Ordnung bedeutet nicht unbedingt, dass alles besser funktioniert. Der Buchser Pfarrer Erich Guntli spricht über die Energie, die im Chaos liegt und darüber, was Aufräumen mit Älterwerden zu tun hat.
Vom 1. Dezember bis Weihnachten täglich ein Geschenk für andere einpacken. Andrea Stauss will die Idee des «umgekehrten Adventskalenders» in St.Gallen etablieren. In diesem Advent führt sie das Projekt zum ersten Mal durch: «Mit dem umgekehrten Adventskalender kann man Menschen helfen, die von Armut betroffen sind.»
Eine kleine Pension mit spirituellem Charakter: So beschreiben Theresia Weyermann und Brigitta Walpen das Haus der Stille. Seit Februar führen die beiden die Unterkunft im ehemaligen Kloster mitten in St. Peterzell.
Ins Haus der Stille geht, wer für ein paar Tage abschalten, meditieren und zur eigenen Mitte finden möchte. Das Gästehaus hat vier Zimmer. «Der Vorteil dieser Grösse ist, dass wir auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Gäste eingehen können», sagt Theresia Weyermann. Sie bietet im Haus der Stille verschiedene Exerzitienwochen an. Brigitta Walpen lädt Interessierte zu Feldenkraiskursen ein. «An welchen Angeboten jemand teilnehmen möchte, steht allen Gästen frei», sagt Brigitta Walpen und fügt an: «Auch welcher Religion jemand angehört oder ob er oder sie konfessionslos ist, spielt keine Rolle. Wir fragen nicht danach.»
Langersehnter Traum
Zwei Jahre stand das Haus der Stille leer. Davor leiteten dieses die Menzinger Schwestern Paula Gasser und Vreni Büchel, bis sie in Pension gingen. Brigitta Walpen kannte das Haus von einem Aufenthalt vor vier Jahren. Bereits damals waren die beiden Schwestern auf der Suche nach einer Nachfolge. Brigitta Walpen interessierte sich für diese Aufgabe, merkte aber schnell, dass sie eine zweite Person für die Führung des Hauses brauchen würde. Mit Theresia Weyermann fand sie schliesslich eine Verbündete. Die beiden Frauen hatten sich an einer Beerdigung im Kloster Namen Jesu in Solothurn kennengelernt und waren in losem Kontakt geblieben. Nach einem gemeinsamen Besuch in St. Peterzell beschlossen Brigitta Walpen und Theresia Weyermann, sich beim Kirchenverwaltungsrat für die Hausleitung zu bewerben.
Mitten in St. Peterzell liegt das «Haus der Stille»
Fotos: Ana Kontoulis / Pfarreiforum
Fast schöner als im Bernbiet
Ein halbes Jahr ist der Umzug von Theresia Weyermann und Brigitta Walpen ins Haus der Stille nun her. Ihr Wagnis bereut haben die beiden nicht. Im Gegenteil: Obwohl Brigitta Walpen und Theresia Weyermann ihre Familie und ihren Bekanntenkreis in Bern respektive im solothurnischen Schönenwerd zurückgelassen haben, fühlen sich die beiden im Neckertal wie zu Hause. «Mir gefällt es hier beinahe besser als im Bernbiet», sagt Brigitta Walpen und erzählt, wie sie während der kargen Wintermonate nach St. Peterzell zog und wenige Wochen später miterlebte, wie die ganze Natur aufblühte. Auch die Dorfbewohnerinnen und ‑bewohner hätten sie herzlich empfangen. «Das Klischee der verschlossenen Dörfler stimmt ganz und gar nicht. Alle freuten sich, dass ins Haus der Stille wieder Leben zurückgekehrt ist», sagt Theresia Weyermann.
