Letzter Ruheort für St. Galler Bischöfe

Othmarskrypta St.Gallen

Der emeri­tier­te Bischof Ivo Fürer wurde am 18. Juli in der Otmar­s­kryp­ta (unter der ­Kathe­dra­le) beigesetzt. Die Kryp­ta ist seit dem frühen Mittel­al­ter ein Ort des Gebets und des Gottes­diens­tes. Erst seit 1966 werden die St. Galler Bischö­fe dort bestattet.

«Dort, wo heute die St. Galler Bischö­fe bestat­tet werden, befand sich ab dem 9. Jahr­hun­dert die ursprüng­li­che Pfarr­kir­che – die Kirche, die für die Gläu­bi­gen zugäng­lich war», erklärt Peter Erhart, Leiter des Stifts­ar­chivs St. Gallen. Die Klos­ter­kir­che im Westen war den Mönchen vorbe­hal­ten. «Ursprüng­lich ging es aber darum, eine Grab­le­ge für die Über­res­te des Grün­der­abts Otmar zu errich­ten.» Diese wurden 867 in einem Stein­sar­ko­phag unter dem Altar der Kirche beigesetzt. Über die Einrich­tung einer Kryp­ta berich­tet die Klos­ter­chro­nik erst für die Zeit um 980. «Da erfah­ren wir, dass es sich um einen Gewöl­be­raum mit reicher künst­le­ri­scher Ausstat­tung gehan­delt hat», so Erhart. «Bei den vier Sand­stein­säu­len, die heute in der Kryp­ta zu finden sind, handelt es sich jedoch nicht um Origi­na­le, sondern um Repli­ka von 1964.» Bei der Ausstat­tung hatte man im frühen Mittel­al­ter vor allem die Pilger im Blick: Sie betre­ten die Kryp­ta durch einen langen Gang, der sie zum Sarko­phag des Heili­gen Otmars führt. Dort können sie verwei­len und beten, anschlies­send führt ein ande­rer Stol­len wieder hinaus.

In Kryp­ta umgebettet

Heute ist nur noch ein Zugang erhal­ten. 1964 wurde bei archäo­lo­gi­schen Grabun­gen der Stein­sarkophag des heili­gen Otmars entdeckt. «Er war leer», so Peter Erhart, «im Laufe der Zeit wurden die Gebei­ne an diver­se Orte verteilt wie beispiels­wei­se bei neuerrich­te­ten Kirchen, die dem heili­gen Otmar geweiht wurden.» 1966 bekam die Kryp­ta ihr heuti­ges Ausse­hen und wurde zum Bestat­tungs­ort der St. Galler Bischö­fe. Die bereits sieben verstor­be­nen Bischö­fe des 1847 gegrün­de­ten Bistums St. Gallen wurden in die Kryp­ta umge­bet­tet – die bishe­ri­ge bischöf­li­che Grab­an­la­ge befand sich im Kreuz­gang der Kathe­dra­le. Die ­Otmar­s­kryp­ta ist schlicht gehal­ten, ins Auge stechen die beiden Zita­te – einmal auf Latein, einmal auf Deutsch – vorne an der Wand aus dem St. Galler Ritua­le: «Geden­ket eurer Hirten, die euch Gottes Wort verkün­det haben und über die Seelen wach­ten, für die sie Gott Rechen­schaft able­gen muss­ten.» Die Kryp­ta ist heute an allen Sams­ta­gen von Ostern bis Aller­hei­li­gen für einen stil­len Besuch geöffnet.

Die Othmar­s­kryp­ta ist ein Ort des Gebe­tes und des Gottesdienstes.

Bis nach Prag

Die Schä­del des heili­gen Otmars und heili­gen Gallus gelang­ten bis nach Prag, wo sie bis heute im Veits­dom liegen: «Sie sind in typi­schen baro­cken Reli­quia­ren gefasst und beschrif­tet», so Erhart. 2018 – anläss­lich des Jubi­lä­ums 1300 Jahre Kathe­dra­le St. Gallen – sorg­ten die Schä­del für eini­gen Medi­en­rum­mel in der Schweiz: Lorenz Hollen­stein, Altstifts­ar­chi­var und Vorgän­ger von Peter Erhart, hatte die Geschich­te der Reli­qui­en von Gallus und Otmar aufge­ar­bei­tet. Karl IV., König von Böhmen, späte­rer römisch-deutscher Kaiser und ein fana­ti­scher Reli­qui­en­samm­ler, hatte vor vier­hun­dert Jahren die Reli­qui­en erwor­ben und nach Prag gebracht. Es gab sogar Versu­che, die Reli­qui­en wieder nach St. Gallen zu holen. Daraus ist nichts geworden.

Zitat aus dem Sankt Galler Rituale

Keine Rück­füh­rung geplant

Peter Erhart, seit 2009 Stifts­ar­chi­var, kann mit der Idee der Rück­füh­rung wenig anfan­gen: «In unse­rer Zeit ist es nicht wirk­lich sinn­voll, Reli­qui­en zurück­zu­for­dern, sofern sie nicht gefähr­det sind. Zudem ist es ja nicht so, dass das Bistum St. Gallen keine Reli­qui­en von Otmar besitzt – etwa im Kasten­al­tar der Otmar­s­kryp­ta in einem golde­nen Schrein.» Mit einem Schmun­zeln merkt er an: ­«Wer meint, er könne die Reli­qui­en aus dem ehema­li­gen Karl­stei­ner Reli­qui­en­schatz entfer­nen, muss sich hüten. Es droht nicht nur eine Anzei­ge, sondern seit dem Mittel­al­ter die Exkom­mu­ni­ka­ti­on. Das wollen wir ­lieber nicht riskieren.»

Text: Stephan Sigg

Bilder: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 19.08.2022

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