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Podcast Fadegrad

Leserfrage: Warum machen die Kirchen jetzt auch einen Podcast?

Das Hörver­hal­ten hat sich in den letz­ten Jahren massiv ­geän­dert: Menschen hören vermehrt «on demand», also ­digi­tal, mobil und zeit­un­ab­hän­gig. Sie stel­len sich ihr ­eige­nes Radio­pro­gramm zum Beispiel via Spoti­fy zusam­men – für den Weg ins Büro, beim Bügeln oder Joggen.

Weil Kirche da sein will, wo Menschen sind, hat sich der Verein Ökume­ni­sche Medi­en­ar­beit im Bistum St. Gallen dazu entschie­den, einen Podcast zu produ­zie­ren – anstatt wie bisher einen klas­si­schen einein­halb­mi­nü­ti­gen ­Radio­bei­trag am Sonntagmorgen.

Persön­li­che Gespräche

Eine «fadegrad»-Podcastfolge dauert rund eine halbe Stun­de und kann jeder­zeit über die Website www.fadegrad-podcast.ch sowie über die Audio­platt­for­men Spoti­fy oder Apple Podcasts gehört werden. Mein Anspruch als Gast­ge­be­rin des Podcasts ist es, Themen diffe­ren­ziert zu behan­deln und Gesprä­che mit Tief­gang zu führen – was umso wich­ti­ger ist, je gespal­te­ner eine Gesell­schaft ist und je mehr Fake News und verkürz­te Botschaf­ten Schlag­zei­len machen. «Fade­grad» kennt keine Tabus und fragt unver­blümt nach, warum Menschen tun, was sie tun und wie sie gewor­den sind, wer sie sind. Wir wollen wissen, warum Menschen Sexarbeiter:innen werden, wie sie mit dem eige­nen Ster­ben umge­hen oder wie sie nach dem Suizid eines Ange­hö­ri­gen weiter­le­ben. Die rund 4700 Hörer:innen im ersten Jahr konn­ten bei den teils sehr persön­li­chen Gesprä­chen «mitlau­schen» und sich so inspi­rie­ren lassen.

Wo Kirche drinsteckt

Die Ökume­ni­sche Medi­en­ar­beit macht den Podcast auch um zu zeigen, «wo Kirche drin­steckt», wo man es viel­leicht nicht erwar­tet. Denn Kirche beglei­tet Menschen in unter­schied­li­chen Lebens­la­gen: beispiels­wei­se im Hospiz, in der Paar­be­ra­tung oder in der Abschie­be­haft. Es gibt viele gross­ar­ti­ge Kirchen-Podcasts da draus­sen. Meine persön­li­chen Favo­ri­ten aus dem deutsch­spra­chi­gen Raum sind «Ausge­glaubt», «Unter Pfar­rers­töch­tern» sowie «Secta». «Fade­grad» ist übri­gens mehr als nur ein Podcast: Auf Insta­gram @fadegrad_podcast erschei­nen Stories, Reels und Umfra­gen zum jewei­li­gen Wochen­thema. Mehr als die Hälf­te unse­rer Follower:innen sind zwischen 18 und 35 Jahren alt, ­wöchent­lich sehen mehr als 2000 Perso­nen die Instagram-Beiträge. Neu gibt es uns auch auf YouTube. «Warum muss die Kirche jetzt auch noch Vide­os machen?» fragen Sie sich viel­leicht jetzt. Das ist aber ein Thema für eine ande­re Leserfrage …

Ines Scha­ber­ger, Gast­ge­be­rin und Produ­zen­tin des fadegrad-Podcasts

Website Podcast Fadegrad

Weltjugendtag in St.Gallen: Junge Gläubige feiern

Julia Pfis­ter (25), Sozi­al­päd­ago­gin aus Kalt­brunn, und Valen­tin Kölbe­ner (27), Student an der Uni St. Gallen, haben momen­tan in ihrer Frei­zeit viel zu tun: Sie sind Teil des OKs des Welt­jugendtags, der Ende April bis zu 800 Jugend­li­che in die Gallus­stadt locken soll.

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Rabbiner Tovia Ben Chorin

Rabbi­ner Tovia Ben Chorin, Rabbi­ner der Jüdi­schen Gemein­de St.Gallen, ist im Alter von 86 Jahren verstor­ben. Er hat den inter­re­li­giö­sen Dialog in der Ostschweiz geprägt, war geschätzt für sein gros­ses Wissen und seinen Humor. 

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«Ich spüre viel Solidarität»

Für tausen­de Geflüch­te­te aus der Ukrai­ne muss innert kurzer Zeit Unter­stüt­zung
orga­ni­siert werden. Phil­ipp Holder­eg­ger, Geschäfts­lei­ter der Cari­tas St.Gallen-Appenzell,
erklärt, wie man diesen Menschen helfen kann. In abseh­ba­rer Zeit werde es etwa viele
Frei­wil­li­ge brau­chen, die den Geflüch­te­ten bei der Inte­gra­ti­on in den Alltag helfen.

Bild: zVg./ Caritas.ch

Täglich kommen hunder­te aus der Ukrai­ne geflüch­te­te Perso­nen in der Schweiz an. Was bedeu­tet das für die Cari­tas St.Gallen-Appenzell?

