Die Seelsorgerin Bettina Flick erzählt, wie es ihr gelang, nach einem Umzug vom Toggenburg ins Linthgebiet neue Freunde zu finden.
Vor gut zwei Jahren bin ich berufsmässig vom Toggenburg ins Linthgebiet gezogen. Zuerst war die Versuchung da, meinen alten Wohnort mit Freunden und vielen guten Beziehungen nicht aufzugeben und lieber täglich zu pendeln.
Ich habe mich dann entschieden, ganz ins Linthgebiet zu ziehen und einen neuen Anfang zu wagen. Dieser Neuanfang ist nicht nur beruflich sehr geglückt. Natürlich hat mir mein Beruf als Seelsorgerin auch geholfen, Menschen kennenzulernen. Aber dass daraus in kurzer Zeit Freundschaften entstanden, hat wohl auch hauptsächlich mit zwei Haltungen zu tun: Die erste ist meine Entschiedenheit, mich am neuen Ort wirklich zu verwurzeln. Und die zweite ist meine Neugier.
Lieblingsorte kennengelernt
In den ersten Wochen habe ich überall herumgeschaut, was mir hier am neuen Ort Freude bereiten könnte. Ich habe das Internet genauso durchforstet wie die Kleinanzeigen bei den Supermärkten und im Bioladen, habe die Plakatwände studiert und immer mehr auch Menschen, die ich zufällig traf, angesprochen. Ich habe meinen Interessen entsprechend nach Wander- und Velowegen gefragt, mich erkundigt, wo es überall Hofläden gibt, und vieles auch besucht. Besonders die Frage nach einem Lieblingsplatz war ein richtiggehender «Tür-Öffner», gern haben mir ganz unterschiedliche Leute erzählt, wo sie sich gern aufhalten. Manche haben es mir auch gezeigt. Dann kam mein erster Geburtstag im Linthgebiet. Es wäre einfach und naheliegend gewesen, einen schönen Abend mit meinen alten Freundinnen und Bekannten zu gestalten. Aber ich nahm meinen Mut zusammen und lud nur neue Bekanntschaften von vor Ort ein. Es kamen viel weniger Gäste, als ich erwartet hatte. Ich hatte noch einige Zeit damit zu tun, die Gemüse-Sticks und die Kuchen selbst zu essen. Und doch war diese Einladung wie ein Signal: Die Menschen spürten, dass ich mich hier wirklich einlassen möchte.
Hilfe annehmen
Als ich vor einem halben Jahr einen Velounfall hatte, durfte ich erleben, wie das neue Netz trägt. Kaum war ich vom Spital daheim in meiner Wohnung, kam ein Anruf: «Bettina, ich mache gerade Risotto. Soll ich eine Portion für dich mitkochen und vorbeibringen?» Solange die vielfältigen Brüche noch nicht verheilt waren, haben mir Menschen Essen nach Hause gebracht, mich zum Arzt gefahren oder waren für mich einkaufen. Jemand bot mir sogar an, meine Wohnung zu putzen. Ich musste manchmal über meinen Schatten springen, um diese Angebote zu akzeptieren. Und zugleich hat auch jede Hilfe, die ich annehmen konnte, das Band der Freundschaft gestärkt. Entschiedenheit, Neugier und die Offenheit, sich beschenken zu lassen, haben mir geholfen, neue, wundervolle Freundschaften zu finden.
Im Dezember ist die Bereitschaft zu spenden grösser als sonst im Jahr. Wie grosszügig sind die Menschen in der Ostschweiz? Wie entwickelt sich das Spendenverhalten? Und wie wichtig sind inzwischen die digitalen Spende-Möglichkeiten und Influencer?
Die Menschen in der Ostschweiz sind besonders hilfsbereit und schätzen gemeinschaftliche Werte. Das schlägt sich in einem hohen Spendenengagement nieder», sagt Karin Schäfer, Geschäftsführerin von Miva (Bild oben). Das katholische Hilfswerk mit Sitz in Wil SG ist seit Jahrzehnten für ein unkonventionelles Spendenmodell bekannt: den Kilometer-Rappen. Er gilt als Dank für jeden unfallfrei gefahrenen Kilometer. Miva setzt sich seit 1932 dafür ein, die Lebensbedingungen in abgelegenen Regionen von Entwicklungsländern zu verbessern, indem sie Transportmittel für dort ansässige Hilfsorganisationen finanziert. Für miva ist der Dezember ein wichtiger Monat: «Es wird dann deutlich mehr gespendet als in anderen Monaten. Wir können im Dezember bis zu 30 Prozent der Spenden eines Jahres einnehmen», sagt Karin Schäfer. Die Gründe sind vielfältig. Einerseits verstärken viele Hilfswerke vor Weihnachten die Spendenaufrufe und machen mehr Werbung. «Andererseits sind die Menschen in der Weihnachtszeit besonders grosszügig und haben das Bedürfnis, anderen etwas Gutes zu tun.»
Miva: Benachteiligte Jugendliche in Tansania werden mit einem mobilen Ausbildungsbus unterrichtet und können dadurch eine berufliche Zukunft aufbauen, trotz ihrer schwierigen Lage.
Höchste Spendenbereitschaft
Beim Spenden gibt es regionale Unterschiede, wobei sich die Ostschweiz gemäss Schäfer am spendenfreudigsten zeigt. Sie spricht von beeindruckenden «87 Prozent der Haushalte». Gemäss der Miva-Geschäftsführerin ist die Spendenbereitschaft so hoch, dass man sagen könne, dass fast alle spenden: Frauen und Männer, Junge und Ältere, Stadt- und Landbewohner. «Unterschiede kann man am ehesten noch am Alter aufzeigen: Am spendenbereitesten sind Menschen über 55 Jahren, aber auch die jüngeren Altersgruppen zeigen wachsenden Einsatz und spenden heutzutage häufiger als früher.» Schäfer spricht generell von einer wachsenden Anzahl Spendern. «Es spenden mehr Menschen als früher, jedoch seltener, dafür mit höheren Beträgen.» Dabei wird in den vergangenen Jahren vermehrt für akute Nothilfe gespendet. «Ereignisse wie Kriege und Naturkatastrophen erhalten viel Aufmerksamkeit und lösen hohe Spendenbereitschaft aus. Der Anteil an solchen ‹ausserordentlichen› Einzelspenden nimmt stark zu», sagt Schäfer. Schwieriger sei es hingegen für die Entwicklungshilfe, die angesichts der omnipräsenten Krisen leicht in Vergessenheit gerät.
