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Im Moment da sein

Wie funk­tio­nie­ren Gottes­diens­te für Menschen mit Demenz? Zwei Seel­sor­gen­de erzäh­len, worauf es dabei ankommt und wieso es wich­tig ist, sie zu feiern.

Stär­ken­des mitgeben

«An erster Stel­le stehen für mich in einem Gottes­dienst für Menschen mit Demenz die eige­ne Grund­hal­tung und die Würde des Menschen», sagt Andre­as Barth, Verant­wort­li­cher für den Fach­be­reich «Seel­sor­ge­Plus» des Bistums St. Gallen. Hier­bei handelt es sich um Seel­sor­ge im Zusam­men­wir­ken mit Menschen mit und ohne Beein­träch­ti­gun­gen. «Die Würde steht jedem von uns zu jeder Zeit zu. Mit der Taufe bekommt man das Verspre­chen mit auf den Weg, dass man seine Würde bis zum Lebens­en­de und auch trotz star­ker Einschrän­kun­gen nicht verliert.» Der Gottes­dienst sei der Rahmen, in dem spür­bar werde, dass Gott für alle da ist. Ausser­dem solle der Gottes­dienst einem etwas mitge­ben, das fürs Leben stär­kend sei.

«Unge­plan­te Momen­te stos­sen bei mir immer auf ein offe­nes Herz und lösen ein Gefühl der Zuge­hö­rig­keit aus: Im Sinne von ‹schön, dass du da bist›», sagt Andre­as Barth, Verant­wort­li­cher Fach­be­reich «Seel­sor­ge­Plus» des Bistums St. Gallen.

In der Gelas­sen­heit bleiben

Anders als in einem gewöhn­li­chen Gottes­dienst ist in einem Gottes­dienst für Menschen mit Demenz vor allem die Spra­che. Laut Barth ist sie lang­sa­mer und besteht aus weni­ger Worten. Demge­gen­über steht eine grös­se­re Acht­sam­keit im Blick auf die Körper­spra­che, Mimik und Gestik. Auch die «Versinn­li­chung» wie durch Musik oder Gerü­che bekommt mehr Bedeu­tung. «Anders ist auch, dass man als Seel­sor­gen­der stär­ker im Moment präsent sein muss. Was durch­aus heraus­for­dernd ist», sagt er. «Es geht darum, körper­li­che und emotio­na­le Äusse­run­gen wahr­zu­neh­men. Lächelt jemand? Hat er Tränen in den Augen? Macht er etwas Spezi­el­les?» Barth erzählt von einem Mann mit Demenz, der jeweils seine Mund­har­mo­ni­ka hervor­zog. Er hatte darauf immer schon gerne Kirchen­lie­der gespielt. «Ich bat ihn folg­lich jeweils darauf zu spie­len und merk­te, dass seine Lieder auch vielen der ande­ren Perso­nen mit Demenz vertraut waren», sagt er. «Solche unge­plan­ten Momen­te stos­sen bei mir immer auf ein offe­nes Herz und lösen ein Gefühl der Zuge­hö­rig­keit aus: Im Sinne von ‹schön, dass du da bist›». Auch Ange­hö­ri­gen könne es helfen, zu versu­chen in der Gelas­sen­heit zu blei­ben. Anspan­nun­gen in einem selbst könn­ten die Unsi­cher­heit von Menschen mit Demenz noch verstär­ken. «Für Ange­hö­ri­ge ist es schwie­rig, wenn der Vater oder die Mutter ‹nicht mehr so funk­tio­niert› wie früher. Sie brin­gen Dinge anders und vor allem im Hier und Jetzt zum Ausdruck.»

Worte erleb­bar machen

Laut Barth ist ein Gottes­dienst ein Raum für sinn­emp­find­li­che Wahr­neh­mung. «Umso wich­ti­ger ist es, ihn nicht mit Symbo­len zu über­frach­ten, sondern sich auf weni­ges zu konzen­trie­ren», sagt er. Barth arbei­tet gern mit den Worten von Jesus: «Kommet her zu mir alle, die ihr mühse­lig und bela­den seid (…) so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.» «Gleich­zei­tig zeige ich ein Bild von Jesus, der seine Arme öffnet oder reiche ein Herz aus Stoff herum. So dass dieses Gefühl durch ein Zeichen versinn­licht wird», sagt er. Eine weite­re Möglich­keit etwas zu versinn­li­chen sei beispiels­wei­se, mit Öl das Kreuz­zei­chen auf die Hand einer Person zu zeich­nen. Auch die Kommu­ni­on löse Emotio­nen aus. «Sie ist in der Gene­ra­ti­on, die aktu­ell an Demenz erkrankt ist, das Erken­nungs­zei­chen dafür, Teil einer Gemein­schaft zu sein und die Erin­ne­rung daran ist oft tief verankert.»

«Ich erle­be oft, dass wich­ti­ge Feste im Kirchen­jahr wie Weih­nach­ten oder Ostern mit ihrer spezi­el­len Atmo­sphä­re, ihren Symbo­len und Gerü­chen posi­ti­ve Emotio­nen bei Perso­nen mit Demenz auslö­sen», sagt Sepp Koller, Spital­seel­sor­ger am Kantons­spi­tal St. Gallen.

Sich an Bekann­tem orientieren

Auch für Sepp Koller, Spital­seel­sor­ger am Kantons­spi­tal St. Gallen, zeich­net sich ein Gottes­dienst für Menschen mit Demenz durch seine Schlicht­heit aus. «Wich­tig sind zudem vertrau­te Elemen­te, die aber möglichst kurz gehal­ten werden», sagt er. Gebe­te wie das Vater­un­ser, das Ave Maria oder auch bekann­te Bibel­tex­te würden meist gut funk­tio­nie­ren. «Da viele der älte­ren Perso­nen die Texte seit ihrer Kind­heit kennen, sind sie im Lang­zeit­ge­dächt­nis gespei­chert und geben ihnen ein Gefühl der Sicher­heit.» Dassel­be gelte für bekann­te Lieder wie die Mari­en­lie­der, das «Lobe den Herren», das «Gros­ser Gott, wir loben dich» sowie Weihnachts- oder Oster­lie­der. Vertraut­heit könne beispiels­wei­se zudem ein Gesang­buch schaf­fen, das die jewei­li­ge Person in den Händen halte. «Ich erle­be oft auch, dass wich­ti­ge Feste im Kirchen­jahr wie Weih­nach­ten oder Ostern mit ihrer spezi­el­len Atmo­sphä­re, ihren Symbo­len und Gerü­chen posi­ti­ve Emotio­nen bei Perso­nen mit Demenz auslö­sen», sagt er. «Voraus­set­zung ist immer, dass die Erin­ne­rung an die Kirche gute Gefüh­le auslöst.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: pixabay.com; zVg.; Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 25. Okto­ber 2022

Auf eigene Bedürfnisse achten

Was tun, damit die Lebens­qua­li­tät für Perso­nen mit Demenz, deren Ange­hö­ri­ge und Betreu­en­de möglichst gut bleibt? Ute Latuski-Ramm, Leite­rin der ökume­ni­schen Fach­stel­le «Beglei­tung in der letz­ten Lebens­pha­se» (BILL) sagt, wie wich­tig ein gutes Netz­werk ist. 