Phil­ipp Holder­eg­ger: Wir, die Hilfs­wer­ke auf dem Platz St. Gallen, sind sieben Tage die Woche mit fünf Perso­nen im Asyl­zen­trum Altstät­ten im Einsatz. Wir haben dort ein Büro bezo­gen und helfen, für die geflüch­te­ten Perso­nen passen­de Gast­fa­mi­li­en zu finden. Viele der Geflüch­te­ten kommen direkt vom Bahn­hof oder per Car von der Empfangs­stel­le am Zürcher Haupt­bahn­hof bei uns an. Sie sind per Bahn einge­reist und durch die direk­ten Zugver­bin­dun­gen in Zürich gelan­det. Von dort aus werden sie dann in die weni­ger ausge­las­te­ten Zentren wie eben in Altstät­ten gefahren.


Was brau­chen die geflüch­te­ten Personen?

Holder­eg­ger: Nebst der Klärung des Schutz­sta­tus S steht schnell die Wohn­si­tua­ti­on im Vorder­grund, zum Beispiel durch die Vermitt­lung in Gast­fa­mi­li­en. Die Geflüch­te­ten sollen dort zur Ruhe kommen können, sich sicher fühlen, und beispiels­wei­se erst einmal wieder zwei, drei Näch­te durch­schla­fen, um dann in eine Tages­struk­tur zurück­zu­fin­den. Dann gibt es auch Perso­nen, für die eine Gast­fa­mi­lie nicht in Frage kommt, wie etwa allein reisen­de Kinder. Für sie stehen fach­lich betreu­te Plät­ze bereit.

Auch viele Pfar­rei­en orga­ni­sie­ren Hilfs­an­ge­bo­te. Wie läuft dabei die Zusam­men­ar­beit mit der Caritas?

Holder­eg­ger: Es gibt Pfar­rei­en, die derzeit ihre Pfarr­hei­me bereit­stel­len respek­ti­ve für die Unter­brin­gun­gen geflüch­te­ter Perso­nen vorbe­rei­ten. Verei­ne, die dort ihren Treff­punkt haben, ziehen vorüber­ge­hend aus. So kann Platz für Schlaf­räu­me und sani­tä­re Anla­gen geschaf­fen werden. Wert­voll ist das vor allem, wenn Platz für grös­se­re Grup­pen von 40 Perso­nen benö­tigt wird. Wir sind über­zeugt, dass die Kirchen zu einem späte­ren Zeit­punkt eine wich­ti­ge Rolle über­neh­men können. Sei es als beglei­te­te Treff­punk­te, wo gemein­sam
gekocht wird in den Pfar­rei­zen­tren, als Bera­tungs­or­te oder Raum, wo Frei­zeit gestal­tet wird.

Wie kann man als Privat­per­son am besten helfen?

Holder­eg­ger: Wer genü­gend Platz bei sich hat und ein Zimmer oder eine Wohnung anbie­ten möch­te, kann sich auf www.fluechtlingshilfe.ch als Gast­fa­mi­lie regis­trie­ren. Abge­se­hen davon helfen Geld­spen­den am meis­ten. Die können wir an die Cari­tas in Polen und Bulga­ri­en über­wei­sen und ermög­li­chen diesen so, hand­lungs­fä­hig zu sein. Wir werden in abseh­ba­rer Zeit auch Frei­wil­li­ge brau­chen, die die Geflüch­te­ten bei der Inte­gra­ti­on in den Alltag unter­stüt­zen. Perso­nen, die helfen möch­ten, rate ich daher, Augen und Ohren offen zu halten. Wir werden die Aufru­fe zur Unter­stüt­zung bei Bedarf publi­zie­ren. Nicht hilf­reich sind hinge­gen Sachspenden.

Worauf berei­tet sich die Cari­tas derzeit vor? Was sind die nächs­ten Heraus­for­de­run­gen und Aufga­ben?
Holder­eg­ger: Ein nächs­ter Schritt wird sein, die Situa­ti­on zuhau­se bei den Gast­fa­mi­li­en zu über­prü­fen und zu beglei­ten. Eine Gast­fa­mi­lie verpflich­tet sich für mindes­tens drei Mona­te. Die geflüch­te­ten Perso­nen werden derzeit rasch plat­ziert, sodass die Nach­be­treu­ung von Gast­fa­mi­li­en und Geflüch­te­ten in einem zwei­ten Schritt umso wich­ti­ger sein wird. Diese Nach­be­treu­ung durch Fach­per­so­nen orga­ni­sie­ren die Kanto­ne. Wir werden seitens der Cari­tas für diese Aufga­be unse­re Unter­stüt­zung anbieten.

Welche Eindrü­cke nehmen Sie persön­lich aus den vergan­ge­nen Tagen mit?

