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Mit Visionen eine Diskussion anregen

Eine Ausstel­lung im Seifen­mu­se­um St. Gallen beschäf­tig­te sich kürz­lich mit der Zukunft des ÖV in St. Gallen und wirft die Frage nach einem Gratis-Konzept in den Raum. Noch ist es eine Utopie. Dass aus einer Visio­nen aber Reali­tät werden kann, zeigen verschie­de­ne Beispiele.

Wir alle haben Visio­nen und Träu­me. Sie halten uns bei der Stan­ge und helfen uns, unse­re Ziele zu verfol­gen. Der erfolg­rei­che deut­sche Fuss­ball­tor­hü­ter Oliver Kahn sagte einst über die Visi­on, die seine Karrie­re begrün­de­te: „Meine Visi­on, und sie stand schon sehr früh für mich fest, war folgen­de: Ich woll­te der beste Torhü­ter der Welt werden.“ Kahns Biogra­fie zeigt: Aus einer Visi­on kann Reali­tät werden. Davon zeugen seine drei Titel als Welt­tor­hü­ter des Jahres. Wer Visio­nen hat, arbei­tet darauf hin und kann diese mit der nöti­gen Stra­te­gie viel­fach auch errei­chen. Kürz­lich hat sich eine Ausstel­lung im Seifen­mu­se­um St. Gallen mit dem Thema Visio­nen ausein­an­der­ge­setzt. Genau­er mit der Visi­on eines Gratis-ÖV in St. Gallen.

Zahl­rei­che Besu­che­rin­nen und Besu­cher fanden den Weg ins Seifen­mu­se­um St. Gallen.

Unter­schied­li­che Vorstellungen

An der Ausstel­lung der Juso St. Gallen haben fünf Künst­le­rin­nen und Künst­ler teil­ge­nom­men. Diese haben sich der Frage ange­nom­men, wie ein St. Gallen mit kosten­lo­sem ÖV ausse­hen würde und welche Auswir­kun­gen ein solches auf die Bevöl­ke­rung hat. Die Werke könn­ten unter­schied­li­cher nicht sein: Eini­ge zeigen einfa­che Lini­en oder geben Kurz­sät­ze wieder, ande­re sind kompak­ter und farben­froh. Dies zeigt: Nicht nur unse­re Visio­nen unter­schei­den sich, sondern auch unse­re Vorstel­lun­gen und Blick­win­kel auf Dinge. Wir alle setzen unse­re eige­nen Schwer­punk­te und wir ordnen anders ein. Der St.Galler Künst­ler Beni Bischof bringt das in einem seiner gezeig­ten Werke gut zum Ausdruck.

Beni Bischof weiss: Unse­re Vorstel­lun­gen klaf­fen manch­mal stark auseinander.

Maj Lisa Dörig setzt in ihren Werken das Augen­merk auf ihre persön­li­chen Busfahr­ten und verwebt in den klein­tei­li­gen Zeich­nun­gen Wirk­lich­keit und Traum miteinander.

„Der ÖV lässt nieman­den kalt“

Künst­le­rin Kata­lin Deér drückt ihre Gedan­ken mit einem Farb­fo­to aus. Es zeigt eine Stras­sen­sze­ne in Neapel im Jahr 2006. Zwei kurz nach­ein­an­der aufge­nom­me­ne Bilder — ein Gewu­sel an Menschen, Vespas und Autos. Kurz: Ein Durcheinander.

Kata­lin Deérs Farb­fo­tos zeigt eine Stras­sen­sze­ne in Neapel im Jahr 2006.

Anna Harb zeigt uns ihren Blick aus dem Zugfens­ter auf Mogels­berg und Linus Lutz hat für die Ausstel­lung ein Bus-Mobile gefer­tigt. „Es ist für uns sehr inter­es­sant zu sehen, dass alle Künst­le­rin­nen und Künst­ler einen ande­ren Zugang zum Thema Gratis-ÖV haben“, sagt Muse­ums­di­rek­tor Vasco Hebel. 

Anna Harb zeigt uns ihren Blick aus dem Zugfenster.

Dass er für die Ausstel­lung in Rekord­zeit namhaf­te Künst­le­rin­nen und Künst­ler mobi­li­sie­ren konn­te, freut ihn. „Das Thema ÖV lässt nieman­den kalt. Alle haben eine Meinung und alle haben einen Berührungspunkt.“

Raum für Diskus­sio­nen schaffen

Das Seifen­mu­se­um hat zum ersten Mal eine Kunst­aus­stel­lung orga­ni­siert. Vasco Hebel erklärt: „Als Muse­um sehen wir unse­re Aufga­be auch darin, Räume zu schaf­fen, in denen Diskus­sio­nen statt­fin­den. Wir wollen im Seifen­mu­se­um den Meinungs­aus­tausch möglich machen.“ Für den 21-Jährigen ist klar: Künf­tig soll es mehr Ausstel­lun­gen und Anläs­se dieser Art im Seifen­mu­se­um geben. Das Muse­um soll auch Möglich­keit bieten, um über Ideen, Visio­nen oder Proble­me in ganz verschie­de­nen Berei­chen zu disku­tie­ren und so einen neuen Zugang zu gesell­schaft­li­chen oder poli­ti­schen Themen zu erlangen. 

An der Vernis­sa­ge lausch­ten über 50 Perso­nen einem Podi­ums­ge­spräch über die Chan­cen und Heraus­for­de­run­gen eines Gratis-ÖV.

Die Ausstel­lung sei, auch im Hinblick auf die Besu­cher­zah­len, ein Erfolg gewe­sen, so Vasco Hebel. Dass an der Vernis­sa­ge über 50 Perso­nen anwe­send waren und über die Chan­cen und Heraus­for­de­run­gen eines Gratis-ÖV disku­tiert haben, freut ihn beson­ders. „Es gibt kein rich­tig oder falsch. Es geht darum, den Diskurs brei­ter und für alle zugäng­lich zu machen.“

Verstoss gegen über­ge­ord­ne­tes Recht

Und wie sieht es nun mit dem Gratis-ÖV aus? Die Juso St. Gallen spre­chen noch von „einer Utopie für ein St. Gallen der Zukunft“. 

Linus Lutz fertig­te für die Ausstel­lung ein Bus-Mobile.

Sie wissen: Die recht­li­chen Hürden für die Umset­zung von Gratis-Bus und ‑Bahn sind in der Schweiz nicht gege­ben. Der Grund: Ein Gratis-ÖV würde gegen die Schwei­zer Verfas­sung verstos­sen. Dort steht, dass die Kosten des öffent­li­chen Verkehrs zu einem ange­mes­se­nen Teil von den Nutze­rin­nen und Nutzern über­nom­men werden müssen. Dennoch fordert die Juso St. Gallen Mobi­li­tät für alle Menschen als Grund­recht. In der Ausstel­lung zeigt sie auch mögli­che Wege dahin, unter ande­rem die Finan­zie­rung durch höhe­re Steu­ern auf hohe Einkom­men und Vermö­gen oder die Umnut­zung von Flächen, die heute den Autos gehö­ren, hin zu Frei­räu­men für alle Menschen.

Die Visi­on eines Gratis-ÖV soll zur Diskus­si­on anregen. 

Dass das System eines Gratis-ÖV umsetz­bar ist und funk­tio­nie­ren kann, zeigt das Ausland. Wer etwa in der fran­zö­si­schen Gross­stadt Mont­pel­lier lebt, fährt seit Dezem­ber 2023 gratis mit dem Öffent­li­chen Verkehr. Wie der Tages-Anzeiger schreibt, hat die ÖV-Nutzung seit­her um gut einen Vier­tel zuge­nom­men. Finan­ziert wird das Projekt durch zusätz­li­che Einnah­men aus der Mobi­li­täts­steu­er für Firmen. In Tallinn, der Haupt­stadt von Estland, können Bürge­rin­nen und Bürger bereits seit 2013 kosten­los den öffent­li­chen Nahver­kehr nutzen. Mitt­ler­wei­le kennen verschie­de­ne euro­päi­sche Städ­te das System. Aber auch Staa­ten haben bereits landes­weit flächen­de­ckend den Gratis-ÖV einge­führt. 2020 war Luxem­burg das erste Land der Welt, das den gesam­ten öffent­li­chen Verkehr kosten­frei mach­te. 2022 folg­te Malta. Im klei­nen Insel­staat fahren die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner kosten­los Bus. Ob die Hürden für einen Gratis-ÖV auch in der Schweiz dereinst abge­baut werden können und ein solcher in St. Gallen n wird, steht in den Ster­nen. Noch ist es eine Vision.

Beni Bischof
Beni Bischof ist in Widnau im St.Galler Rhein­tal aufge­wach­sen. Nach dem Vorkurs an der Hoch­schu­le für Gestal­tung in Zürich folg­te 2004 der Abschuss der Grafik­fach­klas­se an der Schu­le für Gestal­tung in St. Gallen. Beni Bischof hat zahl­rei­che Stipen­di­en erhal­ten und Prei­se gewon­nen, unter ande­rem drei Mal einen Werk­bei­trag des Kantons St. Gallen sowie zwei Mal den Eidge­nös­si­schen Preis für Kunst.

Anna Harb
Anna Harb ist Psychologie-Studentin an der Univer­si­tät Zürich und arbei­tet neben­bei an der Uni im Insti­tut für Rechts­me­di­zin. Ihre gros­se Leiden­schaft ist das Zeich­nen. Seit ihrer Schul­zeit an der Kantons­schu­le am Burg­gra­ben in St. Gallen liegt ihr Fokus auf anime- und comic­ar­ti­gen Charak­te­ren. Anna Harb inter­es­sie­ren an Kunst­wer­ken vor allem die Geschich­te und die Ideen hinter dem Werk und sie analy­siert gerne deren Farben und Ästhe­tik. Dadurch bekommt sie immer wieder Inspi­ra­tio­nen für die eige­nen Werke.