Wenn Ute Latuski-Ramm, Leite­rin BILL, einen konkre­ten Ratschlag an pfle­gen­de Ange­hö­ri­ge von Demenz-Betroffenen gibt, dann diesen: «Holt euch Hilfe, um euch bei der Betreu­ungs­ar­beit zu entlas­ten. Man kann nicht auf allen Gebie­ten Exper­te sein.» In der Erschöp­fung sieht die refor­mier­te Pfar­re­rin denn auch die gröss­te Gefahr für die Ange­hö­ri­gen. Häufig leben Demenz­kran­ke mit ihrem Part­ner oder ihrer Part­ne­rin zusam­men. Mit der Krank­heit ändert sich die Bezie­hung grund­le­gend: «Die Rollen sind nicht mehr diesel­ben, die gemein­sa­men Akti­vi­tä­ten sind einge­schränk­ter, die Selbst­be­stim­mung ist für beide nicht wie zuvor. Die Pati­en­ten sind oft unru­hig, auch nachts», erklärt sie. Die Situa­ti­on der Ange­hö­ri­gen kann auch mit Unsi­cher­hei­ten, Zukunfts­ängs­ten, Schuld­ge­füh­len oder Druck von aussen belas­tet werden. Damit die Abwärts­spi­ra­le gestoppt werden kann, empfiehlt die Fach­stel­len­lei­te­rin, auf eige­ne Gren­zen und Bedürf­nis­se zu achten: «Nicht ohne Grund spricht man bei Ange­hö­ri­gen von ‹Pati­en­ten zwei­ter Ordnung›. Oft ist der Leidens­druck bei ihnen nicht weni­ger gross als bei den Betrof­fe­nen, aber sie sind weni­ger sicht­bar.» Darum sei es zentral, dass Ange­hö­ri­ge auf ein Netz­werk von Fach­leu­ten, Insti­tu­tio­nen und Frei­wil­li­gen zurück­grei­fen können. Punk­to Unter­stüt­zung für Ange­hö­ri­ge weist Latu­ski darauf hin, dass die BILL-Website demnächst mit einer Liste aller Hilfs­an­ge­bo­te verlinkt wird. «Mitt­ler­wei­le besteht ein gros­ses Ange­bot von profes­sio­nel­len Insti­tu­tio­nen, Pfar­rei­en und Frei­wil­li­gen, die Treff­punk­te, Ausflü­ge oder auch Feri­en­be­treu­ung für Demenz-Patienten mit oder ohne Ange­hö­ri­gen organisieren.»

Kurse für Ange­hö­ri­ge 

Im Aufbau­kurs der BILL-Kursreihe «Nahe sein in schwe­rer Zeit» lernen die Teil­neh­men­den viel über die Pallia­tiv­pfle­ge. Nebst ethi­schen Fragen zu Krank­heit und Ster­ben wird der Umgang mit an Demenz erkrank­ten Menschen thema­ti­siert. Für die einzel­nen Modu­le zieht die Fach­stel­len­lei­te­rin weite­re Fach­per­so­nen wie eine Psych­ia­te­rin, Geron­to­lo­gin oder Juris­tin bei. Sie selbst deckt den seel­sor­ge­ri­schen Bereich ab. «Bei der spiri­tu­el­len Beglei­tung von Demenz-Patienten ist mir wich­tig, dass man den Menschen in seiner Persön­lich­keit und Würde nicht vernach­läs­sigt.» Dabei spie­le die nonver­ba­le Kommu­ni­ka­ti­on eine zentra­le Rolle. Gera­de wenn sich die Betrof­fe­nen mit Worten schwer­tun würden, müsse man einen ande­ren Weg finden. Zum Beispiel mit der basa­len Stimu­la­ti­on: «Durch Gerü­che, Berüh­run­gen oder Musik werden verschie­de­ne Sinne akti­viert. So kann man Menschen trotz­dem nahe sein und den Moment erleb­ba­rer machen.» Auch reli­giö­se Ritua­le können hilf­reich sein. Es gelte stets auf die Bedürf­nis­se, die Biogra­phie und die Spiri­tua­li­tät der an Demenz erkrank­ten Person zu achten. Da müsse man sehr offen sein und die eige­ne reli­giö­se Prägung bewusst zurückstellen. 

Die Liebe im Zentrum

Latu­ski weiss aus ihrer Tätig­keit, dass die Bedürf­nis­se nach Liebe und Wert­schät­zung bei Demenz-Betroffenen oft ganz tief da sind. Damit diese Gefüh­le fass­ba­rer werden, verweist sie auf die Bedürf­nis­blu­me von Tom Kitwood und erklärt anhand von zwei Beispie­len: «Beim gemein­sa­men Betrach­ten von Fotos erkennt sich die demenz­kran­ke Frau viel­leicht wieder als junges Mädchen auf dem Hoch­zeits­bild, obwohl sie sich im Spie­gel schon länger nicht mehr erkennt. Oder mit Fragen wie: Erzähl doch mal, wie war das früher? kann man die Iden­ti­tät von Demenz­kran­ken stär­ken. Wert­schät­zung bedeu­tet auch, dass man einer Person mit Demenz weiter­hin wert­schät­zend und empa­thisch zuhört, auch wenn sie schon zum x‑ten Mal diesel­be Aussa­ge macht. Es hilft nicht, wenn man ihr entgeg­net, dass sie dies gera­de eben schon erzählt habe.» Diese Metho­de nennt man Vali­da­ti­on: Statt zu korri­gie­ren und auf die Fehler hinzu­wei­sen, erkennt man die Gefüh­le und bestä­tigt, dass diese gerecht­fer­tigt sind. 

Aufbau­kurs «Nahe sein in schwe­rer Zeit»

Der Aufbau­kurs «Nahe sein in schwe­rer Zeit» geht auch auf den Umgang mit ­Demenz­kran­ken ein. Behan­delt werden ­folgen­de Themen: Vorsor­ge, Ange­hö­ri­ge gut beglei­ten, Demenz und spiri­tu­el­le Beglei­tung, nonver­ba­le und verba­le Kommu­ni­ka­ti­on. Ute Latuski-Ramm leitet die ökume­ni­sche Fach­stel­le seit Septem­ber 2022. Sie hat Theo­lo­gie studiert und den­Lehrgang «Pallia­ti­ve Care» absol­viert. Weite­re Infor­ma­tio­nen: www.bill-sg.ch

Text: Katja Hongler

Fotos: zVg.

Veröf­fent­licht: 24.10.2022

«Ein ­Zeichen für das Verbindende»

Der pensio­nier­te Jurist Bruno Glaus bringt Kunst in das Begeg­nungs­zen­trum der kath. Kirch­ge­mein­de Uznach. Dabei sah er sich mit unbe­kann­ten ­Heraus­for­de­run­gen konfrontiert.

«Es ist meine erste Ausstel­lung, die ich in kirch­li­chen Räum­lich­kei­ten kura­tie­re. Es gab die eine oder ande­re Heraus­for­de­rung zu bewäl­ti­gen», sagt Bruno Glaus und lacht. Es dürfen keine Nägel in die Wände geschla­gen werden, es sind kaum Aufhän­ge­vor­rich­tun­gen vorhan­den, statt­des­sen hängen Kreu­ze an den Wänden. «Man hätte diese Kreu­ze einfach abneh­men können. Doch wir haben uns dafür entschie­den, sie mit den Werken zu kombi­nie­ren. Zwei der Künst­ler wiesen mich darauf hin, dass im Kreuz auch das Plus-Zeichen zu finden ist. Das christ­li­che Symbol kann auch als Zeichen für das Verbin­den­de gele­sen werden.»

Bruno Glaus
Bruno Glaus bringt Kunst ins katho­li­sche Begeg­nungs­zen­trum Uznach © Ana Kontou­lis / Pfarreiforum

Schöp­fe­ri­sche Urkraft

Die erste Ausstel­lung im katho­li­schen Begeg­nungs­zen­trum wirkt wie aus einem Guss. Die ausge­stell­ten Werke sind ganz bewusst plat­ziert. So steht beispiels­wei­se an der Front­wand im Sitzungs­zim­mer eine sommer­li­che Natur­fo­to­gra­fie von Klaus Robin. Sie gibt dem Raum eine beschwing­te, inspi­rie­ren­de Atmo­sphä­re. Der pensio­nier­te Jurist hatte sich schon in seiner beruf­li­chen Tätig­keit auf Kunst­recht spezia­li­siert. Seit vielen Jahren enga­giert er sich im Linth­ge­biet als Kunst­för­de­rer und ‑vermitt­ler. «Die Anfra­ge der Kirch­ge­mein­de für diese Aufga­be hat mich über­rascht, aber gefreut», sagt er. Er bezeich­ne sich als Agnos­ti­ker, doch er unter­schei­de zwischen der Kirche als Insti­tu­ti­on und den Gläu­bi­gen. «Mit ihnen verbin­den mich die glei­chen Werte.» Posi­tiv in Erin­ne­rung geblie­ben ist ihm, dass die katho­li­sche Kirch­ge­mein­de Uznach ihn, der keinen Bezug zur Kirche hat, vor eini­gen Jahren in die Kunst­kom­mis­si­on beru­fen habe. Damals muss­ten beim Neubau des Begeg­nungs­zen­trums zwei Objek­te ausge­wählt werden. Auch dieses Mal habe er viel Vertrau­en und Offen­heit erfah­ren. Hinter dem Slogan «Kosmos – Kirche – Kunst» könne Bruno Glaus voll und ganz stehen: «Der Glau­be an eine schöp­fe­ri­sche Urkraft verbin­det, wenn nicht alle, so doch die meis­ten Menschen», sagt er. «Die schöp­fe­ri­sche Urkraft im Kosmos steht über allen und allem, sie mani­fes­tiert sich in jedem Menschen als das Schö­ne, im Reli­giö­sen wie im Künst­le­ri­schen.» Vorläu­fig habe er zuge­sagt, drei Jahres­aus­stel­lun­gen zu kura­tie­ren. Diese sollen jeweils am Palm­sonn­tag starten.