Dass die Wiedereröflnung vom Haus der Stille mit der Verbreitung des Coronavirus und dem Lockdown zusammenfiel, empfanden die beiden nicht als Dämpfer. So nutzten sie die Wochen während des Lockdowns, um sich einzuleben. Sie beschlossen, den Tag in gemeinsames Meditieren am Morgen und am Abend einzubetten, was sie auch in Zukunft so beibehalten werden. Hinzu kommen die gemeinsamen Mahlzeiten. Die übrige Zeit steht für die individuellen Aufgaben zur Verfügung.
Entlang des Neckers
Nur wenn alle vier Zimmer im Haus der Stille ständig belegt wären, könnten sich Theresia Weyermann und Brigitta Walpen zwei Löhne ausbezahlen. Die 61-Jährige Theresia Weyermann arbeitet daher zudem Teilzeit in der Altenpflege. Brigitta Walpen ist seit einem Jahr pensioniert. Ausgleich und Ruhe zu ihren Aufgaben im Haus der Stille finden die beiden selbst in der Natur der näheren Umgebung.
«Man braucht nur über die Strasse zu gehen und rechts abzubiegen, schon ist man auf dem Rundweg dem Necker entlang», sagt Brigitta Walpen. Theresia Weyermann fügt an: «Ausserdem ist man mit dem öffentlichen Verkehr von St. Peterzell aus innerhalb einer Stunde fast überall. Viele Besucherinnen und Besucher sind erstaunt, wie gut erschlossen und abgelegen zugleich das Haus der Stille liegt.» (nar)
Sarganser absolviert Spitalpraktikum in Buenos Aires
Der 26-jährige Sandro Koch aus Sargans will Pater werden und absolviert sein Noviziat in Argentinien. Gerade als die Corona-Pandemie Südamerika erreichte, begann er ein Spitalpraktikum als Hilfspfleger in Buenos Aires.
«Mein Praktikum hat kurz vor den ersten Covid19-Fällen in Südamerika begonnen, ich habe die verschiedenen Phasen der Pandemie hautnah miterlebt», erzählt Sandro Koch. Als Hilfspfleger ist er im öffentlichen Spital von Mar del Plata im Süden von Buenos Aires im Einsatz. «Unser Alltag war und ist weiterhin sehr durch die Pandemie eingeschränkt. Bis Mitte Juni war es uns nicht erlaubt für einen Spaziergang aus dem Haus zu gehen. Ausflüge, Messbesuche, Verweilen am Strand und viele andere Freizeitbeschäftigungen in der Stadt sind nicht möglich. Zumindest darf man sich nun hier in Mar del Plata wieder zu Fuss ohne Einschränkungen – ausser dem Tragen des Mundschutzes – frei bewegen.» Das Land zu entdecken oder Ausflüge zu machen, sei weiterhin nicht möglich. «Nicht nur die Landesgrenzen bleiben vorerst geschlossen, sondern auch der Verkehr zwischen den Provinzen und Städten ist stark eingeschränkt.»
Krisenerprobt
Der Sarganser erlebe Argentinien momentan als ein Land, welches sich einerseits der Grenzen der Gesundheitsinfrastruktur bewusst sei und sich deshalb an die strengen Hygienemassnahmen halte, «andererseits aber schon seit einigen Wochen langsam der Quarantäne müde wird und sich nach der Normalität sehnt». «Dazu kommt die schwierige wirtschaftliche Lage, die viele Familien belastet», hält Sandro Koch fest. «Die Menschen in Argentinien sind aber Krisenerprobt und dadurch vielleicht etwas besser auf solche Momente vorbereitet als wir in Europa.»