Maj Lisa Dörig
Maj Lisa Dörig hat in Luzern Illus­tra­ti­on studiert und ist momen­tan an der Royal Drawing School in London. In ihren Bildern verwe­ben sich Reali­tät und Traum zu einem Ganzen. Für Maj Lisa Dörig ist Zeich­nen ein Dialog zwischen Zeich­nungs­stift und Gedan­ken, und eine Metho­de, um in das komple­xe Gewe­be der Welt einzu­tau­chen.

Kata­lin Deér
Kata­lin Deér ist in Palo Alto in den USA gebo­ren und lebt und arbei­tet seit 2004 in St. Gallen. Ihre Werke werden regel­mäs­sig an Ausstel­lun­gen im In- und Ausland gezeigt. 2007 erhielt Kata­lin Deér einen Werk­bei­trag der Stadt St. Gallen, 2012 einen Werk­bei­trag des Kantons St. Gallen und 2013 einen Förder­preis der Stadt St. Gallen.

Linus Lutz
Linus Lutz unter­sucht in seiner Praxis handels­üb­li­che sowie indus­tri­el­le Rohstof­fe unter­schied­li­cher Herkunft und setzt diese neu zusam­men. Er stellt sie in skulp­tu­ra­ler sowie instal­la­ti­ver Form gegen­über und macht sie so sicht­bar. Mit dem GAFFA Kollek­tiv St. Gallen hat Linus Lutz 2019 und 2022 einen Werk­bei­trag der Stadt St. Gallen erhalten.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: zVg.
Veröf­fent­li­chung: 18. Juli 2024

Kinder- und Jugendhilfe stellt Buch vor

Pfle­ge­kin­der hatten schon immer ein schwe­res Los und erle­ben bis heute Belas­ten­des, weiss Chris­toph Wick, Geschäfts­lei­ter der Kinder- und Jugend­hil­fe St. Gallen – ein Sozi­al­werk des Bistums St. Gallen. Er half mit, für das Buch «Auf-gefangen» die Geschich­te der Insti­tu­ti­on aufzu­ar­bei­ten. Am 22. August wird das Buch in St.Gallen vorgestellt.

Das kürz­lich erschie­ne­ne Buch beleuch­tet die Entwick­lung vom Sera­phi­schen Liebes­werk zur Kinder- und Jugend­hil­fe (KJH) St. Gallen. Der Geschäfts­lei­ter und Sozi­al­ar­bei­ter Chris­toph Wick (63) erklärt, dass die histo­ri­sche Aufar­bei­tung schon länger ein Thema gewe­sen sei: «Wir sind schon seit über 50 Jahren an der Fron­gar­ten­stras­se und im Estrich unter­hiel­ten wir ein Archiv mit jahrzehnte-alten Dossiers. Dazu kamen die öffent­li­chen Diskus­sio­nen über Verding­kin­der. Wir woll­ten die eige­ne Geschich­te kennen und dabei auch die Schat­ten­sei­ten beleuch­ten.» Der Vorstand des Vereins KJH hat deshalb zwei Histo­ri­ke­rin­nen und einen Histo­ri­ker beauf­tragt, anhand von Archiv­ma­te­ri­al sowie Gesprä­chen mit Betrof­fe­nen die Entwick­lung dieser Orga­ni­sa­ti­on, die 1891 von Pries­ter Johann Josef Eber­le gegrün­det wurde, zu doku­men­tie­ren. Nun ist daraus ein Buch für die Öffent­lich­keit entstan­den, das Einbli­cke in die Lebens­um­stän­de von Kindern und Fami­li­en gibt. Bei der Aufar­bei­tung wurden die Einzel­schick­sa­le in den Kontext der Sozial- und Kirchen­ge­schich­te gestellt. Dabei werden aus heuti­ger Sicht proble­ma­ti­sche Seiten in der Betreu­ung von Kindern und Jugend­li­chen, insbe­son­de­re die Fremd­plat­zie­run­gen, thematisiert.

Margi­na­le Überprüfung

Wick war als Beirat bei der Erar­bei­tung dieses Buches betei­ligt. Aufgrund seiner 20-jährigen Erfah­rung hatte er schon Einbli­cke in die Dossiers und kann­te die Geschich­te vieler Einzel­schick­sa­le. «Durch diese Arbeit wurde mir erneut vor Augen geführt, wie viele Kinder damals in Pfle­ge­fa­mi­li­en vermit­telt wurden. Zwischen 1948 und 1980 betraf es rund 100 Kinder pro Jahr, heute sind es jähr­lich durch­schnitt­lich fünf.»  Ein Teil der Kinder sei unter sehr schwie­ri­gen Bedin­gun­gen aufge­wach­sen; ande­re wieder­um hätten sich in der Pfle­ge­fa­mi­lie wohl und aufge­ho­ben gefühlt. Die Kinder hatten kaum Kontak­te zu den Eltern oder Vertrau­ens­per­so­nen. Die Über­prü­fung der Pfle­ge­fa­mi­li­en war margi­nal, erklärt er. Mit der Neuaus­rich­tung in den 1980er-Jahren verän­der­te sich nicht nur der Name und das Erschei­nungs­bild des Kinder­hilfs­wer­kes, die Orga­ni­sa­ti­on erhielt auch neue Struk­tu­ren. Heute ist die KJH eine konfes­sio­nell neutra­le und profes­sio­nel­le Anlauf­stel­le für Fami­li­en. Recht­lich als Verein orga­ni­siert, ist die KJH ein Sozi­al­werk des Bistums St. Gallen.

Der schwe­re Ruck­sack bleibt

«Für Pfle­ge­kin­der haben sich die gesetz­li­chen, fach­li­chen und sozia­len Rahmen­be­din­gun­gen inso­fern verbes­sert, dass sich mehre­re Fach­leu­te engma­schig um sie, ihre Eltern und Pfle­ge­fa­mi­li­en kümmern. Früher hatte oftmals nur eine Person über das Schick­sal der betrof­fe­nen Kinder entschie­den. Nicht selten wuss­ten die Kinder nicht, weshalb sie nicht bei ihren Eltern aufwach­sen konn­ten. Manche litten auch, da sie sich gegen­über leib­li­chen Kindern der Pfle­ge­el­tern diskri­mi­niert fühl­ten», sagt Wick. Auch heute seien Pfle­ge­kin­der belas­tet. Der Umstand, dass sie nicht bei den eige­nen Eltern aufwach­sen, sei für Kinder eine gros­se Heraus­for­de­rung. Sie kämen nicht darum herum, sich mit ihrem Leben auf eine ande­re Art ausein­an­der­zu­set­zen im Gegen­satz zu Kindern, die in ihrer Herkunfts­fa­mi­lie aufwachsen. 

Bera­tung und prak­ti­sche Hilfe

Die KJH wird vom Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen finan­ziert. Sie hat je eine Bera­tungs­stel­le in St. Gallen und in Sargans mit 20 Fach­per­so­nen, 40 Pfle­ge­fa­mi­li­en und rund 40 Frei­wil­li­gen. Das Ange­bot umfasst Bera­tung für Fami­li­en, Kinder und Jugend­li­che, Fami­li­en­be­glei­tung sowie die Beglei­tung von Pfle­ge­fa­mi­li­en. Dazu kommt das Ange­bot «well­co­me – Prak­ti­sche Hilfe nach der Geburt» für Eltern, die in der ersten Phase mit einem Neuge­bo­re­nen Unter­stüt­zung benö­ti­gen. Wick erklärt: «Wir vermit­teln frei­wil­li­ge Mitar­bei­ten­de zur Entlas­tung von Müttern mit Baby und/oder Klein­kin­dern im ersten Lebens­jahr. Die Frei­wil­li­gen leis­ten prak­ti­sche Hilfe wie etwa einen Spazier­gang mit einem Kind oder eine Beglei­tung zum Kinder-Arzttermin». Laut Wick sind viele Eltern froh, mit einer Fach­per­son über ihre Sorgen spre­chen zu können und gemein­sam Lösun­gen zu erar­bei­ten. Die Proble­me seien sehr breit gefä­chert, von Über­for­de­rung, über einschnei­den­de Ereig­nis­se, bis alltäg­li­che Konfliktsituationen.

Pfle­ge­el­tern und Frei­wil­li­ge gesucht

Die KJH sucht Perso­nen, die ein Pfle­ge­kind bei sich aufneh­men, und Frei­wil­li­ge für das Ange­bot «well­co­me». → http://www.kjh.ch

Buch­ver­nis­sa­ge «Aufge­fan­gen»

Donners­tag, 22. August 2024, 18.30 Uhr

«Aufge­fan­gen – Vom Sera­phi­schen Liebes­werk zur Kinder- und Jugend­hil­fe St. Gallen» zeich­net die Entwick­lung der Orga­ni­sa­ti­on und deren Tätig­kei­ten nach und gibt Einbli­cke in die Lebens­um­stän­de von Kindern und Fami­li­en. An der Vernis­sa­ge hält Präsi­dent Beat Zindel eine Begrüs­sungs­re­de, Schau­spie­ler Marcus Schä­fer wird aus dem Buch vorle­sen. Weite­re Anwe­sen­de sind unter ande­rem Regie­rungs­rä­tin Laura Bucher und Histo­ri­ke­rin Loret­ta Segli­as. Anmel­dung (erbe­ten bis 14. August) an: beratungsstelle-sg@kjh.ch oder 071 222 53 53

→ Stadt­saal Lager­haus, David­s­tras­se 42, St. Gallen

Text: Katja Hong­ler, Bild: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 24.1.24

Aktua­li­siert: 15.07.2024

Wer wählt den neuen Bischof?

