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Eine familiäre Hochschule

Der St. Galler Lukas Gemein­der (27) arbei­te­te bisher im Kauf­män­ni­schen Bereich und s­uchte ­einen Beruf, der ihn mehr erfüllt. Jetzt studiert er an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur. Wie er haben viele der Studie­ren­den vor dem Theo­lo­gie­stu­di­um in ande­ren Beru­fen gearbeitet.

«Ich enga­gie­re mich schon seit länge­rem frei­wil­lig in der Kirche», erzählt Lukas Gemein­der (27) aus St. Gallen, «dabei habe ich immer mehr gespürt, dass mich diese Arbeit mehr erfüllt als meine beruf­li­che Tätig­keit im Kauf­män­ni­schen. Zudem habe ich in den letz­ten Jahren wieder stär­ker zum Glau­ben zurück­ge­fun­den und mich schliess­lich für das Theo­lo­gie­stu­di­um entschie­den mit dem kirch­li­chen Dienst als Ziel.» Das Studi­um gefal­le ihm: «Die unter­schied­li­chen Fächer wie etwa Musik, Liturgie-Wissenschaft, Kirchen­ge­schich­te und Spra­chen machen das Studi­um sehr span­nend und viel­sei­tig. Dank des brei­ten Spek­trums kann man persön­li­che Stär­ken und Schwä­chen in einzel­nen Fächern gut kompen­sie­ren. Auch wenn es manch­mal sehr theo­re­tisch ist, wird immer auch ein prak­ti­scher Bezug hergestellt.»

Lukas Gemein­der (rechts) in der Kaffee-Pause mit ande­ren Studie­ren­den aus dem Bistum St.Gallen.

Umfeld reagiert erstaunt

Einer der Studie­ren­den aus dem Bistum St. Gallen ist auch Simon Sigg (32), Reli­gi­ons­päd­ago­ge und Jugend­seel­sor­ger in Gossau. Er absol­viert ein berufs­be­glei­ten­des Studi­um im bischöf­li­chen Studi­en­pro­gramm. «Mein Umfeld reagiert manch­mal ein biss­chen erstaunt, dass ich als junger Mensch Theo­lo­gie studie­re und ich spüre auch eine gewis­se Span­nung in Bezug auf die Kirche», sagt er. «Auch wenn mich die Skan­da­le oder die vielen Kirchen­aus­trit­te trau­rig und nach­denk­lich stim­men, denke ich, dass die Kirche eine Zukunft hat.» Ihn moti­vie­re die Arbeit mit Jugend­li­chen. «Ich spüre eine Offen­heit gegen­über Reli­gi­on und auch ein Bedürf­nis nach Spiri­tua­li­tät. Ich bin über­zeugt von der frohen Botschaft der Kirche und möch­te diese weiter­tra­gen.» Mit Anfang 30 verspür­te er die Moti­va­ti­on, sich persön­lich vermehrt mit exis­ten­zi­el­len und philo­so­phi­schen Fragen ausein­an­der­zu­set­zen und den Glau­ben zu hinter­fra­gen und zu begrün­den. «Ich arbei­te schon seit eini­gen Jahren in der Pfar­rei­seel­sor­ge und woll­te mein Wissen erwei­tern und vertie­fen.» Für Chur hat er sich entschie­den, weil die Hoch­schu­le dort klein und fami­li­är sei. «Man kennt sich persön­lich, isst und disku­tiert zusam­men am Mittags­tisch. Ich habe bereits Reli­gi­ons­päd­ago­gik studiert und zwar in Luzern. Ich woll­te noch eine ande­re Hoch­schu­le kennen lernen und entschied mich auch deshalb für Chur.»

Viele der Studie­ren­den an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur kommen aus den Kanto­nen Grau­bün­den, St. Gallen und Zürich.

50 bis 60 Studierende

«Das gros­se Plus der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur ist die Nähe von Hoch­schu­le und Semi­nar», hält René Scha­ber­ger, Rekto­rat­s­as­sis­tent an der Hoch­schu­le, fest. «Es wird nicht nur Theo­lo­gie gelehrt, sondern wir ermög­li­chen den Studie­ren­den auch eine ganz­heit­li­che Persön­lich­keits­bil­dung.» Auch bezeich­net René Scha­ber­ger die gute Betreu­ung der Studie­ren­den als einen Mehr­wert. «Wir können auch indi­vi­du­el­le Studi­en­pro­gram­me anbie­ten für Studie­ren­de, die berufs­tä­tig sind.» Etwa fünf­zig bis sech­zig Perso­nen studie­ren an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur. Diese Zahl sei seit Jahren stabil. «Heute begin­nen die wenigs­ten direkt nach der Matu­ra mit dem Theo­lo­gie­stu­di­um. Die meis­ten haben schon eine Berufs­aus­bil­dung absol­viert und zum Teil auch mehre­re Jahre im Beruf gear­bei­tet.» Viele der Studie­ren­den kommen laut René Scha­ber­ger aus den Kanto­nen Grau­bün­den, St. Gallen und Zürich. Es gebe auch verein­zel­te Gast­hö­rer im Renten­al­ter, die die eine oder ande­re Vorle­sung besuchen.