Wich­ti­ge Plattformen

«Kirche und Kunst haben sich schon immer inspi­riert», sagt er. Er denkt an bekann­te Namen wie Gerhard Rich­ter oder Neo Rauch. «Seit Jahr­hun­der­ten geben die Kirchen Künst­lern wich­ti­ge Platt­for­men und haben damit das Kunst­schaf­fen geför­dert.» Glaus begrüs­se es sehr, dass die Kirch­ge­mein­de Uznach es regio­na­len Künst­le­rin­nen und Künst­lern ermög­licht, ihre Werke auszu­stel­len. «Muse­en zeigen heute meist nur die ganz gros­sen Namen. Die regio­na­len Kunst­schaf­fen­den gehen oft verges­sen.» Die erste Ausstel­lung ist dem Riet­land im Linth­ge­biet und dessen viel­fäl­ti­ger Natur­land­schaft gewid­met. Zu sehen sind unter ande­rem Kunst­wer­ke von Stefan Gort, Chris­to­pher T. Hunzi­ker, Klaus Robin und Georg Wick. Manche davon wurden eigens für die Ausstel­lung kreiert.

Bruno Glaus zeigt die Werke von Künstler*innen aus der Region

Auch Jugend­li­che begeistern

Glaus ist der vermit­teln­de Charak­ter der Ausstel­lung wich­tig: «Sie soll Menschen mit Kunst in Verbin­dung brin­gen, die sich sonst nicht damit beschäf­ti­gen.» In Uznach bringt er die Menschen nicht nur zur Kunst, sondern auch in kirch­li­che Räum­lich­kei­ten. Vor kurzem hat er in einer Führung Lehr­per­so­nen aus der Regi­on die Ausstel­lung gezeigt – in der Hoff­nung, dass diese wieder­um mit ihren Schü­le­rin­nen und Schü­lern die Ausstel­lung besu­chen und so eine junge Gene­ra­ti­on Zugang zur Kunst findet.

Die Ausstel­lung ist jeweils nach dem Gottes­dienst und am Donners­tag von 9 bis 11 Uhr geöff­net. Weite­re Infos

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 10. Okto­ber 2022

Gesuche für finanzielle ­Unterstützung nehmen zu

Die wirt­schaft­li­chen Verwer­fun­gen der Pande­mie wirken noch immer nach: Diver­se kultu­rel­le und gemein­nüt­zi­ge Ange­bo­te, aber auch Privat­per­so­nen sind deswe­gen auf finan­zi­el­le Unter­stüt­zung ange­wie­sen. Auch die katho­li­sche Kirche erhält zuneh­mend mehr Anfragen.

Ist es in Ordnung, dass die Kirchen immer mehr Anfra­gen für finan­zi­el­le Unter­stüt­zungs­ge­su­che bekom­men, sich gleich­zei­tig aber viele Perso­nen für einen Kirchen­aus­tritt entschei­den? Diese Frage stell­te eine refor­mier­te Pfar­re­rin aus Zürich jüngst öffent­lich im Sozia­len Medi­um Twit­ter. Diese Entwick­lung sei Thema in Sitzun­gen ihrer Kirch­ge­mein­de. Auch im Bistum St. Gallen haben die Gesu­che etwa für finan­zi­el­le Notfall­über­brü­ckun­gen zuge­nom­men. «Gera­de während der Corona-Massnahmen haben wir massiv mehr Anfra­gen erhal­ten», sagt Phil­ipp Holder­eg­ger, Geschäfts­lei­ter der Cari­tas St. Gallen-Appenzell. «Gleich­zei­tig haben wir aber auch die nöti­gen finan­zi­el­len Mittel erhal­ten. Einer­seits von kirch­li­cher Seite, die die Hälf­te aller Mittel aufbringt. Ande­rer­seits haben wir beispiels­wei­se vom Kanton eine Vier­tel­mil­li­on Fran­ken bekom­men und von der Hilfs­ak­ti­on «Ostschwei­zer helfen Ostschwei­zern» (OhO) zwei­mal je eine halbe Million.»

Mehr Menschen verschuldet

Laut Holder­eg­ger befin­den sich die Gesu­che derzeit in etwa wieder auf demsel­ben Niveau wie vor Coro­na. «Inso­fern würde ich der Aussa­ge auf Twit­ter nicht ganz zustim­men», sagt er. «Was wir aber fest­stel­len ist, dass aktu­ell immer mehr Perso­nen zu uns in die Schul­den­be­ra­tung kommen. Die Betrof­fe­nen haben beispiels­wei­se während der Pande­mie die Limits ihrer Kredit­kar­ten aufge­braucht und wissen nicht, wie es finan­zi­ell weiter­ge­hen soll.» Holder­eg­ger betont, dass die Cari­tas ja genau dafür da sei, dass man vorbei­kom­men könne. «Die Schul­den­be­ra­tung und allen­falls finan­zi­el­le Unter­stüt­zung sind eine der Kern­auf­ga­ben, die der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil mit seinen Beiträ­gen an uns verknüpft hat», sagt er.

Gemein­nüt­zi­ge Engagements

Beim Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen sind es vor allem Orga­ni­sa­tio­nen und Insti­tu­tio­nen, die um finan­zi­el­le Unter­stüt­zung anfra­gen. Laut Medi­en­spre­cher Roger Fuchs war die Zahl der Gesu­che in den vergan­ge­nen Jahren stei­gend. «Die Diens­te und Leis­tun­gen des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils werden inner­halb und ausser­halb der Kirche immer besser bekannt», sagt Roger Fuchs über diese Entwick­lung. «Gleich­zei­tig sind in vielen Berei­chen die Heraus­for­de­run­gen in den letz­ten Jahren mit der Pande­mie gewach­sen: Über­all muss gespart werden. Bei Sozia­lem und Kultu­rel­lem ist der Rotstift häufig sehr schnell ange­setzt. Folg­lich läuft vieler­orts die Suche nach Finan­zen.» Aktu­ell unter­stützt der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil unter ande­rem das Respect Camp in Gossau, die Rhein­ta­ler Bach­ta­ge, die Stif­tung Auto­bahn­kir­che Ande­er, die Darge­bo­te­ne Hand Ostschweiz oder den Verein B‑treff Flawil. Während der Pande­mie haben der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil und die Cari­tas beispiels­wei­se auch über Maria Magda­le­na (ein Bera­tungs­an­ge­bot des Kantons St. Gallen für Sexar­bei­ten­de) Spen­den­gel­der für Sexar­bei­ten­de, die in finan­zi­el­le Not gera­ten sind, zur Verfü­gung gestellt (siehe www.pfarreiforum.ch, Ausga­be 08/2022). Die Anspruchs­hal­tung, dass die Kirche finan­zi­el­le Unter­stüt­zung leis­ten soll, bezeich­net Roger Fuchs in Bezug auf den Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil als berech­tigt. «Der Konfes­si­ons­teil verwal­tet die Einnah­men aus der Zentral­steu­er. Es gehört unter ande­rem zu seinen Aufga­ben, das kultu­rel­le Erbe zu bewah­ren, Güter und Immo­bi­li­en für die Nach­welt zu erhal­ten und auch in wohl­tä­ti­ge Arbei­ten zu inves­tie­ren», sagt er. Die Kirche trage mit ihren verschie­de­nen Enga­ge­ments zum Gemein­wohl und letzt­lich auch zum Zusam­men­halt in der Gesell­schaft bei.

