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Barfuss über Sand und Heu

Seit Juni gibt es beim Psych­ia­tri­schen Zentrum Appen­zell (PZA) in Heris­au einen ­Barfuss­weg. Finan­ziert wird das Projekt vom Appen­zel­li­schen Hilfs­ver­ein für Psychisch­kran­ke, der sich seit Jahr­zehn­ten für deren Heilung und Inte­gra­ti­on enga­giert. Bis heute sind Vorur­tei­le ­gegen­über psychi­schen Krank­hei­ten weit verbreitet.

Inspi­ra­ti­on für den öffent­li­chen Barfuss­weg war eine Post­kar­te mit dem Zitat «Im Herzen barfuss», die Jürgen Kaes­ler, Klinik­seelsorger, im vergan­ge­nen Sommer erhielt. «Ich hatte schon länger den Wunsch, ein nieder­schwel­li­ges Ange­bot mit und ohne thera­peu­ti­sche Beglei­tung zu schaf­fen», sagt er und erklärt weiter: «Der Weg ist für alle zugäng­lich und soll auch ein Treff­punkt für die Bevöl­ke­rung sowie Besuch und Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten des Psych­ia­tri­schen Zentrums sein.» Das Projekt hat Kaes­ler mit der Klinik­lei­tung konkre­ti­siert und mit der inter­nen Gärt­ne­rei gestal­tet und umge­setzt. Dabei haben auch Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mitge­hol­fen, die bei der Gärt­ne­rei arbei­ten. Dem Klinik­seel­sor­ger ist die inte­gra­ti­ve Arbeit mit ande­ren Abtei­lun­gen wich­tig: «Der Barfuss­weg ist auch ein neues Element für die Ergo- oder Beschäftigungstherapie.» 

Barfussweg Herisau

«Sand im Getriebe»

Der rund 20 Meter lange Barfuss­weg erstreckt sich zwischen Tages­klink und Restau­rant entlang des bestehen­den Spiel­plat­zes. Das neue Terrain fügt sich harmo­nisch in das bestehen­de Areal mit altem Baum­be­stand ein. Der Barfuss­weg ist jeweils von Mai bis Septem­ber begeh­bar. Der Weg wird im Spät­herbst abge­baut und im Früh­ling wieder neu instal­liert. «Wir möch­ten eine gepfleg­te Anla­ge, deshalb erneu­ern wir den Barfuss­weg jede Saison», erläu­tert Kaes­ler. Entlang des Barfuss­we­ges, der mit Holz­wol­le und Holz­schnit­zel ausge­legt ist, stehen zehn Kisten mit unter­schied­li­chem Füll­ma­te­ri­al wie etwa Sand, Tannen­zap­fen, Rinden­mulch, Heu oder Ästen. Sie laden ein, diese mit den nack­ten Füssen zu ertas­ten. Bei jeder Stati­on steht eine Tafel mit Gedan­ken zum jewei­li­gen Rohstoff. Bei der Sand­kis­te ist beispiels­wei­se zu lesen: «Sand ist, neben Luft und Wasser, die meist­ge­nutz­te, natür­li­che Ressour­ce auf der Erde. Sand findet sich in vielen Rede­wen­dun­gen wie etwa Sand im Getrie­be als Meta­pher für einen gestör­ten Ablauf. Sand ist jedoch auch sehr anpas­sungs­fä­hig.» Die körper­li­che und geis­ti­ge Wahr­neh­mung wird noch inten­si­ver, wenn man beim Gehen die Augen schliesst: «Dann verschärft sich der Tast­sinn und man spürt die Verbun­den­heit zur Erde noch stär­ker», sagt der Barfussweg-Initiant.

«Im Appen­zel­ler­land wurden psychi­sche Krank­hei­ten lange totge­schwie­gen und leider werden Menschen mit einer psychi­schen Erkran­kung bis heute noch stig­ma­ti­siert. Gera­de in länd­li­chen Regio­nen geht man lieber zum Ortho­pä­den als zum Psychiater.»

Jürgen Kaes­ler

Unbü­ro­kra­ti­sche Hilfe

Der Barfuss­weg ist dank der finan­zi­el­len Unter­stüt­zung des Appen­zel­li­schen Hilfs­ver­eins für Psychisch­kran­ke entstan­den. Kaes­ler steht diesem Verein seit letz­tem Jahr vor. Der Verein hat eine lange Geschich­te: 1877 wurde der Appen­zel­li­sche Verein zur Unter­stüt­zung «armer Geis­tes­kran­ker» in Heiden gegrün­det. Seit­her setzt er sich für die Verbes­se­rung der Lebens­si­tua­ti­on von psychisch kran­ken Menschen ein. Zu oft erhiel­ten diese nicht die Hilfe, die sie benö­ti­gen: «Im Appen­zel­ler­land wurden psychi­sche Krank­hei­ten lange totge­schwie­gen und leider werden Menschen mit einer psychi­schen Erkran­kung bis heute noch stig­ma­ti­siert. Gera­de in länd­li­chen Regio­nen geht man lieber zum Ortho­pä­den als zum Psych­ia­ter», stellt Kaes­ler fest. Ein wich­ti­ges Ziel des Vereins ist nach wie vor, die Gesell­schaft auf psychi­sche Erkran­kun­gen zu sensi­bi­li­sie­ren und Vorur­tei­le abzu­schaf­fen. Der Verein ist mit verschie­de­nen Sozi­al­in­sti­tu­tio­nen gut vernetzt: «So können wir Betrof­fe­nen direkt und unbü­ro­kra­tisch helfen oder exter­ne Unter­stüt­zung orga­ni­sie­ren. Manch­mal sind es auch klei­ne­re Herzens­an­ge­le­gen­hei­ten wie zum Beispiel ein kran­kes Haus­tier zum Tier­arzt bringen.»

Text: Katja Hongler

Bild: zVg.

27.06.2022

Katholische Kirche Rheineck Renovation

Katholische Kirche Rheineck Renovation

Weni­ger Kirchen­bän­ke, mehr Licht und Fokus auf die Gemein­schaft: Vertre­te­rin­nen und Vertre­ter der Pfar­rei und der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Rhein­eck sagen, welche Chan­cen in der Reno­va­ti­on ihrer Kirche stecken.