Miva engagiert sich seit 1932 für Menschen in Entwicklungsländern.
Onlinepräsenz ausbauen
Miva setzt nicht nur auf die klassischen Kommunikationsmittel, sondern hat auch die Onlinepräsenz stark ausgebaut, um neue Zielgruppen anzusprechen. «Onlinespenden nehmen von Jahr zu Jahr zu und machen bei vielen Hilfswerken bereits rund zehn Prozent des Volumens aus», so Schäfer. In den Sozialen Medien sieht sie denn auch eine Chance. «Künftig möchten wir gerne auch mit Influencern zusammenarbeiten, da sie sich das Vertrauen ihrer Follower bereits erarbeitet haben und damit sehr authentisch wirken können, wenn sie von einer guten Sache wie unseren Hilfsprojekten überzeugt sind.»
Neue Massnahmen testen
Im selben Spannungsfeld bewegt sich auch Caritas Schweiz. Sie versucht das Vertrauen in die Organisation über verschiedene Kanäle auf- und auszubauen. «Um am Puls zu bleiben und die Spender/-innen dort abzuholen, wo sie sich bewegen, testen wir stetig neue Massnahmen im Online- und Offline-Bereich», sagt Mediensprecherin Daria Jenni. Auch Caritas Schweiz verzeichnet einen steigenden Anteil digitaler Spenden am Gesamtspendenvolumen, wobei in Katastrophenfällen jeweils nochmals ein Anstieg erkennbar ist. Twint wird mittlerweile bei den Spenden über die Caritas-Website mit Abstand am häufigsten genutzt. Bei den Privatspenden sei die Ostschweiz vergleichbar mit dem Mittelland und der Zentralschweiz, so Jenni. Im Dezember führt Caritas Schweiz jeweils eine grosse Kampagne gegen Armut durch. Nicht ohne Resultat: «Der Dezember ist ein sehr spendenstarker Monat.». Caritas hat über die vergangenen Jahre ebenfalls einen Trend hin zu Spenden für Katastrophenhilfe und akute Krisen festgestellt. «Aber auch für die Menschen in der Schweiz wird weiterhin gespendet.»
Die Aktion Sternsingen konnte auch 2024 ein Spendenplus vermelden.
Sternsinger boomen
«Mit der vergangenen Aktion Sternsingen konnten wir bei den Spendenergebnissen wiederum ein leichtes Plus verzeichnen», freut sich Hanspeter Ruedl, Marketingleiter bei Missio Schweiz. Die Aktion Sternsingen ist die bekannteste Spendensammlung des katholischen Hilfswerks. Durchgeführt wird sie gemeinsam mit den Pfarreien, die meisten Sternsinger in der Schweiz sammeln für eines der Projekte von Missio. Anders war die Situation vor ca. 35 Jahren: «Da war der Sternsinger-Brauch ziemlich eingeschlafen und drohte auszusterben.» Seither erlebt der Brauch einen regelrechten Boom. Dies lässt sich nicht nur an der Beteiligung von über 10 000 Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren, sondern auch an wachsenden Spendenergebnissen festmachen. «Das besondere bei dieser Aktion ist sicherlich, dass Kinder für Kinder sammeln», sagt Ruedl, «wenn Kinder sich freiwillig für andere engagieren, da fällt es schwer, ihnen nichts zu geben.» Auch die Sternsinger erhalten Spenden vermehrt digital: «Die Sternsinger sind mit einer Büchse unterwegs, aber sie verteilen auch Flyer mit dem QR-Code für Twint-Spenden. Dieses Angebot wird immer mehr genutzt.»
Unzählige Influencer
Im Marketing setzen heute viele auf Influencer – hat auch Missio schon darüber nachgedacht? Hanspeter Ruedl lacht: «Wir überlegen uns tatsächlich gerade, einen Influencer aufzubauen, die oder den man mit unserer Arbeit verbindet und die oder der uns gegen aussen ein Gesicht gibt.» Vorerst sind es im Dezember und Januar die Sternsinger – unzählige Kinder und Jugendliche, die als «Influencer» schweizweit für Kinder in Not im Einsatz sind.
Im Kinderdorf in Tansania hat Lorena Knobel aus Gommiswald während sechs Monaten Kleinkinder betreut. Dabei hat die 18-Jährige nicht nur zu sich selbst, sondern auch zu Gott gefunden.
Wenn Lorena Knobel über die vergangenen Monate spricht, hört man die Freude aus jedem Wort. Das Leben der 18-jährigen Gommiswalderin hat sich Anfang dieses Jahres grundlegend geändert. Noch vor einem Jahr lebte die Teenagerin den Schulalltag an der Kantonsschule in Wattwil, hat dem Chemielehrer zugehört und sich im Sportunterricht ausgepowert. Dann hat sie sich entschlossen, die Schule zu verlassen. Auf der Suche nach einer Zwischenlösung stiess sie auf das Volontariatsprogramm Voyage Partage der katholischen Ordensgemeinschaften in der Schweiz und reiste nur vier Monate später als Volontärin nach Tansania ins Kinderdorf Mbingu. «Es ging sehr schnell. Aber zum Glück hat sich alles so ergeben.»
Englischunterricht im Dorf
Das Kinderheim wurde 2003 vom Schweizer Beat Wandeler mithilfe von Baldegger Schwestern gegründet. Lorena Knobel betreute während sechs Monaten gemeinsam mit sieben «Ersatzmamis» rund 30 Kinder zwischen einem Monat und sechs Jahren. Sie half mit bei der Pflege und Betreuung der Kinder, beim Waschen und Kochen. Einmal wöchentlich unterrichtete sie zudem 25 Kinder in Englisch in der etwas entfernten Dorfschule. Die meisten der betreuten Kinder im Heim haben mindestens einen Elternteil verloren.
Ziel ist es, ihnen ein Zuhause zu geben, bis sie selbstständig genug sind, um für sich selber sorgen zu können, und zu ihren Verwandten zurückkehren können. «Es sind traurige Schicksale. Aber im Alltag und in der geschützten Atmosphäre bekam ich nur vom Hörensagen davon mit», sagt Lorena Knobel, die in der Arbeit mit den Kindern Kraft schöpfte. «Die Zeit mit ihnen war prägend.» Lorena Knobel und die «Ersatzmamis» um die Kinder versuchten, den Kindern «einen möglichst unbeschwerten Start ins Leben zu ermöglichen und Freude in den Alltag zu bringen». Der Verein unterstützt nebst den «Ersatzmamis» auch den Ackerbau und die Landwirtschaft für die Selbstversorgung in der näheren Umgebung.
