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Leserfrage: Wie findet man als Erwachsene neue Freunde?

Die Seel­sor­ge­rin Betti­na Flick erzählt, wie es ihr gelang, nach einem Umzug vom Toggen­burg ins Linth­ge­biet neue Freun­de zu finden. 

Vor gut zwei Jahren bin ich berufs­mäs­sig vom Toggen­burg ins Linth­ge­biet gezo­gen. Zuerst war die Versu­chung da, meinen alten Wohn­ort mit Freun­den und vielen guten Bezie­hun­gen nicht aufzu­ge­ben und lieber täglich zu pendeln.

Ich habe mich dann entschie­den, ganz ins Linth­ge­biet zu ziehen und einen neuen Anfang zu wagen. Dieser Neuan­fang ist nicht nur beruf­lich sehr geglückt. Natür­lich hat mir mein Beruf als Seel­sor­ge­rin auch gehol­fen, Menschen kennen­zu­ler­nen. Aber dass daraus in kurzer Zeit Freund­schaf­ten entstan­den, hat wohl auch haupt­säch­lich mit zwei Haltun­gen zu tun: Die erste ist meine Entschie­den­heit, mich am neuen Ort wirk­lich zu verwur­zeln. Und die zwei­te ist meine Neugier.

Lieb­lings­or­te kennengelernt

In den ersten Wochen habe ich über­all herum­ge­schaut, was mir hier am neuen Ort Freu­de berei­ten könn­te. Ich habe das Inter­net genau­so durch­fors­tet wie die Kleinanzeigen bei den Super­märk­ten und im Bioladen, habe die Plakat­wän­de studiert und immer mehr auch Menschen, die ich zufäl­lig traf, ange­spro­chen. Ich habe meinen Inter­es­sen entspre­chend nach Wander- und Velowegen gefragt, mich erkun­digt, wo es über­all Hoflä­den gibt, und vieles auch besucht. Beson­ders die Frage nach einem Lieb­lings­platz war ein rich­tig­ge­hen­der «Tür-Öffner», gern haben mir ganz unter­schied­li­che Leute erzählt, wo sie sich gern aufhal­ten. Manche haben es mir auch gezeigt. Dann kam mein erster Geburts­tag im Linth­ge­biet. Es wäre einfach und nahe­lie­gend gewe­sen, einen schö­nen Abend mit meinen alten Freun­din­nen und Bekann­ten zu gestal­ten. Aber ich nahm meinen Mut zusam­men und lud nur neue Bekannt­schaf­ten von vor Ort ein. Es kamen viel weni­ger Gäste, als ich erwar­tet hatte. Ich hatte noch eini­ge Zeit damit zu tun, die Gemüse-Sticks und die Kuchen selbst zu essen. Und doch war diese Einla­dung wie ein Signal: Die Menschen spür­ten, dass ich mich hier wirk­lich einlas­sen möchte.

Hilfe anneh­men

Als ich vor einem halben Jahr einen Velounfall hatte, durf­te ich erle­ben, wie das neue Netz trägt. Kaum war ich vom Spital daheim in meiner Wohnung, kam ein Anruf: «Betti­na, ich mache gera­de Risot­to. Soll ich eine Porti­on für dich mitko­chen und vorbei­brin­gen?» Solan­ge die viel­fäl­ti­gen Brüche noch nicht verheilt waren, haben mir Menschen Essen nach Hause gebracht, mich zum Arzt gefah­ren oder waren für mich einkau­fen. Jemand bot mir sogar an, meine Wohnung zu putzen. Ich muss­te manch­mal über meinen Schat­ten sprin­gen, um diese Ange­bo­te zu akzep­tie­ren. Und zugleich hat auch jede Hilfe, die ich anneh­men konn­te, das Band der Freund­schaft gestärkt. Entschie­den­heit, Neugier und die Offen­heit, sich beschen­ken zu lassen, haben mir gehol­fen, neue, wunder­vol­le Freund­schaf­ten zu finden.

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Text: Betti­na Flick, Seel­sor­ge­rin, Seel­sor­ge­ein­heit Obersee

Veröf­fent­li­chung: 10. Dezem­ber 2024

Spenden wir jetzt mehr?

Im Dezem­ber ist die Bereit­schaft zu spen­den grös­ser als sonst im Jahr. Wie gross­zü­gig sind die Menschen in der Ostschweiz? Wie entwi­ckelt sich das Spen­den­ver­hal­ten? Und wie wich­tig sind inzwi­schen die digi­ta­len Spende-Möglichkeiten und Influencer?

Die Menschen in der Ostschweiz sind beson­ders hilfs­be­reit und schät­zen gemein­schaft­li­che Werte. Das schlägt sich in ­einem hohen Spen­den­en­ga­ge­ment nieder», sagt Karin Schä­fer, Geschäfts­füh­re­rin von Miva (Bild oben). Das katho­li­sche Hilfs­werk mit Sitz in Wil SG ist seit Jahr­zehn­ten für ein unkon­ven­tio­nel­les Spen­den­mo­dell bekannt: den Kilometer-Rappen. Er gilt als Dank für jeden unfall­frei gefah­re­nen Kilo­me­ter. Miva setzt sich seit 1932 dafür ein, die Lebens­be­din­gun­gen in abge­le­ge­nen Regio­nen von Entwick­lungs­län­dern zu verbes­sern, indem sie Trans­port­mit­tel für dort ansäs­si­ge Hilfs­or­ga­ni­sa­tio­nen finan­ziert. Für miva ist der Dezem­ber ein wich­ti­ger Monat: «Es wird dann deut­lich mehr gespen­det als in ande­ren Mona­ten. Wir können im Dezem­ber bis zu 30 Prozent der Spen­den eines Jahres einneh­men», sagt Karin Schä­fer. Die Grün­de sind viel­fäl­tig. Einer­seits verstär­ken viele Hilfs­wer­ke vor Weih­nach­ten die Spen­den­auf­ru­fe und machen mehr Werbung. «Ande­rer­seits sind die Menschen in der Weih­nachts­zeit beson­ders gross­zü­gig und haben das Bedürf­nis, ande­ren etwas Gutes zu tun.»

Miva: Benach­tei­lig­te Jugend­li­che in Tansa­nia werden mit einem mobi­len Ausbil­dungs­bus unter­rich­tet und können dadurch eine beruf­li­che Zukunft aufbau­en, trotz ihrer schwie­ri­gen Lage.

Höchs­te Spendenbereitschaft

Beim Spen­den gibt es regio­na­le Unter­schie­de, wobei sich die Ostschweiz gemäss Schä­fer am spen­den­freu­digs­ten zeigt. Sie spricht von beein­dru­cken­den «87 Prozent der Haus­hal­te». Gemäss der Miva-Geschäftsführerin ist die Spen­den­be­reit­schaft so hoch, dass man sagen könne, dass fast alle spen­den: Frau­en und Männer, Junge und Älte­re, Stadt- und Land­be­woh­ner. «Unter­schie­de kann man am ehes­ten noch am Alter aufzei­gen: Am spen­den­be­rei­tes­ten sind Menschen über 55 Jahren, aber auch die jünge­ren Alters­grup­pen zeigen wach­sen­den Einsatz und spen­den heut­zu­ta­ge häufi­ger als früher.» Schä­fer spricht gene­rell von einer wach­sen­den Anzahl Spen­dern. «Es spen­den mehr Menschen als früher, jedoch selte­ner, dafür mit höhe­ren Beträ­gen.» Dabei wird in den vergan­ge­nen Jahren vermehrt für akute Nothil­fe gespen­det. «Ereig­nis­se wie Krie­ge und Natur­ka­ta­stro­phen erhal­ten viel Aufmerk­sam­keit und lösen hohe Spen­den­be­reit­schaft aus. Der Anteil an solchen ‹ausser­or­dent­li­chen› Einzel­spen­den nimmt stark zu», sagt Schä­fer. Schwie­ri­ger sei es hinge­gen für die Entwick­lungs­hil­fe, die ange­sichts der omni­prä­sen­ten Krisen leicht in Verges­sen­heit gerät.

