leis­ten. Dieser Kredit wird jedoch erst nach Vorlie­gen der Baube­wil­li­gung an die für den Bau zustän­di­ge Stif­tung in der Schweiz ausbe­zahlt. Es werden dazu keine Steu­er­gel­der verwen­det. Das Geld nimmt man aus dem soge­nann­ten Sparad-Fonds – also aus dem Fonds, der aus dem verblei­ben­den Bank­ver­mö­gen bei der seiner­zei­ti­gen Liqui­da­ti­on der Sparad (Spar­kas­se der Admi­nis­tra­ti­on) gebil­det wurde. Für die St. Galler Kantonal­kirche ist es sehr zeit­ge­mäss, sich an diesem Bau zu betei­li­gen. Die Garde ist ein Dienst an der Welt­kir­che. Sie öffnet der Schwei­zer Kirche nicht nur Türen im Vati­kan und schafft gegen­sei­ti­ges Verständ­nis, der Mittel­ein­satz unter­streicht auch die örtli­che Verbun­den­heit mit der Garde: Gemes­sen an der Gesamt­zahl der Gardis­ten, die in den vergan­ge­nen zwei Jahr­hun­der­ten rekru­tiert wurden, liegt St. Gallen auf Platz vier der Kantons­rang­lis­te. All diese Gardis­ten sind Reprä­sen­tan­ten unse­res Landes und der Kirche – und oft enga­gie­ren sie sich auch nach ihrer Rück­kehr weiter­hin in Kirche und Gesellschaft.

Ökolo­gi­schen Stan­dards Rech­nung tragen

Eine zeit­ge­mäs­se Kaser­ne trägt ausser­dem heuti­gen ökolo­gi­schen Stan­dards besser Rech­nung und dürf­te dazu beitra­gen, die Rekru­tie­rung neuer Gardis­ten zu verein­fa­chen. Es ist über­dies anzu­neh­men, dass sich mehr Gardis­ten als bisher für einen länge­ren Zeit­raum als die mini­ma­len 25 Mona­te verpflich­ten. Nicht zu verges­sen, dass die neue Kaser­ne in ihrer Struk­tur darauf ausge­rich­tet ist, dass auch Frau­en in die Garde aufge­nom­men werden könn­ten. Völlig klar: Solches beding­te einen entspre­chen­den Entscheid des Paps­tes und käme einer Revo­lu­ti­on gleich. Mit der voraus­schau­en­den Planung wäre die räum­li­che und zeit­ge­mäs­se Voraus­set­zung dazu aber gegeben.

Text: Roger Fuchs, Kommu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­ter des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils des Kantons St. Gallen

Bild: zVg. / Stif­tung Kaser­ne Schweizergarde 

Veröf­fent­licht: 25.07.2022

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