Eine der Aufga­ben des St. Galler Domka­pi­tels ist die Wahl des Bischofs, die in St. Gallen in ­abseh­ba­rer Zeit ansteht. Wer es wird, steht noch in den Ster­nen – doch wie läuft die Wahl ab? Domde­kan Guido Scher­rer, der das Domka­pi­tel leitet, gibt Auskunft.

Guido Scher­rer, was ist Ihre Aufga­be als Domdekan?

Guido Scher­rer: Der Domde­kan leitet das Domka­pi­tel und vertritt es auch nach aussen. Wir tref­fen uns zu zwei ordent­li­chen Sitzun­gen im Früh­jahr und auch aus Anlass des Geden­kens an alle frühe­ren Äbte, Mönche, Bischö­fe und Mitar­bei­te­rIn­nen in der Seelsorge.

Sind Sie als Domde­kan ­Kron­fa­vo­rit fürs Bischofamt?

«Dornen­kron­fa­vo­ri­ten» sind – wenn man auf die letz­ten elf Bischö­fe von St. Gallen schaut – alle Kano­ni­ker. Der erste Bischof war nicht im Domka­pi­tel, weil das Gremi­um erst mit der Grün­dung des Bistums 1847 neu orga­ni­siert wurde und der erste Bischof nicht gewählt wurde. Bischof Otmar Mäder gehör­te eben­falls nicht dem Domka­pi­tel an.

Was sind Kano­ni­ker und wie setzt sich das Domka­pi­tel zusammen?

Das Domka­pi­tel besteht aus fünf soge­nann­ten Residenzial- und acht Rural­ka­no­ni­kern. Resi­die­ren­de Kano­ni­ker beklei­de­ten früher alle wich­ti­gen Aufga­ben in der Bistums­lei­tung. Die acht Rural­ka­no­ni­ker bezie­hen sich auf die acht Deka­na­te, die es zur Zeit der Grün­dung des Bistums St. Gallen gab. Die Frage mit Appen­zell war zur Zeit der Bistums­grün­dung noch nicht gere­gelt. Seit eini­gen Jahren sind auch Pries­ter, die im Deka­nat Appen­zell tätig sind, im Domkapitel.

Wo sind die Vortei­le des dualen Systems?

An unse­rem dualen System (Bistum und Konfes­si­ons­teil, Kirch­ge­mein­den und Pfar­rei­en) schät­ze ich es sehr, dass sich so viele Menschen im weites­ten Sinne für die Kirche und ihre Aufga­ben enga­gie­ren. Ich erin­ne­re daran, dass kein Domherr vom Bischof oder vom Domka­pi­tel allein ernannt werden kann. Bei den Rural­ka­no­ni­kern gehen die Vorschlä­ge immer über den Admi­nis­tra­ti­ons­rat – dieser kann Kandi­da­ten strei­chen. Bei den Resi­die­ren­den werden je zwei vom Bischof und zwei vom Admi­nis­tra­ti­ons­rat gewählt. Der Domde­kan wird aus einem Drei­er­vor­schlag des Bischofs durch den Admi­nis­tra­ti­ons­rat gewählt. Die Kräf­te sind so ausge­wo­gen verteilt.

Wie läuft ein ­Bischofs­wech­sel ab?

Diöze­sen werden vakant, wenn ein Diöze­san­bi­schof stirbt oder wenn der Papst ein Rück­tritts­ge­such annimmt. Konkret: Bischof Markus wird dem Papst mit seinem 75. Geburts­tag einen Brief schrei­ben und seinen Rück­tritt anbie­ten. Dann heisst es warten, bis Papst Fran­zis­kus diesen Rück­tritt auf ein bestimm­tes Datum hin annimmt. Dann beginnt die eigent­li­che Vakanz. Die Beson­der­heit in St. Gallen ist, dass und wie das Domka­pi­tel den Bischof wählen darf.

Domde­kan Guido Scher­rer ist über­zeugt: Bischö­fe müssen gedul­dig zuhö­ren können. «Wenn sie neben Gott­ver­trau­en noch eine gros­se Porti­on Gelas­sen­heit und Humor mitbrin­gen, wird das ihr heraus­for­dern­des Amt erträg­lich machen.»

Wieso gibt es in St. Gallen eine Bischofswahl?

Nach dem Konkor­dat von 1845 und der Reor­ga­ni­sa­ti­ons­bul­le von 1847 erfolgt die Neube­set­zung des St. Galler Bischofs­stuhls durch freie Wahl des Domka­pi­tels innert drei Mona­ten nach einge­tre­te­ner Vakanz. Diese während Jahr­hun­der­ten bewähr­te Form der Bischofs­wahl vermoch­ten die Bistü­mer Basel und St. Gallen als einzi­ge Diöze­sen der west­li­chen Kirche beizubehalten.

Wieso genau nach Konkordat?

Die Bischofs­wahl ist mehr als ein Gentlemen’s Agree­ment. Ein Konkor­dat ist ein Vertrag zwischen dem Heili­gen Stuhl und einem Land. Es hat völker­recht­li­chen Status.

Wer ist als Bischof wählbar?

Nach Kirchen­recht muss ein Pries­ter mindes­tens 35 Jahre alt sein und seit fünf Jahren Pries­ter sein. Was das Kirchen­recht vorschreibt, ist auch Krite­ri­um in den Statu­ten des Kapi­tels. Hinzu kommt, dass ein künf­ti­ger Bischof in Verwal­tung oder Seel­sor­ge inner­halb des Bistums erfah­ren sein und der Diöze­san­g­eist­lich­keit ange­hö­ren soll. Diese Voraus­set­zun­gen erfül­len Stand heute um die 60 Priester.

Wie wird bei der Wahl die katho­li­sche Bevöl­ke­rung einbezogen?

Bei den letz­ten beiden Bischofs­wech­seln gab es beglei­tend zur Listen­er­stel­lung eine soge­nann­te Konsul­ta­ti­on: Wir frag­ten nach Eigen­schaf­ten, die ein künf­ti­ger Bischof haben soll­te, und es durf­ten auch Namen genannt werden. Betei­li­gen durf­te  sich neben Räten und Gremi­en die ganze Bevöl­ke­rung. Niemand muss­te sich auswei­sen, katho­lisch zu sein. Eine Konsul­ta­ti­on wird es sicher wieder geben. In einer Grup­pe mit Vertre­tern aus dem Domka­pi­tel und von «Refor­men jetzt» disku­tie­ren wir geeig­ne­te Mass­nah­men diesbezüglich.

Darf ein gewähl­ter Bischof ­seine Wahl ablehnen?

Nach Statu­ten kann ein Gewähl­ter inner­halb von sieben Tagen Annah­me oder Nicht­an­nah­me der Wahl erklä­ren. Diese Annah­me der Wahl ist Voraus­set­zung für die Ernen­nung durch den Papst.

Inter­view: Isabel­la Awad / ssi

Bild: Clau­dio Bäggli

Veröf­fent­licht: 02.07.2024

Bischofs­wahl

Am 9. August wird Bischof Markus Büchel 75 Jahre alt. Dann bittet er den Papst um Demis­si­on. Das Pfar­rei­fo­rum berich­tet in den nächs­ten Mona­ten mit mehre­ren Beiträ­gen darüber. Das Inter­view mit Gene­ral­vi­kar Guido Scher­rer hat das Bistum der Redak­ti­on zur Verfü­gung gestellt.

Bestsellerautorin hört die Mönche flüstern

Für die deut­sche Best­sel­ler­au­torin Tanja Kinkel ist die Insel Reichen­au Schau­platz myste­riö­ser Verbre­chen und Spie­gel für die Welt­ereig­nis­se der letz­ten Jahr­hun­der­te zugleich. Für das Jubi­lä­um «1300 Jahre Klos­ter Reichen­au» hat sie ein Hörspiel geschrie­ben und eine Samm­lung von histo­ri­schen Kurz­ge­schich­ten herausgegeben.

In dicken Nebel gehüllt, einsam und verlas­sen. So traf Tanja Kinkel die Reichen­au an, als sie diese im Novem­ber 2022 zum aller­ers­ten Mal besuch­te. «Diese myste­riö­se Stim­mung hat mich total ange­spro­chen», erin­nert sich die Autorin und lacht, «ich konn­te mir so noch viel besser vorstel­len, wie das Leben im Mittel­al­ter auf dieser Insel war.» Die gebür­ti­ge Bamber­ge­rin (Bayern), die seit vielen Jahren in München lebt, wurde auf die Insel im Boden­see aufmerk­sam durch die Anfra­ge das Badi­schen Landes­mu­se­ums: «Ich bekam den Auftrag, Texte für eine App für das Jubi­lä­um zu verfas­sen. Bei meinen Recher­chen habe ich sofort gemerkt, wie viel Stoff in der Geschich­te der Reichen­au steckt. Deshalb mach­te ich dem Landes­mu­se­um den Vorschlag, zum Jubi­lä­um einen Band mit histo­ri­schen Kurz­ge­schich­ten zu veröf­fent­li­chen. In der Reichen­au steckt eine Menge Stoff. Zum Beispiel allein die Tatsa­che, dass in der späten Zeit des Klos­ters inner­halb eines Jahres gleich zwei Äbte zu Tode kamen, das schreit gera­de danach, dass sich ein Ermitt­ler darum kümmert.»

Tanja Kinkel war vor zwei Jahren zum ersten Mal auf der Insel Reichenau.