Miva enga­giert sich seit 1932 für Menschen in Entwicklungsländern.

Online­prä­senz ausbauen

Miva setzt nicht nur auf die klas­si­schen Kommu­ni­ka­ti­ons­mit­tel, sondern hat auch die Online­präsenz stark ausge­baut, um neue Ziel­grup­pen anzu­spre­chen. «Online­spen­den nehmen von Jahr zu Jahr zu und machen bei vielen Hilfs­wer­ken bereits rund zehn Prozent des Volu­mens aus», so Schä­fer. In den Sozia­len Medi­en sieht sie denn auch eine Chan­ce. «Künf­tig möch­ten wir gerne auch mit Influen­cern zusam­men­ar­bei­ten, da sie sich das Vertrau­en ihrer Follower bereits erar­bei­tet haben und damit sehr authen­tisch wirken können, wenn sie von einer guten Sache wie unse­ren Hilfs­pro­jek­ten über­zeugt sind.»

Neue Mass­nah­men testen

Im selben Span­nungs­feld bewegt sich auch Cari­tas Schweiz. Sie versucht das Vertrau­en in die Orga­ni­sa­ti­on über verschie­de­ne Kanä­le auf- und auszu­bau­en. «Um am Puls zu blei­ben und die Spender/-innen dort abzu­ho­len, wo sie sich bewe­gen, testen wir stetig neue Mass­nah­men im Online- und Offline-Bereich», sagt Medi­en­spre­che­rin Daria Jenni. Auch Cari­tas Schweiz verzeich­net einen stei­gen­den Anteil digi­ta­ler Spen­den am Gesamts­pen­den­vo­lu­men, wobei in Kata­stro­phen­fäl­len jeweils noch­mals ein Anstieg erkenn­bar ist. Twint wird mitt­ler­wei­le bei den Spen­den über die Caritas-Website mit Abstand am häufigs­ten genutzt. Bei den Privat­spen­den sei die Ostschweiz vergleich­bar mit dem Mittel­land und der Zentral­schweiz, so Jenni. Im Dezem­ber führt Cari­tas Schweiz jeweils eine gros­se Kampa­gne gegen Armut durch. Nicht ohne Resul­tat: «Der Dezem­ber ist ein sehr spen­den­star­ker Monat.». Cari­tas hat über die vergan­ge­nen Jahre eben­falls einen Trend hin zu Spen­den für Kata­stro­phen­hil­fe und akute Krisen fest­ge­stellt. «Aber auch für die Menschen in der Schweiz wird weiter­hin gespendet.»

Die Akti­on Stern­sin­gen konn­te auch 2024 ein Spen­den­plus vermelden.

Stern­sin­ger boomen

«Mit der vergan­ge­nen Akti­on Stern­sin­gen konn­ten wir bei den Spend­en­er­geb­nis­sen wieder­um ein leich­tes Plus verzeich­nen», freut sich Hans­pe­ter Ruedl, Marke­ting­lei­ter bei Missio Schweiz. Die Akti­on Stern­sin­gen ist die bekann­tes­te Spen­den­samm­lung des katho­li­schen Hilfs­werks. Durch­ge­führt wird sie gemein­sam mit den Pfar­rei­en, die meis­ten Stern­sin­ger in der Schweiz sammeln für eines der Projek­te von Missio. Anders war die Situa­ti­on vor ca. 35 Jahren: «Da war der Sternsinger-Brauch ziem­lich einge­schla­fen und droh­te auszu­ster­ben.» Seit­her erlebt der Brauch einen regel­rech­ten Boom. Dies lässt sich nicht nur an der Betei­li­gung von über 10 000 Kindern und Jugend­li­chen in den vergan­ge­nen Jahren, sondern auch an wach­sen­den Spend­en­er­geb­nis­sen fest­ma­chen. «Das beson­de­re bei dieser Akti­on ist sicher­lich, dass Kinder für Kinder sammeln», sagt Ruedl, «wenn Kinder sich frei­wil­lig für ande­re enga­gie­ren, da fällt es schwer, ihnen nichts zu geben.» Auch die Stern­sin­ger erhal­ten Spen­den vermehrt digi­tal: «Die Stern­sin­ger sind mit einer Büch­se unter­wegs, aber sie vertei­len auch Flyer mit dem QR-Code für Twint-Spenden. Dieses Ange­bot wird immer mehr genutzt.»

Unzäh­li­ge Influencer

Im Marke­ting setzen heute viele auf Influen­cer – hat auch Missio schon darüber nach­ge­dacht? Hans­pe­ter Ruedl lacht: «Wir über­le­gen uns tatsäch­lich gera­de, einen Influen­cer aufzu­bau­en, die oder den man mit unse­rer Arbeit verbin­det und die oder der uns gegen aussen ein Gesicht gibt.» Vorerst sind es im Dezem­ber und Janu­ar die Stern­sin­ger – unzäh­li­ge Kinder und Jugend­li­che, die als «Influen­cer» schweiz­weit für Kinder in Not im Einsatz sind.

Text: Stephan Sigg, Ales­sia Pagani

Bild: zVg

Veröf­fent­li­chung: 3. Dezem­ber 2024

«Humor verbindet»

Im Kinder­dorf in Tansa­nia hat Lore­na Knobel aus Gommis­wald während sechs Mona­ten Klein­kin­der betreut. Dabei hat die 18-Jährige nicht nur zu sich selbst, ­sondern auch zu Gott gefunden.

Wenn Lore­na Knobel über die vergan­ge­nen Mona­te spricht, hört man die Freu­de aus jedem Wort. Das Leben der 18-jährigen Gommis­wal­de­rin hat sich Anfang dieses Jahres grund­le­gend geän­dert. Noch vor einem Jahr lebte die Teen­age­rin den Schul­all­tag an der Kantons­schu­le in Watt­wil, hat dem Chemie­leh­rer zuge­hört und sich im Sport­un­ter­richt ausge­powert. Dann hat sie sich entschlos­sen, die Schu­le zu verlas­sen. Auf der Suche nach einer Zwischen­lö­sung stiess sie auf das Volon­ta­ri­ats­pro­gramm Voya­ge Parta­ge der katho­li­schen Ordens­ge­mein­schaf­ten in der Schweiz und reis­te nur vier Mona­te später als Volon­tä­rin nach Tansa­nia ins Kinder­dorf Mbin­gu. «Es ging sehr schnell. Aber zum Glück hat sich alles so ergeben.»

Englisch­un­ter­richt im Dorf

Das Kinder­heim wurde 2003 vom Schwei­zer Beat Wande­ler mithil­fe von Bald­eg­ger Schwes­tern gegrün­det. Lore­na Knobel betreu­te während sechs Mona­ten gemein­sam mit sieben «Ersatz­ma­mis» rund 30 Kinder zwischen einem Monat und sechs Jahren. Sie half mit bei der Pfle­ge und Betreu­ung der Kinder, beim Waschen und Kochen. Einmal wöchent­lich unter­rich­te­te sie zudem 25 Kinder in Englisch in der etwas entfern­ten Dorf­schu­le. Die meis­ten der betreu­ten Kinder im Heim haben mindes­tens einen Eltern­teil verloren. 

Ziel ist es, ihnen ein Zuhau­se zu geben, bis sie selbst­stän­dig genug sind, um für sich selber sorgen zu können, und zu ihren Verwand­ten zurück­keh­ren können. «Es sind trau­ri­ge Schick­sa­le. Aber im Alltag und in der geschütz­ten Atmo­sphä­re bekam ich nur vom Hören­sa­gen davon mit», sagt Lore­na Knobel, die in der Arbeit mit den Kindern Kraft schöpf­te. «Die Zeit mit ihnen war prägend.» Lore­na Knobel und die «Ersatz­ma­mis» um die Kinder versuch­ten, den Kindern «einen möglichst unbe­schwer­ten Start ins Leben zu ermög­li­chen und Freu­de in den Alltag zu brin­gen». Der Verein unter­stützt nebst den «Ersatz­ma­mis» auch den Acker­bau und die Land­wirt­schaft für die Selbst­ver­sor­gung in der nähe­ren Umgebung.

