Was fasziniert Kinder an Weihnachten? Und was können sich Erwachsene davon abschauen? Im Interview sprechen Pavel Zupan und Eliane Rusch aus der Seelsorgeeinheit Walensee über die Magie von Weihnachten und wo sich die Weihnachtsbotschaft im Adventstrubel findet.
Bei vielen Menschen sind mit Weihnachten eine Menge Kindheitserinnerungen verbunden. Was ist Ihre stärkste Erinnerung?
Pavel Zupan: Meine Familie kommt aus Slowenien. Dort brachte der Samichlaus am 6. Dezember die Geschenke, Weihnachten war in meiner Kindheit dann eher für das Familiäre und Religiöse reserviert. Ich erinnere mich an mich als 9‑Jährigen. Ich sah ein Stück der Bühne, in dem der Samichlaus mit dem Schlitten vorfuhr. Begleitet wurde er von zwei Teufeln, die Krampus heissen, und zwei Engeln. Bei den Teufeln merkte ich schnell, dass diese von Personen gespielt wurden. Bei den Engeln glaubte ich hingegen noch lange, dass sie echt gewesen waren. Das ist eine schöne Kindheitserinnerung. Gott ist ein Freund, der mir seine Engel schickt. Eine weitere Erinnerung ist ein Krippenspiel etwas später in der Schweiz. Ich spielte den Josef und meine Mutter hatte mir ein Gewand aus einem Stück Stoff genäht, das mein Grossvater in Slowenien noch selbst gewoben hatte. Das sind schöne Erinnerungen an den Glauben, die Familie und Freunde.
Eliane Rusch: Meine schönste Kindheitserinnerung ist die Mitternachtsmesse. Das war bei uns Tradition. Wir assen an Heiligabend zusammen, packten Geschenke aus und gingen danach in die Mitternachtsmesse. Noch wichtiger war aber, dass wir nach der Mitternachtsmesse alle zum Nani nach Hause gingen. Ihre Küche war immer voll mit Menschen. Es gab Kaffee und Guetzli und wir blieben lange bis in den 25. Dezember hinein wach. Mit lieben Menschen nach der Mitternachtsmesse zusammenzusitzen, ist mir bis heute wichtig.
Was können wir bezüglich Vorfreude auf Weihnachten bei Kindern abschauen?
Eliane Rusch: Das sind die Magie, Vorfreude, Spannung und der Nervenkitzel. Wer es schafft, diese Dinge ins Erwachsensein zu transportieren, kann nicht anders, als sich auf Weihnachten zu freuen.
Pavel Zupan: Wir können uns alles bei Kindern abschauen. Ich bewundere an Kindern immer, wie anders als Erwachsene sie staunen können, etwa über das Geheimnis von Weihnachten, das sich in vielen Dingen ganz unterschiedlich zeigt.
Wie lässt sich diese kindliche Vorfreude bewahren?
Eliane Rusch: Es gibt verschiedene Angebote seitens der Kirche, wie neu zum Beispiel Kirche Kunterbunt. Diese richtet sich an Familien. Unter dem Titel «Säg emol Stern» ist dieses Jahr das Thema im Advent «Stern als Wegweiser – Die Geburt Jesu als Sternstunde für die Menschheit – Sternstunden im Leben». Die Familien besuchen keinen typischen Gottesdienst, sondern treffen sich, bekommen Inputs und setzen sich mit ihren eigenen Gedanken auseinander. Es ist weniger ein Sich-Berieseln-Lassen wie in einem klassischen Gottesdienst. Das spricht vielleicht den einen oder anderen an. Allerdings gibt es Kirche Kunterbunt bei uns erst seit Kurzem. Ich wünsche mir, dass wir damit zum fixen Begleiter für Familien in der Adventszeit werden.
Pavel Zupan: Wir sind eine ländliche Region. Das Krippenspiel und das Sternsingen sind bei uns wirklich gut besucht. Es sind niederschwellige Angebote. Alle können mitmachen. Beides erinnert uns daran, worum es an Weihnachten geht.
Das wäre?