Schwieriger Start
Lorena Knobel beschreibt sich als offenen und unkomplizierten Menschen. Sie habe in Afrika wenig an die Schweiz und ihr Leben in Europa gedacht. Heimweh hatte sie nicht. «Ich durfte verschiedene Herausforderungen annehmen und fühlte mich immer herzlich und wohlwollend von den Einheimischen angenommen», sagt sie, verschweigt aber auch nicht, dass die Anfangszeit doch nicht ganz so einfach gewesen ist. «Ich habe Swahili nicht verstanden, das Learning by Doing hatte ich mir einfacher vorgestellt. Englisch wurde kaum gesprochen. Aber wir konnten immer wieder gemeinsam lachen. Es tut gut, zusammen zu lachen. Humor verbindet wirklich.» In Tansania begann Lorena Knobel, in der Bibel zu lesen. Und sie fand «Kraft und Erfüllung» darin. «Ich habe immer gedacht, der Glaube schränke uns in unserer Freiheit ein, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Ich habe mich noch nie so frei gefühlt wie jetzt in der Beziehung zu Gott.» Auch zurück in der Schweiz spielt der Glaube ein erstes Mal eine bedeutende Rolle in ihrem Leben. Die Zeit in Ostafrika hat Lorena Knobel geprägt und sie «als Mensch wachsen lassen», wie sie selbst sagt.
Ausbildung im Fokus
Im Sommer hat Lorena Knobel eine Lehre als Fachfrau Gesundheit an der Psychiatrischen Klinik Wil begonnen und konzentriert sich nun vorerst auf ihre Ausbildung. An die Zeit im Kinderheim und die Menschen in Tansania denkt sie aber immer gerne und oft zurück. Vor allem die Frage, was dereinst mit den Kindern passiert und wo sie der Weg hinführen wird, beschäftigt sie. Die Erfahrungen, die sie gemacht hat, wird sie ein Leben lang nicht vergessen. Für Lorena Knobel ist klar: Es soll nicht ihre letzte Reise nach Tansania gewesen sein.
Was fasziniert Kinder an Weihnachten? Und was können sich Erwachsene davon abschauen? Im Interview sprechen Pavel Zupan und Eliane Rusch aus der Seelsorgeeinheit Walensee über die Magie von Weihnachten und wo sich die Weihnachtsbotschaft im Adventstrubel findet.
Bei vielen Menschen sind mit Weihnachten eine Menge Kindheitserinnerungen verbunden. Was ist Ihre stärkste Erinnerung?
Pavel Zupan: Meine Familie kommt aus Slowenien. Dort brachte der Samichlaus am 6. Dezember die Geschenke, Weihnachten war in meiner Kindheit dann eher für das Familiäre und Religiöse reserviert. Ich erinnere mich an mich als 9‑Jährigen. Ich sah ein Stück der Bühne, in dem der Samichlaus mit dem Schlitten vorfuhr. Begleitet wurde er von zwei Teufeln, die Krampus heissen, und zwei Engeln. Bei den Teufeln merkte ich schnell, dass diese von Personen gespielt wurden. Bei den Engeln glaubte ich hingegen noch lange, dass sie echt gewesen waren. Das ist eine schöne Kindheitserinnerung. Gott ist ein Freund, der mir seine Engel schickt. Eine weitere Erinnerung ist ein Krippenspiel etwas später in der Schweiz. Ich spielte den Josef und meine Mutter hatte mir ein Gewand aus einem Stück Stoff genäht, das mein Grossvater in Slowenien noch selbst gewoben hatte. Das sind schöne Erinnerungen an den Glauben, die Familie und Freunde.
Eliane Rusch: Meine schönste Kindheitserinnerung ist die Mitternachtsmesse. Das war bei uns Tradition. Wir assen an Heiligabend zusammen, packten Geschenke aus und gingen danach in die Mitternachtsmesse. Noch wichtiger war aber, dass wir nach der Mitternachtsmesse alle zum Nani nach Hause gingen. Ihre Küche war immer voll mit Menschen. Es gab Kaffee und Guetzli und wir blieben lange bis in den 25. Dezember hinein wach. Mit lieben Menschen nach der Mitternachtsmesse zusammenzusitzen, ist mir bis heute wichtig.
Eliane Rusch, Religionspädagogin und Pavel Zupan, Seelsorger vom Pastoralteam Seelsorgeeinheit Walensee
Was können wir bezüglich Vorfreude auf Weihnachten bei Kindern abschauen?
Eliane Rusch: Das sind die Magie, Vorfreude, Spannung und der Nervenkitzel. Wer es schafft, diese Dinge ins Erwachsensein zu transportieren, kann nicht anders, als sich auf Weihnachten zu freuen.
Pavel Zupan: Wir können uns alles bei Kindern abschauen. Ich bewundere an Kindern immer, wie anders als Erwachsene sie staunen können, etwa über das Geheimnis von Weihnachten, das sich in vielen Dingen ganz unterschiedlich zeigt.
Wie lässt sich diese kindliche Vorfreude bewahren?
Eliane Rusch: Es gibt verschiedene Angebote seitens der Kirche, wie neu zum Beispiel Kirche Kunterbunt. Diese richtet sich an Familien. Unter dem Titel «Säg emol Stern» ist dieses Jahr das Thema im Advent «Stern als Wegweiser – Die Geburt Jesu als Sternstunde für die Menschheit – Sternstunden im Leben». Die Familien besuchen keinen typischen Gottesdienst, sondern treffen sich, bekommen Inputs und setzen sich mit ihren eigenen Gedanken auseinander. Es ist weniger ein Sich-Berieseln-Lassen wie in einem klassischen Gottesdienst. Das spricht vielleicht den einen oder anderen an. Allerdings gibt es Kirche Kunterbunt bei uns erst seit Kurzem. Ich wünsche mir, dass wir damit zum fixen Begleiter für Familien in der Adventszeit werden.
Pavel Zupan: Wir sind eine ländliche Region. Das Krippenspiel und das Sternsingen sind bei uns wirklich gut besucht. Es sind niederschwellige Angebote. Alle können mitmachen. Beides erinnert uns daran, worum es an Weihnachten geht.
Das wäre?