Veraltete Infrastruktur
Sandro Koch bekommt bei seinem Praktikum im Spital unmittelbar mit, wie das öffentliche Gesundheitssystem in Argentinien an veralteter Infrastruktur und zum Teil auch an Materialmangel leidet. «Deshalb war vor allem zu Beginn der Pandemie die Stimmung angespannt und viele Pflegerinnen waren sehr besorgt und unsicher, weil sie schnell erkannten, dass das Gesundheitssystem für eine Pandemie dieses Ausmasses nur schlecht vorbereitet war.» Schrittweise seien die Hygienemassnahmen im Spital verschärft und laufend der Situation angepasst worden. «Da in Mar del Plata sich die Fallzahlen im niedrigen einstelligen Bereich belaufen und diese Patienten alle entweder zu Hause oder in privaten Kliniken der Stadt untergebracht wurden, kam das öffentliche Spital bis jetzt noch ohne internierte Fälle davon. Man ist selbstverständlich weiterhin vorsichtig, doch die grosse Anspannung hat merklich abgenommen.»
Ungewissheit
«Über 90 Prozent der Covid19-Fälle in Argentinien wurden bis jetzt im Grossraum Buenos Aires registriert», so Sandro Koch, «deshalb traf es die Menschen hier am härtesten. Durch die lange, bisweilen sehr strenge Quarantäneregelung brach vielen, vor allem armen Menschen, die Existenzgrundlage weg. Diese Personen und Familien leben meist von der Hand in den Mund – sie leben von dem, was sie am Tag auf der Strasse verkaufen.» Während der Quarantäne sei diese Einkommensquelle fast ersatzlos weggefallen. «Auch für den Mittelstand – und ich würde sogar sagen für die Oberschicht – ist diese Zeit mit Entbehrungen und Ungewissheit verbunden. Denn nebst der Pandemie droht Argentinien nach wie vor die Gefahr des Staatsbankrotts.»
Paraguay und Chile
Eine vorzeitige Rückkehr in die Schweiz sei für den 26-Jährigen Theologen nie ein Thema gewesen: «Trotz allem habe ich mir hier immer sehr sicher und in ein gutes soziales Umfeld eingebettet gefühlt.» Wenn alles nach Plan läuft, wird Sandro Koch Mitte August nach Paraguay reisen, wo er das letzte Semester des Noviziats absolvieren wird. «Danach geht es nach einem Ferienaufenthalt in der Schweiz für eine Vertiefung meiner theologischen Studien nach Chile. Ich darf diesen spannenden Kontinent also noch etwas weiter und vertiefter kennenlernen.»
Stephan Sigg
Sandro Koch (ganz rechts) absolviert zusammen mit anderen jungen Männern das Noviziat in Südamerika.
Wichtige Arbeit der Schönstatt-Bewegung
Der Theologe Sandro Koch (26) entschied sich «nach einem langen Prozess der Suche seiner persönlichen Berufung», in die Schönstatt-Bewegung einzutreten und Schönstatt-Pater zu werden. Während seines Aufenthaltes in Südamerika werde ihm deutlich bewusst, wie wichtig die karitative Arbeit der katholischen Bewegung sei: «Sie engagiert sich hier an mehreren Orten. In Argentinien leiten die Schönstatt-Marienschwestern Tagesschulen und weitere Bildungsprogramme in verschiedenen Armenvierteln von Buenos Aires.» Daneben gebe es viele Aktionen von Jugendlichen, Familien, Müttergruppen, usw. die sich sozial engagieren. Viele dieser Projekte laufen auch in Zeiten der Corona-Pandemie weiter. «Der Schönstatt-Bewegung kommt in der aktuellen Lage zugute, dass sie grundsätzlich laikal organisiert ist», sagt Sandro Koch, «so werden die sogenannten «Laien» im Bewusstsein für ihre kirchliche Relevanz gestärkt und ermuntert, Kirche im Kleinen zu sein: In der Familie, in der Ehe, in der Jugendgruppe, in Müttergruppen.»
Hat die Astrophysik Gott überflüssig gemacht? Anerkannte Wissenschaftler wie der mehrfache Ehrendoktor Arnold Benz wiederlegen diese Aussage. Der ETH-Professor der Astronomie plädiert für eine Versöhnung von Urknall und Schöpfung.