Pavel Zupan: Für mich ist es die Botschaft der Engel an die Hirten. Sie sollen sich nicht fürchten, sondern spüren, dass sie nicht alleine sind. Das ist gerade an Weihnachten wichtig, weil in dieser Zeit bei vielen Menschen die grossen Fragen des Lebens auf den Tisch kommen. Einige haben vielleicht gerade jemanden verloren und trauern. An Weihnachten steht die Botschaft im Mittelpunkt, dass wir nicht alleine sind. Gott wird aus Liebe Mensch und möchte uns nahe sein. Das gibt uns Hoffnung.
Eliane Rusch: Da kann ich nur zustimmen. Gott ist einer, der mit uns mitgeht und bei uns Menschen sein möchte.
Wie können wir uns die Weihnachtsbotschaft stärker bewusst machen?
Eliane Rusch: Mir persönlich hilft es, in der Adventszeit noch bewusster in einen Gottesdienst zu gehen. Die Roratefeiern berühren mich jedes Mal. Auch die dunklen Kirchen und das Kerzenlicht etwa an der Mitternachtsmesse sprechen mich an. Die mystische Stimmung zeigt, da passiert etwas Wundervolles. Ausserdem nutze ich für mich Online-Adventskalender wie zum Beispiel den Podcast «Advent online», die mir regelmässig Gedanken mit auf den Weg geben. Als Familie musizieren und singen wir im Advent gemeinsam. Am Adventssonntag darf immer ein Kind eine Kerze anzünden. Wir üben Lieder für Weihnachten und basteln Geschenke.
Pavel Zupan: Mich sprechen ebenfalls die Rorategottesdienste mit dem anschliessenden Brotbrechen und gemeinsamen Frühstück an. Persönlich versuche ich, im Advent morgens immer eine Kurzandacht zu lesen. Das hilft mir, mich zu erden. Als Religionslehrer habe ich auch festgestellt, dass meine Schulkinder in der Adventszeit etwas Besonderes erwarten. Wir gehen dann zum Beispiel in die Kirche oder an andere Orte.
Weihnachtsmärkte, viel Deko und Geschenkewahn: Weihnachten und Kommerz gehören zusammen. Oder nicht?
Eliane Rusch: Wenn ich meine Primarschülerinnen und ‑schüler im Religionsunterricht frage, auf was sie sich an Weihnachten freuen, nennen sie meist als erstes Geschenke. Hake ich dann aber nach, merke ich, dass sie die Hintergründe des Festes schon kennen. Das zeigt mir, dass die Weihnachtsbotschaft nicht vergessen ist. An erster Stelle stehen aber die Geschenke, dann kommt das Familienfest und dann die religiöse Bedeutung.
Pavel Zupan: Ja, Geschenke stehen definitiv an erster Stelle. Was mich aber regelmässig positiv überrascht, etwa, wenn ich mit meinen Schulkindern oder verschiedensten Menschen spreche, ist, dass hinter all den Geschenken immer eine Sehnsucht steckt. Es ist die Sehnsucht, nach schönen Momenten mit der Familie und Freunden. Diese tragen uns, und davon können wir zehren. Unsere Gesellschaft weiss also, dass es an Weihnachten um Tieferes geht und um Dinge, die wir eben nicht kaufen können. Hier sehe ich eine grosse Chance für uns als Kirche.
Zur Katholischen Kirche gehören die verschiedensten Nationen. Was können wir voneinander abschauen?
Pavel Zupan: Wir sollten das, was verschieden ist, miteinander teilen und uns bewusst machen, was uns vereint. Ich mag beispielsweise Gottesdienste, in denen verschiedene Elemente aus verschiedenen Kulturen zusammenkommen. Ich habe auch eine persönliche Weihnachtstradition, die ich gerne mag: Ein typisch slowenisches Weihnachtsgericht ist Potica, ein Kuchen, der an einen Marmorkuchen erinnert. Man teilt ihn mit anderen und spricht über Erinnerungen.
Eliane Rusch: Das sehe ich aus so. Die verschiedenen Bräuche und Rituale zeigen uns, worum es an Weihnachten geht. Das Vereinende und Tragende ist für mich das Zusammenkommen und das gemeinsame Feiern der Geburt von Jesus.
Alle Angebote, Gottesdienste und Veranstaltungen in der Seelsorgeeinheit Walensee auf www.sesowa.ch in der Rubrik Aktuelles
Interview: Nina Rudnicki
Bilder: Manuela Matt
Veröffentlichung: 27. November 2024