Noch wird das gros­se Kreuz von einem Bauge­rüst verdeckt. Es ist laut und stau­big, die Hand­wer­ker wuseln in der Kirche herum. Kaum vorstell­bar, dass schon ab Juli hier wieder Gottes­diens­te gefei­ert werden. Doch die zentra­len Elemen­te sind bereits sicht­bar: «Der Kreis­ge­dan­ke der runden Kirche kommt jetzt auch im Innern besser zur Geltung», freut sich Hannah Aude­bert, Pfar­rei­be­auf­trag­te. Die Kirchen­bän­ke sind neu im Halb­kreis ange­ord­net, der Altar­raum ist mehr in die Gemein­schaft inte­griert. Hannah Aude­bert zeigt auf die bunten Kirchen­fens­ter. Auch diese wurden restau­riert: «Das Spiel der Farben ist sehr stim­mig.» Für Aude­bert brin­gen diese Farben eine wich­ti­ge Botschaft zum Ausdruck: «Das ist für mich so wie ein Eintau­chen ins Bad der Liebe Gottes.»

Katholische Kirche Rheineck
Albert Schu­ma­cher, Susan­ne Mäder, Hannah Aude­bert, Markus Fulte­rer (v.links) vor dem neuen leuch­ten­den Kreuz im Altarraum.
Die Farben der Kirchen­fes­ter kommen besser zur Geltung: Der Kreuz­weg wurde nach ganz unten versetzt.

Mehr­heit für Renovation

Für die Sanie­rung der Kirche waren 3,8 Millio­nen Fran­ken budge­tiert, drei Millio­nen davon über­nimmt der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen. Trotz­dem wink­ten die Rhein­ecker Kirch­bür­ge­rin­nen und Kirch­bür­ger das Projekt nicht ohne Konflik­te durch. Es muss­ten mehre­re Versamm­lun­gen einbe­ru­fen werden. «Schliess­lich war die Mehr­heit klar für die Restau­rie­rung», so Kirchen­ver­wal­tungs­prä­si­dent Albert Schu­ma­cher. «Für Gesprächs­stoff sorg­te eher die Unter­kir­che.» Kriti­ke­rin­nen und Kriti­ker wünsch­ten, dass auch dieser Versamm­lungs­ort reno­viert wird. «Das hätte das Budget gesprengt.» Die Heraus­for­de­rung habe darin bestan­den, den Asbest zu sanie­ren. «Dies allein hat bereits eine Milli­on Fran­ken verschlungen.»

Die Kirche hat einen neuen, zusätz­li­chen Seiten­ein­gang bekommen.

Flexi­ble Nutzung

Noch eine ande­re Frage drängt sich auf: Die Gottes­diens­te sind nicht mehr so gut besucht wie früher. Diese Entwick­lung ist auch in Rhein­eck zu spüren. Ist es sinn­voll, so viel Geld in eine Kirchen­re­stau­ra­ti­on zu inves­tie­ren? Daran hat keiner der Anwe­sen­den einen Zwei­fel. «Die Kirche ist für unse­re Stadt ein wich­ti­ges Gebäu­de», betont Albert Schu­ma­cher. Die gegen­wär­ti­ge Entwick­lung sei bei der Kirchen­ge­stal­tung mitbe­rück­sich­tigt worden. «So haben wir zum Beispiel die Anzahl Kirchen­bän­ke redu­ziert», erklärt Archi­tekt Markus Fulte­rer. Im hinte­ren Teil der Kirche ist somit eine zusätz­li­che Fläche entstan­den, die flexi­bel genutzt werden kann wie beispiels­wei­se für Apéros nach dem Gottesdienst.

Katholische Kirche Rheineck
Der neue Seiten­ein­gang ist via eine Rampe barrie­re­frei erreichbar.
Katholische Kirche Rheineck

Einla­den­der Charakter

Für den Archi­tek­ten war es wich­tig, sich an der Idee von Otto Linder zu orien­tie­ren. Dieser hatte die 1932/33 erbau­te Kirche entwor­fen. «Ich woll­te eine Kirche konzi­pie­ren, die den Bedürf­nis­sen unter­schied­li­cher Ziel­grup­pen gerecht wird.» Die Kirche soll nicht nur für den Gemein­de­got­tes­dienst, sondern auch für neue litur­gi­sche Formen genutzt werden können. Fulte­rer denkt zum Beispiel an Taizé-Gebete. «Wir woll­ten aber auch die Kirche als Ort der Stil­le und des Gebets stär­ken.» Die Kirche ist jetzt heller und hat damit einen stär­ker einla­den­den Charak­ter. Neu verfügt sie über einen barrie­re­frei­en Zugang und auch die Akus­tik wurde verbessert.

Theresienkapelle Rheineck
Die There­si­en­ka­pel­le — die Kapel­le der Patro­nin der kath. Pfar­rei Rhein­eck — wurde aufgewertet.

Chan­ce für die Ökumene

Mehr als ein Jahr muss­ten die Rhein­ecker Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken ohne Kirche auskom­men. Unter­schlupf fanden sie in der evan­ge­li­schen Kirche. Auch bei den Refor­mier­ten wird die Gottes­dienst­ge­mein­schaft klei­ner. Wäre da nicht gleich der Entscheid für eine gemein­sa­me Kirche das sinn­vol­le­re Zukunfts­mo­dell gewe­sen? «Die Ökume­ne hat bei uns vor Ort einen gros­sen Stel­len­wert», hält Susan­ne Mäder, Präsi­den­tin des Pfar­rei­rats Rhein­eck, fest. «Ich habe mich während der Reno­va­ti­on in der evan­ge­li­schen Kirche wohl­ge­fühlt. Aber lang­fris­tig würden mir dort die Symbo­le fehlen, die für die katho­li­sche Spiri­tua­li­tät typisch sind.» Hannah Aude­bert formu­liert einen Wunsch: «Ich würde mir wünschen, dass die Pfar­rei eine Kultur der Gast­freund­schaft lebt. Auch die Refor­mier­ten sollen von der restau­rier­ten katho­li­schen Kirche profi­tie­ren.» Kirchen­rats­prä­si­dent Albert Schu­ma­cher hofft, dass die reno­vier­te Kirche neue Impul­se für die Pfar­rei und auch die Stadt Rhein­eck setzt: «Die Kirche kommt frischer daher und spricht damit hoffent­lich auch jünge­re Menschen wieder vermehrt an.» 

