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Architektur und Musik als Lebenspfeiler

Auf einer Anhö­he bei Berg thront das Schloss Klei­ner Hahn­berg. Schloss­herr ist Archi­tekt Robert Bamert. Er hat in seinem Leben zahl­rei­che öffent­li­che Projek­te reali­siert – etwa den Umbau und die Restau­rie­rung der Tonhal­le St. Gallen.

Drei­mal an der Türe zum Schloss­turm klop­fen, so laute­te die Vorga­be. Gesagt, getan, und schon führt uns Robert Bamert durch die statt­li­chen Räume  des Schlos­ses Klei­ner Hahn­berg bei Berg. Seit fast 50 Jahren bewohnt er das 500-jährige Haus, das er über viele Jahre restau­riert hat, um die Spuren der Geschich­te ans Licht zu brin­gen. Robert Bamert ist 84 Jahre alt und Archi­tekt. Zu seinen renom­mier­tes­ten Neubau­ten zählen die ETH-Lausanne aus den 70er-Jahren, die Sied­lung Wolf­gang­hof im Westen St. Gallens und das Schul­heim für schwer­be­hin­der­te Kinder in Kron­bühl. Er verant­wor­te­te unter ande­rem die Reno­va­ti­on des St. Galler Bahn­hofs und der Tonhal­le oder der Kunst­hal­le Ziegel­hüt­te Appen­zell sowie zahl­rei­che Kirchen­re­stau­rie­run­gen, etwa der katho­li­schen Andreas-Kirche Gossau und der Klos­ter­kir­che Fischingen.

«Archi­tek­tur, die Schwes­ter der Musik»

Die Archi­tek­tur ist nicht Robert Bamerts einzi­ge Leiden­schaft. Die zwei­te gehört seit über 70 Jahren der Musik. Jeden Morgen setzt er sich an eines seiner Tasten­in­stru­men­te, etwa an seine Mathis-Orgel im Erdge­schoss des Schlos­ses. Er ist über­zeugt: «Man beginnt den Tag einfach anders – ruhi­ger, harmo­ni­scher.» Wenn Robert Bamert über die Musik spricht, begin­nen seine Augen zu leuch­ten. Begon­nen hat alles in der 6. Klas­se mit dem Bau einer Geige. «Sie war eckig, aber hat geklun­gen.» Zu dieser Zeit begann er auch Gottes­diens­te in der Kathe­dra­le zu besu­chen. «Ich war faszi­niert vom Raum, den Figu­ren, Bildern und der Dom-Musik von Orgel und Chor.» Diese Besu­che und der St. Galler Klos­ter­plan präg­ten Robert Bamert derart, dass er sich schliess­lich für das Archi­tek­tur­stu­di­um entschied. Die Bezie­hung zur Kathe­dra­le St. Gallen besteht bis heute. Während 20 Jahren amte­te er dort als Organisten-Aushilfe. Mit 77 Jahren verab­schie­de­te er sich mit der dori­schen Tocca­ta von J. S. Bach. Die Musik nennt Bamert – nebst der Archi­tek­tur – seinen Lebens­pfei­ler. Mit 65 Jahren hat er sich seinen Traum erfüllt und das Studi­um der Musik­wis­sen­schaft aufge­nom­men. «Dabei durf­te ich lernen, wie bedeu­tend das Klos­ter St. Gallen für die frühes­te Entwick­lung der abend­län­di­schen Musik war.» Die Archi­tek­tur bezeich­net Robert Bamert als «Schwes­ter der Musik». Er spricht von harmo­ni­ka­len Propor­tio­nen: «Wenn etwas harmo­niert, ist es schön – sowohl in der Musik als auch in der Architektur.»