Schwie­ri­ger Start

Lore­na Knobel beschreibt sich als offe­nen und unkom­pli­zier­ten Menschen. Sie habe in Afri­ka wenig an die Schweiz und ihr Leben in Euro­pa gedacht. Heim­weh hatte sie nicht. «Ich durf­te verschie­de­ne Heraus­for­de­run­gen anneh­men und fühl­te mich immer herz­lich und wohl­wol­lend von den Einhei­mi­schen ange­nom­men», sagt sie, verschweigt aber auch nicht, dass die Anfangs­zeit doch nicht ganz so einfach gewe­sen ist. «Ich habe Swahi­li nicht verstan­den, das Lear­ning by Do­ing hatte ich mir einfa­cher vorge­stellt. Englisch wurde kaum gespro­chen. Aber wir konn­ten immer wieder gemein­sam lachen. Es tut gut, zusam­men zu lachen. Humor verbin­det wirk­lich.» In Tansa­nia begann Lore­na Knobel, in der Bibel zu lesen. Und sie fand «Kraft und Erfül­lung» darin. «Ich habe immer gedacht, der Glau­be schrän­ke uns in unse­rer Frei­heit ein, aber genau das Gegen­teil ist der Fall. Ich habe mich noch nie so frei gefühlt wie jetzt in der Bezie­hung zu Gott.» Auch zurück in der Schweiz spielt der Glau­be ein erstes Mal eine bedeu­ten­de Rolle in ihrem Leben. Die Zeit in Ostafri­ka hat Lore­na Knobel geprägt und sie «als Mensch wach­sen lassen», wie sie selbst sagt.

Ausbil­dung im Fokus

Im Sommer hat Lore­na Knobel eine Lehre als Fach­frau Gesund­heit an der Psych­ia­tri­schen Klinik Wil begon­nen und konzen­triert sich nun vorerst auf ihre Ausbil­dung. An die Zeit im Kinder­heim und die Menschen in Tansa­nia denkt sie aber immer gerne und oft zurück. Vor allem die Frage, was dereinst mit den Kindern passiert und wo sie der Weg hinfüh­ren wird, beschäf­tigt sie. Die Erfah­run­gen, die sie gemacht hat, wird sie ein Leben lang nicht verges­sen. Für Lore­na Knobel ist klar: Es soll nicht ihre letz­te Reise nach Tansa­nia gewe­sen sein.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: zVg / Voya­ge Parta­ge
Veröf­fent­li­chung: 2. Dezem­ber 2024

Echte Engel auf der Bühne und Süsses nach Mitternacht

Was faszi­niert Kinder an Weih­nach­ten? Und was können sich Erwach­se­ne davon abschau­en? Im Inter­view spre­chen Pavel Zupan und Elia­ne Rusch aus der Seel­sor­ge­ein­heit Walen­see über die Magie von Weih­nach­ten und wo sich die Weih­nachts­bot­schaft im Adventstru­bel findet.

Bei vielen Menschen sind mit Weih­nach­ten eine Menge Kind­heits­er­in­ne­run­gen verbun­den. Was ist Ihre stärks­te Erinnerung?

Pavel Zupan: Meine Fami­lie kommt aus Slowe­nien. Dort brach­te der Sami­ch­laus am 6. Dezem­ber die Geschen­ke, Weih­nach­ten war in meiner Kind­heit dann eher für das Fami­liä­re und Reli­giö­se reser­viert. Ich erin­ne­re mich an mich als 9‑Jährigen. Ich sah ein Stück der Bühne, in dem der Sami­ch­laus mit dem Schlit­ten vorfuhr. Beglei­tet wurde er von zwei Teufeln, die Kram­pus heis­sen, und zwei Engeln. Bei den Teufeln merk­te ich schnell, dass diese von Perso­nen gespielt wurden. Bei den Engeln glaub­te ich hinge­gen noch lange, dass sie echt gewe­sen waren. Das ist eine schö­ne Kind­heits­er­in­ne­rung. Gott ist ein Freund, der mir seine Engel schickt. Eine weite­re Erin­ne­rung ist ein Krip­pen­spiel etwas später in der Schweiz. Ich spiel­te den Josef und meine Mutter hatte mir ein Gewand aus einem Stück Stoff genäht, das mein Gross­va­ter in Slowe­ni­en noch selbst gewo­ben hatte. Das sind schö­ne Erin­ne­run­gen an den Glau­ben, die Fami­lie und Freunde.

Elia­ne Rusch: Meine schöns­te Kind­heits­er­in­ne­rung ist die Mitter­nachts­mes­se. Das war bei uns Tradi­ti­on. Wir assen an Heilig­abend zusam­men, pack­ten Geschen­ke aus und gingen danach in die Mitter­nachts­mes­se. Noch wich­ti­ger war aber, dass wir nach der Mitter­nachts­mes­se alle zum Nani nach Hause gingen. Ihre Küche war immer voll mit Menschen. Es gab Kaffee und Guetz­li und wir blie­ben lange bis in den 25. Dezem­ber hinein wach. Mit lieben Menschen nach der Mitter­nachts­mes­se zusam­men­zu­sit­zen, ist mir bis heute wichtig.

Elia­ne Rusch, Reli­gi­ons­päd­ago­gin und Pavel Zupan, Seel­sor­ger vom Pasto­ral­team Seel­sor­ge­ein­heit Walensee

Was können wir bezüg­lich ­Vorfreu­de auf Weih­nach­ten bei Kindern abschauen?

Elia­ne Rusch: Das sind die Magie, Vorfreu­de, Span­nung und der Nerven­kit­zel. Wer es schafft, diese Dinge ins Erwach­sen­sein zu trans­por­tie­ren, kann nicht anders, als sich auf Weih­nach­ten zu freuen.

Pavel Zupan: Wir können uns alles bei Kindern abschau­en. Ich bewun­de­re an Kindern immer, wie anders als Erwach­se­ne sie stau­nen können, etwa über das Geheim­nis von Weih­nach­ten, das sich in vielen Dingen ganz unter­schied­lich zeigt.

Wie lässt sich diese kind­li­che Vorfreu­de bewahren?

Elia­ne Rusch: Es gibt verschie­de­ne Ange­bo­te seitens der Kirche, wie neu zum Beispiel Kirche Kunter­bunt. Diese rich­tet sich an Fami­li­en. Unter dem Titel «Säg emol Stern» ist dieses Jahr das Thema im Advent «Stern als Wegwei­ser – Die Geburt Jesu als Stern­stun­de für die Mensch­heit – Stern­stun­den im Leben». Die Fami­li­en besu­chen keinen typi­schen Gottes­dienst, sondern tref­fen sich, bekom­men Inputs und setzen sich mit ihren eige­nen Gedan­ken ausein­an­der. Es ist weni­ger ein Sich-Berieseln-Lassen wie in einem klas­si­schen Gottes­dienst. Das spricht viel­leicht den einen oder ande­ren an. Aller­dings gibt es Kirche Kunter­bunt bei uns erst seit Kurzem. Ich wünsche mir, dass wir damit zum fixen Beglei­ter für Fami­li­en in der Advents­zeit werden.

Pavel Zupan: Wir sind eine länd­li­che Regi­on. Das Krip­pen­spiel und das Stern­sin­gen sind bei uns wirk­lich gut besucht. Es sind nieder­schwel­li­ge Ange­bo­te. Alle können mitma­chen. Beides erin­nert uns daran, worum es an Weih­nach­ten geht.