Holder­eg­ger: Mich beein­druckt die Soli­da­ri­tät. Um die Aufga­be im Asyl­zen­trum Altstät­ten über­neh­men zu können, müssen wir Ange­bo­te wie einzel­ne Firm­grup­pen­be­glei­tun­gen um eini­ge Mona­te verschie­ben. Für die Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen ist das selbst­ver­ständ­lich. Dann moti­vie­ren mich jene Geschich­ten, die trotz der aktu­el­len Situa­ti­on Hoff­nung mit sich brin­gen. Da ist etwa eine Fami­lie, die nebst ihrer Mutter­spra­che nur Italie­nisch spricht. Für sie konn­te ein Platz in einem Tessi­ner Dorf gefun­den werden. Noch bevor die Fami­lie in Altstät­ten abreis­te, war das Kind nach einem Tele­fon­ge­spräch mit der Schul­lei­te­rin prak­tisch schon einge­schult. Handeln zu können und den Betrof­fe­nen in alltäg­li­chen Dingen zu helfen, empfin­de ich in der aktu­el­len Situa­ti­on als abso­lu­tes Privileg

Phil­ipp Holder­eg­ger
Geschäfts­lei­ter Cari­tas St.Gallen-Appenzell

Pius Süess

Bodensee-Friedensweg für die Ukraine und das Klima

Am Oster­mon­tag setzen Menschen aus der Schweiz, Deutsch­land und Öster­reich beim ­Inter­na­tio­na­len Bodensee-Friedensweg ein Zeichen: «Für Frie­den, die Schöpfungs­verantwortung, aber auch für die Gemeinwohl-Ökonomie», sagt Pius Süess aus Wolf­hal­den AR, der dieses Jahr zum ersten Mal die Schweiz im OK vertritt.

Der Krieg in der Ukrai­ne macht auch Pius Süess betrof­fen. «So etwas löst Ohnmachts­ge­füh­le aus», sagt er beim Spazier­gang zum Frie­dens­tisch in Wolf­hal­den AR. Seit über vier­zig Jahren enga­giert sich der pensio­nier­te Reli­gi­ons­leh­rer in der Frie­dens­be­we­gung. Stellt man ange­sichts der momen­ta­nen Ereig­nis­se dieses Enga­ge­ment nicht komplett in Frage? Pius Süess schüt­telt den Kopf: «Selbst­ver­ständ­lich drängt sich die Frage auf: Was kann ich schon bewir­ken? Gera­de heute beim Früh­stück haben meine Frau und ich uns darüber unter­hal­ten», erzählt er. Doch sie beide seien nach wie vor über­zeugt: «Wenn jeder einen klei­nen Beitrag leis­tet, kann etwas Gros­ses entste­hen. Auch wenn ich mich in meiner Fami­lie oder in meinem Umfeld für Frie­den einset­ze, leis­te ich Friedensarbeit.»

Pius Süess, pensio­nier­ter Reli­gi­ons­leh­rer, ist seit vielen Jahr­zehn­ten in der Frie­dens­ar­beit engagiert.

Gemein­sam etwas erreichen

Am Anfang von seinem Enga­ge­ment für Frie­den und Versöh­nung stand eine eige­ne Gewalt­er­fah­rung: In den 80er-Jahren verbrach­te Pius Süess ein paar Jahre mit seiner Frau und seinen klei­nen Kindern in der Entwick­lungs­zu­sam­men­ar­beit in Kolum­bi­en. Dort erleb­te er haut­nah mit, wie sich Krieg und Gewalt lang­fris­tig auf Land und Gesell­schaft auswir­ken. «Diese Zeit hat mich geprägt und moti­viert, mich in verschie­de­nen Projek­ten und Initia­ti­ven einzu­set­zen.» Im Appen­zel­ler­land war Pius Süess unter ande­rem Mitin­iti­ant der Frie­dens­sta­tio­nen, einem Wander­weg von Walzen­hau­sen nach Heiden, heute präsi­diert er dessen Träger­ver­ein. Kraft fand er immer wieder bei seinen Teil­nah­men an Kund­ge­bun­gen für Frie­den und Gerech­tig­keit. «Ähnli­che Erfah­run­gen schil­dern mir Menschen, die in den letz­ten Tagen an Frie­dens­de­mons­tra­tio­nen waren, man spürt: Ich bin nicht allein, wir können gemein­sam etwas erreichen.»

Folgen des Klimawandels

Beim Inter­na­tio­na­len Bodensee-Friedensweg stand in den letz­ten Jahren die Klima-Verantwortung im Fokus. Das soll auch in diesem Jahr so sein. «Wir werden auf den Krieg in der Ukrai­ne Bezug nehmen», erklärt Pius Süess, «aber gleich­zei­tig ist es uns wich­tig, das Ganze im Blick zu haben.» Zum Einsatz für den Frie­den gehö­ren nicht nur das Aufste­hen gegen Waffen und Gewalt. «Wir dürfen auch die Klima­ka­ta­stro­phe nicht verges­sen.» Auch der Klima­wan­del sei ein Krieg, der Leid und Unge­rech­tig­kei­ten auslö­se: «Die Dürre nimmt in vielen Regio­nen der Welt zu, immer mehr Menschen sind von Hunger­ka­ta­stro­phen betroffen.»

Kirch­li­che Friedensarbeit

Der Bodensee-Friedensweg ist eine nicht­kon­fes­sio­nel­le Bewe­gung, doch im Vorstand enga­gie­ren sich zahl­rei­che Menschen mit kirch­li­chem Hinter­grund. «Das Enga­ge­ment für den Frie­den ist in vielen Pfar­rei­en und Kirch­ge­mein­den verwur­zelt – schon lange vor dem Ukraine-Krieg», weiss Pius Süess, «Die Kirchen rund um den Boden­see leis­ten einen wich­ti­gen Beitrag für eine fried­li­che und gerech­te Welt.» Manche mögen gegen­wär­tig zwei­feln, ob das Frie­dens­en­ga­ge­ment etwas bewirkt, doch der Zeit­punkt des Bodensee-Friedenswegs hat eine klare Botschaft: Der Frie­dens­weg findet am Oster­mon­tag statt – und ist damit auch Ausdruck der christ­li­chen Oster-Hoffnung: Das Leid und der Tod haben nicht das letz­te Wort, es siegt das Leben.