20. Juni 2022

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Die Kirche umarmen

Bischof Markus Büchel wird am 3. Juli (9.30 Uhr) bei einem Fest­got­tes­dienst den Altar der reno­vier­ten Kirche weihen. ­Anschlies­send sind Fest­an­spra­chen, ein gemein­sa­mes Mittag­essen und Kirchen­füh­run­gen geplant. Alle Mitfei­ern­den werden die Kirche «umar­men» und bunte Luft­ballons in den Himmel stei­gen lassen. Um Anmel­dung wird gebe­ten: www.kath-rheineck.ch

Die Licht­far­be in der Kuppel lässt sich anpas­sen — von Blau-Violett …
Katholische Kirche Rheineck

Wieso ein Kreuz auf einem Berggipfel?

Sind Sie aktiv in den Bergen unter­wegs? Dann sind Sie sicher schon etli­che Male bei einem Berg­kreuz zur Rast geses­sen. Even­tu­ell dien­te ein Berg­kreuz als Stüt­ze, Ihr Fern­glas aufzu­set­zen? Lässt ein Gipfel­fo­to mit Kreuz in einer wunder­ba­ren Berg­welt in Ihnen beson­ders schö­ne Erin­ne­run­gen aufle­ben? Bestehen bei all diesen Grün­den für ein Berg­kreuz immer noch offe­ne Fragen?


Gipfel­kreu­ze sind im ganzen Alpen­raum in unter­schied­li­cher Form und Grös­se anzu­tref­fen. Erste Bezeu­gun­gen von Errich­tun­gen auf Anhö­hen oder Pass­über­gän­gen gehen zurück in das 13. Jahr­hun­dert. Bis ins 16. Jahr­hun­dert stan­den diese Kreu­ze oft als Grenz- oder Orien­tie­rungs­mar­kie­run­gen in frei­er Natur.


Schutz vor Unwet­tern
Dem Volks­glau­ben entsprin­gend, dien­ten Gipfel­kreu­ze sehr oft dem Schutz vor Unwet­tern in jegli­cher Form. Im 20. Jahr­hun­dert war der Gedan­ke verbrei­tet, sich in der Nähe oder unter einem Kreuz zum Gebet zu versam­meln. In diesem Zusam­men­hang gibt es etwa im Alpstein­ge­biet oder in der Inner­schweiz die Tradi­ti­on, bei einem Berg- oder Alpkreuz den Betruf zu beten. Bis in neue­re Zeiten sind auch Tradi­tio­nen bekannt, dass sich Sennen mit ihren Fami­li­en bei einem Kreuz zum Gebet trafen. Ähnli­che Bräu­che werden von Berg­füh­rer­grup­pen berichtet.


Errich­tet von SAC-Sektionen
Errich­tet wurden die Berg­kreu­ze oft von losen Perso­nen­grup­pen oder Verei­nen, wie SACSek­tio­nen, Berg­freun­den oder nicht selten durch Bergführer- oder Berg­ret­ter­grup­pen. Ein Beispiel dafür liegt in naher Vergan­gen­heit: Im Jahre 2006 orga­ni­sier­te eine Grup­pe von Berg­ret­tern der Rettungs­ko­lon­ne Appen­zell eine «Träge­de» mit dem Zweck, ein Berg­kreuz zur Marwees zu tragen, um dort ein bestehen­des zu erset­zen. Verlass auf Körper­kraft ist dabei Ehrensache!


In den Bergen Gott finden
Nun stellt sich die Leser­fra­ge, wozu es Kreu­ze auf Berg­gip­feln braucht? Eine allge­mei­ne Antwort in einer Zeit, in der reli­giö­se Symbo­le einen schwe­ren Stand in der Öffent­lich­keit haben, wird kaum möglich sein. Meinun­gen darüber erstre­cken sich zwischen völlig nutz­los und abso­lut notwen­dig. Zwei­fel­los sind Kreu­ze Zeichen unse­rer christ­lich gepräg­ten Kultur. Aus meiner Sicht sind sie Erin­ne­rung daran, in der Natur und beson­ders in den Bergen Gott zu suchen und zu finden. Für gläu­bi­ge Menschen können Kreu­ze «Halte­stel­len» sein, welche zu einem Gedan­ken, einem Dank oder einer Bitte an Gott anre­gen. In diesem Sinne glau­be ich: Gott sei Dank gibt es Gipfelkreuze!


Text: Martin Rusch, Früher Obmann Berg­ret­tung Appen­zell – jetzt Seel­sor­ger in Gossau

Bild: Pixa­bay

13.06.2022

Ein Ort mit eigner Kraft

Lehre­rin Judith Wüst aus Appenzell-Steinegg ist zusam­men mit Thomas Signer und seiner Schwes­ter Maria ­Signer als Mesme­rin für die Bruder­klaus­kapelle am Seealp­see verant­wort­lich. Nebst ­Ordnung und Sauber­keit gehö­ren auch orga­ni­sa­to­ri­sche Aufga­ben dazu, damit die Berg­got­tes­diens­te ­statt­fin­den können. Im Gespräch vor Ort wird rasch klar: Diese Kapel­le ist ihr ans Herz gewachsen.

«Wenn ich jeweils hier­her komme, schät­ze ich die Ruhe. Man spürt, dass dieser Ort eine eige­ne Kraft ausstrahlt», erzählt Judith Wüst. Die Mesme­rin, die als Fach­lehr­kraft Texti­les Gestal­ten an der Primar­schu­le in Stein­egg unter­rich­tet, ist im Sommer­halb­jahr jedes Wochen­en­de hier. Ihre Toch­ter ist Junior-Chefin im Restau­rant «Forel­le», welches sich nur weni­ge Meter neben der Kapel­le befin­det. «Ich kümme­re mich um die drei Gross­kin­der und bin deshalb oft und gerne hier. Der Seealp­see ist ein beson­de­rer Bezugs­ort für die Fami­lie und die Natur zeigt uns immer neue, faszi­nie­ren­de Stim­mungs­bil­der», sagt die junge Grossmutter.