Das wäre?

Pavel Zupan: Für mich ist es die Botschaft der Engel an die Hirten. Sie sollen sich nicht fürch­ten, sondern spüren, dass sie nicht allei­ne sind. Das ist gera­de an Weih­nach­ten wich­tig, weil in dieser Zeit bei vielen Menschen die gros­sen Fragen des Lebens auf den Tisch kommen. Eini­ge haben viel­leicht gera­de jeman­den verlo­ren und trau­ern. An Weih­nach­ten steht die Botschaft im Mittel­punkt, dass wir nicht allei­ne sind. Gott wird aus Liebe Mensch und möch­te uns nahe sein. Das gibt uns Hoffnung.

Elia­ne Rusch: Da kann ich nur zustim­men. Gott ist einer, der mit uns mitgeht und bei uns Menschen sein möchte.

Pavel Zupan: Kinder im Reli­gi­ons­un­ter­richt erwar­ten im Advent etwas Besonderes.

Wie können wir uns die Weih­nachts­bot­schaft stär­ker bewusst machen?

Elia­ne Rusch: Mir persön­lich hilft es, in der Advents­zeit noch bewuss­ter in einen Gottes­dienst zu gehen. Die Rora­te­fei­ern berüh­ren mich jedes Mal. Auch die dunk­len Kirchen und das Kerzen­licht etwa an der Mitter­nachts­mes­se spre­chen mich an. Die mysti­sche Stim­mung zeigt, da passiert etwas Wunder­vol­les. Ausser­dem nutze ich für mich Online-Adventskalender wie zum Beispiel den Podcast «Advent online», die mir regel­mäs­sig Gedan­ken mit auf den Weg geben. Als Fami­lie musi­zie­ren und singen wir im Advent gemein­sam. Am Advents­sonn­tag darf immer ein Kind eine Kerze anzün­den. Wir üben Lieder für Weih­nach­ten und basteln Geschenke.

Pavel Zupan: Mich spre­chen eben­falls die Rorate­gottesdienste mit dem anschlies­sen­den Brot­bre­chen und gemein­sa­men Früh­stück an. Persön­lich versu­che ich, im Advent morgens immer eine Kurz­an­dacht zu lesen. Das hilft mir, mich zu erden. Als Reli­gi­ons­leh­rer habe ich auch fest­ge­stellt, dass meine Schul­kin­der in der Advents­zeit etwas Beson­de­res erwar­ten. Wir gehen dann zum Beispiel in die Kirche oder an ande­re Orte.

Weih­nachts­märk­te, viel Deko und Geschen­ke­wahn: Weih­nach­ten und Kommerz gehö­ren zusam­men. Oder nicht?

Elia­ne Rusch: Wenn ich meine Primar­schü­le­rin­nen und ‑schü­ler im Reli­gi­ons­un­ter­richt frage, auf was sie sich an Weih­nach­ten freu­en, nennen sie meist als erstes Geschen­ke. Hake ich dann aber nach, merke ich, dass sie die Hinter­grün­de des Festes schon kennen. Das zeigt mir, dass die Weih­nachts­bot­schaft nicht verges­sen ist. An erster Stel­le stehen aber die Geschen­ke, dann kommt das Fami­li­en­fest und dann die reli­giö­se Bedeutung.

Pavel Zupan: Ja, Geschen­ke stehen defi­ni­tiv an erster Stel­le. Was mich aber regel­mäs­sig posi­tiv über­rascht, etwa, wenn ich mit meinen Schul­kin­dern oder verschie­dens­ten Menschen spre­che, ist, dass hinter all den Geschen­ken immer eine Sehn­sucht steckt. Es ist die Sehn­sucht, nach schö­nen Momen­ten mit der Fami­lie und Freun­den. Diese tragen uns, und davon können wir zehren. Unse­re Gesell­schaft weiss also, dass es an Weih­nach­ten um Tiefe­res geht und um Dinge, die wir eben nicht kaufen können. Hier sehe ich eine gros­se Chan­ce für uns als Kirche.

Zur Katho­li­schen Kirche ­gehö­ren die verschie­dens­ten ­Natio­nen. Was können wir ­vonein­an­der abschauen?

Pavel Zupan: Wir soll­ten das, was verschie­den ist, mitein­an­der teilen und uns bewusst machen, was uns vereint. Ich mag beispiels­wei­se Gottes­diens­te, in denen verschie­de­ne Elemen­te aus verschie­de­nen Kultu­ren zusam­men­kom­men. Ich habe auch eine persön­li­che Weih­nachts­tra­di­ti­on, die ich gerne mag: Ein typisch slowe­ni­sches Weih­nachts­ge­richt ist Poti­ca, ein Kuchen, der an einen Marmor­ku­chen erin­nert. Man teilt ihn mit ande­ren und spricht über Erinnerungen.

Elia­ne Rusch: Das sehe ich aus so. Die verschie­de­nen Bräu­che und Ritua­le zeigen uns, worum es an Weih­nach­ten geht. Das Verei­nen­de und Tragen­de ist für mich das Zusam­men­kom­men und das gemein­sa­me Feiern der Geburt von Jesus.

Alle Ange­bo­te, Gottes­diens­te und Veran­stal­tun­gen in der Seel­sor­ge­ein­heit Walen­see auf www.sesowa.ch in der Rubrik Aktuelles

Inter­view: Nina Rudnicki

Bilder: Manue­la Matt

Veröf­fent­li­chung: 27. Novem­ber 2024

Freude und Trubel in einem

Ana und Marko Frko­vić aus Gold­ach erzäh­len, wie sie mit ihren vier Kindern an Weih­nach­ten kroa­ti­sche und schwei­ze­ri­sche Tradi­tio­nen kombi­nie­ren.

Wenn Ana und Marko Frko­vić von Weih­nach­ten in Kroa­ti­en erzäh­len, fallen oft die Worte Fami­lie und Gemein­schaft. «Es ist das Fest, an dem es darum geht, glück­lich und zusam­men zu sein», sagt Marko Frko­vić. Ein unge­schrie­be­nes Gesetz sei, dass an Weih­nach­ten keine Meinungs­ver­schie­den­hei­ten herr­schen soll­ten. «Das ist auf alle Fälle eine meiner Kind­heits­er­in­ne­run­gen. An Weih­nach­ten gab es auto­ma­tisch Ruhe von allen Reibe­rei­en etwa zwischen zwei Perso­nen.» Vor acht Jahren haben Ana und Marko Frko­vić gehei­ra­tet. Dafür ist Marko Frko­vić von Kroa­ti­en, wo er in dem Ort Gospic lebte, zu seiner Frau nach Gold­ach gezo­gen. Die 32-Jährige hat eben­falls kroa­ti­sche Wurzeln und ist in der Ostschweiz aufge­wach­sen. «Für uns beide ist Weih­nach­ten ein gros­ses Fami­li­en­fest. Darum ist es scha­de, dass wir beide hier keine Verwand­ten mehr haben. Sie sind zurück nach Kroa­ti­en gezo­gen», sagt sie.

Trubel und Freude

Ana und Marko Frko­vić gestal­ten die Advents- und Weih­nachts­zeit dennoch als Fami­li­en­fest, einfach im klei­ne­ren Rahmen. Mit ihren vier Kindern Magda­le­na, Mari­ja, Tere­zi­ja und Josip, die zwischen einein­halb und sechs Jahre alt sind, kombi­nie­ren sie schwei­ze­ri­sche und kroa­ti­sche Weih­nachts­tra­di­tio­nen. «Mit den Kindern ist es derzeit sowie­so Freu­de und Trubel in einem, Weih­nach­ten zu feiern», sagt Ana Frko­vić und fügt an, dass sie spon­tan schau­en müss­ten, welche Weih­nachts­pro­gramm­punk­te gera­de passen würden oder was zu viel sei. Fest steht aber, dass zu Weih­nach­ten tradi­tio­nell kroa­ti­sche Gerich­te wie Sarma – Roula­den aus Hack­fleisch und Sauer­kraut – genau­so wie auch Raclette gehö­ren können.