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Bodensee-Friedensweg in Bregenz

Am 18. April spre­chen Vertre­te­rin­nen und Vertre­ter der Fridays for Future-Bewegung und der Gemeinwohl-Ökonomie. Haupt­red­ne­rin ist Lea Suter, die nach dem Germanistik- und Russis­tik­stu­di­um ihren Master in inter­kul­tu­rel­len Trans­fer­stu­di­en in Frei­burg (D) und in Moskau mach­te. Sie ist heute Präsi­den­tin des «Forums für Frie­dens­kul­tur» und Geschäfts­lei­te­rin der Gesell­schaft Schweiz-UNO. Über hundert Orga­ni­sa­tio­nen und Grup­pen aus der Friedens- und Umwelt­ar­beit und dem kirch­li­chen Umfeld sind mitbe­tei­ligt. Der Weg star­tet um 14 Uhr am Korn­markt Bregenz.

→ www.bodensee-friedensweg.org

21. März 2022

«Gott, schau hin»

Wie mit den Schre­ckens­mel­dun­gen aus der Ukrai­ne umge­hen? Was tun? Und wie beten? Der Kapu­zi­ner Niklaus Kuster aus dem Klos­ter Rappers­wil SG über die Wirkung von klei­nen Zeichen, Gebets­hil­fen und die Kraft der Gemeinschaft.

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Susan Boos

«Präventive Strafen dürfen nicht sein»

«Auge um Auge – Die Gren­zen des präven­ti­ven Stra­fens» heisst das neue Buch von Susan Boos. Was mit Brie­fen adres­siert an die St. Galler Jour­na­lis­tin begann, endet mit einer Reise durch die Straf­sys­te­me verschie­de­ner Länder. Wie hat das ihre Sicht verändert?

Susan Boos, Jour­na­lis­tin bei der Wochen­zei­tung WOZ in Zürich, taucht mit ihrem neus­ten Werk tief ein in das Schwei­zer Straf­recht mit dem beson­de­ren Blick auf verwahr­te Perso­nen. «Viele der Verwahr­ten aus den Nuller­jah­ren kommen nun in ein pfle­ge­be­dürf­ti­ges Alter. Es braucht Orte und Insti­tu­tio­nen für sie», gibt die 58-Jährige zu beden­ken. Die Schweiz habe kein sehr gutes Modell. Und dabei spricht Boos nicht nur von den älter werden­den wegge­sperr­ten Perso­nen, sondern auch von der Verwah­rung im Allge­mei­nen. «Verwahr­te Perso­nen haben ihre eigent­li­che Stra­fe irgend­wann einmal abge­ses­sen. Danach ergibt es eigent­lich keinen Sinn mehr, sie im norma­len Straf­voll­zug zu lassen.»

Stra­fe als Wegbegleiterin

Bereits in jungen Jahren wurde Boos mit dem Straf­ge­setz konfron­tiert. Nach einer ersten Stati­on am Lehrer­se­mi­nar in Rorschach stieg sie in den Jour­na­lis­mus ein. Dane­ben studier­te die damals gut 20-Jährige auch kurze Zeit Jura. «Die Debat­ten zur Straf­re­form, die die 68er-Bewegung ange­stos­sen hatte, waren immer noch präsent.» Als Susan Boos mit gut 40 Jahren die Redak­ti­ons­lei­tung bei der WOZ über­nahm, bekam sie etli­che Brie­fe von verwahr­ten Perso­nen aus dem Gefäng­nis. Es soll­ten noch­mals ein paar Jahre ins Land ziehen, bis sie 2015 mit ihrer Reise – wie Susan Boos ihr Buch­pro­jekt gerne selbst bezeich­net – star­te­te. «Ich woll­te mit Menschen spre­chen, die in der Proble­ma­tik drin sind», so Boos. Die Publi­zis­tin hat sich aus diesem Grund nicht nur mit Anwäl­ten und Exper­ten in Sachen Straf­recht getrof­fen, sondern auch Gesprä­che mit heute noch verwahr­ten Perso­nen – oder auch solchen, die es mal waren – und deren Familien-angehörigen geführt. Entstan­den ist eine eindrück­li­che Samm­lung von verschie­de­nen Geschich­ten und Ansichten.

Besuch von Schulklassen

Ihre Reise führ­te Susan Boos auch ins Ausland. So besuch­te sie unter­schied­li­che Orte und Statio­nen in den Nieder­lan­den und Deutsch­land, um heraus­zu­fin­den, wie dort mit verwahr­ten Perso­nen umge­gan­gen wird. Die Unter­schie­de könn­ten nicht grös­ser sein. Während es in Deutsch­land eige­ne Abtei­lun­gen für Verwahr­te gibt, setzt Holland auf eine Art «eige­nes Dorf». «Die Insas­sen heis­sen dort Bewoh­ner und können ihr Leben selbst­be­stimm­ter gestal­ten», erzählt Boos. Teil­wei­se kommen sogar Schul­klas­sen zu Besuch. «Das ist ein völlig ande­rer Umgang mit Leuten, die nur noch wegge­sperrt sind, weil sie als gefähr­lich gelten und die Öffent­lich­keit vor ihnen geschützt werden soll – und nicht, weil sie ihre Stra­fe zu verbüs­sen haben.» Im Vergleich: In der Schweiz blei­ben verwahr­te Perso­nen je nach­dem ein ganzes Leben im Straf­voll­zug. Das heisst so viel wie, es wird ihnen gesagt, wann sie aufste­hen und zu Bett gehen sollen, wie viele Tele­fo­na­te sie am Tag führen dürfen, wen sie als Besuch wöchent­lich empfan­gen dürfen und wann es was zu essen gibt.