Für mehre­re Gene­ra­tio­nen denken

Die Faszi­na­ti­on, einen Klang­kör­per zu schaf­fen, hat Robert Bamert nicht mehr losge­las­sen. Im Laufe der Jahre hat er mehre­re Tasten-Instrumente nach histo­ri­schen Vorbil­dern gebaut. Vor über 14 Jahren hat er mit dem Bau von zwei Orgeln begon­nen – einer Spani­schen und einer Italie­ni­schen. Vor weni­gen Wochen ist er damit fertig gewor­den. Demnächst sollen sie ihren Platz im Konzert­raum im Erdge­schoss des Schlos­ses einneh­men, und Robert Bamert hat bereits das nächs­te Projekt geplant: Ein Astro­la­bi­um am Schloss­turm, ein Uhrwerk, mit dem man Verän­de­run­gen am Himmel nach­bil­den kann. Seit 30 Jahren treibt ihn diese Idee um. Gleich wie beim Instru­men­ten­bau hat er sich dafür in spezi­fi­sche Lite­ra­tur vertieft. Still­ste­hen ist für den kinder­lo­sen Seni­or keine Opti­on. Warum er das alles macht im hohen Alter, ist man gewillt zu fragen. Robert Bamert über­legt keine Sekun­de. «Gut gebau­te Instru­men­te können bis 300 Jahre alt werden und blei­ben für die nächs­ten Gene­ra­tio­nen erhal­ten und spiel­bar.» Er lässt den Blick über den Park und sein Schloss glei­ten. «Etwas zu schaf­fen, das Gene­ra­tio­nen über­dau­ert, macht Sinn und Freude.»

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontoulis

«Die Kontakte werden mir fehlen»

Nach 14 Jahren im Admi­nis­tra­ti­ons­rat tritt Frido­lin Eber­le aus Bad Ragaz nicht erneut zur Wahl an. Mit Begeis­te­rung berich­tet Eber­le von posi­ti­ven Verän­de­run­gen in der Cari­tas St. Gallen-Appenzell und der kirch­li­chen Diakonie.

Frido­lin Eber­le (59, seit 25 Jahren verhei­ra­tet und Vater von zwei Töch­tern im Alter von 19 und 23 Jahren) ist Opti­mist. Das spürt man. Zugleich schim­mert neben Empa­thie und Begeis­te­rungs­ver­mö­gen auch ein gros­ses Mass an analy­ti­schem Gespür durch. Eigen­schaf­ten, die er im Admi­nis­tra­ti­ons­rat opti­mal einset­zen konn­te. Immer­hin geht es im Ressort Sozia­les vor allem darum, Finan­zen im Sinne der Kirche einzu­set­zen. In den ersten vier Jahren hatte Frido­lin Eber­le im Admi­nis­tra­ti­ons­rat das Ressort Aufsicht und Kirch­ge­mein­den inne. Damals erfor­der­te das Thema Finanz­aus­gleich in den Gemein­den drin­gend eine Revi­si­on. Eine gerech­te­re Vertei­lung von Steu­er­gel­dern schien sinn­voll. Dank Verwirk­li­chung dieser Revi­si­on wird künf­tig belohnt, wer spar­sa­mer wirt­schaf­tet. Damit ging für Eber­le ein Herzens­wunsch in Erfül­lung. Dass in seiner Amts­zeit im Ressort Sozia­les das Budget für die Entwick­lungs­hil­fe (welt­weit) von einer Milli­on um 200 000 Fran­ken aufge­stockt werden konn­te, erfreut ihn sehr. Eber­le ist über­zeugt davon, dass mit diesem Geld ein Opti­mum erreicht werden kann. Pro Projekt werden maxi­mal 25 000 Fran­ken verge­ben. Dabei hande­le es sich jedoch immer um Projek­te mit direk­tem Bezug zur Schweiz.

Hilfs­wer­ke aus der Region

Als Beispiel nennt er Pater Gott­lieb Eber­le aus Flums. «Wenn wir ihm 20 000 Fran­ken schi­cken, gehen ganz sicher 21 000 Fran­ken an die Bedürf­ti­gen», erklärt er dazu schmun­zelnd. Auch das 1992 durch den kürz­lich verstor­be­nen, ehema­li­gen refor­mier­ten Raga­zer Pfar­rer Hans-Jürgen Martin und seiner Frau Margrit gegrün­de­te Hilfs­werk Brascri in Brasi­li­en gehö­re in diese Kate­go­rie. Dank einer Dekrets­än­de­rung konn­te zudem durch­ge­setzt werden, dass die Kommis­si­on bezüg­lich der unter­stütz­ten Projek­te defi­ni­ti­ve Entschei­de tref­fen darf. Daran freut Eber­le vor allem, dass der Aufwand durch den schlan­ke­ren Prozess verklei­nert werden konnte.