Pavel Zupan: Für mich ist es die Botschaft der Engel an die Hirten. Sie sollen sich nicht fürchten, sondern spüren, dass sie nicht alleine sind. Das ist gerade an Weihnachten wichtig, weil in dieser Zeit bei vielen Menschen die grossen Fragen des Lebens auf den Tisch kommen. Einige haben vielleicht gerade jemanden verloren und trauern. An Weihnachten steht die Botschaft im Mittelpunkt, dass wir nicht alleine sind. Gott wird aus Liebe Mensch und möchte uns nahe sein. Das gibt uns Hoffnung.
Eliane Rusch: Da kann ich nur zustimmen. Gott ist einer, der mit uns mitgeht und bei uns Menschen sein möchte.
Pavel Zupan: Kinder im Religionsunterricht erwarten im Advent etwas Besonderes.
Wie können wir uns die Weihnachtsbotschaft stärker bewusst machen?
Eliane Rusch: Mir persönlich hilft es, in der Adventszeit noch bewusster in einen Gottesdienst zu gehen. Die Roratefeiern berühren mich jedes Mal. Auch die dunklen Kirchen und das Kerzenlicht etwa an der Mitternachtsmesse sprechen mich an. Die mystische Stimmung zeigt, da passiert etwas Wundervolles. Ausserdem nutze ich für mich Online-Adventskalender wie zum Beispiel den Podcast «Advent online», die mir regelmässig Gedanken mit auf den Weg geben. Als Familie musizieren und singen wir im Advent gemeinsam. Am Adventssonntag darf immer ein Kind eine Kerze anzünden. Wir üben Lieder für Weihnachten und basteln Geschenke.
Pavel Zupan: Mich sprechen ebenfalls die Rorategottesdienste mit dem anschliessenden Brotbrechen und gemeinsamen Frühstück an. Persönlich versuche ich, im Advent morgens immer eine Kurzandacht zu lesen. Das hilft mir, mich zu erden. Als Religionslehrer habe ich auch festgestellt, dass meine Schulkinder in der Adventszeit etwas Besonderes erwarten. Wir gehen dann zum Beispiel in die Kirche oder an andere Orte.
Weihnachtsmärkte, viel Deko und Geschenkewahn: Weihnachten und Kommerz gehören zusammen. Oder nicht?
Eliane Rusch: Wenn ich meine Primarschülerinnen und ‑schüler im Religionsunterricht frage, auf was sie sich an Weihnachten freuen, nennen sie meist als erstes Geschenke. Hake ich dann aber nach, merke ich, dass sie die Hintergründe des Festes schon kennen. Das zeigt mir, dass die Weihnachtsbotschaft nicht vergessen ist. An erster Stelle stehen aber die Geschenke, dann kommt das Familienfest und dann die religiöse Bedeutung.
Pavel Zupan: Ja, Geschenke stehen definitiv an erster Stelle. Was mich aber regelmässig positiv überrascht, etwa, wenn ich mit meinen Schulkindern oder verschiedensten Menschen spreche, ist, dass hinter all den Geschenken immer eine Sehnsucht steckt. Es ist die Sehnsucht, nach schönen Momenten mit der Familie und Freunden. Diese tragen uns, und davon können wir zehren. Unsere Gesellschaft weiss also, dass es an Weihnachten um Tieferes geht und um Dinge, die wir eben nicht kaufen können. Hier sehe ich eine grosse Chance für uns als Kirche.
Zur Katholischen Kirche gehören die verschiedensten Nationen. Was können wir voneinander abschauen?
Pavel Zupan: Wir sollten das, was verschieden ist, miteinander teilen und uns bewusst machen, was uns vereint. Ich mag beispielsweise Gottesdienste, in denen verschiedene Elemente aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen. Ich habe auch eine persönliche Weihnachtstradition, die ich gerne mag: Ein typisch slowenisches Weihnachtsgericht ist Potica, ein Kuchen, der an einen Marmorkuchen erinnert. Man teilt ihn mit anderen und spricht über Erinnerungen.
Eliane Rusch: Das sehe ich aus so. Die verschiedenen Bräuche und Rituale zeigen uns, worum es an Weihnachten geht. Das Vereinende und Tragende ist für mich das Zusammenkommen und das gemeinsame Feiern der Geburt von Jesus.
Alle Angebote, Gottesdienste und Veranstaltungen in der Seelsorgeeinheit Walensee auf www.sesowa.ch in der Rubrik Aktuelles
Ana und Marko Frković aus Goldach erzählen, wie sie mit ihren vier Kindern an Weihnachten kroatische und schweizerische Traditionen kombinieren.
Wenn Ana und Marko Frković von Weihnachten in Kroatien erzählen, fallen oft die Worte Familie und Gemeinschaft. «Es ist das Fest, an dem es darum geht, glücklich und zusammen zu sein», sagt Marko Frković. Ein ungeschriebenes Gesetz sei, dass an Weihnachten keine Meinungsverschiedenheiten herrschen sollten. «Das ist auf alle Fälle eine meiner Kindheitserinnerungen. An Weihnachten gab es automatisch Ruhe von allen Reibereien etwa zwischen zwei Personen.» Vor acht Jahren haben Ana und Marko Frković geheiratet. Dafür ist Marko Frković von Kroatien, wo er in dem Ort Gospic lebte, zu seiner Frau nach Goldach gezogen. Die 32-Jährige hat ebenfalls kroatische Wurzeln und ist in der Ostschweiz aufgewachsen. «Für uns beide ist Weihnachten ein grosses Familienfest. Darum ist es schade, dass wir beide hier keine Verwandten mehr haben. Sie sind zurück nach Kroatien gezogen», sagt sie.
Trubel und Freude
Ana und Marko Frković gestalten die Advents- und Weihnachtszeit dennoch als Familienfest, einfach im kleineren Rahmen. Mit ihren vier Kindern Magdalena, Marija, Terezija und Josip, die zwischen eineinhalb und sechs Jahre alt sind, kombinieren sie schweizerische und kroatische Weihnachtstraditionen. «Mit den Kindern ist es derzeit sowieso Freude und Trubel in einem, Weihnachten zu feiern», sagt Ana Frković und fügt an, dass sie spontan schauen müssten, welche Weihnachtsprogrammpunkte gerade passen würden oder was zu viel sei. Fest steht aber, dass zu Weihnachten traditionell kroatische Gerichte wie Sarma – Rouladen aus Hackfleisch und Sauerkraut – genauso wie auch Raclette gehören können.