Jeden Morgen zur Rorate

Zu den Weih­nachts­tra­di­tio­nen zählen Ana und Marko Frko­vić die Rora­te in der Advents­zeit. Marko Frko­vić sagt: «Wir feier­ten diese in Kroa­ti­en aller­dings jeden Morgen. Und es muss­te jeweils mindes­tens eine Person pro Fami­lie hinge­hen. Genau­so wich­tig ist es, die Mitter­nachts­mes­se an Heilig­abend zu besu­chen.» Ana Frko­vić ergänzt: «Für uns steht an erster Stel­le, dass Weih­nach­ten ein reli­giö­ses Fest ist, an dem wir die Geburt von Jesus feiern.» Daran erin­nert auch die Krip­pe, die sie unter ihrem Weih­nachts­baum aufstel­len. Letz­te­rer wurde und wird in Kroa­ti­en aller­dings häufig etwas anders besorgt als hier: Ana und Marko Frko­vić erin­nern sich daran, wie in ihren Fami­li­en die Männer dafür zustän­dig waren, am 24. Dezem­ber den Tannen­baum zu fällen. «Dafür gingen mein Vater oder Gross­va­ter in einen Privat­wald und schlu­gen die Tanne gleich selbst. Die Frau­en berei­te­ten dafür die tradi­tio­nel­len Gerich­te für das Abend­essen vor», sagt der 40-Jährige. Auch der 25. und 26. Dezem­ber werden in Kroa­ti­en mit der Fami­lie verbracht. «Diese Besu­che fallen hier bei uns jetzt zwar weg. Aber wenn wir in die Kirche gehen, spüren wir, dass wir Teil einer Gemein­schaft sind», sagt er.

Text: Nina Rudnicki

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 26. Novem­ber 2024

Theaterstücke aus dem Kloster

Sr. M. Vero­ni­ka Kucha­ro­va hat im Archiv des Klos­ters Magden­au (Wolferts­wil) einen ­beson­de­ren Fund gemacht: 30 Thea­ter­stü­cke über den turbu­len­ten Klos­ter­all­tag, die Sr. Sophia zwischen 1937 und 1947. verfass­te und im Klos­ter zur Auffüh­rung brachte.

Sr. M. Vero­ni­ka Kucha­ro­va zieht aus einem Schu­ber mehre­re Manu­skrip­te. Auf einem prangt der Titel «Die Wieder­eröff­nung der Klos­ter­apo­the­ke im Klos­ter Magden­au». Im Stück wirken mit: eine Dokto­rin und drei Pati­en­ten. «In dieser lusti­gen Geschich­te geht es um eine Klos­ter­frau, die als Dokto­rin drei Pati­en­ten behan­deln will – und zwar alle mit Wermut», fasst Sr. Vero­ni­ka zusam­men. Es ist eine fikti­ve Geschich­te, aber sie nimmt humor­voll Bezug auf die stren­ge Ausle­ge­ord­nung einer klös­ter­li­chen Klau­sur, die jeden Kontakt gegen aussen verbie­tet, so wie sie das Konzil von Trient gefor­dert hat.

Sr. M. Vero­ni­ka fand im Klos­ter­ar­chiv dreis­sig Theaterstücke.
Für jedes Thea­ter­stück wurde ein Titel­bild gezeichnet.

Von Krea­ti­vi­tät beeindruckt

Beim Gespräch mit Sr. Vero­ni­ka merkt man sofort: Die Ordens­frau hat sich akri­bisch mit der dich­ten­den Nonne Sr. Sophia beschäf­tigt. Voller Begeis­te­rung schüt­telt sie Episo­den und Details aus deren Leben, Stücken und dem Klos­ter­all­tag Anfang des 20. Jahr­hun­derts aus dem Ärmel. Aktu­ell schreibt sie an der Univer­si­tät Wien eine Master­ar­beit über sie. «Mich beein­druckt ihre Krea­ti­vi­tät», sagt Sr. Vero­ni­ka. Sie ist im Klos­ter für das Archiv zustän­dig. Als sie dort auf die Thea­ter­stü­cke stösst, ist ihr Inter­es­se sofort geweckt: «Ich trat 1993 ins Klos­ter Magden­au ein», erzählt die gebür­ti­ge Tsche­chin, «ich kann mich erin­nern, dass wir damals die Todes­an­zei­ge von Sr. Sophia aus Däne­mark erhal­ten haben.»

Sr. Vero­ni­ka: «Die Thea­ter­stü­cke geben Einbli­cke in den dama­li­gen Klosteralltag.»

Humor­vol­le Stücke

Die Thea­ter­stü­cke von Sr. Sophia doku­men­tie­ren den Alltag im Klos­ter, aber auch ein Stück Zeit- und Ordens­ge­schich­te. «Die Stücke sind nicht nur spiri­tu­ell, sondern auch sehr humor­voll», hält Sr. Vero­ni­ka fest. Die Schwestern schlüpf­ten oft auch in Männer­rol­len. Aufge­führt wurden die Thea­ter­in­sze­nie­run­gen jeweils zum Wahl­tag der Äbtis­sin. Den Doku­men­ten ist zu entneh­men, dass für die Proben und Requi­si­ten ein gros­ser Aufwand betrie­ben wurde. «Aufge­führt wurden die Stücke aber nur für die Schwes­ter­ge­mein­schaft», so Sr. Vero­ni­ka. Ausge­wähl­te Gäste durf­ten dem Stück durch das Gitter der Klau­sur beiwoh­nen. «Die Stücke soll­ten Iden­ti­tät stif­ten, aber auch unter­hal­ten.» Die Stücke entstan­den mitten in der Zeit des Zwei­ten Welt­krie­ges. «Dies kommt in den Stücken aber nie expli­zit vor», sagt Sr. Vero­ni­ka, «damals lebten 70 Schwes­tern im Klos­ter, wahr­schein­lich war die Angst zu gross, dass etwas davon nach draus­sen dringt und die Gemein­schaft in Bedräng­nis brin­gen könnte.»

Oft spiel­ten die Ordens­frau­en auch Männerrollen.

Ein Zeichen setzen

Das Klos­ter­ar­chiv enthält 30 Thea­ter­stü­cke aus der Feder von Sr. Sophia. «Da in manchen Schrif­ten auch noch ande­re Stücke erwähnt sind, die ich nicht im Archiv finden konn­te, muss man davon ausge­hen, dass im Klos­ter Magden­au auch ande­re Schwes­tern Thea­ter­stü­cke geschrie­ben haben.» Dass Sr. Vero­ni­ka die Thea­ter­stü­cke zum Thema ihrer Master­ar­beit an der Univer­si­tät Wien gewählt hat, kommt nicht von unge­fähr. Ihr geht es darum, ein Zeichen zu setzen: «Während die Archi­ve der Männer­klös­ter gut erforscht sind, hat sich noch kaum jemand mit den Archi­ven der Frau­en­klös­ter beschäftigt.»

Von Flawil nach Dänemark

Die Flawi­le­rin Hulda Gimmi tritt 1924 ins Klos­ter Magden­au und nimmt den Ordens­na­men Maria Sophia an. 1950 wird die sprach­be­gab­te Ordens­frau als Prio­rin in ein Zisterzienserkloster in Däne­mark beru­fen. Auch dort soll sie geschrie­ben haben, es sei über­lie­fert, dass in Däne­mark Musi­cals von ihr aufge­führt wurden. Im Klos­ter Magden­au hinge­gen scheint nach dem Wegzug von Sr. Sophia die Tradi­ti­on der Thea­ter­stü­cke nicht fort­ge­führt worden zu sein. Auch heute werden im Klos­ter Magden­au keine Thea­ter­stü­cke aufge­führt. Die über 80 Jahre alten Dreh­bü­cher enthal­ten laut Sr. Vero­ni­ka eine wich­ti­ge Botschaft: «Für mich wird darin ganz deut­lich sicht­bar, welche Früch­te der christ­li­che Glau­be tragen kann, wenn er ganz­heit­lich gelebt wird und alle ihre persön­li­chen Bega­bun­gen einbrin­gen können.» Mit ihrer Master­ar­beit möch­te sie einen Beitrag dazu leis­ten, dass die ausser­ge­wöhn­li­che Ordens­frau nicht verges­sen geht.