Belieb­te Berg­got­tes­diens­te 

Von Anfang Juni bis Ende Septem­ber findet jeden Sonn­tag um 10.30 Uhr ein Gottes­dienst statt. Jeweils am letz­ten Septem­ber­sonn­tag wird das Kapell­fest zu Ehren des heili­gen Bruder Klaus gefei­ert. Für das Mesmer-Team bedeu­ten die Berg­got­tes­diens­te eine alljähr­li­che Planung, damit für jeden Gottes­dienst ein Pries­ter und eine musi­ka­li­sche Beglei­tung einge­teilt werden kann. «Viele von ihnen kommen jedes Jahr sehr gerne wieder.» Gesang und Musik reichen von Alphorn­blä­sern, Jodler­clubs bis zu Volks­chö­ren. Alphorn­blä­ser haben ihr schon vorge­schwärmt, dass hier oben das Alphorn am aller­schöns­ten klin­ge. Dies habe offen­bar mit dem beson­de­ren Wider­hall und dem Echo zu tun, meint sie. Beim Gottes­dienst ist immer eine Mesme­rin oder ein Mesmer anwe­send und als Lektor und Kommu­ni­on­hel­fer im Einsatz. Dass die Kapel­le zu den Mess­fei­ern immer hübsch mit Blumen geschmückt ist, dafür sorgt auch das Mesmer-Team. «Ich stel­le immer einen Strauss mit frischen Blumen auf den Altar, manch­mal finde ich sie in nächs­ter Umge­bung oder pflü­cke sie in meinem Garten in Steinegg.»

Judith Wüst enga­giert sich jeden Sommer als Mesme­rin am Seealpsee

Schö­ne Begegnungen

Judith Wüst weiss um die Bedeu­tung und Entste­hung der Kapel­le, deshalb ist es ihr auch wich­tig, dass dieser Ort entspre­chen­de Pfle­ge und Respekt verdient: «Bevor die Kapel­le 1967 erbaut werden konn­te, stand am Wegrand zum Seealp­see ein Bild­stöck­li mit einer Statue des heili­gen Bruder Klaus, welches die dama­li­ge Forellen-Wirtin nach einem fami­liä­ren Schick­sals­schlag im Jahr 1949 errich­ten liess. Ihre Absicht war, mit dem Bild­stöck­li Geld zu sammeln, um später damit eine Kapel­le zu finan­zie­ren.» Weiter erklärt sie, dass die Berg­wir­te von den Gast­häu­sern «Seealp­see» und «Forel­le», diver­se Unter­neh­men sowie die Sennen während der Baupha­se viel Fron­ar­beit geleis­tet hätten. Noch heute kämen die Bewoh­ne­rin­nen und Bewoh­ner der umlie­gen­den Alpen gerne hier­her, um zu beten oder einfach ein biss­chen Ruhe zu finden. Sie schätzt den Kontakt zu den Einhei­mi­schen eben­so wie zu den auswär­ti­gen Kapel­len­be­su­che­rin­nen und ‑besu­chern: «Es gibt immer wieder schö­ne Begeg­nun­gen und inter­es­san­te Gesprä­che, wenn man sich hier trifft.»

Über­sicht Berg­got­tes­diens­te 2022: 

www.pfarreiforum.ch/berggottesdienste/

Text: Katja Hongler

Foto: Ana Kontoulis

03.06.2022

Schwester Angelika

«Wir arbeiten an Plan B»

Ende Mai wird das Klos­ter Maria Hilf in Altstät­ten 500 Jahre alt. Das Jahr 1522 gilt als Grün­dungs­jahr des Klos­ters. Wir spra­chen mit Schwes­ter Ange­li­ka über die Vergan­gen­heit, Gegen­wart und die Zukunft.

Heute leben vier Schwes­tern im Alter zwischen 67 und 87 Jahren im Klos­ter Maria Hilf. Wie sieht ihr Alltag aus?

Schwes­ter Ange­li­ka: Unse­re erste gemein­sa­me Begeg­nung ist um 7.45 Uhr beim Früh­stück. Um 8.30 Uhr beten wir die Laudes und anschlies­send um 9.00 Uhr feiern wir den Gottes­dienst. Das haben wir so gere­gelt, weil zwei unse­rer Schwes­tern aus gesund­heit­li­chen Grün­den um sieben Uhr an der Laudes nicht mehr teil­neh­men können. Anschlies­send an den Gottes­dienst erle­di­gen wir Haus­ar­beit wie waschen und bügeln der anfal­len­den Wäsche, Pforten- und Tele­fon­dienst, klei­ne­re Flick­ar­bei­ten etc. Am Frei­tag, an unse­rem frei­en Tag, tref­fen wir uns zu den gemein­sa­men Mahl­zei­ten, zur Vesper um 17.30 Uhr und anschlies­send zum Gottes­dienst um 18 Uhr.

Wie können vier Schwes­tern den Unter­halt der ganzen Anla­ge über­haupt bewerkstelligen?

Schwes­ter Ange­li­ka: Nur mit Hilfe von aussen. Für die täglich anfal­len­den Arbei­ten haben wir zwei Mitar­bei­te­rin­nen. Eine arbei­tet 50 Prozent, die ande­re 80 Prozent jeweils von Montag bis Donners­tag. Vom Frei­tag bis Sonn­tag sorgen wir selbst für das Früh­stück und Abend­essen. Seit 2014 bezie­hen wir das Mittag­essen aus dem Hotel Sonne. Nach dem Hoch­was­ser, das unse­re Küche zerstört hat, haben wir diese Lösung gefun­den und bis jetzt beibe­hal­ten. Vier­mal pro Woche kommen noch Bewoh­ner vom Verein Rhyboot und über­neh­men Reini­gungs­ar­bei­ten im Haus. So konn­ten wir einer­seits Arbeits­plät­ze schaf­fen und ande­rer­seits die zwei Mitar­bei­te­rin­nen wie uns entlasten.

Wie werden die vielen Räume im Klos­ter heute genutzt?