Text: Katja Hongler

Bild: zVg.

Veröf­fent­licht: 31.01.2023

Online-­Infoveranstaltungen

Inter­es­sier­te erhal­ten bei den Online-­Informationsveranstaltungen am 13. und 21. Febru­ar, jeweils 19.30 Uhr, kompakt die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen zum ­Studi­um der Theo­lo­gie an der TH Chur sowie einen Einblick in die Insti­tu­ti­on. Es werden auch Fragen beantwortet.

→ Anmel­dung: www.thchur.ch/info

Paargeschichten sammeln, ohne sie zu bewerten

Wieso uns Bezie­hungs­ge­schich­ten ande­rer Paare gut tun, erzäh­len Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle und Matthi­as Koller Filli­ger von der Fach­stel­le Partnerschaft-Ehe-Familie (PEF) des Bistums St. Gallen im Inter­view. Kürz­lich haben sie das Projekt paargeschichten.ch lanciert.

Die Platt­form paargeschichten.ch sammelt Geschich­ten unter ­ande­rem von Liebes­an­fän­gen, Tren­nun­gen und Abschie­den, vom Heira­ten und Allei­ne sein: Welches ist Ihre Lieblingsgeschichte?

Matthi­as Koller Filli­ger: Persön­lich mag ich die Geschich­ten gerne, die von Liebes­an­fän­gen handeln. Oft erzäh­len sie vom Krib­beln am Anfang einer Bezie­hung. Gera­de auch in der Paar­be­ra­tung sind Liebes­an­fän­ge ein wich­ti­ges Element. Wenn man beispiels­wei­se in einer Krise der Frage nach­geht, wie alles begon­nen hat und warum sich das Paar einmal fürein­an­der entschie­den hat.

Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle: Fragt man Perso­nen nach ihren Liebes­an­fän­gen, erin­nern sich diese zunächst oft nicht an ein bestimm­tes Ereig­nis, sondern an viele verschie­de­ne Bilder. Die verschie­de­nen Bilder erge­ben dann zusam­men einen Liebes­an­fang. Das Span­nen­de dabei ist, dass zwei Perso­nen, die von ihrem Bezie­hungs­an­fang erzäh­len, oft ganz unter­schied­li­che Erin­ne­run­gen und Bilder haben. Das ist es, was mich fasziniert.

Mitt­ler­wei­le sind rund 70 ­Geschich­ten zusammen­gekommen. Wer erzählt Ihnen diese Geschich­ten und wieso?

Matthi­as Koller Filli­ger: Nehmen wir die Geschich­te mit dem Velo­ku­rier. In dieser betre­ten zwei Frau­en einen Velo­ku­rier­la­den, um ihre Velos zu pumpen. Sie blei­ben den ganzen Nach­mit­tag dort. Einer der Velo­ku­rie­re und eine der Frau­en küssen sich noch am selben Abend. Heute sind sie seit 22 Jahren verhei­ra­tet. Diese Geschich­te erzähl­te mir ein Arbeits­kol­le­ge, als wir zusam­men im Zug an eine Tagung fuhren. Weil paargeschichten.ch gera­de lanciert worden war, hatte ich ihn spon­tan gefragt, wie er denn eigent­lich seine Frau kennen­ge­lernt hatte. Am nächs­ten Tag frag­te ich ihn, ob ich ihre eindrück­li­che Geschich­te aufschrei­ben und veröf­fent­li­chen dürfe.

Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle: Wenn wir an einer Tagung oder einem Anlass mit den bereits gesam­mel­ten Geschich­ten arbei­ten, dann wirkt das oft wie ein Kata­ly­sa­tor. Viele Perso­nen erin­nern sich dann an ihre eige­nen Geschich­ten und erzäh­len diese. Das ist es auch, was die Stär­ke dieses Projek­tes ausmacht: Die Geschich­ten sind oft so alltäg­lich und gewöhn­lich und doch zeigen sie einem sofort auf, was eine Bezie­hung ausmacht und was deren Essenz ist. Eine meiner liebs­ten Geschich­ten ist «Die Bett­fla­sche». Jeden Abend bringt Floras Part­ner ihr eine Bett­fla­sche ins Bett. Das wird zu einem gemein­sa­men Ritu­al, das dabei hilft, die Enttäu­schung zu über­win­den, dass Flora gerne früh und ihr Part­ner stets spät ins Bett geht. Nur weil ich aber diese Geschich­te mag, heisst das nicht, dass sie auch ande­ren gefal­len muss und dass sie auf die Geschich­te genau­so posi­tiv reagie­ren wie ich.