Susan Boos
Das neue Buch von Susan Boos erscheint Mitte März 2022.

Es braucht eine Perspektive

Mit ihrem Buch möch­te die amtie­ren­de Präsi­den­tin des Schwei­zer Pres­se­ra­tes weder die Gefäng­nis­se noch die Stra­fen abschaf­fen. «Die Stra­fe braucht es für den gesell­schaft­li­chen Frie­den.» Aber dass Männer und Frau­en im Gefäng­nis zu besse­ren Menschen werden, glaubt Susan Boos schon lange nicht mehr. «Vor allem für junge Perso­nen – von 15 bis 25 Jahren – ist es enorm schwer, sich im Gefäng­nis zu sozia­li­sie­ren.» Diese möch­ten alle irgend­wann eine Fami­lie, ein Haus und ein Auto. Sie haben somit eine Perspek­ti­ve, eine Art Antriebs­kraft. Und diese braucht es aus Sicht der Autorin. «Präven­ti­ve Stra­fen dürfen nicht sein.»

Text: Nina Frau­en­fel­der­Bild: zVg.

Richter Hans Willi

«Es muss weh tun»

Wer gegen das Gesetz verstösst, muss bestraft werden. Darüber ist sich das Gros der ­Gesell­schaft einig. Doch nützen die Stra­fen tatsäch­lich etwas oder geht es auch ohne? Hans Willi, Straf­rich­ter und Vize­prä­si­dent beim Kreis­ge­richt Werdenberg-Sarganserland, ­findet eindeu­tig: Stra­fe muss sein.

Hans Willi, wie halten Sie es als Vater eines Teen­agers mit dem Thema Strafen?

Hans Willi: Da bin ich weit­aus weni­ger streng und konse­quent. Es ist bei mir Zuhau­se wie so bei vielen ande­ren Fami­li­en: Ewiger Zank­ap­fel zwischen den Eltern und dem 11-Jährigen ist der Konsum von digi­ta­len Medi­en. Ähnlich wie bei Straf­tä­tern hilft die sanf­te Ermah­nung meist nicht. Als erzie­he­ri­sche Mass­nah­me zeigt der unbe­ding­te Entzug weit mehr Wirkung (lacht).

Und wie sehen Sie das als Straf­richter? Was ist Ihrer ­Meinung nach eine gerech­te Strafe?

Pauschal lässt sich dies nur schwer beant­wor­ten. Wir beur­tei­len als Rich­ter jeden Fall auto­nom. Meiner Ansicht nach ist eine Stra­fe dann gerecht, wenn sämt­li­che Partei­en etwas unzu­frie­den mit dem Urteil sind. Wenn ich merke, dass alle Seiten das Straf­mass zähne­knir­schend akzep­tie­ren, habe ich als Rich­ter die Gewähr, dass ich ziem­lich genau die Mitte des Spiel­raums getrof­fen habe, den das Gesetz zulässt.

Ist eine Stra­fe der einzi­ge Weg, um Delin­quen­ten zur Räson zu bringen?

Es werden auch immer wieder ande­re Ansät­ze disku­tiert, wie beispiels­wei­se «Resto­ra­ti­ve Justi­ce». Die Grund­idee dabei ist, dass der Schä­di­ger unmit­tel­ba­re Verant­wor­tung für seine Tat über­nimmt und diese direkt beim Opfer versucht, wieder gutzu­ma­chen. Wie dies aber beispiels­wei­se bei einem Mord gesche­hen soll, ist mir schlei­er­haft. Auch Fälle, wo gemein­nüt­zi­ge Arbeit ausge­spro­chen wurde, zeig­ten, dass die Rück­fall­quo­ten prak­tisch iden­tisch sind mit Fällen, bei denen herkömm­li­che Stra­fen wie Bussen oder Frei­heits­ent­zug verhängt wurden. Unser Rechts­sys­tem ist nach meinem Empfin­den sehr nahe am reali­sier­ba­ren Optimum.

Sie sind also der Über­zeu­gung, dass Stra­fe sein muss?

Ja. Ein Delikt braucht nach meinem Rechts­emp­fin­den eine Art von Sühne. Ermah­nung allein nützt nichts oder nur sehr wenig und würde im abso­lu­ten Chaos enden. Es muss schon weh tun, bis die Meis­ten aus ihren Fehlern lernen.

Die hohen Rück­fall­quo­ten bei Straf­tä­tern zeich­nen aber ein ande­res Bild …

Unbe­lehr­ba­re gibt es immer und es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Reso­zia­li­sie­rung nach einer Haft­stra­fe nur bei einem sehr klei­nen Teil gelingt. Die meis­ten Straf­mas­se, die wir ausspre­chen, münden aber nicht im unbe­ding­ten Straf­voll­zug, sondern sind Bussen oder beding­te Freiheits- oder Geld­stra­fen. Gera­de bei Erst­tä­tern erzielt man damit oft die gewünsch­te Wirkung und es bleibt bei einer einma­li­gen Verurteilung.