In die Geschich­te eingetaucht

Auch wenn Tanja Kinkel die Reichen­au erst seit zwei Jahren kennt, spürt man im Gespräch mit ihr sofort: Sie ist mitten­drin in der wech­sel­sei­ti­gen Geschich­te der Insel. Die Autorin spru­delt nur so, wenn sie von ehema­li­gen Äbten, Nonnen und Mönchen spricht, und wird zuwei­len sogar emotio­nal, als wäre sie ihnen persön­lich begeg­net. Sie hat sich akri­bisch in die Doku­men­te einge­le­sen und inten­siv auf die Moti­ve und Charak­te­re der prägen­den Perso­nen einge­las­sen. «Das war auch mein Köder für meine Kolle­gin­nen», sagt sie. Für die Geschich­ten­samm­lung hat sie Autorin­nen und Autoren ange­fragt, die wie sie erfolg­rei­che histo­ri­sche Roma­ne schrei­ben. «Alle beka­men von mir ein Dossier zu Perso­nen, die für die Reichen­au prägend waren.» Dass schliess­lich nur Frau­en Geschich­ten beigesteu­ert haben, sei Zufall: «Alle Kolle­gen, die ich ange­fragt habe, sagten aus Zeit­grün­den ab. Nur Ulf Schie­we woll­te mitwir­ken.» Leider erkrank­te er kurz darauf und starb. «Ich habe ihm deshalb das Buch gewidmet.»

Spie­gel der Weltereignisse

Die Geschich­ten in Tanja Kinkels Buch zeigen deut­lich: Die klei­ne Insel im Boden­see war in den vergan­ge­nen Jahr­hun­der­ten oft Schlüs­sel­ort für Welt­ereig­nis­se. In der Blüte­zeit (8. bis 11. Jahr­hun­dert) war sie das Zentrum des christ­li­chen Abend­lan­des. Zum Beispiel stamm­ten viele wich­ti­ge Schrif­ten aus der Schreib­stu­be der Klos­ter­ge­mein­schaft auf der Reichen­au. Adeli­ge und Geist­li­che lies­sen ihre Schrif­ten auf der Insel anfer­ti­gen. «Die Reichen­au ist ein Brenn­glas für die zahl­rei­chen kulturellen und sozia­len Entwick­lun­gen der dama­li­gen Zeit», so Tanja Kinkel. Als Beispiel schil­dert sie den Sturm der Konstan­zer Bürge­rin­nen und Bürger auf die Insel, als sie gegen das Klos­ter aufbegehrten.

Nur noch ein Scherbenhaufen

Tanja Kinkels Geschich­te beschäf­tigt sich mit dem Nieder­gang und nimmt den letz­ten Abt des Klos­ters Reichen­au in den Fokus. Auf der einen Seite der letz­te Reichs­abt, Markus von Knörin­gen – «einer der wider­lichs­ten Menschen, den man sich vorstel­len kann», wie Tanja Kinkel im Gespräch fest­hält, «zu seiner Zeit gibt es noch mehre­re Reform­ver­su­che, um das Klos­ter zu retten. Der Reichs­abt ist schuld, dass diese schei­tern.» Ihm gegen­über steht Prior Georg Dietz. «Mich faszi­niert an diesem Mönch, dass er seiner Beru­fung treu bleibt – das Klos­ter ist nur noch ein Scher­ben­hau­fen, vom Glanz des Mönch­tums auf der Reichen­au ist nichts mehr übrig. Er hätte die Möglich­keit, weiter­zu­zie­hen. Trotz­dem beschliesst er, auf der Insel zu blei­ben, und das, obwohl er dafür alles ande­re als Ruhm und Ehre erhält.»

Drei Kirchen besuchen

Wer die Reichen­au in diesem Jahr besu­chen will, dem steht eine App, die zum Jubi­lä­um entwi­ckelt wurde, zur Verfü­gung. Tanja Kinkel hat dafür Hörtex­te verfasst, die die Geschich­te atmo­sphä­risch dicht erleb­bar machen. Die deut­sche Autorin empfiehlt, die Reichen­au zu Fuss zu erwan­dern, zunächst am Ufer entlang und dann zum Aussichts­punkt Hoch­wart. «Es lohnt sich, die drei Kirchen zu besu­chen. Zum Jubi­lä­um wurde bei jeder Kirche ein klei­nes Muse­um einge­rich­tet. Hier kann man die Geschich­te mit allen Sinnen erle­ben.» Auf ein High­light ist Tanja Kinkel bei ihrem ersten Besuch auf der Insel in der Kirche St. Georg (Ober­zell) gestos­sen: «Ich hatte zuvor Aufnah­men der mittel­al­ter­li­chen Fres­ken gese­hen. Ich war total erstaunt, wie gut erhal­ten die sind.» Tanja Kinkel wird es auch in Zukunft wieder auf die Reichen­au und an den Boden­see ziehen, im Herbst hält sie zum Beispiel eine Lesung in Konstanz.

Bestsellerautorin hört die Mönche flüstern

Die Geschich­ten­samm­lung von Tanja Kinkel enthält u. a. Geschich­ten von Sabi­ne Ebert, Iny Lorentz und Heidi Rehn. In Kurz­ge­schich­ten erzäh­len die Best­sel­ler­au­torin­nen auf Basis wahrer Bege­ben­hei­ten von Menschen auf der Reichen­au. Sie beschrei­ben die Spuren, die Äbte und Mönche, Wein­bau­ern und Fischer, Kaise­rin­nen und Nonnen auf der Insel hinter­las­sen haben, und skiz­zie­ren so das Leben auf der Insel und im Klos­ter durch die Jahr­hun­der­te. Die Antho­lo­gie lässt damit die lange Geschich­te dieses heili­gen Ortes neu leben­dig werden. Die Geschich­ten werden wohl bei Fans von histo­ri­schen Roma­nen beson­ders gut ankom­men. Tanja Kinkel, geb. 1969 in Bamberg, lande­te mit ihren Büchern schon mehr­mals auf der Spiegel-Bestsellerliste und gilt als eine der meist­ver­kauf­ten Autorin­nen in Deutsch­land. Ihr erfolg­reichs­tes Buch «Die Puppen­spie­ler» wurde von der ARD verfilmt. Die Autorin lebt in München und ist u. a. Gast­do­zen­tin an der Univer­si­tät Zürich.

→ Tanja Kinkel (Hg): «Reichen­au – Insel der ­Geheim­nis­se», Bonifatius-Verlag, 224 Seiten

Text: Stephan Sigg

Bilder: SWR / zVG

Veröf­fent­licht: 28.06.2024

Das Quarten hat sich gelohnt

Die öster­rei­chi­sche Kinder­buch­au­to­rin Lena Raubaum aus Wien erin­nert sich für das Pfar­rei­fo­rum an die Jung­schar­la­ger bei den Schön­statt­schwes­tern in Quar­ten über dem Walensee.

Soll­te mich jemals jemand anru­fen, der bei «Wer wird Millio­när?» vor der Frage zittert, welche Masse der Walen­see habe, erhält von mir als Joker prompt die Antwort: «15,5 Kilo­me­ter lang, 150 Meter tief, zwei Kilo­me­ter breit!» Gewiss: Orts­kun­di­ge Menschen wissen das. Aber ich vermu­te mal, vielen Menschen in Öster­reich ist das nicht bewusst, geschwei­ge denn, wie atem­be­rau­bend schön dieser See ist, beschützt von den majes­tä­ti­schen Chur­firs­ten. Die Einzi­gen, die das in Öster­reich wissen könn­ten, sind die Jung­schar­kin­der der Pfar­re Alt-Ottakring des 16. Wiener Gemein­de­be­zirks. Diese Jung­schar­kin­der fuhren über Jahr­zehn­te nach Quar­ten auf Jung­schar­la­ger. Eines davon war ich.

Lena Raubaum verbrach­te mehre­re Jung­schar­la­ger in Quar­ten über dem Walen­see. Heute ist sie eine erfolg­rei­che öster­rei­chi­sche Kinderbuchautorin.

Weil es so schön war

Der Walen­see war das Zeichen dafür, dass es nicht mehr weit war. Rund 80 Mädchen zwischen sechs und 16 Jahren, die stun­den­lang per Bahn oder Bus unter­wegs gewe­sen waren, jubel­ten. Der See rück­te das Ende einer sehr langen Reise in Sicht, einer Reise, auf der Lieder, Vorle­se­zeit, Jausen­tausch­bör­sen, Schläf­chen und Witze­run­den die Zeit verkürzt hatten. Während die Jung­schar­lei­tung Gitti per Busmi­kro­fon die Details erzähl­te, die mich zu einem guten Joker machen, bog der Bus bereits den Berg hinauf. Nach ein paar Kurven waren wir da: in Neu-Schönstatt in Quar­ten. Kaum ange­kom­men – spätes­tens beim Abend­essen –, begrüss­te uns eine der allge­gen­wär­ti­gen Mari­en­schwes­tern  mit der wunder­ba­ren Würze von Schwi­zer­dütsch in ihren Worten. Dadurch, dass wir als Grup­pe für uns waren, hatten wir nicht allzu viel Inter­ak­ti­on mit den Schönstatt-Schwestern. Doch wir begeg­ne­ten ihnen, manche fallen mir jetzt wieder ein. Die eine mit der gros­sen Bril­le, bei der wir an der Rezep­ti­on Karten und Brief­mar­ken kauf­ten. Die ande­re mit der blau­en Schür­ze, die im Garten arbei­te­te. Die Junge, die immer, immer lächelte.