Schwes­ter Ange­li­ka: Drei Vier­tel des Klos­ters steht leer. Jede Schwes­ter hat ihr Zimmer mit Nass­zel­le. Wir bewoh­nen einen klei­nen Teil der vorhan­de­nen Räum­lich­kei­ten. In einem Teil des Gebäu­des befin­det sich die Medi­en­stel­le der Diöze­se St. Gallen und unser ehema­li­ges Insti­tut wird von der Primar­schu­le Altstät­ten genutzt. Der frühe­re Gemüse- und Blumen­gar­ten wurde zum Rasen umge­stal­tet. Die zwei Treib­häu­ser werden neu vom Verein Rhyboot bewirt­schaf­tet sowie Umge­bungs­ar­bei­ten. Wir würden gerne den Aussen­be­reich in Perma­kul­tur umwan­deln. Unse­re Idee wäre einer Bewirt­schaf­tung mit Garten und Obst­bäu­men. Dabei denken wir an Selbst­ver­sor­gung wie an den Verkauf der Produk­te an die Bevölkerung.

Ihr seid nur noch vier Schwes­tern. Wie war die Situa­ti­on früher?

Schwes­ter Ange­li­ka: Die Blüte­zeit unse­res Klos­ters geht auf das Jahr 1888 zurück. Mit 53 Schwes­tern war das Haus voll. Dann zog Mutter Bernar­da mit sechs Schwes­tern nach Südame­ri­ka. Es sind zwar immer neue Schwes­tern dazu gekom­men aber bis 1991 waren es immer weniger.

Wie lange ist es her, seit die letz­te Schwes­ter dem Klos­ter beigetre­ten ist?

Schwes­ter Ange­li­ka: Ich bin die Jüngs­te, die 1991 dem Orden beigetre­ten ist. Wir waren vor gut dreis­sig Jahren 23 Schwes­tern. Seit­her ist niemand mehr eingetreten.

Wo sehen Sie die Grün­de dafür, dass die Neuein­trit­te so dras­tisch zurück­ge­gan­gen sind?

Schwes­ter Ange­li­ka: Es sind wohl verschie­de­ne Grün­de. Klei­ne­re Fami­li­en, der Glau­be wird in den Fami­li­en nicht mehr vorge­lebt. Die Kinder und Jugend­li­chen kommen kaum in Kontakt mit Ordens-personen. Das tägli­che Gebet braucht es heute nicht mehr. Alle haben alles. Viele sind von der Kirche enttäuscht. Ein Grund spielt sicher auch mit, dass Frau­en heute jeden Beruf erler­nen können, ohne einem Orden anzu­ge­hö­ren. Früher konn­te man Kran­ken­schwes­ter oder Lehre­rin nur werden, wenn man in einem Orden war. Viele Frau­en entschie­den sich deshalb für diesen Weg und waren sehr tüch­tig in ihrem Beruf.

Können Sie uns etwas über die Geschich­te des Klos­ters erzählen?

Schwes­ter Ange­li­ka: Die Ursprün­ge des Frau­en­klos­ters liegen in der Mitte des 13. Jahr­hun­derts. Bereit 1258 gab es in Altstät­ten eine Schwes­tern­ge­mein­schaft, die Begi­nen. Die ersten Bauten wurden auf dem Gut «Nunnen­tal» erstellt und die Schwes­tern des fran­zis­ka­ni­schen Drit­ten Ordens konn­ten dort ihre neuen Gebäu­de ausser­halb der Stadt­mau­er bezie­hen. 1838 erfolg­te der Einstieg in die Schul­tä­tig­keit. Ab dem Jahr 1870 bot das Klos­ter ein eige­nes Inter­nat an, auch für Mädchen von ausser­halb Altstät­tens. Ab 1962 zogen sich die Schwes­tern allmäh­lich aus dem Schul­we­sen zurück und 1973 gaben die damals 40 Schwes­tern die Schu­le und das Inter­nat gänz­lich auf.

Wie sieht die Zukunft des Klos­ters aus?

Schwes­ter Ange­li­ka: Wir vier Schwes­tern wollen im Klos­ter blei­ben, solan­ge es verant­wort­bar ist. Eigent­lich sind wir sechs Perso­nen, die das Klos­ter bewoh­nen. Eine Bewoh­ne­rin, unser «Bertä­lie», vom eins­ti­gen Alters­heim Forst und Pater Josef aus Bosni­en, der seit 2019 wegen Coro­na­pan­de­mie bei uns gestran­det ist, wohnen und leben mit uns. Trotz­dem ist alles viel zu gross und zu weitläufig.

Wäre das Verlas­sen des Klos­ters eine Alternative?

Schwes­ter Ange­li­ka: Bis jetzt nicht. Wir wollen möglichst im Klos­ter blei­ben. Soll­te sich die Zukunft anders zeigen, müss­ten zwei unse­rer Schwes­tern in einem solchen Fall ins Pfle­ge­heim. Unse­re klei­ne Gemein­schaft träumt eher von einer Miet­woh­nung. Dafür bräuch­ten wir sicher die Erlaub­nis des Bischofs. Wir haben uns schon Gedan­ken gemacht, ob wir zu den Missi­ons­fran­zis­ka­ne­rin­nen nach Ober­riet umzie­hen. Zu ihnen könn­ten wir jeder­zeit gehen. Wir pfle­gen eine sehr gute Bezie­hung und hätten bei ihnen mehr als genü­gend Platz. Beru­hi­gend ist, dass wir Schwes­tern allein über ein weite­res Vorge­hen entschei­den und bestim­men, wie lange wir im Klos­ter bleiben.

Vor zwei Jahren stand das Projekt Rhyboot zur Diskus­si­on. Wie weit ist es fortgeschritten?

Schwes­ter Ange­li­ka: Beim Vorpro­jekt mit Rhyboot, das in Kürze abge­schlos­sen sein soll, ist der Entscheid gefal­len. Geplant waren die Verle­gung der Verwal­tung ins Klos­ter, das Schaf­fen neuer Arbeits­plät­ze für Beein­träch­tig­te und inner­halb des Klos­ters neue Schwes­tern­woh­nun­gen. Der Verein Rhyboot hat die gegen­sei­tig unter­zeich­ne­te Absichts­er­klä­rung zwischen dem Klos­ter Maria Hilf und ihm defi­ni­tiv aufge­löst. Der Grund liege bei wirtschaftliche-finanziellen Schwie­rig­kei­ten. Wir als Schwes­tern­ge­mein­schaft und die Projekt­grup­pe haben diese Reali­tät mit schmerz­li­cher Enttäu­schung zur Kennt­nis genom­men. Das Vorpro­jekt wird fertig gestellt. Wir sind dran einen Plan B auszu­ar­bei­ten. Wir sind von neuem gefor­dert, um zu entschei­den, wie die Zukunft des Klos­ters ausse­hen soll. An den vier Grund­pfei­lern orien­tie­ren wir uns weiter­hin und halten fest: Spiri­tua­li­tät, Soziales-Caritatives, Bildung, Kultur.