Admi­nis­tra­ti­ons­rat Frido­lin Eber­le stellt sich nach 14 Jahren nicht mehr zur Wieder­wahl zur Verfü­gung, hier eine Aufnah­me von der Kolle­gi­ums­sit­zung im Novem­ber 2021 (Bild: Regi­na KŸühne)

Caritas-Regionalstelle Sargans

Das Ressort Sozia­les umfasst jedoch auch die Verga­be von Stipen­di­en. Hier werde derzeit auf Wunsch der GPK noch die Verga­be­pra­xis über­ar­bei­tet. Künf­tig sollen auch katho­li­sche Schü­le­rin­nen und Schü­ler an den katho­li­schen Schu­len gross­zü­gi­ger berück­sich­tigt werden können. Zudem soll in grös­se­rem Masse als bisher die Ausbil­dung von kirch­li­chen Beru­fen wie Pfar­rer, Seel­sor­ger, Kate­che­tin oder Orga­nist unter­stützt werde. Härte­fäl­le machen jetzt nur noch einen Anteil von rund 10 Prozent des Budgets aus, da es für sie ande­re Unter­stüt­zungs­mög­lich­kei­ten gibt. Als ein abso­lu­tes High­light in seiner Amts­zeit sieht Eber­le die Eröff­nung der Caritas-Regionalstelle in Sargans. Die Cari­tas hat aller­dings 2013 auch eine Reor­ga­ni­sa­ti­on erlebt. In der Folge wurde das Kurs­an­ge­bot «Beglei­tung in der letz­ten Lebens­pha­se (Bill)» nicht mehr ange­bo­ten. Als dama­li­ger Präsi­dent der Cari­tas initi­ier­te Frido­lin Eber­le die Grün­dung der ökume­ni­schen Fach­stel­le Bill, die seit­her erfolg­reich Kurse anbietet.

Wunder­ba­re Zusammenarbeit

Die Zusam­men­ar­beit mit Bistum und Bischof bezeich­net Eber­le mit nur einem Wort: «wunder­bar». Im Bistum St. Gallen kennt man sich persön­lich. Diese Kontak­te werde er sicher sehr vermis­sen, sagt Eber­le nach­denk­lich. Er rühmt aber auch die Zusam­men­ar­beit mit den Refor­mier­ten. Hier arbei­te man trotz Unter­schie­den gemein­sam für die Menschen. «Wir müssen nicht katho­lisch gegen refor­miert denken, sondern gemein­sam das Chris­ten­tum aufrecht­erhal­ten», sagt er. Wenn das Chris­ten­tum schwin­det, verrin­gern sich Soli­da­ri­tät und Einfluss. So können Dienst­leis­tun­gen wie beispiels­wei­se der kirch­li­che Sozi­al­dienst an Berufs­schu­len, die Spital­seel­sor­ge, die Gefäng­nis­seel­sor­ge nur weiter­ge­führt werden, wenn entspre­chen­de Fach­leu­te und Geld zur Verfü­gung stehen. Der Betriebs­wirt­schaf­ter Eber­le zieht für die Kirche eine posi­ti­ve Bilanz. «Wir müssen nur zusam­men­hal­ten und die zur Verfü­gung stehen­den Gelder spar­sam und opti­mal einset­zen, dann kommt es gut und wir gehen in eine posi­ti­ve Zukunft».

Text und Bild: Kath­rin Wetzig

Veröf­fent­licht: 7. Dezem­ber 2023

Wachsreste für die Ukraine

Die Ukrai­ne­rin Nata­lia Moser hat im vergan­ge­nen Jahr eine Hilfs­ak­ti­on gestar­tet. Dabei konn­te sie auf die Unter­stüt­zung der ­Pfar­rei Berschis-Tscherlach zählen. Im Novem­ber wurde das Projekt zum ­zwei­ten Mal durchgeführt.