Wieso fuhren Mädchen- und Buben­jung­schar­grup­pen (stets getrennt!) ausge­rech­net von Wien in die Schweiz auf Jung­schar­la­ger? Ehrlich gesagt: Ich weiss es nicht. Aber einer der Grün­de war gewiss: Weil es so schön war! Allein für das Panora­ma zahl­te sich jeder Kilo­me­ter aus. Genau­so für das klei­ne Wald­stück oder die Spiel­wie­se samt Teich vor dem Zentrum, auf der wir das Schwung­tuch schwan­gen, Feld­mes­se feier­ten, Ball spiel­ten. Dabei muss­ten wir übri­gens aufpas­sen, dass der Ball nicht die Böschung runter­rol­len würde. (Heute steht da ein Zaun. Gute Entschei­dung!) Und natür­lich schätz­ten wir das Zentrum an sich. Die Schlaf­sä­le mit je sechs Kojen, in denen morgens Musik erschall­te, um uns zu wecken. Ich weiss auch noch, dass man über die Kästen perfekt von Koje zu Koje klet­tern konn­te (war eigent­lich nicht erlaubt, bitte nicht melden!) und dass man natür­lich jedes Geräusch mitbe­kam. Zum Beispiel auch, wie einmal eine Jung­schar­füh­re­rin während eines Lach­an­falls einschlief.

Eine bunte Gemeinschaft

Dank dieser Wochen lern­ten wir vieles an der Schweiz kennen und lieben. Unzäh­li­ge Orte, manche mit vielen, ande­re mit etwas weni­ger Höhen­me­tern. Ich glau­be, ich muss unbe­dingt mal wieder dem Verkehrs­mu­se­um in Luzern, Knies Kinder­zoo und dem Säntis einen Besuch abstat­ten. Ah, und der Migros in Sargans. Der war das High­light am Ende unse­res Lagers. Dort kauf­ten wir nicht nur haufen­wei­se Appen­zel­ler Biber­li, Scho­ko­stäng­li oder Toblerone-Schoki. Dort gingen wir vor allem liebend gern aufs Klo, weil dessen Ästhe­tik und Hand­creme immense Begeis­te­rung in uns auslösten.

Sicher, vieles, das man auf einem Jung­schar­la­ger erlebt, erlebt man über­all. Eine bunte Gemein­schaft. Morgen­ge­be­te. Abend­lob. Fackel­wan­de­run­gen. Küchen­dienst. Strei­te­rei­en. Spie­le­aben­de. Ein spiri­tu­el­les Wochen­the­ma. Heim­weh. Zusam­men­halt. Und noch mehr. So viel mehr. Doch ich bin zutiefst dank­bar, dass ich all das an einem beson­de­ren Ort in St. Gallen erle­ben durf­te und dass ich mit dem Brust­ton der Über­zeu­gung schrei­ben kann: Dieses Quar­ten, das hat sich gelohnt.

Text: Lena Raubaum

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 27.06.2024

Lena Raubaum

Lena Raubaum, gebo­ren 1984 in Wien, hat für ihre Kinder­bü­cher viele Prei­se erhal­ten. Als Kind verbrach­te sie mehre­re Sommer bei den Schön­statt­schwes­tern in Quar­ten. «Das hat mein Bild von der Schweiz geprägt», sagt sie. Diesen Erin­ne­rungs­text hat sie auf Einla­dung des Pfar­rei­fo­rums verfasst. 

Zuletzt ist ihr Kinder­buch «Ungal­li» über die Kraft der Wieder­ho­lung erschie­nen. Sie erzählt eine afri­ka­ni­sche Legen­de  in neuen Worten: Wie merkt man sich etwas wirk­lich? Was ist beim Lernen von Neuem das Aller­wich­tigs­te? Und was haben ein Baum, seine Früch­te, eine Gazel­le, ein Elefant und eine Schild­krö­te damit zu tun? ­www.lenaraubaum.com

Kinder­buch «Ungal­li» von Lena Raubaum.

Das Zentrum Neu-Schönstatt der katho­li­schen Schön­statt­be­we­gung in Quar­ten ist heute ein moder­nes Bildungs- und Tagungs­haus und steht für Einzel­per­so­nen, Fami­li­en und Grup­pen offen. 

Leserfrage: Wie sensibilisiert man Kinder für Solidarität?

Was versteht man unter Soli­da­ri­tät? Vermut­lich hat jeder seine eige­ne Defi­ni­ti­on dafür. Für mich ist Soli­da­ri­tät ein Grund­prin­zip mensch­li­chen Zusam­men­le­bens. Wir fühlen uns mitein­an­der verbun­den und unter­stüt­zen uns gegenseitig.

Es gibt verschie­de­ne Möglichkeiten, Kinder für Soli­da­ri­tät zu sensi­bi­li­sie­ren: Eine reli­giö­se Erzie­hung bietet eine gute Chan­ce, ihnen Soli­da­ri­tät näher­zu­brin­gen. Dabei können reli­giö­se Geschich­ten ein Beispiel dafür sein. Ich denke dabei an die Geschich­te des barm­her­zi­gen Sama­ri­ters: Ein Mann wird von Räubern über­fal­len und schwer verletzt zurück­ge­las­sen. Zuerst gehen ein Pries­ter und dann ein Levit acht­los an ihm vorbei. Erst ein Sama­ri­ter, also einer aus einer verfein­de­ten Grup­pe, hat Mitleid mit ihm und kümmert sich um ihn. Er fragt nicht nach seiner Herkunft. Er handelt ohne eige­nen Nutzen oder Hintergedanken.

Gemein­nüt­zi­ges tun

Der Reli­gi­ons­un­ter­richt trägt auch dazu bei, die persön­li­che Entwick­lung der Kinder und Jugend­li­chen zu fördern. Viele reli­giö­se Tradi­tio­nen beto­nen die Bedeu­tung von Mitge­fühl, Nächs­ten­lie­be und Soli­da­ri­tät mit den Bedürf­ti­gen. Im Unter­richt wird mit den Schü­le­rin­nen und Schü­lern über Themen wie Unge­rech­tig­keit, Armut und Diskri­mi­nie­rung gespro­chen. Sie können Fragen stel­len und ihre Gedan­ken ausdrü­cken. Sie hören auch aus dem Leben von verschie­de­nen Persön­lich­kei­ten und ihrem Einsatz für die Menschen. Sie werden ermu­tigt, Soli­da­ri­tät im Alltag zu leben, indem sie ande­ren helfen, Mitge­fühl zeigen und ande­ren gegen­über respekt­voll sind.

Eine weite­re Möglich­keit ist es, an gemein­nüt­zi­gen Akti­vi­tä­ten der Pfar­rei wie etwa am Stern­sin­gen oder ande­ren cari­ta­ti­ven Projek­ten mitzu­ma­chen. Dort wird Geld für eine gute Sache gesam­melt. Gleich­zei­tig können die jungen Menschen die Erfah­rung machen, wie sie ande­ren helfen können, beson­ders denen, die weni­ger privi­le­giert sind.

Vorbild sein

Im Gebet für ande­re wird die spiri­tu­el­le Dimen­si­on der Soli­da­ri­tät gestärkt. Durch das gemein­sa­me Beten können wir Soli­da­ri­tät zeigen, Mitge­fühl ausdrü­cken und unse­re Verbin­dung mit ande­ren Menschen und der Welt um uns herum stär­ken. Und zu guter Letzt der wich­tigs­te Punkt: ein Vorbild sein. Unser soli­da­ri­sches Vorle­ben ist die beste Möglich­keit, Kinder und Jugend­li­che zu lehren, wie man sich um ande­re kümmert und soli­da­risch handelt. Durch unser eige­nes Tun können wir einen nach­hal­ti­gen Einfluss auf die Entwick­lung der Werte und Über­zeu­gun­gen haben.

Text: Alex­an­dra Moser, Reli­gi­ons­päd­ago­gin, Reli­gi­ons­päd­ago­gi­sche Medi­en­stel­le Altstätten

Grafik: Cavel­ti

Veröf­fent­li­chung: 11. Juni 2024

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Kirchengesang wird digitaler

Das klei­ne blaue Kirchen­ge­sang­buch wird bis 2027 durch ein schlan­ke­res Gesang­buch und digi­ta­le Inhal­te ersetzt. Die Arbei­ten laufen auf Hoch­tou­ren. Die Projekt­ver­ant­wort­li­chen brau­chen nun Feed­back aus der Bevölkerung.

«Weni­ger Gottes­dienst­teil­neh­men­de und die stei­gen­de Digi­ta­li­sie­rung – wir versu­chen, in Zeiten einer sich verän­dern­den Kirche unse­ren Weg zu finden», sagt Martin Hobi. Der 62-Jährige steht in der Kathe­dra­le St. Gallen, in der einen Hand sein iPad, in der ande­ren das blaue Kirchen­ge­sang­buch. Seit 1998 liegt das 959-seitige Werk mit der schier endlo­sen Fülle an Kirchen­lie­dern und litur­gi­schen Formeln in den katho­li­schen Kirchen der Schweiz. Doch seine Tage sind gezählt. Ein neues Medi­um soll her – eines, das die Menschen mehr abholt und der fort­schrei­ten­den Digi­ta­li­sie­rung gerecht wird. Die Lösung: Ein schlan­ke­res Gesang­buch, eine App und eine Website, auf der auch jene Lieder zu finden sein werden, die es nicht in die gedruck­te Ausga­be geschafft haben. 

Das blaue Kirchen­ge­sangs­buch verschwin­det. Ersetzt wird es durch ein schlan­ke­res Gesangs­buch mit App und Webseite. 

Die Pfar­rei­en können so eige­ne Samm­lun­gen zusam­men­stel­len. «Das Digi­ta­le dürfen wir nicht mehr als Konkur­renz anse­hen, sondern müssen es aufneh­men», sagt Martin Hobi. Er ist Dozent für Kirchen­mu­sik in St. Gallen und als Mitglied des Projekt­teams auch in der Kommis­sion «Hymno­lo­gie» für die Lieder zuständig.