Die Astrophysik kommt der Nullstunde des Kosmos immer näher. Wo haben ob all dieser Erkenntnisse Glaube, Schöpfung und Gott noch einen Platz? Arnold Benz: Andere Frage: Wo hat Kunst, Trauer, Liebe und Ethik noch einen Platz? Man kann sie weder messen noch berechnen. Sie alle haben mit dem menschlichen Bewusstsein zu tun. Sobald ein Mensch an der Wahrnehmung teilnimmt, wird sie von der Naturwissenschaft als subjektiv ausgeschlossen. Gott zeigt sich in den Erfahrungen unseres Lebens, wo er noch viel Platz hat. Die Welt ist grösser als die Naturwissenschaften wahrnehmen.
Eine Ihrer Thesen, die sich als Brückenschlag zwischen Schöpfungsglaube und physikalischer Kosmologie versteht, lautet: «Wer von Gott reden will, muss es mit menschlichen Erfahrungen verbinden. Gott als Hypothese zur Erklärung des Naturphänomens ist nicht beweisbar und unnötig.» Weshalb darf Ihrer Meinung nach Gott nicht als Beweisgrundlage für Naturphänomene beigezogen werden? Wenn wir Gott in unserem Leben als gütig und überwältigend erfahren, öffnen sich unsere Augen für seine Spuren im Universum. Sie sind jedoch nicht von der Art, dass man daraus Gott berechnen könnte etwa so wie die Winkelsumme im Dreieck. Es würde schlecht passen zu einem Gott, der von sich sagte: «Ich bin, der ich bin».
Was vor dem Urknall war, wissen Astrophysiker nicht. Hat doch Gott das Universum geschaffen? Oder anders gefragt: Welche Daseinsberechtigung hat Ihrer Meinung nach die Schöpfungsgeschichte nach Genesis? Sonne, Mond, Erde und das meiste im Universum sind nicht im Urknall entstanden. Die Geschichte des Universums ist eine faszinierende Abfolge von Vorgängen, durch die aus Chaos lebensnotwendige Strukturen gewachsen sind. Das trit sich mit den Worten in Genesis 1, dass die Schöpfung «gut» war. Mit «gut» ist gemeint, das Universum sei geordnet und wunderbar funktionell. Besonders schön finde ich den Gedanken, dass zum Schluss ein Tag der Ruhe und des Friedens folgt. Damit wird dem Kosmos ein Ziel zugeordnet, das weit über die Astrophysik hinausreicht.
Gott zeigt sich in den Erfahrungen unseres Lebens, wo er noch viel Platz hat. Die Welt ist grösser als die Naturwissenschaften wahrnehmen.
Arnold Benz
Ihre Frau, Ruth Wiesenberg Benz, ist Pfarrerin. Wie bringen Sie die SpannungsfelderAstrophysik und Glaube auf einen harmonischen Nenner? Muss man sich Ihre Ehe als ständiges Streitgespräch vorstellen? Nein, wir streiten nicht. Im Gegenteil, wir haben uns – beide verwitwet – gegenseitig angezogen. Ich habe mich schon vor unserer Heirat mit Theologie befasst. Meine Frau ist mir im Staunen über das Universum weit voraus. Sie hat aus meinen Schriften Zitate ausgewählt und zu einem gemeinsamen Buch mit Bildern zusammengestellt. Es trägt den Titel «Wissen und Staunen».
Mal angenommen Sie dürften Gott drei Fragen stellen, was er sich bei der Schöpfung des Universums überlegt hat. Was wären dies für Fragen? Ich möchte gerne wissen, ob es andere intelligente Lebewesen im Universum gibt und wenn ja: wo? Als zweites würde mich brennend interessieren, wie es kommt, dass die Vorgänge im Universum so fein abgestimmt sind, sodass es sich bis zur Entstehung des menschlichen Bewusstseins entwickeln konnte? Die abschliessende Frage wäre, wie weit das Universum jenseits des für uns sichtbaren Teils geht. Auch wenn wir nicht wissen, wie gross das Universum ist: Fest steht, in unserer Galaxie existieren vierhundert Milliarden Sterne.