«Haben Sie Kerzen­res­te?» Welch gros­se Wirkung eine solch einfa­che Anfra­ge haben kann, zeigt das Beispiel von Nata­lia Moser. Die 51-Jährige wohnt seit 22 Jahren in Tscher­lach und hat in der klei­nen Gemein­de am Walen­see im vergan­ge­nen Jahr eine Hilfs­ak­ti­on ins Leben geru­fen. Mehre­re hundert Kilo­gramm Wachs­res­te wurden auf ihre Initia­ti­ve hin in den umlie­gen­den Pfar­rei­en gesam­melt und in Mosers Heimat­land zu Kerzen verar­bei­tet. Aber von Anfang an: Nata­lia Moser stammt aus der Ukrai­ne – jenem Land, das seit Jahren unter den Angrif­fen von Russ­land leidet. Sie verfolgt die Nach­rich­ten aus dem Heimat­land aufmerk­sam und mit gros­sem Schmerz. «Die Bilder zu sehen, tut unheim­lich weh. Die Situa­ti­on macht einen ohnmäch­tig. Man versteht das alles gar nicht», sagt sie. Den Menschen in der Ukrai­ne fehle es am Notwen­digs­ten. «Es gibt vieler­orts keinen Strom und kein Wasser.» Als Nata­lia Moser im vergan­ge­nen Jahr eine Anfra­ge von ihrer Freun­din Lesja Berger aus dem Rhein­tal erreich­te, ob sie eine Sammel­ak­ti­on für Wachs­res­te star­ten könne, zöger­te sie keine Sekun­de. «Es ist nicht viel, das ich hier machen kann. Aber wenn ich helfen kann, dann helfe ich», sagt Moser.

Spezi­el­le Herstellungstechnik

Die Wachs­res­te werden in der Ukrai­ne gebraucht, um eine Art Hinden­burg­licht herzu­stel­len. Dieses wurde schon im Ersten Welt­krieg einge­setzt, um in Luft­schutz­bun­kern oder Schüt­zen­grä­ben für eine Notbe­leuch­tung zu sorgen. Die Kerzen­res­te werden via das Rhein­tal an Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen in der Ukrai­ne gelie­fert. Diese schmel­zen das Wachs ein und gies­sen es in leere Konser­ven­do­sen. Als Docht fungie­ren Karton­strei­fen, welche – teils spiral­för­mig oder als Paar – in den noch heis­sen Wachs geführt werden. Durch die spezi­el­le Herstel­lungs­tech­nik sollen die Kerzen für mehr Hellig­keit sorgen. «Licht und Wärme sind sehr wich­tig für die Menschen in der Ukrai­ne. Vor allem jetzt im Winter.» Die Kerzen werden gemäss Nata­lia Moser in ehren­amt­li­cher Arbeit gefer­tigt und kosten­los an die Bevöl­ke­rung verteilt. «Es ist eine einfa­che Sache mit gros­ser Wirkung.»

Pfar­rei koor­di­niert Sammlung

Schnell war für Nata­lia Moser klar, dass sie für die Akti­on Unter­stüt­zung bei der katho­li­schen Kirche sucht. In Pavel Zupan aus der Pfar­rei Berschis-Tscherlach hat sie eine wert­vol­le Unter­stüt­zung gefun­den. Zupan war sofort Feuer und Flam­me für das Projekt und koor­di­nier­te die Samm­lung fort­an. Der Trans­port wurde im Rhein­tal orga­ni­siert. Zu den 250 Kilo­gramm gesam­mel­ten Wachs­res­ten spen­de­te die Hong­ler Kerzen AG aus Altstät­ten noch­mals 250 Kilo­gramm Wachs und so fand im vergan­ge­nen Jahr schliess­lich eine  halbe Tonne Mate­ri­al den Weg in die Ukrai­ne. «Das Wohl­wol­len und die Unter­stüt­zung war riesen­gross. Ich hätte nie damit gerech­net, dass so viel Wachs zusam­men­kommt», sagt Nata­lia Moser. Sie hat in der Schweiz eine neue Heimat gefun­den. Ande­ren geht es nicht so. «Viele Menschen, die geflo­hen sind, wollen wieder heim.» Die Hilfs­ak­ti­on wurde diesen Novem­ber zum zwei­ten Mal durch­ge­führt. ­Nata­lia Moser ist dank­bar für die Hilfe aus der Pfar­rei und spricht zum Schluss noch eine ande­re wich­ti­ge Kompo­nen­te an: «Das Projekt zeigt den Menschen in der Ukrai­ne, dass sie nicht verges­sen werden.»