Zu wenig zum Leben

Kaum jemand, der bei der Cari­tas in die Schul­den­be­ra­tung kommt, fordert laut Phil­ipp Holder­eg­ger, dass diese sämt­li­che seiner Schul­den beglei­chen solle. «Und eine Zunah­me dies­be­züg­lich stel­le ich auch nicht fest. Es sind Einzel­per­so­nen, die eine solche Erwar­tung haben und die gab es früher genau­so wie heute», sagt er. Ziel­grup­pe der Cari­tas sind von Armut betrof­fe­ne Perso­nen und Working Poor. Letz­te­res sind Perso­nen, die zwar keine Sozi­al­hil­fe bezie­hen, aber so wenig verdie­nen, dass das Geld nur knapp oder nicht bis Ende Monat reicht. «Oft schä­men sich die Betrof­fe­nen oder glau­ben, selbst schuld an ihrer Situa­ti­on zu sein», sagt Holder­eg­ger. «In solchen Situa­tio­nen stehen wir als Cari­tas hin und schau­en mit der betrof­fe­nen Person, was wir machen und wie wir aus dieser Situa­ti­on hinaus­hel­fen können.»

Text: Nina Rudnicki

Bild: Kellen­ber­ger und Kaminski/Caritas Schweiz

Veröf­fent­li­chung: 8. Okto­ber 2022

Podium Einsamkeit

«Allein bin ich ein Mensch ohne Seele»

Wie kann ich verhin­dern, dass ich einsam werde? Ein Podi­um in Watt­wil zeig­te auf, warum immer mehr Menschen unter Einsam­keit leiden und welche Auswe­ge es gibt.

Mit sieb­zig Jahren ist man nicht zu alt, um eine neue Bezie­hung einzu­ge­hen», sagt Sonja Ruck­li, während die Kame­ra sie beim Chat­ten filmt. Sie ist eine von sieben Menschen, die sich im Film «Einsam­keit hat viele Gesich­ter» porträ­tie­ren lies­sen. Der Film bildet den Einstieg ins Podi­um im BBZ zum Thema Einsam­keit, das am 7. Septem­ber unter ande­rem vom Amt für Gesund­heits­fra­gen des Kantons St. Gallen, der Seel­sor­ge­ein­heit Neutog­gen­burg und der evan­ge­li­schen Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg orga­ni­siert wurde. Die Einsam­keit in unse­rer Gesell­schaft nimmt zu. Das nehmen alle Podi­ums­teil­neh­men­den wahr. Und: Gefüh­le der Isola­ti­on treten nicht erst im Alter auf. «Ich erle­be in meiner Tätig­keit auch viele junge Menschen, denen Einsam­keit zu schaf­fen macht», sagt Stefan Rüsch, Psycho­lo­ge. «Sich einsam zu fühlen, ist mit Scham verbun­den.» Doch sich einzu­ge­ste­hen, einsam zu sein, sei oft ein erster Schritt. «Leider ist für viele die Hürde gross, Hilfe anzu­neh­men», so Tanja Merten. Die Fach­ärz­tin rech­net damit, dass die Einsam­keit in den nächs­ten Jahren durch die Digi­ta­li­sie­rung weiter zuneh­men wird: Viele Berei­che verla­gern sich ins Digi­ta­le, auch Einkäu­fe werden immer mehr online erle­digt. So fallen Kontak­te wie die Begeg­nun­gen in den Geschäf­ten oder der Plausch mit der Kassie­re­rin weg.

Rainer Pabst (mitte) moti­vier­te die Anwe­sen­den, mehr aufein­an­der zuzugehen.

Kontak­te zu Jüngeren

Agnes Heiniger-Gmür von Pro Senec­tu­te Wil & Toggen­burg weist darauf hin, dass unter Hoch­alt­ri­gen Einsam­keit beson­ders verbrei­tet sei. «Die Kraft, neue Kontak­te aufzu­bau­en lässt mit dem Alter nach. Man tut sich immer schwe­rer, Kontak­te zu pfle­gen oder aufzu­bau­en.» Ein Mittel gegen Einsam­keit können Hobbys sein: «Für viele ist es eine Hilfe, sich in einem Hobby vertie­fen zu können: Malen, schrei­ben …», hält Karo­li­na Stani­szew­ski vom Amt für Gesund­heits­vor­sor­ge fest. «Hilf­reich ist auch, regel­mäs­sig zu tele­fo­nie­ren oder Brief­freund­schaf­ten aufzu­bau­en. Das kann ich auch noch, wenn ich mobil einge­schränkt bin.» Rainer Papst, refor­mier­ter Pfar­rer der Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg, erlebt, dass oft auch Ehren­äm­ter und die Kontak­te, die dadurch entste­hen, Funda­men­te bis ins hohe Alter bilden: «Wenn ich mich lange beim Mittags­tisch oder beim Kirchen­ca­fé enga­giert habe, dann kann ich auch später dort hinge­hen, ich kenne die Leute und fühle mich will­kom­men.» Der refor­mier­te Pfar­rer sieht eine Chan­ce im Gene­ra­tio­nen­dia­log: «Wer die Möglich­keit hat, soll­te unbe­dingt auch Kontak­te zu jünge­ren Menschen aufbau­en.» Davon würden nicht nur die älte­ren, sondern auch die jünge­ren profi­tie­ren: «Älte­re Menschen haben so viel Lebens­er­fah­rung, es ist ein Gewinn für alle, wenn sie sich einbringen.»

Aufein­an­der zugehen

Bei eini­gen im Film Porträ­tier­ten tauch­te die Einsam­keit nach der Pensio­nie­rung auf – meist nicht direkt, aber ein paar Jahre später: «Wer im Berufs­le­ben steht, hat viele Kontak­te und da trai­niert man auto­ma­tisch den Austausch mit ande­ren Menschen», so Karo­li­na Stani­szew­ski, «wenn die Kontak­te wegfal­len, dann fehlt auch das Trai­ning und man verliert immer mehr die Routi­ne, mit ande­ren zu inter­agie­ren.» Auf eines wollen alle Podi­ums­teil­neh­men­den hinwei­sen: Es muss sich etwas in der Gesell­schaft tun. Doch das ist gar nicht so einfach, Einsam­keit sei ein stil­les Leiden. «Auf der Stras­se sieht man es nieman­dem an, dass er einsam ist», so Agnes Heiniger-Gmür. «Viele älte­re Menschen haben das Bedürf­nis, sich mitzu­tei­len. Deshalb ist es sicher nicht verkehrt, Fragen in diese Rich­tung zu stel­len.» Das Votum von Rainer Papst geht in eine ähnli­che Rich­tung: «Wir müssen alle Bezie­hungs­fä­hig­keit einüben. Die ganze Gesell­schaft muss akti­ver auf ande­re zuge­hen. Das ist kein Selbstläufer.»

Text und Bild: Stephan Sigg

Veröf­fent­licht: 03. Okto­ber 2022

Film über Einsamkeit

Im 34-minütigen Doku­men­tar­film «Einsam­keit hat viele Gesich­ter» erzäh­len sieben Perso­nen aus der Deutsch­schweiz über ihre Erfah­rung mit Einsam­keit: Was macht ihnen zu schaf­fen und was wünschen sie sich? «Allein bin ich ein Mensch ohne Seele», bringt Moham­med Malla seine Gefüh­le auf den Punkt. Gleich­zei­tig wird im Film auch sicht­bar, wie sie versu­chen, sich aus ihrer Isola­ti­on zu befrei­en. Der Film kann online ange­schaut werden.

→ www.einsamkeit-gesichter.ch

Sr. Gloria spricht in Oberriet über ihre Entführung in Mali

Ordens­frau Gloria Ceci­lia Narváez wurde in Mali von Dschi­ha­dis­ten ­entführt und vier Jahre und acht Mona­te gefan­gen gehal­ten. Im Fran­zis­kus­heim in Ober­riet, wo sie vor ihrer Missi­on zwei Jahre gelebt hatte, sprach sie mit dem Pfar­rei­fo­rum über den Terror in der Sahara.