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 25. Novem­ber 2024

Geschenke von den Sternen

Zu tradi­tio­nell polni­schen Weih­nach­ten gehö­ren zwölf Gerich­te. Geschen­ke kann nebst dem Christ­kind auch ein Stern brin­gen. Und wie in Polen üblich, lässt Magda­le­na Jenek zusam­men mit ihrer Fami­lie am Weih­nachts­tisch immer einen Platz für einen uner­war­te­ten Gast frei.

«Weih­nach­ten war für mich als Kind immer wie ein Märchen», sagt Magda­le­na Jenek. «All die Vorbe­rei­tun­gen, der Schnee und die Mitter­nachts­mes­se in der Kirche, zu der das ganze Dorf mit Later­nen unter­wegs war.» Die 39-jährige gebür­ti­ge Polin sitzt an ihrem Esstisch im Thur­gaui­schen Stein­ebrunn. Sie zeigt auf ihren Arm und sagt: «Wenn ich nur schon an Weih­nach­ten denke, bekom­me ich Gänse­haut.» In der Ostschweiz lebt Magda­le­na Jenek seit 20 Jahren. Sie enga­giert sich im Bistum St. Gallen als polni­sche Vertre­tung im Missi­ons­rat St. Gallen-Thurgau und besucht in der Kapel­le Unte­re Waid in Mörsch­wil die polni­schen Gottes­diens­te. In die Ostschweiz gezo­gen ist sie, weil sie sich während eines Besuchs bei ihrem Onkel, der Pries­ter in Flums ist, in ihren späte­ren Mann verlieb­te. «Und weil mein Mann eben­falls ursprüng­lich aus Polen ist, teilen wir all die vielen polni­schen Weih­nachts­tra­di­tio­nen», sagt sie.

Versöh­nung, Liebe und Frieden

Obwohl es noch ein paar Wochen bis Weih­nach­ten dauert, hat Magda­le­na Jenek extra für das Inter­view eini­ge polni­sche Obla­te besorgt. Die dünnen Teig­plätt­chen, auf denen Maria, Josef und das Jesus­kind in der Krip­pe abge­bil­det sind, dürf­ten an Weih­nach­ten auf keinen Fall fehlen. «Es ist eine der wich­tigs­ten Tradi­tio­nen», sagt sie und erzählt, wie sich an Heilig­abend die ganze Fami­lie am Tisch versam­melt. Es wird eine Caritas-Kerze ange­zün­det, gebe­tet und im Evan­ge­li­um gele­sen. Danach verteilt das Fami­li­en­ober­haupt an alle Anwe­sen­den Obla­te. «Alle gehen mit ihrer Obla­te zu den ande­ren Fami­li­en­mit­glie­dern, brechen ein Stück ab und wünschen ihrem Gegen­über etwas. Das ist ein Zeichen von Versöh­nung, Liebe und Frie­den», sagt sie. Anschlies­send beginnt das Weih­nacht­es­sen, das aus zwölf verschie­de­nen Gerich­ten besteht. «Und dieses Essen hat man sich verdient», sagt Magda­le­na Jenek und erzählt, wie man in Polen am 24. Dezem­ber tags­über fastet und schon früh am Morgen mit der Zube­rei­tung der Spei­sen beginnt. Der Baum muss geschmückt und der Tisch spezi­ell gedeckt werden: Die weis­se Tisch­de­cke liegt auf Heu, das daran erin­nern soll, dass Jesus arm in einem Stall zur Welt kam. Zudem bleibt immer ein Platz für einen uner­war­te­ten Gast frei. «Niemand soll an Weih­nach­ten allei­ne sein. Ausser­dem erin­nert uns der freie Platz einer­seits an jene Perso­nen, die verstor­ben sind. Ande­rer­seits lässt er uns an Maria und Josef denken, die nirgendwo einen Unter­schlupf fanden», sagt sie.

Für jeden Apos­tel ein Gericht

Auf die zwölf Gerich­te ange­spro­chen, lacht Magda­le­na Jenek und sagt: «Ja, zwölf Gerich­te müssen es sein, denn sie symbo­li­sie­ren die zwölf Apos­tel.» Nach Suppen, Teig­ta­schen, Sauer­kraut, Hering­salat, Knödel, Trocken­früch­te­kom­pott und vielem mehr werden Weih­nachts­lie­der gesun­gen und Geschen­ke verteilt. «Bei uns können entwe­der Engel, das Christ­kind, ein Stern oder ein Weih­nachts­mann Geschen­ke brin­gen. In meiner Fami­lie war es immer der Stern», sagt sie. Wird es Zeit für die Mitter­nachts­mes­se, macht sich die Fami­lie gemein­sam auf den Weg. «In meinem Heimat­ort Nosow waren das immer zwei Kilo­me­ter, die wir durch Dunkel­heit und Kälte liefen. Aber unse­re Herzen waren voller Freu­de und Wärme, weil Gott so nah bei uns war. Das war immer ein wunder­schö­nes Erlebnis.»

Einen Platz freihalten

Der erste und zwei­te Weih­nachts­tag werden in der Fami­lie verbracht und an jedem Tag wird eine Messe besucht. «Wir Kinder führ­ten dann jeweils jedes Jahr ein Krip­pen­spiel auf», sagt Magda­le­na Jenek. Nach Weih­nach­ten habe der Pries­ter alle Fami­li­en besucht. «Es wurde gere­det, gebe­tet und das Haus geseg­net. Man lern­te sich besser kennen, was die Gemein­schaft stärk­te.» Dann erin­nert sie sich spon­tan daran, wie der Pries­ter jeweils die Hefte der Kinder aus dem Religions­unterricht anschau­te und lobte. In Polen ist der Gross­teil der Bevöl­ke­rung katho­lisch. «Und in meinem Dorf waren wohl prak­tisch alle katho­lisch und die Weih­nachts­tra­di­tio­nen stark veran­kert. Weih­nach­ten ist das Fest, das uns daran erin­nert, dass Gott Mensch wurde und für uns gebo­ren, gestor­ben und aufer­stan­den ist», sagt Magda­le­na ­Jenek. Viele Weih­nachts­tra­di­tio­nen versucht sie auch heute in der Ostschweiz zusam­men mit ihrem Mann und Sohn weiter­zu­füh­ren. «Wir haben auch immer einen Platz für einen uner­war­te­ten Gast und vor zwei Jahren kam tatsäch­lich ein Nach­bar vorbei», sagt sie. Und natür­lich begin­nen wir das Weih­nachts­fest, wie in Polen üblich, dann, wenn am Himmel der erste Stern erscheint.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 23. Novem­ber 2024

Wenn alle die Krippe bestaunen

Die Katho­li­kin Sarah Soos­ai­pil­lai aus Rorschach erzählt, wie sie als Kind in ihrer südin­di­schen Heimat Weih­nach­ten feier­te und welche Bräu­che sie bis heute beibe­hal­ten hat.