Haben Sie einen persönlichen Lieblingsplatz, um den Sternenhimmel zu beobachten? Ich würde den Sternenhimmel am liebsten auf Titan beobachten, dem grössten Mond des Planeten Saturn. Da gibt es zackige, hohe Berge aus Wassereis und Seen aus Methan. Der Himmel ist allerdings etwas getrübt vom Dunst aus Tholin-Aerosolen. Es ist auch recht kalt auf der Oberfläche mit minus 180 Grad.
Welche sommerliche Sternenkonstellation finden Sie persönlich besonders faszinierend? Ich liebe das Sternbild der Kassiopeia, das grosse W am Himmel. In der Verlängerung des zweiten Vs nach unten sieht man von blossem Auge die Andromeda Galaxie. Links der Kassiopeia liegt Perseus mit einer Dunkelwolke, in der ich einige Male mit dem Herschel-Weltraumteleskop Sterne beobachtet habe, die am Entstehen sind.
In welchen Momenten fühlen Sie sich inmitten des Universums besonders klein? Immer dann, wenn ich mir vor Augen führe, wie wenig wir immer noch vom Universum verstehen.
Nachts um drei Uhr im Alpstein, der Toggenburger Simon Kaufmann ist mit seiner Fotokamera unterwegs, um den Sternenhimmel einzufangen. Dabei bekommt er mit, wie die zunehmende Lichtverschmutzung und Instagram die Nächte verändern.
„Gewisse Fotos lassen sich nur während eines kurzen Zeitfensters im Jahr realisieren. Denn die Milchstrasse wandert im Laufe des Jahres über den Horizont„, weiss Simon Kaufmann. Damit aber auch wirklich ein Gutes Foto entstehen kann, müssen viele Faktoren stimmen. In klaren Nächten sei während der Leermondphase die Milchstrasse als ein schmales Band von blossem Auge zu erkennen. «Durch die Langzeitbeleuchtung können mit einer Kamera auf den Aufnahmen auch die Farben sichtbar gemacht werden und plötzlich zeigt sich die Milchstrasse in ihrer ganzen Pracht.» Wo was wann am nächtlichen Himmel zu sehen, erfährt Kaufmann von mehreren Apps auf seinem Smartphone. Doch ob es tatsächlich klappt, hängt von vielen Faktoren ab und ist dann doch fast wie ein Sechser im Lotto. Teilweise besucht er einen Ort über zehn Mal, bis er eine Aufnahme nach seinen Vorstellungen machen kann. «Oft steht einem nur ein kleines Zeitfenster von ein paar Minuten zur Verfügung, ich muss also perfekt vorbereitet sein», erzählt Simon Kaufmann, «wenn du diese Chance verpasst, musst du oft ein Jahr oder noch länger warten bis zur nächsten Gelegenheit.»
«Nachts unter dem Sternenhimmel wird einem bewusst, wie klein und unbedeutend wir eigentlich sind, es relativiert sich vieles.»
Simon Kaufmann
Den Gedanken ausgeliefert
Simon Kaufmann ist als Sozialpädagoge im Sonderschulheim Bad Sonder in Teufen tätig. Seit vielen Jahren verlässt er regelmässig seine Komfortzone, um die Nächte im Alpstein und in anderen Bergregionen der Schweiz zu verbringen. Nachts allein in den Bergen unterwegs zu sein, sei eine mehrfache Herausforderung: «Man schleppt viel Gepäck mit sich herum – das zehrt an den Kräften. Man ist allein mit sich und seinen Gedanken. Dabei hat man die Gelegenheit, um mit einem gewissen Abstand über alles nachzudenken. Gleichzeitig regiert man plötzlich ganz sensibel auf jedes Geräusch: der Wind, ein Fuchs, ein Bach … Wenn man zu wenig geschlafen hat oder psychisch oder physisch angeschlagen ist, muss man echt aufpassen, nicht in einen negativen Gedankenstrudel hineingezogen zu werden.»