Arbei­ten auf Kurs

2021 hat die Projekt­grup­pe KG-neu der Deutsch­schwei­ze­ri­schen Ordi­na­ri­en­kon­fe­renz unter der Leitung von Abt Urban Fede­rer von Einsie­deln mit der Umset­zung begon­nen. Das neue Medi­um soll 2027 unter dem Namen «Jubi­la­te» erschei­nen. «Wir sind auf Kurs», sagt Martin Hobi. Die Finan­zie­rung sei zwar noch nicht gesi­chert, «aber vieles kommt mit dem Verkauf des Print­pro­dukts und der Auffüh­rungs­rech­te wieder zusam­men. Das Kirchengesangbuch aus dem Jahr 1998 war letzt­lich ein finan­zi­el­les Erfolgs­pro­dukt.» Das Inter­es­se am Projekt sei riesig und die Projekt­grup­pe perso­nell gut aufge­stellt. Dazu gehö­ren nebst Leite­rin Sandra Rupp Fischer unter ande­rem Esther Wild Bislin, Kirchen­mu­sik­lei­te­rin in Uzwil, und Micha­el Wersin, Studi­en­lei­ter an der Diöze­sa­nen Kirchen­mu­sik­schu­le St. Gallen. Martin Hobi streicht die Bedeu­tung von St. Gallen als Teil der Projekt­grup­pe heraus: «St. Gallen ist und war schon früh ein wich­ti­ges Zentrum für die kirch­li­che Musik und in diesem Bereich sehr vif.»

Veral­te­te Ausdrücke

Die Verant­wort­li­chen haben jedes Lied ange­schaut, die Wort­wahl hinter­fragt und das Zusam­men­spiel mit der Melo­die unter­sucht. Dabei sties­sen sie immer wieder auf Ausdrü­cke, die über­holt sind oder auf musi­ka­li­sche Gesangs­stü­cke, die kaum bekannt sind. Auf solche wird künf­tig verzich­tet. Ausschlag­ge­bend ist auch die Komple­xi­tät. «Es ist wich­tig, dass ein Lied inhalt­lich und melo­disch gut erfass­bar ist», erklärt Hobi. 

Die Projekt­ver­ant­wort­li­chen haben in den vergan­ge­nen Mona­ten jedes Lieb und jedes litur­gi­sche Gefäss überprüft.

Nun stehen die Verant­wort­li­chen vor der Entschei­dung: Welche Lieder und litur­gi­schen Formeln kommen ins neue Buch und welche nicht? «Dies ist der Kern des Projek­tes und eine sehr inten­si­ve Arbeit. Span­nend sei die Sensi­bi­li­sie­rung für das Zusam­men­spiel von Wort und Musik in der Litur­gie. «Dieses ist für die Kirche zentral und stellt damit für sie ein zukunfts­ori­en­tier­tes Hoffnungs- und Aufbruchs­zei­chen dar. Das ist für die Kirche in Zeiten, in denen sie mit dem Rücken zur Wand steht, beson­ders wichtig.»

Rück­mel­dun­gen erwünscht

Die Projekt­grup­pe sucht aktiv den Kontakt zur Bevöl­ke­rung und zu den Pfar­rei­en. Zu Beginn stand eine breit ange­leg­te Umfra­ge, welche Verän­de­run­gen der Kirchen­ge­sang in kommen­der Zeit erfah­ren müsse. Auch bei der Namens­ge­bung konn­te die Bevöl­ke­rung mitma­chen. Wie Martin Hobi erklärt, laufen momen­tan verschie­de­ne Expe­ri­men­te. So sind die Pfar­rei­en aufge­ru­fen, Erfah­run­gen mit dem Singen ab Beamer und dem Singen ab Smart­phone zu sammeln und Feed­back zu geben. «Die Pfar­rei­en machen mit. Die Rück­mel­dun­gen sind sehr wich­tig für uns», so Hobi. Denn die Arbeit des Projekkt­teams ist noch längst nicht fertig: 2025 widmet es sich mögli­chen neuen litur­gi­schen Gefäs­sen und der Anpas­sung jetzi­ger Formeln.

→ Weite­re Infor­ma­tio­nen unter: www.jubilate.ch

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 4. Juni 2024

Trotz Armut eine Wahl haben

Sofort und nieder­schwel­lig Armuts­be­trof­fe­ne zu unter­stüt­zen, gehö­re zu den wich­tigs­ten Aufga­ben der Cari­tas St. Gallen-Appenzell, sagt Geschäfts­lei­ter Phil­ipp Holder­eg­ger. Seit 100 Jahren hilft diese dort, wo der Staat etwas nicht macht – etwa mittels Caritas-Märkten.

Phil­ipp Holder­eg­ger, die Zahlen Armuts­be­trof­fe­ner in der Schweiz stei­gen seit Jahren. Wie zeigt sich das bei Caritas?

In den Caritas-Märkten sehen wir etwa jeden Tag neue Gesich­ter. Zuneh­mend kaufen bei uns Perso­nen ein, die vorher nicht kamen. Sie kommen, weil sie keine ande­re Wahl haben. Auch die Zahlen bele­gen, wie die Armut zunimmt. Allei­ne durch den Krieg in der Ukrai­ne und in der Folge durch die Zahl der Geflüch­te­ten verzeich­ne­ten wir  20 Prozent mehr Einkäu­fe. Durch die darauf­fol­gen­de Teue­rungs­wel­le kamen noch­mals 20 Prozent dazu. Der unters­te Mittel­stand wird zusam­men­ge­drückt, bis es nicht mehr geht und er auf Hilfe­stel­lun­gen ange­wie­sen ist.

Die Entwick­lung der Armut zeigt sich in den Caritas-­Märkten also am schnellsten?

Das ist so. In den Märk­ten ist sie sicht­bar und greif­bar. Mit eini­ger Verzö­ge­rung macht sich die Armut dann bei uns in der Schul­den­be­ra­tung bemerk­bar. Aktu­ell arbei­ten wir beispiels­wei­se viele Fälle auf, bei denen es sich um Verschul­dung als Folge der Coronapandemie handelt.

Im Rahmen des 100-Jahr-Jubiläums der Cari­tas St. Gallen-Appenzell gibt es in den drei Caritas-Märkten der Regi­on Tage der offe­nen Tür. Wie funk­tio­nie­ren die Märk­te überhaupt?

Unse­re Einkaufs­ge­nos­sen­schaft in Sempach kauft die Produk­te für uns ein, ein Teil wird subven­tio­niert. Das bedeu­tet, dass diesel­ben Produk­te, die auch die gängi­gen Gross­ver­tei­ler anbie­ten, bei uns im Schnitt 30 Prozent billi­ger sind. Zu unse­rem Sorti­ment gehö­ren Grund­nah­rungs­mit­tel wie Brot, Früch­te, Gemü­se, Fleisch- und Milch­pro­duk­te, aber auch Süssig­kei­ten, Parfüm und Spiel­sa­chen. Es ist wich­tig, dass auch armuts­be­trof­fe­ne Perso­nen eine Auswahl haben und sich auch einmal für etwas wie ein Parfüm entschei­den können. Bei vielen handelt es sich um Working Poor. Das sind Perso­nen, die trotz Arbeit zu wenig zum Leben haben. Auswäh­len zu können ist wich­tig, weil es das Selbst­wert­ge­fühl stärkt. Man ist kein Almo­sen­emp­fän­ger, der die Hand aufhält und nehmen muss, was er bekommt.

In St. Gallen und Appen­zell ist die Cari­tas ein Hilfs­werk der Katho­li­schen Kirche. Vielen ist das nicht bewusst. Wie gehen Sie damit um?

Wir sind in einer glück­li­chen Situa­ti­on. Wir werden jähr­lich vom katho­li­schen Konfes­si­ons­teil mit 1,4 Millio­nen Fran­ken unter­stützt. Das ist längst nicht in jedem Bistum in der Schweiz so. Diese Unter­stüt­zung ermög­licht es uns, dass Gelder, welche als Spen­den bei uns rein­kom­men, auch als Spen­den wieder raus­ge­hen, anstatt etwa für Lohn­kos­ten einge­setzt zu werden. Die Kirchen­steu­er wird hier auf eine äusserst sinn­vol­le Art einge­setzt: Sie hilft direkt von Armut betrof­fe­nen Menschen. Entwick­lun­gen zu sehen, wie den Image­ver­lust der Katho­li­schen Kirche und zuneh­men­de Kirchen­aus­trit­te, tut weh. Gleich­zei­tig können wir als Cari­tas nicht die Retter der Katho­li­schen Kirche sein. Die Kirche hat und hätte bei vielen gesell­schafts­re­le­van­ten Themen Wich­ti­ges beizu­tra­gen, etwa im Gesund­heits­we­sen oder zu der Art, wie heute mit den Themen Endlich­keit und Ster­ben umge­gan­gen wird. Es muss gelin­gen, diese Stär­ken zu zeigen und sich in der Öffent­lich­keit zu positionieren.

Was hat sich in 100 Jahren ­Cari­tas St. Gallen-Appenzell am stärks­ten verändert?

Im Grun­de hat sich nicht viel verän­dert. Thema der Cari­tas ist seit jeher die Armut mit all ihren Facet­ten. Im Zentrum steht dabei immer, dort anzu­set­zen, wo der Staat etwas nicht macht. Je nach Jahr­zehnt wurden beispiels­wei­se straf­fäl­li­ge katho­li­sche Männer, Menschen mit einer Beein­träch­ti­gung, Geflüch­te­te, Arbeits­lo­se oder eben Working Poor beson­ders unter­stützt. Eine wich­ti­ge Verän­de­rung waren aber schon die Caritas-Märkte, die es nun im Bistum St. Gallen seit 31 Jahren gibt. Sie sind ein nieder­schwel­li­ges Ange­bot, das sofort hilft.