Sr. Gloria erzählt beim Tref­fen im Fran­zi­kus­heim in Ober­riet von ihren trau­ma­ti­schen Erleb­nis­sen in der Gefangenschaft.

Sr. Gloria, vor knapp einem Jahr wurden Sie befreit. Wie geht es Ihnen heute?

Sr. Gloria: Ich habe mich nach der Befrei­ung in meiner Heimat in Kolum­bi­en erholt. Ich bin Gott und allen, die für mich gebe­tet haben, unend­lich dank­bar, dass ich diese Zeit seelisch und körper­lich über­lebt habe. Ich bin auch dank­bar für ­diese Erfah­rung und möch­te mit meiner Geschich­te ande­re Menschen in Not ermutigen.

Wie muss man sich diese ­Gefan­gen­schaft vorstellen?

Sr. Gloria: Wir waren vier Frau­en, die von etwa 30 Terro­ris­ten in der Wüste Saha­ra gefan­gen gehal­ten wurden. Sie woll­ten uns mit Gewalt vom Chris­ten­tum zum Islam bekeh­ren. Zwei Chris­tin­nen (eine Fran­zö­sin, die für UNICEF arbei­te­te und eine Kana­die­rin) konver­tier­ten und wurden anschlies­send besser behan­delt. Die Schwei­ze­rin und ich haben immer gesagt, dass wir Chris­ten seien und blei­ben werden. Während der Gefan­gen­schaft muss­te ich die 75-jährige Fran­zö­sin betreu­en. Morgens habe ich jeweils gebe­tet und Tee gekocht. Ich bekam ein biss­chen Mehl, damit ich für uns einen Teig zube­rei­ten konn­te. Mittags gab es ein wenig Reis oder Pasta, danach nichts mehr. Wir beka­men täglich einen klei­nen Behäl­ter mit Wasser zum Trin­ken und Kochen. Wenn ein biss­chen übrig blieb, konn­ten wir uns damit waschen. Wir haben immer in der frei­en Natur über­nach­tet. Umge­ben von Schlan­gen, Spin­nen und ande­ren Wild­tie­ren. Ich war jeden Morgen dank­bar, dass ich noch lebte. Die Kana­die­rin und die Fran­zö­sin wurde nach drei Jahren frei­ge­las­sen, muss­ten sich aller­dings verpflich­ten, in Mali einen Mann zu heira­ten und wohn­haft zu blei­ben. Die Schwei­ze­rin wurde umgebracht.

Wie ist man mit Ihnen ­umge­gan­gen? Gab es auch mensch­li­che ­Momen­te mit den Geiselnehmern?

Sr. Gloria: Weil wir nicht zum Islam konver­tier­ten, haben sie uns geschla­gen, gede­mü­tigt und gefol­tert. Die Terro­ris­ten haben sich auch mit Drogen voll­ge­pumpt und wurden sehr aggres­siv. Waffen waren allge­gen­wär­tig. Ich habe fünf Mal versucht zu flie­hen, doch es gab keinen Ausweg aus der Wüste. Nach den Flucht­ver­su­chen wurde ich mona­te­lang an den Füssen ange­ket­tet. Einmal hat mich einer gefes­selt und mir eine Waffe an den Kopf gehal­ten. In diesem Moment kam ein ande­rer Terro­rist, der viel grös­ser war und sagte zu ihm: «Warum willst du sie umbrin­gen, sie hat dir ja gar nichts ange­tan?» Darauf­hin hat er mich gehen lassen. Es gab auch ande­re, klei­ne Zeichen von Mitge­fühl. Manch­mal warf mir einer nachts ein Stück Brot oder ein biss­chen Milch in einer Plas­tik­tü­te zu.

Konn­ten Sie einschät­zen, ob und wann Sie befreit werden? 

Sr. Gloria: Nein, ich hatte keine Ahnung was mir geschah. Ich hatte nie Kontakt zur Aussen­welt. Die ganze Situa­ti­on war sehr ange­spannt und von Gewalt geprägt, immer wieder kreis­ten Heli­ko­pter und Droh­nen über uns. Die Terro­ris­ten wurden verfolgt und hatten auch Angst. Wir muss­ten mehre­re Male flüch­ten und umzie­hen. Es gab auch Schies­se­rei­en und wir muss­ten uns in Sand­grä­ben verste­cken. Am Tag der Befrei­ung kam ein hoher Mili­tär von Mali vorbei und sagte, ich solle in sein Auto stei­gen. Anfangs habe ich mich gewehrt, weil ich ihm nicht trau­en konn­te. Ich bin dann doch mitge­fah­ren und er hat mich tatsäch­lich befreit. Er brach­te mich zum Präsi­den­ten von Mali und dieser schenk­te mir zur Begrüs­sung ein gelbes Kleid. Bis zu diesem Tag hatte ich immer densel­ben brau­nen Habit getra­gen, dessen Stoff sich nach so gerau­mer Zeit wie Leder anfühl­te. Dass hinter dieser Befrei­ungs­ak­ti­on unzäh­li­ge Verhand­lun­gen mit verschie­de­nen Regie­run­gen (insbe­son­de­re Mali) und dem Vati­kan steck­ten, erfuhr ich später.

Sr. Gloria (hier im Garten des Fran­zis­kus­hei­mes in Ober­riet) wurde in Mali von Dschi­ha­dis­ten entführt und vier Jahre und acht Mona­te gefan­gen gehalten.

Wie haben Sie dieser ­seeli­schen und körper­li­chen Belas­tung Stand gehal­ten? Was hat Ihnen geholfen?

Sr. Gloria: Ich habe sehr viel gebe­tet und konn­te durch den Glau­ben immer wieder neue Kraft und Hoff­nung schöp­fen. Ich hatte vier wich­ti­ge Glücks­brin­ger dabei: Einen Rosen­kranz, zwei Hals­ket­ten, eine mit einem Medail­lon und eine mit einem Tau-Anhänger sowie der Finger­ring vom Franziskanerinnen-Orden. Sie haben mich beschützt und wenn ich nachts beson­ders viel Angst hatte, umklam­mer­te ich das hölzer­ne Tau-Zeichen mit meiner Hand. Ich habe auch immer die Terro­ris­ten in mein Gebet einge­schlos­sen. Tags­über haben wir versucht, uns mit einfa­chen Spie­len abzu­len­ken. In beson­ders schwie­ri­gen Situa­tio­nen habe ich immer zu mir gesagt: «Ich bin in den Händen von Gott und er hilft mir.» Ich habe einfach nie verstan­den, warum sie uns unschul­di­ge Frau­en, die nur Gutes tun woll­ten, so tyran­ni­siert haben. Wir hatten perma­nent Angst, umge­bracht zu werden, nur unse­rer Reli­gi­on wegen.

Viele haben für Sie gebe­tet, insbe­son­de­re die Fran­zis­ka­n­er­schwes­tern von Ober­riet. ­Haben Sie diese ­Unter­stüt­zung gespürt?

Sr. Gloria: Ich glau­be, dass diese Gebe­te von den Schwes­tern und ande­ren Menschen aus der ganzen Welt eine Wirkung zeig­ten. Irgend­wo­her hatte ich diese unglaub­li­che, inne­re Kraft, um das Ganze durch­zu­ste­hen. Es gab so viele lebens­be­droh­li­che Situa­tio­nen, die ich ohne diese mora­li­sche Unter­stüt­zung und ohne meinen Glau­ben nicht über­lebt hätte. Dank meiner Hoff­nung und Zuver­sicht konn­te ich auch die ande­ren Geiseln trös­ten und ermutigen. 

Wie gehen Sie mit diesen ­trau­ma­ti­schen Erleb­nis­sen um? Kann man das mit der Zeit ­irgend­wie verarbeiten?

Sr. Gloria: Nach meiner Rück­kehr in Kolum­bi­en habe ich mich die ersten drei Mona­te schwei­gend zurück­ge­zo­gen. Ich habe alles aufge­schrie­ben und viel gebe­tet, um mich selbst zu heilen. Später haben mir die Begeg­nun­gen mit ande­ren Schwes­tern sehr gehol­fen. Ich habe auch mit vielen Menschen gespro­chen, die Hunger leiden oder in Kriegs­ge­bie­ten um ihr Leben kämp­fen. Mit meiner Erfah­rung konn­te ich sie trös­ten und ermu­ti­gen. Ich kann ihnen nach­füh­len und durch den Glau­ben neue Hoff­nung schenken. 