Jeden Morgen zur Rorate
Zu den Weihnachtstraditionen zählen Ana und Marko Frković die Rorate in der Adventszeit. Marko Frković sagt: «Wir feierten diese in Kroatien allerdings jeden Morgen. Und es musste jeweils mindestens eine Person pro Familie hingehen. Genauso wichtig ist es, die Mitternachtsmesse an Heiligabend zu besuchen.» Ana Frković ergänzt: «Für uns steht an erster Stelle, dass Weihnachten ein religiöses Fest ist, an dem wir die Geburt von Jesus feiern.» Daran erinnert auch die Krippe, die sie unter ihrem Weihnachtsbaum aufstellen. Letzterer wurde und wird in Kroatien allerdings häufig etwas anders besorgt als hier: Ana und Marko Frković erinnern sich daran, wie in ihren Familien die Männer dafür zuständig waren, am 24. Dezember den Tannenbaum zu fällen. «Dafür gingen mein Vater oder Grossvater in einen Privatwald und schlugen die Tanne gleich selbst. Die Frauen bereiteten dafür die traditionellen Gerichte für das Abendessen vor», sagt der 40-Jährige. Auch der 25. und 26. Dezember werden in Kroatien mit der Familie verbracht. «Diese Besuche fallen hier bei uns jetzt zwar weg. Aber wenn wir in die Kirche gehen, spüren wir, dass wir Teil einer Gemeinschaft sind», sagt er.
Sr. M. Veronika Kucharova hat im Archiv des Klosters Magdenau (Wolfertswil) einen besonderen Fund gemacht: 30 Theaterstücke über den turbulenten Klosteralltag, die Sr. Sophia zwischen 1937 und 1947. verfasste und im Kloster zur Aufführung brachte.
Sr. M. Veronika Kucharova zieht aus einem Schuber mehrere Manuskripte. Auf einem prangt der Titel «Die Wiedereröffnung der Klosterapotheke im Kloster Magdenau». Im Stück wirken mit: eine Doktorin und drei Patienten. «In dieser lustigen Geschichte geht es um eine Klosterfrau, die als Doktorin drei Patienten behandeln will – und zwar alle mit Wermut», fasst Sr. Veronika zusammen. Es ist eine fiktive Geschichte, aber sie nimmt humorvoll Bezug auf die strenge Auslegeordnung einer klösterlichen Klausur, die jeden Kontakt gegen aussen verbietet, so wie sie das Konzil von Trient gefordert hat.
Sr. M. Veronika fand im Klosterarchiv dreissig Theaterstücke.Für jedes Theaterstück wurde ein Titelbild gezeichnet.
Von Kreativität beeindruckt
Beim Gespräch mit Sr. Veronika merkt man sofort: Die Ordensfrau hat sich akribisch mit der dichtenden Nonne Sr. Sophia beschäftigt. Voller Begeisterung schüttelt sie Episoden und Details aus deren Leben, Stücken und dem Klosteralltag Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Ärmel. Aktuell schreibt sie an der Universität Wien eine Masterarbeit über sie. «Mich beeindruckt ihre Kreativität», sagt Sr. Veronika. Sie ist im Kloster für das Archiv zuständig. Als sie dort auf die Theaterstücke stösst, ist ihr Interesse sofort geweckt: «Ich trat 1993 ins Kloster Magdenau ein», erzählt die gebürtige Tschechin, «ich kann mich erinnern, dass wir damals die Todesanzeige von Sr. Sophia aus Dänemark erhalten haben.»
Sr. Veronika: «Die Theaterstücke geben Einblicke in den damaligen Klosteralltag.»
Humorvolle Stücke
Die Theaterstücke von Sr. Sophia dokumentieren den Alltag im Kloster, aber auch ein Stück Zeit- und Ordensgeschichte. «Die Stücke sind nicht nur spirituell, sondern auch sehr humorvoll», hält Sr. Veronika fest. Die Schwestern schlüpften oft auch in Männerrollen. Aufgeführt wurden die Theaterinszenierungen jeweils zum Wahltag der Äbtissin. Den Dokumenten ist zu entnehmen, dass für die Proben und Requisiten ein grosser Aufwand betrieben wurde. «Aufgeführt wurden die Stücke aber nur für die Schwestergemeinschaft», so Sr. Veronika. Ausgewählte Gäste durften dem Stück durch das Gitter der Klausur beiwohnen. «Die Stücke sollten Identität stiften, aber auch unterhalten.» Die Stücke entstanden mitten in der Zeit des Zweiten Weltkrieges. «Dies kommt in den Stücken aber nie explizit vor», sagt Sr. Veronika, «damals lebten 70 Schwestern im Kloster, wahrscheinlich war die Angst zu gross, dass etwas davon nach draussen dringt und die Gemeinschaft in Bedrängnis bringen könnte.»
Oft spielten die Ordensfrauen auch Männerrollen.
Ein Zeichen setzen
Das Klosterarchiv enthält 30 Theaterstücke aus der Feder von Sr. Sophia. «Da in manchen Schriften auch noch andere Stücke erwähnt sind, die ich nicht im Archiv finden konnte, muss man davon ausgehen, dass im Kloster Magdenau auch andere Schwestern Theaterstücke geschrieben haben.» Dass Sr. Veronika die Theaterstücke zum Thema ihrer Masterarbeit an der Universität Wien gewählt hat, kommt nicht von ungefähr. Ihr geht es darum, ein Zeichen zu setzen: «Während die Archive der Männerklöster gut erforscht sind, hat sich noch kaum jemand mit den Archiven der Frauenklöster beschäftigt.»
Von Flawil nach Dänemark
Die Flawilerin Hulda Gimmi tritt 1924 ins Kloster Magdenau und nimmt den Ordensnamen Maria Sophia an. 1950 wird die sprachbegabte Ordensfrau als Priorin in ein Zisterzienserkloster in Dänemark berufen. Auch dort soll sie geschrieben haben, es sei überliefert, dass in Dänemark Musicals von ihr aufgeführt wurden. Im Kloster Magdenau hingegen scheint nach dem Wegzug von Sr. Sophia die Tradition der Theaterstücke nicht fortgeführt worden zu sein. Auch heute werden im Kloster Magdenau keine Theaterstücke aufgeführt. Die über 80 Jahre alten Drehbücher enthalten laut Sr. Veronika eine wichtige Botschaft: «Für mich wird darin ganz deutlich sichtbar, welche Früchte der christliche Glaube tragen kann, wenn er ganzheitlich gelebt wird und alle ihre persönlichen Begabungen einbringen können.» Mit ihrer Masterarbeit möchte sie einen Beitrag dazu leisten, dass die aussergewöhnliche Ordensfrau nicht vergessen geht.