Die Sammel­ak­ti­on dauert bis Janu­ar. Wachs­res­te und Kerzen können an folgen­den Sammel­stel­len abge­ge­ben werden: Kath. Kirche Lauren­ti­us Flums; Kath. Kirche Johan­nes der Täufer Murg; Kath. Kirche Johan­nes Evan­ge­list Tscher­lach; Kath. Kirche Luzi­us und Florin Walen­stadt, Kath. Pfarr­amt Berschis, Allm­end­stras­se 16.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Regi­na Kühne
Veröf­fent­li­chung: 1. Dezem­ber 2023

«Traditionen stiften Identität»

Nicht nur der Advent und die Weih­nachts­zeit, sondern unser ganzes Leben ist von Tradi­tio­nen geprägt. Im Inter­view erklärt Manue­la Reiss­mann, Fach­ver­ant­wort­li­che der kanto­na­len Fach­stel­le Kultur­er­be St. Gallen, warum Tradi­tio­nen für unse­re Gesell­schaft wich­tig sind.

Wie entste­hen Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Wenn beispiels­wei­se bestimm­te Kennt­nis­se, Werte oder Über­zeu­gun­gen, Ereig­nis­se oder Tätig­kei­ten von mehre­ren Menschen regel­mäs­sig wieder­holt und weiter­ge­ge­ben werden, können sich daraus über den Zeit­raum von mehre­ren Gene­ra­tio­nen Tradi­tio­nen bilden. Die Grün­de für die Entste­hung von Tradi­tio­nen sind dabei sicher so viel­fäl­tig wie die Tradi­tio­nen selbst.

Was können solche Grün­de für neue ­Tradi­tio­nen sein?

Manue­la Reiss­mann: Die Alpwirt­schaft zum Beispiel brach­te verschie­de­ne Tradi­tio­nen hervor wie die Alpfahr­ten, Betru­fe und die Käse­pro­duk­ti­on. Das Wissen um land­wirt­schaft­li­che oder hand­werk­li­che Tech­ni­ken konn­te das Einkom­men sichern. Aus der Notwen­dig­keit von Hirten und Bauern, in den Bergen über weite Entfer­nun­gen zu kommu­ni­zie­ren, entstand das Alphorn­spie­len und vermut­lich auch der Jodel. Dann gibt es zahl­rei­che Bräu­che im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten, wie die Fasnachts­bräu­che zum Vertrei­ben des Winters. Und natür­lich spie­len auch die Reli­gio­nen eine wich­ti­ge Rolle bei der Entste­hung von Tradi­tio­nen, wie beispiels­wei­se das Chris­ten­tum beim Weih­nachts­fest, das heute in vielen Ländern gefei­ert wird.

Wann spricht man von einer Tradition?

Manue­la Reiss­mann: Hinter dem Begriff «Tradi­ti­on» verber­gen sich Bräu­che, Gepflo­gen­hei­ten, Fertig­kei­ten und Ausdrucks­for­men, die inner­halb einer Grup­pe oder Gemein­schaft gelebt, gepflegt und von einer Gene­ra­ti­on an die nächs­te weiter­ge­ge­ben werden. Tradi­tio­nen finden sich in verschie­de­nen Berei­chen und umfas­sen beispiels­wei­se Formen des Musi­zie­rens, Bräu­che und Kennt­nis­se in land­wirt­schaft­li­chen Berei­chen, Tradi­tio­nen im Zusam­men­hang mit den Jahres­zei­ten und hand­werk­li­che Fertig­kei­ten. Sie können unter ande­rem in Fami­li­en, durch Träger­schaf­ten wie Verei­ne, Berufs­grup­pen, reli­giö­se Gemein­schaf­ten sowie durch Gemein­den oder Regio­nen ausge­übt und weiter­ent­wi­ckelt werden.

Wie wich­tig sind Tradi­tio­nen für uns?

Manue­la Reiss­mann: Welche Bedeu­tung Tradi­tio­nen beigemes­sen wird, ist sehr unter­schied­lich. Für manche mag es eher nach etwas Verstaub­tem und Über­flüs­si­gem klin­gen, ande­re setzen sich inten­siv für ihre Bewah­rung und Über­lie­fe­rung ein. Bei den meis­ten Menschen dürf­te die Verbun­den­heit mit Tradi­tio­nen wohl irgend­wo dazwi­schen liegen. Grund­sätz­lich kann man aber sagen, dass Tradi­tio­nen Iden­ti­tät stif­ten und die Zusam­men­ge­hö­rig­keit in einer Gemein­schaft stär­ken sowie Orien­tie­rung und Stabi­li­tät vermit­teln können. Durch sie erhal­ten wir Infor­ma­tio­nen zu unse­rer Herkunft und Geschich­te und können somit aus der Vergan­gen­heit lernen und einen Nutzen für die Gestal­tung unse­rer Gegen­wart und viel­leicht auch Zukunft gewinnen.