Hans Willi ist Straf­rich­ter am Kreis­ge­richt Werdenberg-Sarganserland 

Gibt es auch Baustel­len in der Gesetzgebung?

Elemen­ta­re Defi­zi­te könn­te ich keine nennen. Unse­re Geset­ze werden laufend von der Poli­tik nach­jus­tiert und im Ideal­fall opti­miert. Mein persön­li­cher Eindruck ist aber, dass sich in der Schweiz immer mehr eine Verbots­kul­tur breitmacht.

Wie meinen Sie das?

Jedes Jahr werden noch mehr zusätz­li­che Geset­ze einge­führt und die Menschen in ihrem Handeln zuse­hends einge­schränkt. Diese Entwick­lung beob­ach­te ich mit Besorg­nis. In unse­rer Gesetz­ge­bung ist bereits ein mannig­fal­ti­ges Spek­trum an mögli­chen Tatbe­stän­den gere­gelt. Da müssen wir nicht noch für 700 even­tu­el­le Spezi­al­fäl­le neue Arti­kel kreieren.

Und wie sieht es bezüg­lich der Straf­rah­men aus?

Mit den vorge­ge­be­nen gesetz­li­chen Straf­rah­men kann ich grund­sätz­lich sehr gut leben und arbei­ten. Mühe berei­tet mir unser Gesetz einzig dann, wenn wir als Urteils­spre­cher null Ermes­senspiel­raum zur Verfü­gung haben. Dies ist beispiels­wei­se beim soge­nann­ten Raser­ge­setz der Fall. In solchen Fällen ist das Mindest­straf­mass klar vor-gegeben: Wenn ich auf der Auto­bahn an einem verkehrs­ar­men Diens­tag­vor­mit­tag sech­zig Stun­den­ki­lo­me­ter zu viel auf dem Tacho habe, krie­ge ich die selbe Stra­fe aufge­brummt, wie jemand, der an einem schö­nen Sonn­tag­nach­mit­tag inner­orts auf einer belieb­ten Fahr­rad­stre­cke fünf­zig Kilo­me­ter pro Stun­de zu schnell fährt und damit grob­fahr­läs­sig Menschen in Gefahr bringt. Ich muss alle über den selben Kamm sche­ren, was meinen Grund­sät­zen als Rich­ter widerstrebt.

Lassen Sie dort, wo Sie ­Ermes­sens­spiel­raum haben, die persön­li­chen ­Umstän­de der Ange­klag­ten in Ihre Beur­tei­lung einfliessen?

Wenn wir die Möglich­keit haben: ja. Das sind wir den Ange­klag­ten, aber auch den Klägern schul­dig. Jeder Fall ist anders, hat eine ande­re Geschich­te. Dem versu­chen wir wenn irgend­wie möglich Rech­nung zu tragen, – natür­lich immer inner­halb des gesetz­li­chen Rahmens.

Bei einer Gerichts­ver­hand­lung legen alle Seiten ihre Sicht­wei­se dar. Ist das ähnlich wie in der ­Schu­le: Wer eloquent und ­empa­thisch präsen­tiert, schnei­det besser ab als der ­intro­ver­tier­te, abwei­send ­wirken­de Stammler?

Wir Rich­ter sind keine Über­men­schen, weshalb auch wir manche Ange­klag­ten sympa­thi­scher finden als ande­re. Diese weichen Fakto­ren müssen wir aber spätes­tens in der Phase der Urteils­spre­chung ausblen­den und uns auf die harten Fakten fokus­sie­ren. Ein Urteil muss in erster Linie ein Kopf­ent­scheid sein, mit einer wesent­lich klei­ne­ren Porti­on Bauchgefühl.

Apro­pos persön­li­che Empfin­dun­gen: Zwei Tage nach­dem wir dieses Inter­view führen, müssen Sie über einen Fall ­entschei­den, bei dem mitun­ter dem Ange­klag­ten mehr­fa­che sexu­el­le Hand­lun­gen mit einem Kind vorge­wor­fen werden. Wie schla­fen Sie vor so einer Verhandlung?

Grund­sätz­lich immer gut. Klar, der beschrie­be­ne Fall blen­det in die tiefs­ten Abgrün­de eines Menschen hinein und ich verab­scheue die ange­klag­ten Taten zutiefst. Aber dies alles muss und kann ich ausklam­mern. Mich trei­ben vor einer solchen Verhand­lung viel mehr die recht­li­chen Fragen und die Vorbe­rei­tun­gen um. Habe ich alle Even­tua­li­tä­ten berück­sich­tigt? Welche Arti­kel sind relevant?

«Wie fühlen Sie sich?», fragt Hans Willi jeweils die Angeklagten.

Wenn Sie und die übri­gen ­Rich­ter haupt­säch­lich anhand der Fakten entschei­den, wozu sind dann noch die persön­li­chen Anhö­run­gen der Partei­en nötig?

Bei einem Prozess sind die Akten das eine, der persön­li­che Eindruck das ande­re. Beim Gros der Straf­fäl­le gibt es nicht nur Schwarz und Weiss.