Welchen Wunsch haben Sie für die Zukunft der Caritas?

Ich bin stets neidisch auf die welschen Kolle­gen. In der West­schweiz wird anders und offe­ner mit dem Thema Armut umge­gan­gen. Der Staat über­nimmt mehr Verant­wor­tung. Bei uns domi­niert auch von poli­ti­scher Seite her oft die Einstel­lung, dass jemand selber schuld ist, wenn es ihm schlecht geht. Ich würde mir einen Sinnes­wan­del wünschen. Zudem braucht es gesell­schaft­li­che Wert­schät­zung der vielen Freiwilligen.

Ohne Frei­wil­li­ge würden wohl auch die Caritas-Märkte nicht funktionieren?

Das ist so. Allein im Caritas-Markt St. Gallen enga­gie­ren sich 60 Perso­nen. Bei den meis­ten handelt es sich um Pensio­nier­te aus dem Mittel­stand, die etwas zurück­ge­ben möch­ten. Viele Frei­wil­li­ge finden sich durch Mund-zu-Mund-­Propaganda. Wie gross die Bereit­schaft in der Gesell­schaft ist, zu helfen, erle­be ich immer wieder. Als etwa während der Coro­na­pan­de­mie alle Pensio­nier­ten zu Hause blei­ben muss­ten, verschick­ten wir per Whats­App einen Aufruf. Innert kurzer Zeit waren alle Stel­len mit Studie­ren­den besetzt. Das zu sehen, moti­viert einen.

Tag der offe­nen Tür in den Caritas-Märkten St. Gallen, Wil  und Rapperswil-Jona, 8. Juni, 10 bis 16 Uhr. Tag der offe­nen Regio­nal­stel­len in Sargans, St. Gallen und Uznach, 16. August, 11 bis 18 Uhr. Jubi­lä­ums­got­tes­dienst in der Kathe­dra­le St. Gallen mit Apéro, 9. Novem­ber, 17.30 Uhr. Infos unter www.caritas-regio.ch

Text: Nina Rudnicki

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 29. Mai 2024

Sie lässt die Malven erblühen

Seit neun Jahren enga­giert sich Susi Wink­ler für den Bibel­gar­ten Gossau und hegt über 100 Pflan­zen­ar­ten. Bei ihrer Arbeit hat die Hobby­gärt­ne­rin ­einen einfa­chen Grund­satz: Sie härtet die Pflan­zen bewusst ab, damit sie sie nicht «höfe­le» muss.

Susi Wink­ler stöbert gerne in alten Büchern. Nicht in irgend­wel­chen, sondern in Pflan­zen­bü­chern. «Dort finde ich immer wieder nütz­li­che und vor allem natür­li­che Tipps. Schne­cken­kör­ner oder Ähnli­ches gibt es bei mir nicht», sagt die 62-Jährige. Sie zeigt nach­ein­an­der auf mehre­re Beete. Acht sind es an der Zahl. Darin spries­sen die unter­schied­lichs­ten Pflan­zen, mal farbig und zart, mal stach­lig und zäh. In den vergan­ge­nen Jahren hat Susi Wink­ler hier im Bibel­gar­ten im Andre­as­park in Gossau immer wieder ihren grünen Daumen bewie­sen. Sie ist seit 2015 zustän­dig für das Fleck­chen Natur mitten im Stadt­zen­trum, das 365 Tage im Jahr frei zugäng­lich ist. Unter­stüt­zung erhält sie dabei von Ursu­la Rehmann und Chris­toph Grzon­ka, welche sich ehren­amt­lich im Team enga­gie­ren. Der Vier­te im Bunde, Simon Sigg, orga­ni­siert regel­mäs­sig Führun­gen im Schau­gar­ten. Dieser feiert im kommen­den Jahr bereits sein 20-jähriges Bestehen.

Nicht immer gelingt Anzucht

Mit viel Herz­blut kümmern sich die Hobby­gärt­ner liebe­voll um rund 110 Pflan­zen­ar­ten – 70 davon werden in der Bibel erwähnt oder sind arten­ver­wandt. Darun­ter sind auch Exoten wie ein Maul­beer­baum, ein Granat­ap­fel­baum oder Senfkörner. 

Susi Wink­ler enga­giert sich seit neun Jahren mit viel Herz­blut für den Bibel­gar­ten Gossau. Im Früh­jahr hat sie beson­ders viel zu tun.

Im vergan­ge­nen Jahr versuch­te sich Susi Wink­ler an Safran. Die Setz­lin­ge hatte sie von der Safran­zunft Mund im Wallis, «der einzi­ge Ort, an dem in der Schweiz Safran wächst.» Susi Wink­ler bekommt von Bekann­ten oft Setz­lin­ge oder Samen von alten Kultur­pflan­zen und probiert auch immer wieder die Anzucht von neuen Pflan­zen. «Ich kann auch manch­mal krea­tiv sein. Wenn ich etwas Neues höre, möch­te ich es auspro­bie­ren», sagt sie. Der Safran hat den erneu­ten Kälte­ein­bruch vor eini­gen Wochen aller­dings nicht vertra­gen und ist zum Leid­we­sen von Susi Wink­ler einge­gan­gen. «Das reut mich schon ein bisschen.»

Pflan­zen abhärten

Susi Wink­ler hat ihre Leiden­schaft gefun­den. Dies war nicht immer so. Auf einem Bauern­hof aufge­wach­sen, war die Mithil­fe im Garten im Kindes­al­ter ein notwen­di­ges Muss. Erst nach der Geburt der eige­nen Kinder habe sie wieder zu gärt­nern begon­nen. «Und es hat mir den Ärmel hinein­ge­zo­gen.» Die aufge­stell­te Frau ist aber keine typi­sche Gärt­ne­rin. Rosen mag sie nicht. «Die muss man ‹höfe­le›, das liegt mir nicht», sagt sie und ergänzt: «Blumen sind schön, wenn man sie nicht umständ­lich pfle­gen muss.» Viel­mehr faszi­niert sie der klei­ne Stachel­ro­sen­baum, der «aussieht, als würde er bren­nen, wenn die Sonne ihn anscheint», oder das Beet mit den Wiesen­blu­men. Dieses wurde erst im vergan­ge­nen Jahr ange­legt und hat eine wich­ti­ge Bedeu­tung: «Viele sehen gar nicht, was über­haupt hinter einer einfa­chen Wiese steckt», sagt Susi Wink­ler. «Wiesen­blu­men werden immer wich­ti­ger und wir wollen damit einen Beitrag zur Biodi­ver­si­tät leis­ten.» Die Klima­er­wär­mung hinge­gen beein­flusst Susi Wink­lers Arbeit nicht. Sie ist eine Verfech­te­rin davon, ihre Pflan­zen abzu­här­ten. Wasser bekom­men sie nur in den ersten beiden Jahren und das sehr spär­lich. «Danach müssen die Wurzeln lang genug sein, um an das Grund­was­ser zu gelan­gen. Ich kann nicht jeden Tag die Pflan­zen gies­sen», sagt sie. Dann verab­schie­det sie sich. Sie hat noch eini­ges zu tun – die Früh­lings­mo­na­te sind für sie die inten­sivs­ten. Dann heisst es: Jäten, säen und zurück­schnei­den, was das Zeug hält, damit sich die Gäste auch in diesem Jahr wieder an vielen verschie­de­nen Pflan­zen­ar­ten erfreu­en können.

Text: Ales­sia Paga­ni
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 27. Mai 2024

Am Open Air für andere unterwegs

Vier Tage lang mit Freun­den Musik und Konzer­te genies­sen und den Ausnah­me­zu­stand im Sitter­to­bel miter­le­ben: Jugend­ar­bei­ten­de und Mitar­bei­ten­de des Care Teams erzäh­len, welche Chan­cen und Heraus­for­de­run­gen das gera­de für junge  Menschen mit sich bringt.

Das Open Air St. Gallen hat Thomas Fuhrer erst­mals vor drei Jahren besucht. Er bevor­zugt eigent­lich Festi­vals mit einer ande­ren musi­ka­li­schen Ausrich­tung. «Ich mag Heavy Metal», sagt der 28-Jährige, der als katho­li­scher Jugend­ar­bei­ter in der Stadt St. Gallen arbei­tet. An Heavy-Metal-Festivals gefal­le ihm nebst der Musik die fried­li­che Stim­mung. Als Beispiel erzählt er von einem Kolle­gen, der aus betrun­ke­nem Leicht­sinn einem völlig Frem­den seine Kredit­kar­te zur siche­ren Aufbe­wah­rung zusteck­te. «Am nächs­ten Morgen liefen sich die beiden zufäl­lig über den Weg  und der Frem­de sagte: ‹Hey, ich habe übri­gens noch deine Karte›», sagt Thomas Fuhrer und lacht. Ob das nun typisch für ein Heavy-Metal-Festival oder einfach nur Glück gewe­sen sei, wisse er natür­lich nicht.