Wie stark hängen Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen zusammen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen und Erwar­tungs­hal­tun­gen können auf verschie­de­ne Weise zusam­men­hän­gen. Dazu gehö­ren sicher die Erwar­tun­gen an Perso­nen einer Gemein­schaft, dass tradier­te Regeln, Gepflo­gen­hei­ten oder Prak­ti­ken beibe­hal­ten und fort­ge­führt werden. So haben viele Menschen bestimm­te Ritua­le, Abläu­fe und Spei­sen für das Weih­nachts­fest, vieles davon wurde über Gene­ra­tio­nen weiter­ge­ge­ben. Auch daran sind Erwar­tun­gen geknüpft, zum Beispiel Besinn­lich­keit und Gebor­gen­heit im Krei­se der Liebs­ten zu erfah­ren und zu bewah­ren. Es lässt sich wohl sagen, dass Erwar­tungs­hal­tun­gen dazu beitra­gen können, dass Tradi­tio­nen erhal­ten blei­ben oder aber auch dazu, dass sie abge­lehnt werden, zum Beispiel dann, wenn sie persön­li­chen Werten zu stark entgegenstehen.

Wann verän­dern sich Traditionen?

Manue­la Reiss­mann: Tradi­tio­nen müssen sich manch­mal ändern, um weiter fort­be­stehen zu können. Manch­mal endet eine Tradi­ti­on auch. Ob und wie sich Tradi­tio­nen ändern, hängt von verschie­de­nen Einfluss­fak­to­ren ab. Dies können beispiels­wei­se die bereits erwähn­ten Erwar­tungs­hal­tun­gen, neue tech­no­lo­gi­sche Errun­gen­schaf­ten oder kultu­rel­ler Wandel, verän­der­te Werte, Bedürf­nis­se und Lebens­wei­sen sein, die auf eine Tradi­ti­on wirken. Eben­so kann die kommer­zi­el­le oder touris­ti­sche Verwer­tung einer Tradi­ti­on diese verän­dern oder aber auch vermeint­lich authen­tisch erhal­ten. Das Inter­es­se der jeweils jünge­ren Gene­ra­ti­on an einer Tradi­ti­on sowie die Art, wie diese das Über­lie­fer­te für sich inter­pre­tiert, lebt und weiter­ent­wi­ckelt, ist eben­falls von gros­ser Bedeutung.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 23. Novem­ber 2023

Fröhliche Weihnachten für alle

Nicht alle schau­en Weih­nach­ten freu­dig entge­gen: Eini­ge fühlen sich einsam, kämp­fen mit ­finan­zi­el­len Engpäs­sen, sind gestresst wegen den Vorbe­rei­tun­gen oder befürch­ten fami­liä­re Konflik­te. Das Pfar­rei­fo­rum zeigt, wie Pfar­rei­en und Privat­per­so­nen an Heilig­abend für diese Menschen da sind.

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Leserfrage: Würden Sie wieder Theologie studieren?

Ein langer Prozess liess mich step by step auf dem drit­ten Bildungs­weg Theo­lo­gie studie­ren. Es war eine genia­le, ­inter­es­san­te Zeit, für die ich sehr dank­bar bin.

Ursprüng­lich war der Abschluss zur Theo­lo­gin nicht geplant. Er ist gewor­den dank vielen Menschen und Erfah­run­gen auf dem Weg. Da waren junge Menschen. Es waren Erfah­run­gen als Mutter, die mich den mütterlich-väterlichen Gott entde­cken lies­sen. Da waren aber auch die Menschen im Alters- und Pfle­ge­heim, die ich in den Tod beglei­ten durf­te. Die Not der ster­ben­den Menschen, die sich in Sätzen zeig­te wie: «Schwes­ter Judith, brin­gen Sie mir nie einen Pries­ter!» oder die Aussa­ge von Frau­en: «Wie schön, Sie dürfen eine theo­lo­gi­sche Ausbil­dung machen – ich wäre so gerne Pries­te­rin gewor­den» haben mich dazu gedrängt, den Abschluss zu machen. Ich woll­te und will den Menschen, denen Gott – einfach durch ihr Mensch­sein und beson­ders in der Taufe – die könig­li­che, prophe­ti­sche und pries­ter­li­che Würde ein für alle Mal zuge­spro­chen hat, Raum und Stim­me geben.