«Zu Weih­nach­ten in Südin­di­en gehört auf alle Fälle ein Kreuz aus frit­tier­tem Teig», sagt die Rorscha­ch­e­rin Sarah Soos­ai­pil­lai. Und schon steckt die 51-Jährige mitten in ihren Kind­heits­er­in­ne­run­gen an die Advents- und Weih­nachts­zeit. Schon eine Woche vor Heilig­abend ging es mit den Weih­nachts­vor­be­rei­tun­gen jeweils los. Als Erstes form­te ihre Gross­mutter das erwähn­te Kreuz aus frischem Teig und frit­tier­te dieses. «Dann folg­ten frit­tier­te Süssig­kei­ten und herz­haf­te Spei­sen wie Kall­al, Ladoo und Muru­ku», sagt sie. Sarah Soos­ai­pil­lai lebt seit über 20 Jahren in der Ostschweiz. Sie ist Katho­li­kin. In Indi­en gehö­ren 2,3 Prozent aller Menschen dem Chris­ten­tum an. Das frit­tier­te Teig­kreuz ist auch hier Teil jedes Weih­nachts­fests mit ihrem Mann und ihren zwei Töch­tern. «Meine Gross­mutter brach das Kreuz nach der Mitter­nachts­mes­se in klei­ne Stücke und jedes Fami­li­en­mit­glied bekam eines davon», sagt sie.

Als Chor von Tür zu Tür

Die Tage vor Weih­nach­ten sind für Sarah Soos­ai­pil­lai die Zeit, in der man sich auf die Geburt von Jesus vorbe­rei­tet. Es ist ein Ereig­nis, das Hoff­nung auf Frie­den verspricht. «Diese Vorfreu­de teilt man in Indi­en mit der Gemein­schaft und der Nach­bar­schaft», sagt sie und nennt als Beispiel «Carol Singing». Dabei gehen Chöre von Tür zu Tür der katho­li­schen Fami­li­en, um Spen­den für einen guten Zweck zu sammeln. Die Fami­li­en bedan­ken sich mit klei­nen Geschen­ken oder Süssig­kei­ten. «Süsses oder Gebäck schenk­ten wir auch unse­ren hindu­is­ti­schen Nach­barn in meiner Heimat­stadt Erode im Bundes­staat Tamil Nadu. Im Gegen­zug beka­men wir von ihnen etwas, wenn sie das Lich­ter­fest Diwa­li feier­ten.» Auch Krip­pen spie­len in Sarah Soos­ai­pil­lais Weih­nachts­er­in­ne­run­gen eine wich­ti­ge Rolle. Sie lacht und erzählt, wie die Fami­li­en in ihrer Nach­bar­schaft in den Tagen vor Weih­nach­ten wirk­lich gros­se Krip­pen zu Hause aufbau­ten. Nach Weih­nach­ten besuch­te der Seel­sor­ger jeweils alle Fami­li­en und zeich­ne­te die drei schöns­ten Krip­pen aus. «Danach kamen alle Nach­barn vorbei, um die Krip­pen anzuschauen.»

Gewür­ze für den Advent

Gera­de im Advent vermisst Sarah Soos­ai­pil­lai vieles aus ihrer Heimat, etwa die Gewür­ze und Gerü­che. Während des Dezem­bers verkauft sie daher an ihrem Stand auf dem Markt­platz in Rorschach sams­tags nebst Mittags­me­nüs auch Gewürz­mi­schun­gen, deren Zube­rei­tung sie von ihrer Mutter und Gross­mutter gelernt hat. In die Schweiz kam Sarah Soos­ai­pil­lai wegen ihres Mannes, der ursprüng­lich aus Sr. Lanka stammt. Hier arbei­tet sie aktu­ell als Betreue­rin in der Tages­be­treu­ung Rorschach. Zudem enga­gier­te sie sich im Pfar­rei­rat sowie im Eltern­rat an der Primar­schu­le ihrer Töch­ter, orga­ni­sier­te frei­wil­li­ge Turn­stun­den für Kinder und gab Koch­kur­se für Erwach­se­ne. Seit sechs Jahren führt sie den Cate­ring­dienst und den Take-away-Imbiss «Sarahs Indi­an Kitchen».

Karten als Christbaumschmuck

Nach Indi­en ist Sarah Soos­ai­pil­lai über die Weih­nachts­ta­ge mit ihrer Fami­lie noch nie gereist. «Die Feri­en sind zu kurz für so eine lange Reise», sagt sie. Dafür besucht sie mit ihrer Fami­lie jeweils die Mitter­nachts­mes­se in der katho­li­schen Kirche in Rorschach. «Die Mitter­nachts­mes­se gehör­te auch in Indi­en zum Heilig­abend. Der Unter­schied ist aber, dass sie in Indi­en wirk­lich um Mitter­nacht und nicht schon um 22 Uhr, wie vieler­orts hier, gefei­ert wird», sagt sie. Eine Krip­pe gehört für Sarah Soos­ai­pil­lai heute noch zu Weih­nach­ten dazu sowie Gebe­te vor der Krip­pe. «Und wir haben natür­lich einen Weih­nachts­baum mit der übli­chen Deko­ra­ti­on», sagt sie und fügt an: «Das fand ich früher fast schö­ner: Meine Mutter und Gross­mutter schmück­ten den Weih­nachts­baum jeweils mit Post­kar­ten, die uns Verwand­te und Freun­de in der Advents­zeit geschickt hatten. Das war defi­ni­tiv eine ande­re Zeit.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 21. Novem­ber 2024

Laternen, Kettenhemd und Pferd

Martin Diet­rich wirkt in diesem Jahr schon zum drit­ten Mal als heili­ger Martin mit seinem Pferd beim Martins­um­zug durch Walen­stadt mit. Warum ist er Fan vom heili­gen Martin?

«Viele Kinder freu­en sich beim Umzug beson­ders über das Pferd. Wenn das Wetter gut ist, dann nehmen wir uns auch Zeit, damit sie Fotos mit dem Pferd machen können. Der Umzug ist für unser Pferd ein gutes Trai­ning: Es lernt, sich besser zu konzen­trie­ren und sich nicht so schnell ablen­ken zu lassen. Ich heis­se selbst Martin, es ist ein beson­de­res Gefühl, am Umzug als heili­ger Martin ­dabei zu sein. Der heili­ge Martin war ein Soldat, ich trage als Kostüm ein Ketten­hemd, das ist zehn Kilo­gramm schwer. Es ist etwas Beson­de­res, mit meinem Pferd den Umzug anzu­füh­ren und mit den vielen Kindern und Erwach­se­nen durch das Städt­chen von Walen­stadt unter­wegs zu sein. Der heili­ge Martin hat die Menschen zum Teilen moti­viert. Diese schö­ne Botschaft wäre auch für die heuti­ge Zeit echt wichtig.»

In vielen Orten gibt es Räbeliechtli-Umzüge, in Walen­stadt orien­tiert er sich am heili­gen Martin. Der Umzug star­tet beim Primar­schul­haus. Wer mag, kann seine eige­ne Later­ne mitbrin­gen. Mit Trom­pe­ten­mu­sik ziehen alle zur katho­li­schen Kirche. Dort hören sie am Feuer die Geschich­te vom heili­gen Martin. Anschlies­send gibt es Wiener­li und Punsch. Die Kinder erhal­ten von Martin und seinen Helfern ein klei­nes Geschenk.

Der heili­ge Martin lebte vor mehre­ren Jahr­hun­der­ten. An einem kalten Tag begeg­ne­te er einem frie­ren­den Bett­ler. Er hatte Mitleid, deshalb teil­te er seinen Mantel und gab ihm ein Stück davon. Am 11. Novem­ber erin­nern sich die Menschen an ihn. Bastel­vor­la­gen, Lieder, Rezep­te für Gebäck und Geträn­ke rund um den heili­gen ­Martin kannst du hier down­loa­den: www.martin-von-tours.de

Sonn­tag, 10. Novem­ber, 17 Uhr, ­Walen­stadt, Primarschule

Text: Stephan Sigg

Bilder: Kath­rin Wetzig

Veröf­fent­li­chung: 9. Novem­ber 2024

Künftig abends in die Kirche?