Sr. Gloria möch­te wieder in die Missi­on gehen und Menschen in Not helfen.

Wie geht es den Frau­en und Kindern heute in Mali? Und wie geht es mit den ­Projek­ten vor Ort weiter?

Sr. Gloria: Das ist das Schöns­te an dieser Geschich­te: Die Projek­te laufen weiter. Die Frau­en in Mali haben das weiter­ent­wi­ckelt, was wir aufge­baut haben. Sie haben Koope­ra­tio­nen gegrün­det, haben dank Mikro-Krediten eige­ne Geschäf­te gegrün­det und sind mitt­ler­wei­le finan­zi­ell eigen­stän­dig. Die ande­ren Fran­zis­ka­n­er­schwes­tern sind zwar nach der Entfüh­rung aus dem Schwes­tern­haus ausge­zo­gen, leben aber immer noch in der Nähe und besu­chen die Frau­en regel­mäs­sig vor Ort. Ich selbst möch­te auch wieder auf Missi­on gehen. Es gibt so viele Menschen in so vielen Ländern, die drin­gend unse­re Hilfe benötigen.

Missi­ons­fran­ziskane­rin­nen in Oberriet

Sr. Gloria, gebo­ren 1962 in Kolum­bi­en, war sieben Jahre in Benin und sieben Jahre in Mali als Missi­ons­fran­zis­ka­ne­rin zur Unter­stüt­zung von Frau­en und Fami­li­en im Einsatz. ­Zusam­men mit ande­ren Fran­zis­ka­n­er­schwes­tern hat sie in Mali ein Waisen­haus und ein ­Gesund­heits­zen­trum gegrün­det, Schu­len und Arbeits­plät­ze für Frau­en aufge­baut. Diese ­Projek­te wurden finan­zi­ell von der Missi­ons­pro­ku­ra unter­stützt. Mali ist ein musli­misch ­gepräg­tes Land, wobei die Fran­zis­ka­n­er­schwes­tern laut eige­nen Anga­ben nie versucht ­haben, Musli­me zu bekeh­ren. Sr. Gloria war die trei­ben­de Kraft vor Ort, bis im Febru­ar 2017 Dschi­ha­dis­ten im Schwes­tern­haus eindran­gen und sie entführ­ten. Trotz inten­si­ver ­Suche auf höchs­ten Regie­rungs­ebe­nen blieb Sr. Gloria verschol­len. Am 9. Okto­ber 2021 konn­te sie ­befreit werden.

Inter­view: Katja Hongler

Fotos: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 26. Septem­ber 2022

Reisebüro Linth

Mit dem Schiff in die USA

Warum migrie­ren Menschen? Das «Reise­bü­ro Linth» nimmt die Besu­chen­den mit auf eine emotio­na­le Reise. Die Ausstel­lung regt mit über­ra­schen­den ­Inter­ak­tio­nen und Insze­nie­run­gen an, die Perspek­ti­ve von Migran­tin­nen und Migran­ten einzunehmen.

In den Ausstel­lungs­räu­men des Reise­bü­ros Linth dreht sich alles um die Suche nach Glück, Heimat­ge­fühl, Flucht, Aben­teu­er, Fern­weh und frem­de Kulturen.

«Auswan­de­rung und Einwan­de­rung sind allge­gen­wär­tig. Wir wollen aufzei­gen, was sich im Kopf der Menschen abspielt, wenn sie sich entschei­den, die Heimat für immer zu verlas­sen», sagt Peter Brun­ner (54), Leiter des Reise­bü­ros Linth und Präsi­dent der Kultur­kom­mis­si­on Kalt­brunn. «Was sind ihre Gedan­ken? Wie stark muss der Wunsch oder die Not sein, um in die Ferne aufzu­bre­chen und das Vertrau­te hinter sich zu lassen?» In den Ausstel­lungs­räu­men dreht sich alles um die Suche nach Glück, Heimat­ge­füh­le, Flucht, Aben­teu­er, Fern­weh und frem­de Kultu­ren. «Wir beschrän­ken uns nicht auf einen histo­ri­schen Rück­blick, sondern bear­bei­ten auch aktu­el­le Gesche­hen und möch­ten die Diver­si­tät sowie einen respekt­vol­len Umgang mit frem­den Kultu­ren fördern.»

Nach­den­ken und Nachfühlen

Im 19. Jahr­hun­dert gab es im Linth­ge­biet drei gros­se Auswan­de­rungs­wel­len. Damals sind unzäh­li­ge Menschen aufge­bro­chen in der Hoff­nung auf ein besse­res Leben. Viele von ihnen sind unter menschen­un­wür­di­gen Verhält­nis­sen nach Ameri­ka gereist. Die meis­ten mit dem Schiff – je nach sozia­lem Status in unter­schied­li­chen Klas­sen: Reisen­de der drit­ten Klas­se wurden in schä­bi­gen Schiffs­ka­bi­nen einge­pfercht. Dieses bedroh­li­che Gefühl wird den Besu­chen­den im authen­tisch insze­nier­ten Schiffs­raum vermit­telt. Dabei wird die räum­li­che Wahr­neh­mung mit Geräu­schen eines stür­mi­schen Meers verstärkt. Brun­ner betont: «Es ist uns wich­tig, dass unse­re Gäste nicht nur konsu­mie­ren, sondern sich auch über­le­gen, was die Menschen in diesen Situa­tio­nen gefühlt haben.» Reisen­de der ersten und zwei­ten Klas­se genos­sen nicht nur an Bord beson­de­ren Service. Sie wurden auch von den Einwan­de­rungs­be­hör­den in New York bevor­zugt behan­delt, während die Passa­gie­re der drit­ten Klas­se mit Booten nach Ellis Island verfrach­tet wurden. Von dort wurden sie – teil­wei­se aus dubio­sen Grün­den – entwe­der direkt ins Heimat­land zurück­ge­schickt oder ihnen stand ein schwie­ri­ger Start in einem frem­den Land bevor. Letzt­lich war es reine Glücks­sa­che, wie und ob man als Einwan­de­rin oder Einwan­de­rer in einem frem­den Land aufge­nom­men wurde. Dieser Moment der Entschei­dung wird in der Ausstel­lung mit einem Glücks­rad symbolisiert.

Reisebüro Linth
Die Einwan­de­rungs­be­hör­den in New York behan­del­ten nicht alle Einwander*innen gleich.

Sonder­aus­stel­lung Flucht

Das Reise­bü­ro Linth wurde im Okto­ber 2021 eröff­net. «Vorher haben wir in diesem Haus ein klas­si­sches Feld-Wald-Wiesen-Museum mit wech­seln­den Ausstel­lun­gen betrie­ben.» Das neue Konzept und der neue Name fokus­sie­ren auf das Mono-Thema Migra­ti­on. Nebst der Dauer­aus­stel­lung gibt es im Dach­ge­schoss eine Sonder­aus­stel­lung mit Werk­ko­pien des Kalt­brun­ner Auswan­de­rers Ferdi­nand Arnold Brader. Der talen­tier­te Zeich­ner verliess 1870 seine Heimat in Rich­tung Ameri­ka. Während er in der Schweiz unbe­kannt blieb, entwi­ckel­ten sich seine Werke auf dem ameri­ka­ni­schen Kunst­markt zur gros­sen Attrak­ti­on. «Diese Ausstel­lung war dank des Kontak­tes zur Präsi­den­tin der Schwei­zer Auswan­de­rer in Ameri­ka möglich», bemerkt Brun­ner. Für die Sonder­aus­stel­lung «Flucht», die aufgrund des aktu­el­len Ukraine-Konfliktes in kürzes­ter Zeit reali­siert wurde, war sein Netz­werk eben­falls von gros­sem Nutzen. «Auch dank Leih-Exponaten aus dem Lager des Histo­ri­schen und Völker­kun­de­mu­se­ums St. Gallen konn­ten wir das Projekt so rasch umset­zen», ergänzt er. Brun­ner, der zeit­le­bens in Kalt­brunn wohnt und arbei­tet, amtet im Auftrag der Poli­ti­schen Gemein­de als Leiter des Reise­bü­ros. Doch sein fünf­köp­fi­ges Team und er leis­ten gröss­ten­teils Fron­ar­beit. Die nächs­te Sonder­aus­stel­lung ist schon geplant: «Immi­gra­ti­on der Italie­ne­rin­nen und Italie­ner in die Schweiz.» 