Zu traditionell polnischen Weihnachten gehören zwölf Gerichte. Geschenke kann nebst dem Christkind auch ein Stern bringen. Und wie in Polen üblich, lässt Magdalena Jenek zusammen mit ihrer Familie am Weihnachtstisch immer einen Platz für einen unerwarteten Gast frei.
«Weihnachten war für mich als Kind immer wie ein Märchen», sagt Magdalena Jenek. «All die Vorbereitungen, der Schnee und die Mitternachtsmesse in der Kirche, zu der das ganze Dorf mit Laternen unterwegs war.» Die 39-jährige gebürtige Polin sitzt an ihrem Esstisch im Thurgauischen Steinebrunn. Sie zeigt auf ihren Arm und sagt: «Wenn ich nur schon an Weihnachten denke, bekomme ich Gänsehaut.» In der Ostschweiz lebt Magdalena Jenek seit 20 Jahren. Sie engagiert sich im Bistum St. Gallen als polnische Vertretung im Missionsrat St. Gallen-Thurgau und besucht in der Kapelle Untere Waid in Mörschwil die polnischen Gottesdienste. In die Ostschweiz gezogen ist sie, weil sie sich während eines Besuchs bei ihrem Onkel, der Priester in Flums ist, in ihren späteren Mann verliebte. «Und weil mein Mann ebenfalls ursprünglich aus Polen ist, teilen wir all die vielen polnischen Weihnachtstraditionen», sagt sie.
Versöhnung, Liebe und Frieden
Obwohl es noch ein paar Wochen bis Weihnachten dauert, hat Magdalena Jenek extra für das Interview einige polnische Oblate besorgt. Die dünnen Teigplättchen, auf denen Maria, Josef und das Jesuskind in der Krippe abgebildet sind, dürften an Weihnachten auf keinen Fall fehlen. «Es ist eine der wichtigsten Traditionen», sagt sie und erzählt, wie sich an Heiligabend die ganze Familie am Tisch versammelt. Es wird eine Caritas-Kerze angezündet, gebetet und im Evangelium gelesen. Danach verteilt das Familienoberhaupt an alle Anwesenden Oblate. «Alle gehen mit ihrer Oblate zu den anderen Familienmitgliedern, brechen ein Stück ab und wünschen ihrem Gegenüber etwas. Das ist ein Zeichen von Versöhnung, Liebe und Frieden», sagt sie. Anschliessend beginnt das Weihnachtessen, das aus zwölf verschiedenen Gerichten besteht. «Und dieses Essen hat man sich verdient», sagt Magdalena Jenek und erzählt, wie man in Polen am 24. Dezember tagsüber fastet und schon früh am Morgen mit der Zubereitung der Speisen beginnt. Der Baum muss geschmückt und der Tisch speziell gedeckt werden: Die weisse Tischdecke liegt auf Heu, das daran erinnern soll, dass Jesus arm in einem Stall zur Welt kam. Zudem bleibt immer ein Platz für einen unerwarteten Gast frei. «Niemand soll an Weihnachten alleine sein. Ausserdem erinnert uns der freie Platz einerseits an jene Personen, die verstorben sind. Andererseits lässt er uns an Maria und Josef denken, die nirgendwo einen Unterschlupf fanden», sagt sie.
Für jeden Apostel ein Gericht
Auf die zwölf Gerichte angesprochen, lacht Magdalena Jenek und sagt: «Ja, zwölf Gerichte müssen es sein, denn sie symbolisieren die zwölf Apostel.» Nach Suppen, Teigtaschen, Sauerkraut, Heringsalat, Knödel, Trockenfrüchtekompott und vielem mehr werden Weihnachtslieder gesungen und Geschenke verteilt. «Bei uns können entweder Engel, das Christkind, ein Stern oder ein Weihnachtsmann Geschenke bringen. In meiner Familie war es immer der Stern», sagt sie. Wird es Zeit für die Mitternachtsmesse, macht sich die Familie gemeinsam auf den Weg. «In meinem Heimatort Nosow waren das immer zwei Kilometer, die wir durch Dunkelheit und Kälte liefen. Aber unsere Herzen waren voller Freude und Wärme, weil Gott so nah bei uns war. Das war immer ein wunderschönes Erlebnis.»
Einen Platz freihalten
Der erste und zweite Weihnachtstag werden in der Familie verbracht und an jedem Tag wird eine Messe besucht. «Wir Kinder führten dann jeweils jedes Jahr ein Krippenspiel auf», sagt Magdalena Jenek. Nach Weihnachten habe der Priester alle Familien besucht. «Es wurde geredet, gebetet und das Haus gesegnet. Man lernte sich besser kennen, was die Gemeinschaft stärkte.» Dann erinnert sie sich spontan daran, wie der Priester jeweils die Hefte der Kinder aus dem Religionsunterricht anschaute und lobte. In Polen ist der Grossteil der Bevölkerung katholisch. «Und in meinem Dorf waren wohl praktisch alle katholisch und die Weihnachtstraditionen stark verankert. Weihnachten ist das Fest, das uns daran erinnert, dass Gott Mensch wurde und für uns geboren, gestorben und auferstanden ist», sagt Magdalena Jenek. Viele Weihnachtstraditionen versucht sie auch heute in der Ostschweiz zusammen mit ihrem Mann und Sohn weiterzuführen. «Wir haben auch immer einen Platz für einen unerwarteten Gast und vor zwei Jahren kam tatsächlich ein Nachbar vorbei», sagt sie. Und natürlich beginnen wir das Weihnachtsfest, wie in Polen üblich, dann, wenn am Himmel der erste Stern erscheint.
Die Katholikin Sarah Soosaipillai aus Rorschach erzählt, wie sie als Kind in ihrer südindischen Heimat Weihnachten feierte und welche Bräuche sie bis heute beibehalten hat.