Aber Sie haben doch gera­de betont, dass das Persön­li­che aussen vor blei­ben sollte …

So abso­lut lässt sich das nicht sagen. Nehmen wir das Beispiel Sexu­al­de­likt. Nur anhand der Straf­ak­ten zu entschei­den, ob eine Verge­wal­ti­gung vorliegt oder nicht, kann enorm schwie­rig sein. Die münd­li­che Verhand­lung ist gera­de in solchen Fällen elemen­tar, damit sich jeder Rich­ter, jede Rich­te­rin ihr persön­li­ches Urteil bilden kann. Dann kommt der ange­spro­che­ne Ermes­sens­spiel­raum zum Tragen und wir entschei­den nach dem Mehr­heits­prin­zip, wem wir mehr Glau­ben schen­ken. Das macht unse­re Arbeit so span­nend und gleich­zei­tig anspruchsvoll.

Dann gehen Sie nie mit einer vorge­fer­tig­ten Meinung in den Gerichtssaal?

Ich bilde mir mein abschlies­sen­des Urteil immer erst nach den Anhö­run­gen. Wenn wir alle schon mit unse­rer unwi­der­ruf­ba­ren Meinung in den Saal kämen, die wir uns anhand der Akten gebil­det haben, könn­ten auch Algo­rith­men über Schuld oder Unschuld befin­den. Die subjek­ti­ve Einschät­zung der Rich­ter soll­te unbe­dingt bei jedem Urteil, das einen gewis­sen Ermes­sens­spiel­raum zulässt, mit einfliessen.

Was fragen Sie die Partei­en während der Anhö­rung, was nicht in den Akten steht?

Meine erste Frage ist immer: «Wie fühlen Sie sich?» Die meis­ten Menschen auf der Ankla­ge­bank haben Angst vor der Verhand­lung und dem Urteils­spruch und fühlen sich ausge­spro­chen unbe­hag­lich. Danach folgen meist persön­li­che Fragen wie «Was ging in Ihnen während der vermeint­li­chen Tat vor?» oder «Würden Sie wieder so handeln?» Anhand der Antwor­ten kann ich mir einen Eindruck verschaf­fen, ob der Ange­klag­te beispiels­wei­se Reue empfin­det oder ob er äusserst abge­klärt wirkt.

Hatten Sie nach einem Urteils­spruch auch schon das Gefühl, eine unge­rech­te Stra­fe ­ausge­spro­chen zu haben?

Bisher habe ich noch nie so empfun­den. Ich stehe hinter den Entschei­den des Gerichts, selbst dann, wenn ich mit meinem Stand­punkt im Rich­ter­gre­mi­um unter­le­gen bin.

Auf Ihrem Tisch landen ­mehr­heit­lich Akten von ­Straf­ta­ten. Wie kann man ­dabei opti­mis­tisch bleiben?

Indem man sich auf die Tatsa­che konzen­triert, dass nur ein klei­ner Teil unse­rer Mitmen­schen im juris­ti­schen Sinn straf­fäl­lig wird. Der viel grös­se­re Rest verhält sich korrekt.

Inter­view: Rosa­lie Manser

Bilder: Ana Kontoulis

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«Präven­ti­ve Stra­fen dürfen nicht sein» Susan Boos hat sich mit den verschie­de­nen Straf­sys­te­men Euro­pa beschäftigt.

b‑treff Bütschwil Jubiläum

Der b‑treff in Bütschwil ist gefragt wie nie. Treff-Leiterin Sylvia Suter und dreis­sig ­Frei­wil­li­ge versu­chen Hoff­nung zu schen­ken – manch­mal mit einer Tasse Kaffee. Im April feiert der viel­fäl­ti­ge Begeg­nungs­ort, gegrün­det durch eine kirch­li­che Initia­ti­ve, den 10. Geburtstag.

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Umfrage: Gläubige fordern Reformen

Refor­men bei der Rolle der Frau und beim Umgang mit LGBTQI+-Personen, Geschie­de­nen und Wieder­ver­hei­ra­te­ten, aber auch eine stär­ke­re Rück­be­sin­nung auf tradi­tio­nel­le Werte und Normen – die Umfra­ge­er­geb­nis­se machen sicht­bar, wo Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken im Bistum St.Gallen Reform­be­darf sehen. Am 11. Febru­ar stell­te gfs.Bern zusam­men mit dem Bistum St.Gallen die Ergeb­nis­se in Wil vor. 


«Es gibt kein Zurück» — Was macht das Bistum St.Gallen jetzt mit den Ergebnissen?

Inter­view mit Domi­nik Michel-Loher (21. April 2022) Zum Inter­view


«Die Ergeb­nis­se in den drei Bistü­mern ähneln sich sehr stark», sagte Cloé Jans vom Meinungs- und Markt­for­schungs­in­sti­tut gfs.Bern bei der Präsen­ta­ti­on der Ergeb­nis­se im katho­li­schen Pfar­rei­zen­trum in Wil SG. Zahl­rei­che Vertre­te­rin­nen und Vertre­ter aus den Pfar­rei­en, Kirch­ge­mein­den und kirch­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen hatten den Weg nach Wil gefun­den. Im Rahmen der der Bischofs­syn­ode, die 2023 in Rom statt­fin­det, rief Papst Fran­zis­kus die Bistü­mer welt­weit auf, sich an einer Umfra­ge zur Synoda­li­tät zu betei­li­gen. Die Bistü­mer St.Gallen, Basel und Chur lancier­ten im vergan­ge­nen Herbst eine gemein­sa­me Umfra­ge. Im ­Bistum St.Gallen nutz­ten 1000 Perso­nen die ­Möglich­keit, am Dialog­pro­zess der römisch-katholischen Kirche teilzunehmen.«Die Umfra­ge ist nicht reprä­sen­ta­tiv, aber da es sich um eine Dialogsbe­fra­gung handelt, haben die Ergeb­nis­se trotz­dem eine gros­se Aussa­ge­kraft und sind hoch­gra­dig inter­pre­tier­bar», hielt Cloé Jans fest. «Es wird sicht­bar, dass die christ­li­chen Grund­wer­te und gemein­sa­men Ritua­le eine star­ke Basis für das Leben vieler sind und einen wich­ti­gen gemein­sa­men Nenner darstellen.»