→ www.reisebuero-linth.ch

Peter Brun­ner, Leiter Reise­bü­ro Linth
Reisebüro Linth
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Text: Katja Hongler

Fotos: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 25.09.2022

Leserfrage: Wieso gibt es auf ­Kirchtürmen Hahn oder Kreuz?

«Warum hat es auf den refor­mier­ten Kirchen einen Güggel und auf katho­li­schen das Kreuz?» Dafür gibt es doch Gründe?

Viel­leicht auch noch ande­re Grün­de als die Geschich­te von Petrus, der Jesus drei­mal verleug­net und sich dann total über sich selbst ärgert, als der Hahn kräht, genau wie Jesus es ihm voraus­ge­sagt hatte. Ausge­rech­net er, Simon, der von Jesus den Über-Namen Petrus bekom­men hat: Der Fels! Er war stets bereit, von einem Extrem ins ande­re zu fallen, der wankel­mü­tigs­te von allen Apos­teln, mit flat­ter­haf­tem Charak­ter. Ausge­rech­net den Petrus mit dieser «Hahn-Geschichte» macht Jesus zum Chef! «Wenn ein Chef in einem Unter­neh­men eine solche Perso­nal­ent­schei­dung tref­fen würde, dann würden seine Mitar­bei­ten­den zumin­dest hinter vorge­hal­te­ner Hand flüs­tern: Das ist doch ein Witz! Und Jesus kann sich einen solchen Witz erlau­ben. Er hat in einem tiefe­ren Sinn Humor, als er uns meist zur Verfü­gung steht. Jeden­falls macht er damit deut­lich, dass er nicht auf (unse­re) mensch­li­chen Vorga­ben ange­wie­sen ist», schreibt Pater Albert Keller. Das wären ja schon zwei Grün­de für den Güggel auf dem Kirch­turm: Ich darf mitma­chen trotz meiner Fehler und Schwä­chen. Und Gott hat Humor.

Vorsicht in ande­ren Gegenden

Ein Zeichen von Humor ist ja auch dies: Der Hahn zeigt mir, dies ist eine refor­mier­te Kirche, eine katho­li­sche hätte ein Kreuz auf dem Turm! Aber Vorsicht! In vielen Gegen­den – im katho­li­schen Bayern wie im evan­ge­li­schen Nord­deutsch­land – ist es genau umge­kehrt! Viel­leicht hat dies der liebe Gott mit seinem Humor so einge­rich­tet, um uns auch zu zeigen: Die Kirchen, auch wenn sie verschie­den sind, sind mir lieb und sind mir wert­voll. Hahn und Kreuz sind austausch­bar! Der Güggel auf dem Kirch­turm will mich erin­nern: Wir Menschen brau­chen immer wieder Verge­bung und Verzei­hung, wie Petrus. Und: Rette dich nicht mit Lügen wie Petrus! Der hat nämlich aus lauter Angst gelo­gen und gesagt: «Ich habe nichts mit Jesus zu tun.» Ausser­dem: Sei ganz wach­sam! Lass dich nicht von Jesus wegzie­hen. Und wenn dir das doch mal passiert ist, geh immer wieder zurück zu ihm.

Güggel als Wetterfahne

Manch­mal funk­tio­niert der Güggel oben auch als Wetter­fah­ne, beson­ders am Meer. Dann sagt uns der Hahn: als Chris­ten sollen wir eben nicht immer unse­re Jacke nach dem Wind hängen. Sondern uns nach Jesus ausrich­ten. Sowohl Kreuz wie Güggel können auch Blitz­ab­lei­ter sein. Das kann mir sagen: Chris­tus ist ein Blitz­ab­lei­ter für mich dann, wenn meine Ängs­te oder Zorn und Wut mich beherr­schen wollen. Die Rock­band Jeth­ro Tull hat ein Lied gesun­gen vom Wetter­hahn auf dem Kirch­turm: «Guten Morgen Wetter­hahn! Zeig uns die Rich­tung! Verbin­de du uns mit den guten Winden!» Auch darum steht der Güggel auf dem Kirch­turm: Wie das Kreuz ist auch der Hahn ein Segens­zei­chen: ein Symbol für Jesus selbst. Durch sein Krähen kündigt der Hahn als Erster das Morgen­rot an. Und Chris­tus ist das neue Licht in deinem Tag und in meinem Tag.

Rein­hard Paulzen

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Text: Rein­hard Paul­zen, Pfar­rei­be­auf­trag­ter Heerbrugg

Veröf­fent­li­chung: 6. Septem­ber 2022

Auf Reisen in die Fantasie

Die Spital­clow­nin Liz Monte­leo­ne aus Leng­gen­wil erzählt, wie Humor in schwe­ren Situa­tio­nen funktioniert.

«Ich konzen­trie­re mich als Dr. Floh oder Sissi Lebens­freu­de immer auf das, was gesund ist», sagt Liz Monte­leo­ne. Seit 21 Jahren arbei­tet die Leng­gen­wi­le­rin als Spital­clow­nin. Im Kittel, mit klei­ner roter Nase, blau­en Augen­brau­en und bunten Klei­dern besucht sie als Traum­dok­to­rin der Stif­tung Theodo­ra junge Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in Kinder­spi­tä­lern wie etwa jenes in St. Gallen. Als Sissi Lebens­freu­de ist sie zudem für die Stif­tung Lebens­freu­de in Alters- und Pfle­ge­hei­men unter­wegs. Und frei­schaf­fend tritt sie als Clow­nin Peppi­na Polen­ta auf. Gebucht wird sie für Geburts­ta­ge und Hoch­zei­ten oder auch wie jüngst für die Segens­fei­er in der Kathe­dra­le St. Gallen für Menschen mit und ohne Beeinträchtigung.

Fein­ge­fühl und Spontanität

Sich aufs Gesun­de zu konzen­trie­ren, das heis­se beispiels­wei­se, ein Blumen­bild auf dem Roll­stuhl einer betag­ten Person als Anlass zu einer Reise zu nehmen. «Ich sage dann: ‹Sehen Sie schön aus. Geht es in den Ausgang?›», erzählt Liz Monte­leo­ne. «Wenn die Person antwor­tet, das könne sie doch nicht mehr, antwor­te ich wieder­um, dass Fanta­sie­rei­sen doch immer gingen. Schon geht es los.» Kinder hätten oft ein Stoff­tier dabei, über welches sich dann eben­falls eine Geschich­te aufbau­en lasse. Auch wenn sich Liz Monte­leo­ne über den Hinter­grund und die Diagno­sen der betrof­fe­nen Kinder und Erwach­se­nen infor­miert, braucht es während der Besu­che Fein­ge­fühl und vor allem Spon­ta­ni­tät. «Ich muss den Moment spüren und die rich­ti­gen Worte finden. Das können Floh, Sissi und auch Peppi­na viel besser als ich als Privat­per­son», sagt die 59-Jährige und fügt an: «Aber da Floh, Sissi und Peppi­na eben­falls nicht der Norm entspre­chen, ist es für sie einfa­cher, damit umzu­ge­hen.» Oft sei es auch allei­ne schon die Aufma­chung, die Türen und Tore zum Herzen des Gegen­übers öffne.