Wie sehen Sie das Klos­ter in zehn Jahren?

Schwes­ter Ange­li­ka: Ich hoffe, dass die Räum­lich­kei­ten wunsch­ge­mäss umge­baut werden. ich hoffe, dass die fran­zis­ka­ni­sche Spiri­tua­li­tät in irgend­ei­ner Art und Weise Fort­be­stand hat und dass dieser Ort zur Kraft­quel­le vieler werden darf. Ich möch­te miter­le­ben, wie das gesam­te Lebens­werk unse­rer Vorfah­ren weiterlebt.

Ende Mai wird das Klos­ter 500 Jahre alt. Wie werden Sie dieses Jubi­lä­um feiern?

Schwes­ter Ange­li­ka: Das Jubi­lä­um wird mit mehre­ren Anläs­sen während des Jahres began­gen. Am Sams­tag, 28. Mai findet der Fest­got­tes­dienst mit Bischof Markus und dem Kirchen­chor St. Niko­laus, Altstät­ten statt. Anschlies­send ein Apéro mit musi­ka­li­schen Klän­gen der Stadt­mu­sik Altstät­ten im Klos­ter­gar­ten. Am Sonn­tag, 29. Mai laden wir die Bevöl­ke­rung zu einem Tag der offe­nen Tür mit einem Rund­gang ein. Für das leib­li­che Wohl sorgt der Verein Rhyboot im Klos­ter­gar­ten oder bei schlech­tem Wetter im Konvent. 

27. Mai 2022                                                                                                                                             Inter­view + Fotos:  Susi Miara

Bild­le­gen­de:

Schwes­ter Ange­li­ka war von der Idee des geplan­ten Projekts mit dem Verein Rhyboot sehr beglückt und voller Hoff­nung. Leider wird es nicht reali­siert. Jetzt muss ein Plan B her. 

Als Pilgerinnen Neues in ­Altbekanntem entdecken

Flache Stre­cken können anstren­gen­der sein als hüge­li­ge. Und während des Gehens lassen sich beson­ders gut neue Bekannt­schaf­ten knüp­fen: Diese Erfah­run­gen haben Tosca Wetzel und Nadia Macia­ri­el­lo aus St. Gallen auf ihrer ersten Pilger­rei­se gemacht. Zusam­men mit 200 ande­ren Perso­nen haben sie beim Bistums­pil­gern mitgemacht.

Jetzt sehe ich sie dann alle nicht mehr.» Dieser Gedan­ke ging Tosca Wetzel nach drei Tagen, in denen sie zu Fuss unter­wegs gewe­sen war, durch den Kopf. Zusam­men mit über 200 Perso­nen hatte sie beim Bistums­pil­gern (siehe Info unten) mitge­macht und war von St. Gallen nach Magden­au, von Nieder­uz­wil nach Drei­brun­nen und von Bazen­heid nach Libin­gen gepil­gert. «Diese kurze Zeit hat ausge­reicht, uns als Grup­pe zusam­men­zu­schweis­sen», sagt sie. Unter­wegs beglei­tet wurde sie von ihrer Schwes­ter Nadia Maciariello.

«Während des Pilgerns wird das Klei­ne gross und alle ­Sinne sind geschärft.»

Zusam­men sitzen die beiden St. Galle­rin­nen nun am heimi­schen Küchen­tisch. Sie spre­chen darüber, was Pilgern ausmacht und wie es ist, in Altbe­kann­tem Neues zu entde­cken. Die Idee, sich darauf einzu­las­sen, hatte Nadia Macia­ri­el­lo. Über einen Bekann­ten hatte sie vom Bistums­pil­gern erfah­ren. Er sagte ihnen auch, dass noch Perso­nen gesucht wurden, die mithel­fen und unter­wegs verschie­de­ne Aufga­ben über­neh­men würden wie etwa Stras­sen sichern oder das Schluss­licht bilden. «Da wir beide noch nie gepil­gert sind, das aber schon seit länge­rem einmal auspro­bie­ren woll­ten, haben wir uns ange­mel­det», sagt Nadia Maciariello.

Direkt von zuhau­se aus losge­hen können, das ist es, was Tosca Wetzel und Nadia Macia­ri­el­lo am Pilgern gefällt. (Bild: Ana Kontoulis)

Dass flache, mono­to­ne Stre­cken anstren­gen­der sein können als hüge­li­ge Etap­pen: Das ist eine Erfah­rung, die Tosca Wetzel und Nadia Macia­ri­el­lo während des Pilgerns gemacht haben. «Auch die Offen­heit der Teil­neh­men­den hat mich über­rascht. Ich bin immer mit jeman­dem ins Gespräch gekom­men und habe inter­es­san­te Lebens­ge­schich­ten erfah­ren», sagt Tosca Wetzel. Nadia Macia­ri­el­lo ergänzt: «Es ist gut möglich, dass das Gehen ein Rede­be­dürf­nis auslöst oder dass wir nach der langen Coro­na­zeit einfach Lust auf neue Kontak­te haben. Und dann ist da sicher noch das Zusam­men­ge­hö­rig­keits­ge­fühl der Pilger­ge­mein­schaft, dass einen offe­ner werden lässt.» Berüh­rend habe sie es auch gefun­den, dass in einer ­Pilger­grup­pe alle Perso­nen unab­hän­gig von ­Herkunft, Alter oder sozia­lem Hinter­grund gleich seien. Fami­li­en mit Kindern und Senio­rin­nen und Senio­ren, Promis und Norma­los, Betgrup­pen und nicht reli­giö­se Perso­nen seien zu Wegge­fähr­tin­nen und Wegge­fähr­ten gewor­den. «Unser Vater, der eben­falls mitge­kom­men ist, entdeck­te unter den Pilgern­den eine bekann­te Person aus der Medi­en­welt und fand das bemer­kens­wert» sagt Nadia Macia­ri­el­lo. «Aber nach einer Weile war es dann eben einfach nicht mehr so wich­tig, mit wem man unter­wegs war.»