Wenn schon vor Mitternacht die Temperaturen drastisch fallen oder ein Sturm aufzieht, kann die Situation sehr schnell existentiell bedrohlich werden. «Man beginnt zu zählen: Es liegen noch acht Stunden vor mir, bis wieder die erste Bergbahn fährt. Bis dann bin ich ganz auf mich allein gestellt. Wenn etwas passiert, muss ich lange auf Hilfe warten.» Durch das Alleinsein verstärke sich die Intensität des Erlebens noch einmal. Trotzdem oder gerade deshalb sei bei Simon Kaufmann irgendwann das Bedürfnis entstanden, diese Erlebnisse mit anderen zu teilen: die nächtliche Atmosphäre, eine bekannte Silhouette im Mondlicht oder das, was oben am Himmel passiert. Inzwischen ist er bei seinen Abenteuern meistens mit seinem Foto-Equipment unterwegs. «Ich will mit meinen Fotos sichtbar machen, was man mit dem Auge zu wenig oder gar nicht sieht.»
Milchstrasse über dem Säntis
Den Sternenhimmel retten
Auch Simon Kaufmann bekommt auf seinen Foto-Touren mit, wie die Nächte immer heller werden. «Wer vom Säntis nachts in Richtung Süden fotografiert, sieht einen riesigen Lichtkegel – die Lichter von Mailand», so Kaufmann. Auch die Stadt St.Gallen oder die Region Zürich seien als prägnante Lichtermeere sichtbar. «Es ist schon etwas befremdlich, wie von Menschen verursachte Lichtquellen die Dunkelheit verdrängen», sagt er. Die zunehmende Lichtverschmutzung mache es immer schwieriger, den Sternenhimmel zu betrachten, teilweise seien Deep-Sky-Beobachtungen – die Beobachtung von astronomischen Ereignissen ausserhalb des Sonnensystems – von gewissen Standorten aus gar nicht mehr möglich. Mit einer Umkehr dieser Entwicklung ist wohl nicht zu rechnen. «Der Nachthimmel ist voll von blinkenden Flugzeugen und Satelliten. Und jetzt hinterlässt auch noch Elon Musk mit seinem Satelliten-Projekt seine Spuren.» Geplant sind einige 10’000 Satelliten. In der Schweiz gebe es heute nur noch vereinzelte Regionen, in denen der Nachthimmel nicht von künstlichen Lichtquellen gestört werde. «Vals im Bündnerland und der Grimselpass sind eine der letzten.» Eine weltweite Bewegung von Fotografen und Astronomen versucht mit Online-Aktionen und dem Hashtag #save_our_night_sky auf das Problem Lichtverschmutzung hinzuweisen. Auch Simon Kaufmann unterstützt diese Initiative. «Müssen wir wirklich jede Strasse die ganze Nacht hindurch beleuchten? Auf manchen ist oft stundenlang kein Auto unterwegs.» Inzwischen gebe es ja technische Alternativen für eine effizientere Beleuchtung.
«Warum um die halbe Welt fliegen, wenn die schönsten Flecken direkt vor der Haustür liegen?»
Simon Kaufmann
Direkt vor der Haustür
Kaufmanns Leidenschaft für die Fotografie habe sich aus der Faszination am Draussensein entwickelt: «Mich fasziniert die Schönheit und die unendliche Vielfalt der Ostschweizer Landschaft, der Tier- und auch der Pflanzenwelt in nächster Umgebung. Ich liebe es, die Naturgewalten zu spüren», sagt er, «oft werde ich dabei richtig demütig.» Während andere Fotografen jede Gelegenheit nutzen, um am anderen Ende der Welt auf Fotopirsch zu gehen, sucht Simon Kaufmann lieber Bijous in seiner Heimat. «Warum um die halbe Welt fliegen, wenn die schönsten Flecken direkt vor der Haustür liegen?» Der Sozialpädagoge lebt heute in Appenzell. «Wer das Abenteuer sucht, findet dieses auch auf der Ebenalp.» Auch bei seinen Foto-Workshops, die Kaufmann regelmässig anbietet, führt er die Teilnehmer in den Alpstein. «Mir ist es wichtig, dass ich den Teilnehmern nicht nur in die Nachtfotografie einführen kann, sondern dass sie die Umgebungen mit allen Sinnen bewusst erleben.»