«Zu Weihnachten in Südindien gehört auf alle Fälle ein Kreuz aus frittiertem Teig», sagt die Rorschacherin Sarah Soosaipillai. Und schon steckt die 51-Jährige mitten in ihren Kindheitserinnerungen an die Advents- und Weihnachtszeit. Schon eine Woche vor Heiligabend ging es mit den Weihnachtsvorbereitungen jeweils los. Als Erstes formte ihre Grossmutter das erwähnte Kreuz aus frischem Teig und frittierte dieses. «Dann folgten frittierte Süssigkeiten und herzhafte Speisen wie Kallal, Ladoo und Muruku», sagt sie. Sarah Soosaipillai lebt seit über 20 Jahren in der Ostschweiz. Sie ist Katholikin. In Indien gehören 2,3 Prozent aller Menschen dem Christentum an. Das frittierte Teigkreuz ist auch hier Teil jedes Weihnachtsfests mit ihrem Mann und ihren zwei Töchtern. «Meine Grossmutter brach das Kreuz nach der Mitternachtsmesse in kleine Stücke und jedes Familienmitglied bekam eines davon», sagt sie.
Als Chor von Tür zu Tür
Die Tage vor Weihnachten sind für Sarah Soosaipillai die Zeit, in der man sich auf die Geburt von Jesus vorbereitet. Es ist ein Ereignis, das Hoffnung auf Frieden verspricht. «Diese Vorfreude teilt man in Indien mit der Gemeinschaft und der Nachbarschaft», sagt sie und nennt als Beispiel «Carol Singing». Dabei gehen Chöre von Tür zu Tür der katholischen Familien, um Spenden für einen guten Zweck zu sammeln. Die Familien bedanken sich mit kleinen Geschenken oder Süssigkeiten. «Süsses oder Gebäck schenkten wir auch unseren hinduistischen Nachbarn in meiner Heimatstadt Erode im Bundesstaat Tamil Nadu. Im Gegenzug bekamen wir von ihnen etwas, wenn sie das Lichterfest Diwali feierten.» Auch Krippen spielen in Sarah Soosaipillais Weihnachtserinnerungen eine wichtige Rolle. Sie lacht und erzählt, wie die Familien in ihrer Nachbarschaft in den Tagen vor Weihnachten wirklich grosse Krippen zu Hause aufbauten. Nach Weihnachten besuchte der Seelsorger jeweils alle Familien und zeichnete die drei schönsten Krippen aus. «Danach kamen alle Nachbarn vorbei, um die Krippen anzuschauen.»
Gewürze für den Advent
Gerade im Advent vermisst Sarah Soosaipillai vieles aus ihrer Heimat, etwa die Gewürze und Gerüche. Während des Dezembers verkauft sie daher an ihrem Stand auf dem Marktplatz in Rorschach samstags nebst Mittagsmenüs auch Gewürzmischungen, deren Zubereitung sie von ihrer Mutter und Grossmutter gelernt hat. In die Schweiz kam Sarah Soosaipillai wegen ihres Mannes, der ursprünglich aus Sr. Lanka stammt. Hier arbeitet sie aktuell als Betreuerin in der Tagesbetreuung Rorschach. Zudem engagierte sie sich im Pfarreirat sowie im Elternrat an der Primarschule ihrer Töchter, organisierte freiwillige Turnstunden für Kinder und gab Kochkurse für Erwachsene. Seit sechs Jahren führt sie den Cateringdienst und den Take-away-Imbiss «Sarahs Indian Kitchen».
Karten als Christbaumschmuck
Nach Indien ist Sarah Soosaipillai über die Weihnachtstage mit ihrer Familie noch nie gereist. «Die Ferien sind zu kurz für so eine lange Reise», sagt sie. Dafür besucht sie mit ihrer Familie jeweils die Mitternachtsmesse in der katholischen Kirche in Rorschach. «Die Mitternachtsmesse gehörte auch in Indien zum Heiligabend. Der Unterschied ist aber, dass sie in Indien wirklich um Mitternacht und nicht schon um 22 Uhr, wie vielerorts hier, gefeiert wird», sagt sie. Eine Krippe gehört für Sarah Soosaipillai heute noch zu Weihnachten dazu sowie Gebete vor der Krippe. «Und wir haben natürlich einen Weihnachtsbaum mit der üblichen Dekoration», sagt sie und fügt an: «Das fand ich früher fast schöner: Meine Mutter und Grossmutter schmückten den Weihnachtsbaum jeweils mit Postkarten, die uns Verwandte und Freunde in der Adventszeit geschickt hatten. Das war definitiv eine andere Zeit.»
Martin Dietrich wirkt in diesem Jahr schon zum dritten Mal als heiliger Martin mit seinem Pferd beim Martinsumzug durch Walenstadt mit. Warum ist er Fan vom heiligen Martin?
«Viele Kinder freuen sich beim Umzug besonders über das Pferd. Wenn das Wetter gut ist, dann nehmen wir uns auch Zeit, damit sie Fotos mit dem Pferd machen können. Der Umzug ist für unser Pferd ein gutes Training: Es lernt, sich besser zu konzentrieren und sich nicht so schnell ablenken zu lassen. Ich heisse selbst Martin, es ist ein besonderes Gefühl, am Umzug als heiliger Martin dabei zu sein. Der heilige Martin war ein Soldat, ich trage als Kostüm ein Kettenhemd, das ist zehn Kilogramm schwer. Es ist etwas Besonderes, mit meinem Pferd den Umzug anzuführen und mit den vielen Kindern und Erwachsenen durch das Städtchen von Walenstadt unterwegs zu sein. Der heilige Martin hat die Menschen zum Teilen motiviert. Diese schöne Botschaft wäre auch für die heutige Zeit echt wichtig.»
In vielen Orten gibt es Räbeliechtli-Umzüge, in Walenstadt orientiert er sich am heiligen Martin. Der Umzug startet beim Primarschulhaus. Wer mag, kann seine eigene Laterne mitbringen. Mit Trompetenmusik ziehen alle zur katholischen Kirche. Dort hören sie am Feuer die Geschichte vom heiligen Martin. Anschliessend gibt es Wienerli und Punsch. Die Kinder erhalten von Martin und seinen Helfern ein kleines Geschenk.
Der heilige Martin lebte vor mehreren Jahrhunderten. An einem kalten Tag begegnete er einem frierenden Bettler. Er hatte Mitleid, deshalb teilte er seinen Mantel und gab ihm ein Stück davon. Am 11. November erinnern sich die Menschen an ihn. Bastelvorlagen, Lieder, Rezepte für Gebäck und Getränke rund um den heiligen Martin kannst du hier downloaden: www.martin-von-tours.de
In vielen Pfarreien wird die Gottesdienstgemeinde zunehmend kleiner. Gefragt sind neue Gottesdienstformen und ‑zeiten. Pfarreien im Bistum St. Gallen wagen deshalb jetzt neue Wege.