Die aktu­el­le Situa­ti­on in der Kirche?

Die Miss­brauchs­stu­die – sie hat mich nicht über­rascht. Ich verste­he die Menschen, die den Kirchen­aus­tritt geben. Dabei geht es nicht um den Austritt aus dem Glau­ben, es geht um die Unglaub­wür­dig­keit unse­rer kirch­li­chen Struk­tu­ren. Leider sind sich die Austre­ten­den oft nicht bewusst, dass sie damit haupt­säch­lich die Pfar­rei­en vor Ort schwä­chen, denn nur ein ganz klei­ner Teil der Kirchen­steu­er geht ans Bistum oder noch weiter. Ich bin aber auch für all jene dank­bar, die trotz allem blei­ben, uns so in der Pfar­rei­ar­beit unter­stüt­zen und dadurch Hoffnungsträger:innen sind. Die Welt­syn­ode, die momen­tan in Rom statt­fin­det: Was ich da erwar­te? Ein Wunder!

Warum ich immer noch in der Kirche arbeite?

Weil für mich der christ­li­che Glau­be das Poten­zi­al hat, Sinn und Hoff­nung in frohe und in schwie­ri­ge Lebens­si­tua­tio­nen zu geben. Und weil ich mich freue, in all diesen unter­schied­li­chen Situa­tio­nen Menschen beglei­ten zu dürfen. Weil da Menschen sind vor Ort, die mitein­an­der und fürein­an­der da sind. Weil ich dank­bar bin fürs Team, die Räte und Ehren­amt­li­chen, dass wir einan­der unter­stüt­zen. Weil da Menschen sind, die aufste­hen für not-wendende Refor­men in der Kirche. Ich denke an die Junia-Initiative, Maria 2.0, die Alli­anz gleich­wür­dig katho­lisch, «So nicht!» und viele mehr. Weil ich dank­bar bin für die vielen, die beten und mit denen ich beten darf und so im Vertrau­en auf Gottes Geist­kraft die Anlie­gen der Welt vor ihn brin­gen. Auch wenn immer wieder düste­re Wolken über der Kirche und unse­rem Leben krei­sen, so wünsche ich uns allen das Vertrau­en in die Lebens- und Liebes­kraft. Ich wünsche uns allen den Mut, für nöti­ge Verän­de­run­gen einzu­ste­hen und die Hoff­nung und Zuver­sicht, dass Gottes Geist­kraft uns begleitet.

Judith Romer-Popp
Seel­sor­ge­rin, Seel­sor­ge­ein­heit Steinerburg

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Veröf­fent­li­chung: 10. Novem­ber 2023

Adventsengel

Die 3. Ober­stu­fen­schü­le­rin­nen der Mait­li­sek Gossau haben für den Advent 2023 eine Advents­bei­la­ge für das Pfar­rei­fo­rum gestaltet.

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Halbwissen schafft Konflikte

Das Thea­ter St. Gallen bringt zwei Stücke zum Thema Tod auf die Bühne. Bei beiden spielt die Schau­spie­le­rin Diana Deng­ler eine tragen­de Rolle. Die Proben verlang­ten ihr eini­ges ab.