Während des Pilgerns werde das Klei­ne gross, sagt Nadia Macia­ri­el­lo. Und Tosca Wetzel fügt an: «Defi­ni­tiv. Ausser­dem sind alle Sinne geschärft.» Als Beispie­le nennt sie das Farben­spiel in den Kirchen oder all jene Ortschaf­ten entlang der Route, die man sonst kaum besu­chen würde, in denen es aber viele Beson­der­hei­ten zu entde­cken gebe. Für beide ist klar: Wandern und Pilgern unter­schei­det sich vor allem durch das Spiri­tu­el­le, das ein wesent­li­cher Bestand­teil vom Pilgern sei. Beim Bistums­pil­gern sind es etwa der besinn­li­che Einstieg in den Tag und der Abschied am Tages­en­de sowie eine Stun­de täglich, in der die gesam­te Grup­pe schwei­gend pilgert.

«Ohne Erwar­tun­gen sein und sich über­ra­schen lassen, das ist es, was Losge­hen und ­unter­wegs sein ausmacht.»

Die beiden Mitte 40-Jährigen sind sich einig, dass sie sich auch in Zukunft gerne im Pilgern versu­chen möch­ten, dann aber viel­leicht in einer klei­ne­ren Grup­pe und auf einem länge­ren Wegstück. Im Wandern hinge­gen sind sie erfah­ren. Ob mit ihren Fami­li­en, als Lehre­rin­nen in der St. Galler Primar­schu­le Bopparts­hof oder früher mit Jungwacht-Blauring: «Es ist etwas, das wir immer gerne und regel­mäs­sig gemacht haben» sagen sie.

Gast­freund­schaft überrascht

Mit Wander­stö­cken, gutem Schuh­werk und vor allem mit einem mit Verpfle­gung gefüll­ten Ruck­sack haben sich Tosca Wetzel und Nadia Macia­ri­el­lo daher auch auf die Bistums­pil­ger­rei­se bege­ben. Zwar wuss­ten sie, dass das Bistums­pil­gern durch die 33 Seel­sor­ge­ein­hei­ten führt. Nicht erwar­tet hätten sie aber die Gast­freund­schaft, Freu­de und das Glocken­ge­läut, mit denen sie dort jeweils empfan­gen worden seien. «Zum Teil gab es Musik und Gesang oder einen klei­nen Imbiss wie etwa eine Suppe vom Feuer», sagt Tosca Wetzel. Und Nadia Macia­ri­el­lo fügt an: «Ohne Erwar­tun­gen sein und sich einfach über­ra­schen lassen, das ist es, was Losge­hen und unter­wegs sein für mich ausmacht.» (nar)

Für Tosca Wetzel und Nadia Macia­ri­el­lo unter­schei­den sich Wandern und Pilgern durch das Spiri­tu­el­le. (Bild: Ana Kontoulis)

Info: Das Bistum pilgernd kennenlernen

Spiral­för­mig geht es derzeit in 17,5 Tagen durchs Bistum St. Gallen: So viele Tage braucht es, um alle 33 Seel­sor­ge­ein­hei­ten pilgernd zu durch­que­ren oder zu strei­fen. Anlass dafür ist das 175-Jahr-Jubiläum des Bistums. Über 200 Perso­nen waren es, die beim Start der Akti­on Mitte März von St. Gallen über Heris­au nach Magden­au pilger­ten. Im April ging es unter ande­rem von Watt­wil nach St. Gallen­kap­pel. Von Juni bis Septem­ber stehen weite­re Etap­pen wie etwa von Buchs nach Salez oder von Spei­cher nach Rehe­to­bel an. Inter­es­sier­te können sich für eine oder gleich mehre­re Routen anmel­den. «Die Idee des Bistums­pil­gerns ist, dass man auf Etap­pen in jenen Gegen­den mitpil­gert, die man nicht gut kennt oder die man neu entde­cken möch­te», sagt Ines Scha­ber­ger, Geschäfts­füh­re­rin des Bistums­ju­bi­lä­ums. «Auf diese Weise können wir unse­re eige­ne Heimat neu kennen­ler­nen und im schein­bar Unschein­ba­ren das Beson­de­re entdecken.» 

Dass diese Idee gut ankommt, zeigen die Rück­mel­dun­gen: Den Teil­neh­men­den gefal­le, dass nicht die gros­sen Pilger­stät­ten Ziel der Reise sind, sondern ganz norma­le Orte zu Pilger­stät­ten werden. «Ausser­dem ist es ein schö­ner Prozess, gemein­sam mit verschie­dens­ten Menschen unter­wegs zu sein», sagt sie. Der Alters­un­ter­schied zwischen der jüngs­ten und der ältes­ten Person habe zuletzt 75 Jahre betra­gen. Auch hat sich das Bistums­pil­gern laut Ines Scha­ber­ger beina­he schon zu einer Degus­ta­ti­ons­tour entwi­ckelt. Viele Seel­sor­ge­ein­hei­ten erwar­te­ten die Pilge­rin­nen und Pilger mit Suppen, Kuchen und Kaffee. «Es gibt also genug Möglich­kei­ten, neue Bekannt­schaf­ten zu schlies­sen», sagt sie. Aber abge­se­hen davon ermög­li­che das Bistums­pil­gern vor allem schö­ne Erfah­run­gen in der Natur – ein Ort, an dem Gottes Schön­heit sicht­bar werde. (nar)

→ Infos und Anmel­dung Bistums­pil­gern: www.bistum-stgallen.ch/175jahre/pilgern

Ethikbistro Buchs SG

Von Schwarmintelligenz profitieren

Wie finden wir einen gemein­sa­men Weg, obwohl wir geteil­ter Meinung sind? Diese Frage wurde am 13. Mai 2022 beim Ethik-Bistro in Buchs SG debat­tiert. Vorab hat das Pfar­rei­fo­rum mit den beiden Podi­ums­teil­neh­me­rin­nen über konstruk­ti­ve Lösungs­an­sät­ze gesprochen.