Es ist längst kein Geheimnis mehr: In vielen Pfarreien wird die Gottesdienstgemeinde immer kleiner. Hinzu kommen nicht selten personelle Engpässe. Vor allem Priester fehlen. Wie künftig genügend Eucharistie feiern? Dies stellt die Pfarreien zunehmend vor ein Problem. «Wir alle merken, dass es so nicht weitergehen kann. Einfach zusehen und abwarten ist für uns keine Alternative mehr», sagt Philipp Wirth, Pfarreibeauftragter der Seelsorgeeinheit (SE) Steinerburg. Diese hat auf das aktuelle Kirchenjahr hin die Gottesdienstordnung angepasst. Die Eucharistiefeier am Samstagabend in Steinach wurde gestrichen. «Wir konnten nicht mehr alle Gottesdienste aufrechterhalten», erklärt Wirth. Genauso tönt es aus der Stadt St. Gallen. In den Pfarreien St. Georgen, Riethüsli und St. Otmar, die räumlich nahe beieinander liegen, wurde die Gottesdienstordnung ebenfalls angepasst. Seit diesem Jahr finden pro Wochenende nur noch zwei statt drei klassische Sonntagsgottesdienste statt. Eine direkte Auswirkung des Priestermangels und der immer kleiner werdenden Festgemeinde, wie die Pfarreibeauftragte Barbara Walser sagt.
Anpassungen bedürfen Mutes
Gottesdienst streichen und gut ist? Ganz so einfach ist es nicht. Wenn Zeiten angepasst oder gewohnte Feiern gestrichen werden, ist das immer auch mit Kritik verbunden. Erich Guntli, Pfarrer in der SE Werdenberg, spricht von einem Spannungsfeld. «Viele Gläubige reduzieren das kirchliche Leben auf Gottesdienstbesuche. Und der Grossteil will, wenn überhaupt, am Sonntag um 10 Uhr in die Kirche.» Anpassungen bedürften Mutes, so Guntli. Auch Barbara Walser hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Der Sonntagsgottesdienst sei vor allem für traditionelle Gläubige noch heilig, so Walser. Sie verschweigt aber auch nicht, dass die Kirchen in ihrem Gebiet häufig ziemlich leer sind. «Manchmal predigen wir vor 20 Gläubigen. Wie soll da noch eine feierliche Stimmung aufkommen?» Walser fragt dies rhetorisch. «Es gibt eben auch viele, die andere Formen der Gemeinschaft suchen», sagt sie. Dompfarrer Beat Grögli ist in einer komfortableren Situation. Die Kathedrale St. Gallen ist eine Zentrumskirche, die Gläubige aus der ganzen Region anzieht. Trotzdem gab es auch hier Anpassungen. Nach den Sommerferien wurde die Frühmesse vom Mittwoch auf den Abend um 17.30 Uhr verlegt. Die Frühmesse vom Dienstag ist neu in der Gallus-Krypta. «Wir müssen innovativ bleiben – in den Zeiten und in den Orten. Wenn wir während der normalen Arbeitszeit Gottesdienste anbieten, schliessen wir einen grossen Teil der Gläubigen grundsätzlich und bereits von Beginn an aus. Und das wollen wir nicht», erklärt der Dompfarrer. «Die Gottesdienstzeit ist ziemlich entscheidend.»
Wieder mehr Nähe schaffen
Die Pfarreien, und mit ihnen die Gläubigen, müssen sich der veränderten Realität stellen. Die Lösung sind unter andem neue Gottesdienstformen. Wirth sieht in der notwendigen Anpassung denn auch eine Chance: «Wo etwas verschwindet, wird immer Platz geschaffen für Neues. Wir versuchen, trotz weniger Gottesdienste, näher an die Menschen heranzukommen. Mit neuen Angeboten können wir vielleicht auch jenen Gläubigen gerecht werden, die keine klassischen Kirchgänger sind.» Die Hauptfrage für ihn sei nicht, ob es künftig genügend Priester gebe, sondern: «Wie wollen wir künftig mit den Gläubigen unterwegs sein und die Gemeinschaft pflegen?» Die Menschen würden heute oft spezielle und auf sie zugeschnittene Angebote suchen, sagt auch Barbara Walser und nennt als Beispiel die Kirche Kunterbunt. Das aus England stammende, überkonfessionelle Konzept zieht in der Stadt St. Gallen die Familien in Scharen an. «Durch die Streichung der Gottesdienste haben wir Raum geschaffen für etwas, dem mehr Ausdruck und Kraft zugrunde liegt», sagt Walser. Und genau hier liegt auch für Beat Grögli der Punkt. «Die Feiern müssen kraftvoll, sorgfältig gestaltet und von einer Gemeinde getragen werden. Dort, wo kraftvoll gefeiert wird, kommen auch die Gläubigen.» Das gelte für alle Arten von Feiern, so Grögli. Er weiss, dass dies für kleinere Pfarreien nicht immer einfach ist. «Wir müssen wohl unsere Kräfte konzentrieren und uns gut überlegen, wie wir was machen.»
Alle sollen mithelfen
Die SE Steinerburg fasst die neuen Angebote unter dem Schlagwort «Kreativfeiern» zusammen, wobei diese ganz unterschiedlich sind: Eine Hungertuchmeditation während der Fastenzeit, eine «Zeuerle»-Feier, in der die Verbindung von Klang, Gemeinschaft und Gott hör- und erfahrbar wurde, eine Oster-Lager-Feuer-Feier, eine Kreativfeier mit Austausch über den Glauben und eine mit Bibelteilen. Dabei setzt die Pfarrei auf die Mithilfe vieler – alle Gläubigen dürfen Feiern vorbereiten und ihnen vorstehen. In den Pfarreien Riethüsli, St. Georgen und St. Otmar werden nun unter anderem mehr Wortgottesfeiern abgehalten. Zudem hat sich eine ökumenische Feiergruppe formiert. «Völlig selbstständig, ohne unser Zutun. Das freut uns sehr und zeigt, dass es ein Bedürfnis ist, Gemeinschaft auch ausserhalb des gängigen Gottesdienstes zu erfahren», sagt Walser. Für alle Befragten ist aber klar: Gottesdienste ersatzlos zu streichen, ist keine Option. «Es geht nicht um ein Konkurrenzdenken. Es geht darum, die Kirche zu ergänzen», sagt Erich Guntli.