Geheimtipps bleiben geheim
Durch Instagram boomt die Landschaftsfotografie, es sind immer mehr Menschen mit der Kamera unterwegs – auch in der Nacht. Simon Kaufmann postet seine Bilder auf Instagram und Facebook, um andere an seinen Beobachtungen teilhaben zu lassen. Auch er selbst hat Instagramkanäle von anderen Naturfotografen abonniert. Doch er bezeichnet diese App als Fluch und Segen zugleich. «Es ist toll, dass man so ganz einfach Fotos miteinander teilen kann und auf schöne Flecken aufmerksam wird.» Doch oft mausert sich ein Geheimtipp innerhalb kurzer Zeit zum «Hotspot». Das Foto geht viral und Fotografen aus der ganzen Welt stürzen sich wie Heuschrecken darauf. Dabei wird dabei nicht nur die Atmosphäre des Ortes gestört, sondern auch die Natur geschädigt. «Ich würde mir da von den Fotografen mehr Verschwiegenheit wünschen. Nur so kann der Zauber eines Ortes bewahrt werden.» Er selbst sei sehr zurückhaltend mit der Preisgabe von genauen Ortsangaben. «Und wenn, dann bekommen diese Angaben nur Personen, bei denen ich ein gutes Gefühl habe.»
Umweltfachmann beobachtet wachsendes Ökologie-Bewusstsein bei Pfarreien im Bistum St.Gallen
Wie können Kirchen ihren ökologischen Fussabdruck reduzieren? Andreas Frei (Fachstelle «oeku – Kirche und Umwelt») zeigt Ehrenamtlichen und kirchlichen Mitarbeitenden bei der Laudato si-Impulsveranstaltung in Abtwil (siehe Kasten), welches Papier und welche Heiztechnik die Schöpfung am wenigstens belastet.
Andreas Frei, oeku
Andreas Frei ist reformierter Theologe und Mitarbeiter bei oeku. In dieser Funktion begleitet er seit mehreren Jahren Kirchgemeinden und andere kirchliche Institutionen zu ihrem Ziel, nachhaltiger zu werden. Im Gebiet des Bistums St.Gallen ist allerdings noch keine katholische Kirchgemeinde im Besitz des oeku-Labels «Grüner Güggel». «Die Anfragen aus der Ostschweiz für Lehrgänge oder Referate haben aber in letzter Zeit merklich zugenommen», relativiert Andreas Frei die bescheidene Nachhaltigkeitsbilanz der Kirchgemeinden im Bistum.
Recyclingpapier
Eine mögliche Massnahme, wie Kirchen ihren jeweiligen ökologischen Fussabdruck reduzieren könnten, ist die Optimierung der Heizungsanlagen. Andreas Frei konkretisiert: «Werden die Heizzeiten mit einem programmierbaren Thermostat den effektiven Nutzungszeiten angepasst, können Kirchgemeinden bis zu 15 Prozent der Heizkosten sparen. Zudem wäre es wünschenswert, dass Gemeinden, die mit fossilen Energieträgern heizen, auf erneuerbare Energien umsteigen.» Auch beim Thema Papier gibt es für zahlreiche Gemeinden Luft nach oben. «Viele Pfarreien verwenden nach wie vor Frischfaserpapier, wozu auch FSC zählt. Recyclingpapier benötigt kein Neuholz und verfügt über eine deutlich bessere Ökobilanz als Frischfaserpapier.»