Cloé Jans von gfs.Bern gibt Einbli­cke in die Umfrageergebnisse.

«Der Dialog­pro­zess sprach vor allem Leute an, die schon in der Kirche enga­giert oder in irgend­ei­ner Weise invol­viert sind.»

Cloé Jans, gfs.Bern

Das Berner Insti­tut hat die Umfra­ge im Auftrag des Bistums durch­ge­führt und ausge­wer­tet. Der Abschluss­be­richt umfasst 53 Seiten. «Die Beiträ­ge aus den Dialog­grup­pen zeugen dabei in ihrer Gesamt­heit von der zentra­len Rolle, die der Glau­be im Leben der Teilnehmer:innen spielt und der tiefen Verbun­den­heit mit und der Rele­vanz von Gott für jede Person einzeln», schreibt g.f.s in seiner Zusam­men­fas­sung. Neben Offen­heit und Nächs­ten­lie­be als zentra­le Werte werde immer wieder «der unver­gleich­lich gros­se Stel­len­wert der Frei­wil­lig­keit und frei­wil­li­gen Arbeit» betont. Für viele sei das sozia­le Enga­ge­ment ein «Iden­ti­fi­ka­ti­ons­an­ker» und eine «Quel­le der Freu­de und Zufriedenheit».

«Sind das nicht Ergeb­nis­se, die man so erwar­ten konn­te? Gibt es etwas, das überraschte?»

Hans Hüppi, pensio­nier­ter Seel­sor­ger, Ernetschwil 

Gottes­diens­te verbinden

65 % der Teil­neh­men­den bezeich­nen den gemein­sa­men Glau­ben und den Gottes­diens­te als verbin­den­de Elemen­te. Doch offen­sicht­lich sehen hier eini­ge Reform­be­darf. Denn nur 35 % gaben an, dass «die Litur­gie (Gebet) zeit­ge­mäss gestal­tet» wird. Obwohl die Umfra­ge das nicht so beab­sich­tigt habe, haben laut g.f.s die Teil­neh­men­den in ihren Voten konkre­te Inputs, Forde­run­gen und Wünsche formu­liert. Es falle auf, «dass diese Inputs unab­hän­gig von der eigent­li­chen Frage immer wieder sehr ähnlich sind. Dazu gehört insbe­son­de­re die Rolle der Frau in der Kirche, der Umgang mit Minder­hei­ten oder Lebens­for­men, die nicht einer tradi­tio­nel­len Vorstel­lung entspre­chen (LGBTQI+, Geschie­de­ne, Wieder­ver­hei­ra­te­te), oder auch die Art und Weise, wie eine zeit­ge­mäs­se Gestal­tung von Riten und Feiern möglich ist. Auch Perso­nen mit Beein­träch­ti­gun­gen oder mit einem ande­ren kultu­rel­len oder sprach­li­chen Hinter­grund werden zu wenig miteinbezogen.»

«Die synoda­le Arbeit ist im Bistum veran­kert und wird weitergehen.»

Franz Kreissl, Leiter Pasto­ral­amt des Bistums St.Gallen

Vom Bistum zu wenig gehört

Ein Umfra­ge­be­reich beinhal­te­te auch den Dialog zwischen Bistums­lei­tung und Basis. Hier sehen die Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken im Bistum St.Gallen offen­sicht­lich Opti­mie­rungs­be­darf: 53 % gaben an «Führungs­per­so­nen im Bistum nehmen uns nicht wahr und verste­hen uns nicht». Doch im Vergleich mit ande­ren Bistü­mern schnei­det St.Gallen hier eindeu­tig besser ab:. Cloé Jans betont bei der Präsen­ta­ti­on: «Die Dialog­grup­pen im Bistum St. Gallen, vergli­chen mit den Bistü­mern Basel und Chur, fühlen sich von den Führungs­per­so­nen im Bistum deut­lich eher gehört und verstanden.» 

Die Ergeb­nis­se werden schweiz­weit gesam­melt und im März nach Rom geschickt. Das Bistum St.Gallen will mit den Erkennt­nis­sen aus der Umfra­ge arbei­ten, wie Franz Kreissl (Leiter Pasto­ral­amt des Bistums St.Gallen) beton­te: «Die synoda­le Arbeit ist im Bistum veran­kert und wird weitergehen.»

Zu den Umfrage-Ergebnissen

Bericht des Bistums St.Gallen über die Umfrage-Ergebnisse

Text + Fotos: Stephan Sigg

11. Febru­ar 2022

Vetre­te­rin­nen und Vertre­ter der Pfar­rei­en, Kirch­ge­mein­den, kirch­li­chen Orga­ni­sa­tio­nen und Fach­stel­len waren bei der Präsen­ta­ti­on in Wil dabei. Viele von ihnen hatten selber bei der Umfra­ge mitgemacht.

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