Diana Deng­ler kommt mit dem Velo. Sie wirkt ange­spannt, hat nur kurz Zeit. «Ich komme direkt von der Probe. Es sind inten­si­ve Tage», sagt sie. Ab Novem­ber spielt die in St. Gallen wohn­haf­te Schau­spie­le­rin die Haupt­rol­le im Stück «Die Ärztin» am Thea­ter St. Gallen. Ab Dezem­ber über­nimmt sie zudem eine Rolle in «Gott» nach dem Erfolgs­au­tor Ferdi­nand von Schi­rach. Beide Stücke brin­gen das Thema Tod und Selbst­be­stim­mung auf die Bühne. Themen, die Diana Deng­ler wich­tig sind, die ihr aber auch eini­ges abver­lan­gen: «Die Proben sind anders als sonst. Sie kosten mehr Kraft.» Man befas­se sich acht Stun­den am Tag mit der Thema­tik. «Das muss man aushal­ten können.» Deng­ler spielt mit einem Ensem­ble von zehn bezie­hungs­wei­se neun Perso­nen jegli­chen Alters. Die Ältes­ten sind an die 90 Jahre alt, die Jüngs­ten knapp voll­jäh­rig. «Bei allen löst die Thema­tik etwas aus.»

Gemein­sam erfahren

In den Stücken geht es um Fragen wie: Darf man seinem Leben ein Ende setzen, wenn man dessen über­drüs­sig ist? Wer entschei­det, wann ich ster­ben darf und wie der Tod auszu­se­hen hat? Oder: Wo sind die Gren­zen meiner Selbst­be­stim­mung? Die Themen sind Deng­ler nicht fremd. Sie hat selber bereits zwei Menschen beim Ster­be­pro­zess beglei­tet. «Ich habe Respekt vor diesen Themen. Aber es sind Themen, die unwei­ger­lich zum Leben gehö­ren», sagt sie. 

Die St. Galler Schau­spie­le­rin Diana Deng­ler befasst sich ­dieser Tage viel mit den ­Themen Tod und Selbstbestimmung.

Trotz der Schwe­re der Kost: Für die 55-Jährige haben die beiden Thea­ter­stü­cke auch etwas Befrei­en­des. «Man wird nicht allei­ne gelas­sen mit den Themen, hat einen gemein­sa­men Rahmen. Einen geteil­ten Raum. Es ist wie bei einem Gottes­dienst in der Kirche. Es ist ein gemein­sa­mes Erfah­ren. Man teilt Freud und Leid miteinander.»

Verste­hen lernen

Diana Deng­ler hofft und wünscht sich, dass die beiden Thea­ter­stü­cke nach­hal­tig wirken. «Dass sie eine Diskus­si­on in der Bevöl­ke­rung auslö­sen.» In den Stücken werden immer mehre­re Posi­tio­nen und Meinun­gen vertre­ten. «Alle Posi­tio­nen werden respekt­voll behan­delt und es gibt kein Schwarz und Weiss. Die verschie­de­nen Meinun­gen haben Platz. Es geht also darum, sich Gedan­ken zu machen und sich selbst zu reflek­tie­ren.» In den beiden Stücken geht es auch um den Zwie­spalt zwischen beruf­li­chen Verpflich­tun­gen und persön­li­chen Ansich­ten. Um Meinungs­ver­schie­den­hei­ten. Darum, das Gegen­über zu akzep­tie­ren. Dass es im Leben unter­schied­li­che Ansich­ten gibt, ist Diana Deng­ler klar. Man müsse lernen, das Gegen­über zu verste­hen und diesem zuzu­hö­ren. «Alles ist im Wandel. So auch die Kirche oder der Tod. Wissen macht es einfa­cher zu verste­hen. Halb­wis­sen schafft eine aggres­si­ve Haltung.» Um die Zuschaue­rin­nen und Zuschau­er auch nach dem Thea­ter­be­such nicht mit dem Thema allei­ne zu lassen, sind Gesprächs­rei­hen mit Exper­tin­nen und Exper­ten geplant. Denn: Egal wie man zum Tod steht und welche Meinung man über Ster­be­hil­fe hat: Das Wich­ti­ge ist, darüber zu reden. Die Themen betref­fen uns alle.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Regi­na Kühne
Veröf­fent­li­chung: 5. Novem­ber 2023

Adventsumfrage

Die Redak­ti­on des Pfar­rei­fo­rums will es wissen: Wie feiern Sie Weih­nach­ten? Welche Tradi­ti­on darf auf keinen Fall fehlen? Und wie könn­ten Sie sich Weih­nach­ten auch noch vorstellen?

Machen Sie mit bei unse­rer Umfra­ge. Die Antwor­ten finden Sie in der Dezember-Ausgabe.

Zur Umfra­ge

Autor: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 31. Okto­ber 2023

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