Vorbildfunktion wahrnehmen oeku will ganz im Sinne der Enzyklika «Laudato si» von Papst Franziskus die Mitarbeitenden von Kirchgemeinden dazu animieren, die Bewahrung der Schöpfung in der Pfarrei aktiv zu leben. «Als Werte-Institution hat die Kirche eine Verantwortung und Vorbildfunktion. Wir müssen zuerst vor unseren eigenen Kirchtüren kehren», betont der Ökologie-Fachmann. Bei einem Umweltmanagementsystem wie «Grüner Güggel» werden systematisch die verschiedenen Bereiche der Kirchgemeinde beleuchtet und so Verbesserungspotenzial eruiert. «Die Leute staunen immer wieder, wo überall positive Modifikationen leicht umsetzbar wären», so Frei.
In den Hintergrund gerückt Im Sog der globalen Klimadebatten und ‑Bewegungen stellte Andreas Frei bei «oeku» gerade im letzten Jahr eine höhere Nachfrage für Beratungen und Kurse fest. «Die Menschen in den Pfarreien wollten sich verstärkt mit dem Thema ‚Bewahrung der Schöpfung‘ auseinandersetzen. Das hat viel mit ‚Laudato si‘ zu tun und auch mit den Klima-Streik-Bewegungen, sowie der sich durchsetzenden Erkenntnis, dass eine andere Wirtschaft nicht nur nötig sondern auch möglich ist.» Allerdings seien im Zuge von Covid 19 Umweltschutzbemühungen vorübergehend in den Hintergrund gerückt. Corona habe neue Prioritäten gesetzt, hält Andreas Frei fest. «Die Klima- und Umweltkrise ist deswegen aber nicht verschwunden. Die gesellschaftliche Debatte darüber wird wieder zurückkehren – auch in die Kirchgemeinden.»
Preisgekröntes St.Galler Kirchendach Auch wenn aktuell im Bistum St.Gallen noch keine Kirchgemeinde im Besitz des «Grünen Güggel» ist, verfügt die Region dennoch über ein ökologisches Leuchtturmprojekt: Das Solardach der Kirche Halden. Nach intensiver Zusammenarbeit der Evangelischen Kirchgemeinde Tablat, der Katholischen Kirchgemeinde St.Gallen sowie der SAK wurde im September 2010 die bis dato schweizweit grösste integrierte Solaranlage auf einem Kirchendach eingeweiht. Mit ihrer perfekt ins Dach integrierten Photovoltaik-Anlage erzeugt sie jährlich knapp 50 000 kWh Solarstrom, was in etwa dem Jahresverbrauch von 14 Haushalten entspricht. Für die gelungene Verknüpfung solarer Energienutzung mit den hohen ästhetischen Ansprüchen einer Kirche erhielt die «Solarkirche Halden» den Solarpreis 2012.
Rosalie Manser
Bistums- Veranstaltung für mehr Umweltschutz
Papst Franziskus hat 2015 die Enzyklika «Laudato si» veröffentlicht. Der beherzt und mit wissenschaftlichen Erkenntnissen unterlegte Appell für einen nachhaltigen Umgang mit der Schöpfung sorgte weit über Kirchenkreise hinaus für Aufmerksamkeit. In diesem Mai rief der Papst ein «Laudato si-Jahr» aus. Dieses Motto-Jahr soll bis Mai 2021 dauern und dazu animieren, sich intensiv dem Schutz der Schöpfung zu widmen. Das Bistum St.Gallen und LOS-Team St.Gallen laden alle, die in der Kirche ehrenamtlich / freiwillig tätig sind, zur Laudato si-Impulsveranstaltung am 1. September 2020, 19.00 Uhr, im Pfarreiheim Abtwil ein. Am 2. September findet dieselbe Veranstaltung für kirchliche Mitarbeitende statt.