In vielen Pfar­rei­en wird die Gottes­dienst­ge­mein­de zuneh­mend klei­ner. Gefragt sind neue Gottes­dienstformen und ‑zeiten. Pfar­rei­en im Bistum St. Gallen wagen deshalb jetzt neue Wege.

Es ist längst kein Geheim­nis mehr: In vielen Pfar­rei­en wird die Gottes­dienst­ge­mein­de immer klei­ner. Hinzu kommen nicht selten perso­nel­le Engpäs­se. Vor allem Pries­ter fehlen. Wie künf­tig genü­gend Eucha­ris­tie feiern? Dies stellt die Pfar­rei­en zuneh­mend vor ein Problem. «Wir alle merken, dass es so nicht weiter­ge­hen kann. Einfach zuse­hen und abwar­ten ist für uns keine Alter­na­ti­ve mehr», sagt Phil­ipp Wirth, Pfar­rei­be­auf­trag­ter der Seel­sor­ge­ein­heit (SE) Stei­ner­burg. Diese hat auf das aktu­el­le Kirchen­jahr hin die Gottes­dienst­ord­nung ange­passt. Die Eucha­ris­tie­fei­er am Sams­tag­abend in Stein­ach wurde gestri­chen. «Wir konn­ten nicht mehr alle Gottes­diens­te aufrecht­erhal­ten», erklärt Wirth. Genau­so tönt es aus der Stadt St. Gallen. In den Pfar­rei­en St. Geor­gen, Riet­hüs­li und St. Otmar, die räum­lich nahe beiein­an­der liegen, wurde die Gottes­dienst­ord­nung eben­falls ange­passt. Seit diesem Jahr finden pro Wochen­en­de nur noch zwei statt drei klas­si­sche Sonntagsgottesdienste statt. Eine direk­te Auswir­kung des Pries­ter­man­gels und der immer klei­ner werden­den Fest­ge­mein­de, wie die Pfar­rei­be­auf­trag­te Barba­ra Walser sagt.

Anpas­sun­gen bedür­fen Mutes

Gottes­dienst strei­chen und gut ist? Ganz so einfach ist es nicht. Wenn Zeiten ange­passt oder gewohn­te Feiern gestri­chen werden, ist das immer auch mit Kritik verbun­den. Erich Gunt­li, Pfar­rer in der SE Werden­berg, spricht von einem Span­nungs­feld. «Viele Gläu­bi­ge redu­zie­ren das kirch­li­che Leben auf Gottes­dienst­be­su­che. Und der Gross­teil will, wenn über­haupt, am Sonn­tag um 10 Uhr in die Kirche.» Anpas­sun­gen bedürf­ten Mutes, so Gunt­li. Auch Barba­ra Walser hat ähnli­che Erfah­run­gen gemacht. Der Sonn­tags­got­tes­dienst sei vor allem für tradi­tio­nel­le Gläu­bi­ge noch heilig, so Walser. Sie verschweigt aber auch nicht, dass die Kirchen in ihrem Gebiet häufig ziem­lich leer sind. «Manch­mal predi­gen wir vor 20 Gläu­bi­gen. Wie soll da noch eine feier­li­che Stim­mung aufkom­men?» Walser fragt dies rheto­risch. «Es gibt eben auch viele, die ande­re Formen der Gemein­schaft suchen», sagt sie. Dompfar­rer Beat Grög­li ist in einer komfor­ta­ble­ren Situa­ti­on. Die Kathe­dra­le St. Gallen ist eine Zentrums­kir­che, die Gläu­bi­ge aus der ganzen Regi­on anzieht. Trotz­dem gab es auch hier Anpas­sun­gen. Nach den Sommer­fe­ri­en wurde die Früh­mes­se vom Mitt­woch auf den Abend um 17.30 Uhr verlegt. Die Früh­mes­se vom Diens­tag ist neu in der Gallus-Krypta. «Wir müssen inno­va­tiv blei­ben – in den Zeiten und in den Orten. Wenn wir während der norma­len Arbeits­zeit Gottes­diens­te anbie­ten, schlies­sen wir einen gros­sen Teil der Gläu­bi­gen grund­sätz­lich und bereits von Beginn an aus. Und das wollen wir nicht», erklärt der Dompfar­rer. «Die Gottes­dienst­zeit ist ziem­lich entscheidend.»

Wieder mehr Nähe schaffen

Die Pfar­rei­en, und mit ihnen die Gläu­bi­gen, müssen sich der verän­der­ten Reali­tät stel­len. Die Lösung sind unter andem neue Gottes­dienst­for­men. Wirth sieht in der notwen­di­gen Anpas­sung denn auch eine Chan­ce: «Wo etwas verschwin­det, wird immer Platz geschaf­fen für Neues. Wir versu­chen, trotz weni­ger Gottes­diens­te, näher an die Menschen heran­zu­kom­men. Mit neuen Ange­bo­ten können wir viel­leicht auch jenen Gläu­bi­gen gerecht werden, die keine klas­si­schen Kirch­gän­ger sind.» Die Haupt­fra­ge für ihn sei nicht, ob es künf­tig genü­gend Pries­ter gebe, sondern: «Wie wollen wir künf­tig mit den Gläu­bi­gen unter­wegs sein und die Gemein­schaft pfle­gen?» Die Menschen würden heute oft spezi­el­le und auf sie zuge­schnit­te­ne Ange­bo­te suchen, sagt auch Barba­ra Walser und nennt als Beispiel die Kirche Kunter­bunt. Das aus England stam­men­de, über­kon­fes­sio­nel­le Konzept zieht in der Stadt St. Gallen die Fami­li­en in Scha­ren an. «Durch die Strei­chung der Gottes­diens­te haben wir Raum geschaf­fen für etwas, dem mehr Ausdruck und Kraft zugrun­de liegt», sagt Walser. Und genau hier liegt auch für Beat Grög­li der Punkt. «Die Feiern müssen kraft­voll, sorg­fäl­tig gestal­tet und von einer Gemein­de getra­gen werden. Dort, wo kraft­voll gefei­ert wird, kommen auch die Gläu­bi­gen.» Das gelte für alle Arten von Feiern, so Grög­li. Er weiss, dass dies für klei­ne­re Pfar­rei­en nicht immer einfach ist. «Wir müssen wohl unse­re Kräf­te konzen­trie­ren und uns gut über­le­gen, wie wir was machen.»

Alle sollen mithelfen

Die SE Stei­ner­burg fasst die neuen Ange­bo­te unter dem Schlag­wort «Krea­tiv­fei­ern» zusam­men, wobei diese ganz unter­schied­lich sind: Eine Hunger­tuch­me­di­ta­ti­on während der Fasten­zeit, eine «Zeuerle»-Feier, in der die Verbin­dung von Klang, Gemein­schaft und Gott hör- und erfahr­bar wurde, eine Oster-Lager-Feuer-Feier, eine Krea­tiv­fei­er mit Austausch über den Glau­ben und eine mit Bibel­tei­len. Dabei setzt die Pfar­rei auf die Mithil­fe vieler – alle Gläu­bi­gen dürfen Feiern vorbe­rei­ten und ihnen vorste­hen. In den Pfar­rei­en Riet­hüs­li, St. Geor­gen und St. Otmar werden nun unter ande­rem mehr Wort­got­tes­fei­ern abge­hal­ten. Zudem hat sich eine ökume­ni­sche Feier­grup­pe formiert. «Völlig selbstständig, ohne unser Zutun. Das freut uns sehr und zeigt, dass es ein Bedürf­nis ist, Gemein­schaft auch ausser­halb des gängi­gen Gottes­diens­tes zu erfah­ren», sagt Walser. Für alle Befrag­ten ist aber klar: Gottes­diens­te ersatz­los zu strei­chen, ist keine Opti­on. «Es geht nicht um ein Konkur­renz­den­ken. Es geht darum, die Kirche zu ergän­zen», sagt Erich Guntli.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bild: Pixa­bay
Veröf­fent­li­chung: 1. Novem­ber 2024

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