Strah­len­de Kinderaugen

Freu­de, Ablen­kung und Zeit: Das möch­te Liz Monte­leo­ne mit ihren Besu­chen schen­ken. Wie viel Kraft die Betrof­fe­nen daraus schöp­fen, erfährt sie aus Rück­mel­dun­gen. Und auch die strah­len­den Kinder­au­gen würden ihr zeigen, wie wich­tig die unbe­schwer­ten Momen­te seien. Diese Momen­te sind es, die Liz Monte­leo­ne selbst Kraft geben. Hinzu komme die gute Zusam­men­ar­beit mit Arbeits­kol­le­gin­nen und ‑kolle­gen, dem Perso­nal im Spital und den Heimen und das Wissen, dass im Hinter­grund die beiden Stif­tun­gen und zahl­rei­che Spen­de­rin­nen und Spen­der stehen. Eine ihrer stärks­ten Erin­ne­run­gen ist die Begeg­nung mit einem krebs­kran­ken Buben während ihrer Berufs­ein­füh­rung. Liz Monte­leo­ne war mit Dr. Stanis­laus, einem als Spital­clown erfah­re­nen Kolle­gen, auf der Onko­lo­gie unter­wegs. Da kam der Bub auf die beiden zuge­rannt und schnapp­te sich die Wasser­pis­to­le des Kolle­gen. Die beiden jagten sich den Flur hoch und runter und immer mehr Perso­nen feuer­ten sie an. «Dieser Moment war magisch. Da war beim ersten Anblick so erschre­ckend viel Krank­heit, doch dann hatte das Gesun­de für ein paar Minu­ten die komplet­te Überhand.»

Ein uner­reich­ba­rer Berufswunsch

Nebst diesen Erin­ne­run­gen an unbe­schwer­te Momen­te findet Liz Monte­leo­ne auch Ausgleich in der Natur, während Spazier­gän­gen oder des Gärt­nerns sowie bei ihrer Fami­lie und Freun­den. Sie ist Mutter zwei­er erwach­se­ner Kinder und fünf­fa­che Gross­mutter. Für den Beruf der Spital­clow­nin hatte sie sich entschie­den, nach­dem sie einen Fern­seh­bei­trag zu dem Thema gese­hen hatte. «Mein Wunsch kam mir uner­reich­bar vor und ich behielt ihn zwei Jahre für mich. Dann konn­te ich aber nicht mehr anders als mich auf diesen Weg zu bege­ben», sagt sie. So habe sie die Clown­kur­se bei David Gilm­o­re und die Thea­ter­kur­se bei Oliver Kühn besucht. Danach konn­te sie bei der Stif­tung Theodo­ra die Ausbil­dung zum Traum­dok­tor machen. «Dieser Beruf und ich, das war Liebe auf den ersten Blick. Und die ist bis heute gewachsen.»

Text und Bilder: Nina Rudnicki

Veröf­fent­li­chung: 1. Septem­ber 2022

Wie und wie besser nicht?

Es gibt Momen­te, da fehlen schlicht die rich­ti­gen Worte. Wir fühlen uns gehemmt, ­über­for­dert oder unwohl, wenn wir einem Menschen begeg­nen, der etwas Tragi­sches erlebt hat oder gera­de in einer schwie­ri­gen Lebens­pha­se steckt. Wie reagieren?

DO

Mitge­fühl zum Ausdruck brin­gen: «Es tut mir leid, dass …»

An eige­ne Erfah­run­gen denken: Was würde uns selbst in einer ­solchen Situa­ti­on guttun? ­Viel­leicht waren wir schon in ­einer ähnli­chen Situa­ti­on und ­erin­nern uns an ­Reak­tio­nen von ande­ren Menschen, die uns ­aufge­mun­tert haben.

Zuver­sicht verbrei­ten: «Ich hoffe, dass es bald besser wird.»

Hilfe anbie­ten: «Was kann ich für dich/euch tun?»

In Kontakt blei­ben: Kurze ­Nach­rich­ten schi­cken, via Handy oder per Post.

Gren­zen akzep­tie­ren: Wer nicht ­antwor­tet oder nicht weiter­sprechen mag, soll­te Verständ­nis ­erwar­ten dürfen.

Trau­ern­den Zeit lassen. Auch wenn der Alltag uns rasch ­einholt, Trau­er braucht Zeit.

Auf profes­sio­nel­le Hilfs­an­ge­bo­te ­hinwei­sen, wenn jemand ­über­for­dert wirkt.

Eine selbst­ge­schrie­be­ne Karte ist noch eine Stufe persön­li­cher: Mit dem Sujet und der ­Hand­schrift ­können noch mehr Herz­lich­keit ­ausge­drückt werden. 

Beim Karten­text persön­li­che ­Gedan­ken einbrin­gen, ­gemein­sa­me Erleb­nis­se erwäh­nen, auf Stär­ken und beson­de­re Eigen­schaf­ten hinweisen.

Der Inhalt ist viel­leicht weni­ger ­entschei­dend als die Reak­ti­on an und für sich. In einer distan­zier­ten Bezie­hung soll­ten die Worte ­entspre­chend gewählt werden. Oft genügt ein kurzer Text im ­Sinne von «Es tut uns sehr leid zu hören, dass …» oder «Wir ­wünschen viel Kraft». 

Es gibt auch unzäh­li­ge Zita­te die helfen, Gefüh­le zu umschrei­ben und Zuver­sicht zu wecken. Als ­Inspi­ra­ti­on kann man auch auf ­Text­vor­la­gen aus dem Inter­net ­zugrei­fen und diese anpassen. 

Ein passen­des Foto, etwas ­Symbo­li­sches wie ein Glücks­bringer, eine schö­ne Muschel oder Feder beilegen. 

Wer sich mit Schrei­ben schwer­tut, kann sein Mitge­fühl auch mit ­einem Zeichen oder einer guten Tat ausdrücken. 

Je enger die Bezie­hung zu einer ­Person ist, desto besser können wir spüren, was im Moment ­hilf­reich sein könn­te: Ein Besuch? Ein Anruf? Ein Gebet? Ein Blumen­gruss vor der Haus­tü­re? Etwas Süsses zur Aufmun­te­rung? Eine Kinder­zeich­nung? ­Zusam­men ausge­hen? ­Gemein­sam Musik hören? Für ­jeman­den eine Kerze anzünden? 

Ange­mes­se­ne Distanz bewah­ren: Bei nicht nahe­ste­hen­den Menschen ­Mitge­fühl zeigen, ohne aufdring­lich zu wirken.

Realis­tisch blei­ben: Wir können ­Sorgen, Schmer­zen und ­Verlus­te von ande­ren Menschen nicht ­einfach wegbla­sen. Manch­mal ist ­profes­sio­nel­le Hilfe unabdingbar.

Zurück­hal­tend sein beim Einsatz von Emojis. Emojis können schnell fehl­in­ter­pre­tiert werden

Ange­mes­se­ne Distanz bewah­ren: Bei nicht nahe­ste­hen­den Menschen ­Mitge­fühl zeigen, ohne aufdring­lich zu wirken.

Auf Verletz­lich­keit achten: ­Menschen in einer labi­len Lebens­situation nicht noch ­zusätz­lich mit ­eige­nen ­Bedürf­nis­sen belasten.

Per Whats­App?

Auf Whats­App wird heute über alles kommu­ni­ziert, aber ist es auch der Kanal, wenn es um exis­ten­zi­el­le Themen geht? Entschei­dend ist wohl in erster Linie, wie nahe wir der betref­fen­den Person stehen. Ist es ein Fami­li­en­mit­glied, ein enger Freund oder eine enge Freun­din, kann eine lange Umar­mung oder ein fester Hände­druck ein erster guter Trost sein. Körper­li­che Nähe kann Halt und Gebor­gen­heit geben. Erfährt man etwas Trau­ri­ges aus dem erwei­ter­ten Umfeld, viel­leicht von einem Arbeits­kol­le­gen oder einer ‑kolle­gin, soll­te man mit ange­mes­se­nen Worten darauf reagie­ren. Dabei spielt es sicher­lich eine Rolle, wie und in welcher Form man die Nach­richt erhal­ten hat: Per Whats­App, via E‑Mail oder durch eine Dritt­per­son? Liegt eine schrift­li­che Nach­richt vor, soll­te man auf demsel­ben Kanal reagie­ren. Auch wenn es unper­sön­lich erschei­nen mag, haben elek­tro­ni­sche Meldun­gen auch Vortei­le: Die Betrof­fe­nen können die Nach­richt in Ruhe lesen, wenn es für sie der rich­ti­ge Zeit­punkt erscheint. Sie können selbst entschei­den, wie und ob sie antwor­ten möchten.

Text: Katja Hongler

Veröf­fent­licht: 29. August 2022

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