«Zumin­dest eine Frage stellen»

 Alex­an­dra Gloor (rechts auf dem Bild): «Streit­punk­te gibt es über­all. Am Fami­li­en­tisch, am Arbeits­ort, im Verein und in der Poli­tik. Ich sehe in meinem Arbeits­all­tag in verschie­de­ne Konflikt­be­rei­che hinein. Es sind persön­li­che Konflik­te, oft auch Team-Konflikte bezüg­lich Hier­ar­chie oder inter­ne Kommu­ni­ka­ti­on. Im Business-Coaching geht es in erster Linie darum, das Unter­neh­men voran­zu­trei­ben. Mein Ziel ist es, Führungs­kräf­te und ihre Teams ins Handeln und Umset­zen zu brin­gen. Für die Lösungs­fin­dung gilt im Prin­zip für alle Berei­che dassel­be: Zuhö­ren ohne zu inter­pre­tie­ren ist das Aller­wich­tigs­te und macht in der Media­ti­on rund 80 Prozent aus. Das akti­ve Zuhö­ren ist aller­dings für viele Menschen enorm schwie­rig und anstren­gend, weil sie sich selbst zurück­neh­men müssen und nicht vorschnell antwor­ten oder urtei­len dürfen. Dann folgt die soge­nann­te ‹Spie­ge­lung›. Das heisst, man versucht die Situa­ti­on des ande­ren nach­zu­voll­zie­hen und in eige­ne Worte zu fassen oder bei Unver­ständ­nis nach­zu­fra­gen, bis man zum eigent­li­chen Kern des Problems durch­dringt. Durch diese Selbst­klä­rung ist eine gemein­sa­me Konflikt­lö­sung erst möglich. Natür­lich gibt es auch sehr emotio­na­le Streit­punk­te. Über­stei­gen die Emotio­nen ein gewis­ses Level, macht es neuro­lo­gisch gese­hen keinen Sinn mehr weiter zu disku­tie­ren. Dann ist Denken unmög­lich, weil sich ein Teil des Gehirns ausschal­tet. Gegen­sei­ti­ges Verständ­nis kann nur durch steti­ges Nach­fra­gen, Erklä­ren und Zuhö­ren entste­hen. Was ich persön­lich vermis­se in unse­ren alltäg­li­chen Debat­ten, ist das Nach­fra­gen. Jeder hat sofort eine Meinung. Aber jeder Mensch hat Grün­de warum er tut, was er tut. Dafür soll­te man sich inter­es­sie­ren. Man soll­te zumin­dest eine Frage stel­len, bevor man sich eine Meinung über einen Menschen bildet oder ihn gar verurteilt.»

Alex­an­dra Gloor, Grün­de­rin und Mitin­ha­be­rin des Zentrums für Media­ti­on und Konflikt­management (ZMK) in Buchs SG, coacht ­inter­na­tio­nal Führungs­kräfte und leitet Wirtschaftsmediationen.

«Grund­la­gen unse­rer Demokratie»

Petra Näf: «Akti­ves Zuhö­ren ist für mich der Schlüs­sel zu einer konstruk­ti­ven Kommu­ni­ka­ti­on. Das heisst, ich versu­che zu verste­hen, worum es dem Gegen­über wirk­lich geht. Mir hilft es dabei, meine Perspek­ti­ve zu wech­seln und mich in die Situa­ti­on und Gefüh­le der Konflikt­par­tei hinein­zu­ver­set­zen. In meiner Funk­ti­on als Stadt­rä­tin vertre­te ich die Bürge­rin­nen und Bürger mit ihren unter­schied­li­chen Inter­es­sen, Blick­win­keln und Wert­vor­stel­lun­gen. Das birgt Konflikt­po­ten­zi­al, deshalb ist es essen­ti­ell, sich auf den Gesprächs­part­ner einzu­las­sen. Das Inter­es­se an Menschen war meine Haupt­mo­ti­va­ti­on für den Einstieg in die Poli­tik. Ich gehe offen auf Menschen zu, denn mir ist wich­tig, die Bedürf­nis­se der Bevöl­ke­rung zu kennen. Im Stadt­rat sind wir sieben Räte aus unter­schied­li­chen Partei­en. Das ist gut so, denn es sollen möglichst viele unter­schied­li­che Stand­punk­te vertre­ten sein. Gäbe es keine kontro­ver­se Ausein­an­der­set­zung, würden wir die Themen­viel­falt einschrän­ken und nur einen klei­nen Teil der Inter­es­sen aus der Bevöl­ke­rung vertre­ten. Eine faire Streit­kul­tur und das Ringen um vernünf­ti­ge Kompro­mis­se bilden die Grund­la­ge unse­rer Demo­kra­tie. Ich bezeich­ne diese Viel­schich­tig­keit gerne als Schwarm­in­tel­li­genz, denn verschie­de­ne Ideen und Kompe­ten­zen führen letzt­lich auch zu brei­ter abge­stütz­ten Lösun­gen. Mir scheint, dass es bei Konflikt­si­tua­tio­nen oft nur zwei Möglich­kei­ten gibt. Entwe­der die Fron­ten verhär­ten sich oder einer der Gesprächs­part­ner blockiert und weicht dem Gespräch aus. Ich denke, das grün­det in der Einstel­lung, dass bei jeder Diskus­si­on ein Gewin­ner und ein Verlie­rer hervor­ge­hen müssen. Wich­tig wäre, strei­ten nicht als Kampf, sondern als einen koope­ra­ti­ven Prozess anzu­se­hen. Oder kurz gesagt: eine gelun­ge­ne Kommu­ni­ka­ti­on ist konstruk­tiv, sach­lich und unmissverständlich.»

Petra Näf ist Betriebs­wirt­schaf­te­rin und ist seit 2021 Stadt­rä­tin von Buchs SG. Sie leitet das ­Resort Gesund­heit und Alter.

Diskurs im Ethik-Bistro 

Das Podi­um — mode­riert von Thomas Walli­mann (siehe Bild oben) — zum Thema «Gesun­der ­Umgang mit Meinungs­ver­schie­den­hei­ten» wurde von Cari­tas St. Gallen-Appenzell, der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg und der Christ­li­chen Sozi­al­be­we­gung KAB SG organisiert. 

Text: Katja Hongler

Bild: Hans­pe­ter Thurnheer

12.05.2022

Dominik Michel-Loher

Synode-Umfrage: «Es gibt kein Zurück»

Was macht das Bistum St.Gallen mit den Ergeb­nis­sen der synoda­len Umfra­ge? Nach­ge­fragt bei Domi­nik Michel-Loher (39), dem neuen Leiter der Abtei­lung Pasto­ra­le ­Entwick­lung und Beratung.

(mehr …)

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