Als Pfadi am Festival

Seine Motivation, ans Open Air St. Gallen zu gehen, ist eine ande­re. Seit eini­gen Jahren ist er im Care Team beider Appen­zell dabei. Geschieht beispiels­wei­se ein Unfall oder ein ande­res Ereig­nis mit seeli­schen Extrem­be­las­tun­gen, unter­stützt er unmit­tel­bar die Ange­hö­ri­gen. «Als ich dann vor drei Jahren erfuhr, dass das Care Team vom Open Air St. Gallen Mitglie­der sucht, hat mich das sofort ange­spro­chen. Das war für mich eine neue Heraus­for­de­rung», sagt er. Am Open Air St. Gallen liegt ihm noch etwas Weite­res am Herzen. Thomas Fuhrer ist Präses der Pfadi Zentrum St. Gallen. Deren Leitungs­team geht seit Jahren zusam­men ans Open Air. «Ich schaue während des Festi­vals natür­lich auch beim Zelt­platz meiner Pfadi vorbei. Dann bin ich aber privat unter­wegs», sagt er. Dass die Pfadis das seit Jahren so machen und gemein­schaft­lich am Festi­val seien, beein­dru­cke ihn. «Ich denke, gera­de in einer Grup­pe, die sich seit Langem kennt, ist das Verant­wor­tungs­be­wusst­sein gross», sagt er und ergänzt: «Wer beispiels­wei­se an heis­sen Open-Air-Tagen viel Wasser trinkt, macht schon einmal ziem­lich viel rich­tig.» Besorg­ten Eltern rät er, Vertrau­en zu haben und nachts das Handy anzu­las­sen. «Deren Nach­wuchs soll wissen, dass er sich jeder­zeit melden kann», sagt er.

Aus Lange­wei­le pöbeln

Wider­spre­chen möch­te Thomas Fuhrer der These, dass vor allem Jugend­li­che am Open Air beson­de­ren Risi­ken ausge­setzt sind. «Von über­mäs­si­gem Alko­hol­kon­sum oder Gewalt­er­fah­run­gen sind auch Erwach­se­ne betrof­fen», sagt er. So sei ihm vor allem ein Erleb­nis in Erin­ne­rung geblie­ben. Bei der Tele­fon­num­mer des Care Teams habe sich einmal ein Mann gemel­det, dem es lang­wei­lig gewe­sen sei und der daher will­kür­lich Leute ange­pö­belt habe. «Er rief uns an, und erwar­te­te zwei stäm­mi­ge Securitas-Mitarbeiter», sagt Thomas Fuhrer. Als der Pöbler dann ihn und seine Kolle­gin vom Care Team gese­hen habe, beide eher schmäch­tig, habe er gelacht und gemeint, nun werde wohl nichts aus einer Schlä­ge­rei. «So etwas verwun­dert einen schon», sagt Thomas Fuhrer.

Wie sieht es Back­stage beim Open Air St. Gallen aus? Wie sind die Band­gar­de­ro­ben einge­rich­tet und wie ist es, auf der Bühne zu stehen? Weni­ge Tage bevor das Festi­val Ende Juni beginnt, wird die refor­mier­te Reli­gi­ons­päd­ago­gin Tanja Mäder mit Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen das Gelän­de bege­hen. Bis zu 40 Perso­nen können sich für den Rund­gang anmel­den, den Tanja Mäder in diesem Jahr zum ersten Mal für junge Erwach­se­ne orga­ni­siert. Führungen am Open Air St. Gallen, vor allem für Firmen, macht sie aber seit über 20 Jahren. «Als kirch­li­che Mitar­bei­ten­de ist es nicht einfach, mit jungen Erwach­se­nen in Kontakt zu kommen und in Kontakt zu blei­ben, da diese einen ziem­lich vollen Alltag und die verschie­dens­ten Inter­es­sen haben», sagt die 52-Jährige. Daher sei in Zusam­men­ar­beit mit der Kirch­ge­mein­de Gaiser­wald und der Fach­stel­le kirch­li­che Jugend­ar­beit DAJU die Idee mit den Führun­gen entstan­den. «Über span­nen­de Themen rund ums Open Air wollen wir mit den jungen Erwach­se­nen ins Gespräch kommen und zeigen, dass es uns gibt und dass sie mit allen Anlie­gen auch zu uns kommen können», sagt sie.

Fürein­an­der einstehen

Span­nend wird es alle­mal. Nach so vielen Jahren Enga­ge­ment am Open Air kann Tanja Mäder aus dem Nähkäst­chen erzäh­len, etwa von den Sonder­wün­schen eini­ger Bands. So soll­ten einmal alle M&M’s einer bestimm­ten Farbe aussor­tiert werden, weil diese einem Musi­ker nicht schmeck­ten. Nebst span­nen­den Fakten rund ums Open Air möch­te Tanja Mäder auch Werte vermit­teln. Es sind Werte, die ihr gera­de als kirch­li­che Jugend­ar­bei­te­rin beson­ders wich­tig sind. Dazu gehö­ren fürein­an­der da sein und einste­hen sowie der Zusam­men­halt als Gemein­schaft. «Das beein­druckt mich auch am Open Air immer wieder. Die Stim­mung ist eigent­lich sehr fried­lich und wenn etwas passiert, beob­ach­te ich vor allem bei jungen Menschen, wie gross die gegen­sei­ti­ge Unter­stüt­zung ist», sagt sie. Als Eltern mache man sich natür­lich Sorgen. Aber wer seinen Kindern durch die Erzie­hung gute Werte mit auf den Weg gege­ben habe, der müsse auch loslas­sen und die Kinder eige­ne Erfah­run­gen machen lassen können. Den Jugend­li­chen rät sie, mit guten Freun­den in der Grup­pe unter­wegs zu sein sowie sich bei Problemen an das Care Team oder die Sani­tä­te­rin­nen und Sani­tä­ter zu wenden.

Dersel­be Kern

Vor 39 Jahren besuch­te Tanja Mäder erst­mals selbst das Open Air St. Gallen. In all diesen Jahren habe sich das Open Air stark verän­dert. «Es ist von einem Dorf zu einer Stadt gewach­sen, mit einem Super­markt, Bazar-Ständen und verschie­de­nen Bühnen. Zudem ist alles profes­sio­nel­ler orga­ni­siert», sagt sie und fügt an: «Aber der Kern, die Stim­mung und dass die Menschen und vor allem die jungen Menschen gemein­sam etwas Schö­nes erle­ben wollen, ist nach wie vor gleich.»

«Das Open Air St. Gallen ist wie eine klei­ne Stadt, in der alles zusam­men­kommt, nur konzen­trier­ter als sonst im Alltag. Gera­de für Jugend­li­che, die viel­leicht zum ersten Mal an ein Open Air gehen, ist das ein beson­de­res Erleb­nis», sagt Sandra Köst­li. Die 36-Jährige leitet seit diesem Jahr das Care Team des Festi­vals. Die 27 Ehren­amt­li­chen des Care Teams helfen Perso­nen, die in eine Krise gera­ten – an einem Festi­val­tag im Schnitt fünf Mal.

Aufein­an­der achten

Sandra Köst­li ist seit 2016 mit dabei. «Verän­dert hat sich in dieser Zeit vor allem, dass das Thema Aware­ness immer wich­ti­ger wurde. Die Festi­val­be­su­che­rin­nen und ‑besu­cher sind sensi­bi­li­sier­ter dafür, wie wich­tig es ist, aufein­an­der zu achten und zu helfen, wenn jemand auf Unter­stüt­zung ange­wie­sen ist», sagt sie. Beein­druckt sei sie beispiels­wei­se immer wieder davon, wie gut gera­de junge Erwach­se­ne und Jugend­li­che als Grup­pe auf die Einzel­nen aufpas­sen würden, wenn es diesen nicht gut geht.

Dem Alltag entfliehen

Neue Musik entde­cken, verschie­de­nes Essen auspro­bie­ren, neue Leute kennen­ler­nen und Teil der Open-Air-Gemeinschaft sein: All das bringt laut Köst­li viele Chan­cen und schö­ne Erleb­nis­se gera­de auch für Jugend­li­che mit sich. «Ausser­dem können sie einmal dem Alltag mit all seinen Struk­tu­ren entflie­hen und vier Tage Ausnah­me­zu­stand erle­ben», sagt sie. Das brin­ge aller­dings auch Heraus­for­dern­des mit sich: Viel­leicht gerät man in eine unan­ge­neh­me Situa­ti­on, mit der man nicht umge­hen kann. Man könn­te Gewalt erle­ben, zu viel getrun­ken haben oder es könn­te ein Unfall gesche­hen. Vor eini­gen Jahren brach in einem Stroh­la­ger beispiels­wei­se ein Brand aus. Es gab zwar keine Verletz­ten, aber Perso­nen, die alles verlo­ren, was sie dabei hatten. «Immer dann, wenn Perso­nen in Not sind, aber keine körper­li­che Gefahr besteht, kommen wir vom Care Team ins Spiel», sagt Sandra Köst­li, die sozia­le Arbeit studiert hat. «Wir schau­en, was die Betrof­fe­nen brau­chen. Ob sie zum Beispiel nach Hause gehen oder am Festi­val blei­ben möch­ten oder ob wir allen­falls den Kontakt zur Opfer­hil­fe herstel­len sollen.»

Sich auf Freun­de verlassen

Das Care Team hat am Open Air einen Contai­ner, ist aber auch auf dem Gelän­de unter­wegs. «Gera­de die Jugend­li­chen und jungen Erwach­se­nen begeg­nen uns sehr offen und inter­es­siert», sagt sie und fügt an: «Ich denke, dass die Themen ‹Aware­ness› und ‹Aufmerk­sam sein› durch die Sensi­bi­li­sie­rungs­ar­beit des Open Airs bei der heuti­gen Jugend stär­ker veran­kert ist als früher.» Tipps, die Sandra Köst­li jungen Menschen mit auf den Weg gibt, die zum ersten Mal ein Festi­val besu­chen, sind: Mit Perso­nen zusam­men hinge­hen, auf die man sich verlas­sen kann. «Und wenn man merkt, dass einem vier Tage Menschen­mas­se, Hitze oder Kälte sowie der Lärm zu viel sind, soll man einfach einmal eine Pause einle­gen. Man könn­te viel­leicht kurz heim­ge­hen und dann ausge­ruht ans Festi­val zurückkommen.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontou­lis / zVg. 

Veröf­fent­li­chung: 23.5.2024

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