Als Projekt­lei­ter von paargeschichten.ch wird Matthi­as Koller Filli­ger auch selbst zum Autor und zeich­net auf, was ande­re ihm erzählen.

Wie geht man damit um, wenn jeman­dem eine Geschich­te nicht gefällt, die einem selbst viel bedeutet?

Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle: Es ist gera­de das Ziel von paargeschichten.ch nicht zu bewer­ten oder zu inter­pre­tie­ren. Es ist zentral, Menschen nach ihren Geschich­ten zu fragen und sie erzäh­len zu lassen. Die Geschich­ten können verschie­de­nes auslö­sen: Faszi­na­ti­on und Befrem­den, Fragen und Wieder­erken­nen. Sie handeln von vielen Höhe­punk­ten, aber auch von schwie­ri­gen Momen­ten wie Tren­nung und Abschied. Diese Brei­te an Geschich­ten ist ein Schatz, der aufzeigt, dass Paar­be­zie­hun­gen ganz unter­schied­lich ablau­fen und gestal­tet werden können.

Matthi­as Koller Filli­ger: Und gera­de deshalb ist es ein Projekt, in dessen Mittel­punkt die Wert­schät­zung steht. Etwa die Wert­schät­zung dessen, was die gemein­sa­me Geschich­te eines Paares ausmacht.

Die Geschich­ten können nicht nur auf paargeschichten.ch ­gele­sen werden, sondern sind auch im Kultur­ma­ga­zin Ernst erschie­nen. Wie ist es zu dieser Zusam­men­ar­beit gekommen?

Matthi­as Koller Filli­ger: Die Idee zum Projekt Paar­ge­schich­ten kam 2020 vom St. Galler Jour­na­lis­ten und drama­tur­gi­schen Bera­ter Mark Riklin. Durch ihn ist auch die Zusam­men­ar­beit mit dem Kultur­ma­ga­zin ERNST und dem Burg­dor­fer Biogra­fi­schen Insti­tut entstanden.

Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle: Gera­de durch diese Zusam­men­ar­beit mit ausser­kirch­li­chen Part­nern ist das Projekt unglaub­lich viel­fäl­tig und damit anschluss­fä­hig für verschie­de­ne Menschen gewor­den. Die Redak­ti­on vom Maga­zin ERNST zum Beispiel mach­te ganz verschie­de­ne Beiträ­ge, auf die wir als kirch­li­che Arbeits­grup­pe nicht gekom­men wären, wie beispiels­wei­se eine Repor­ta­ge mit einem Kell­ner, der über zwei­hun­dert Hoch­zei­ten beglei­tet hat oder ein Gespräch mit einer Schei­dungs­an­wäl­tin. Erwäh­nen möch­te ich auch die Repor­ta­ge über eine Seel­sor­ge­rin im Trau­er­ca­fé in Gossau, die dort mit den Paar­ge­schich­ten gear­bei­tet hat und auf diese Weise viele weite­re berüh­ren­de Erzäh­lun­gen der Teil­neh­men­den über ihre Bezie­hun­gen zu hören bekam.

Stich­wort Trau­er­ca­fé: Ist das ein Beispiel dafür, wie die ­Paar­ge­schich­ten in der Praxis zum Einsatz kommen sollen?

Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle: Genau. Mit den Paar­ge­schich­ten kann man in bestehen­den Grup­pen arbei­ten, einen Anlass zum Thema Paar­ge­schich­ten entwi­ckeln oder diese als Türöff­ner in die Einzel­seel­sor­ge einflies­sen lassen. Wie bereits erwähnt, löst es bei allen Perso­nen eige­ne Emotio­nen und Erin­ne­run­gen aus, wenn sie eine der Paar­ge­schich­ten hören. Wir beto­nen dabei immer, wie wich­tig es ist, nicht über ande­re Geschich­ten zu werten und zu urtei­len. Nicht alle Geschich­ten sind eingän­gig oder roman­tisch. Es gibt Geschich­ten, die von Drei­ecks­be­zie­hun­gen erzäh­len oder von der Unfä­hig­keit, sich auf eine Part­ner­schaft einzulassen.

Matthi­as Koller Filli­ger: Kirche und Pasto­ral betre­ten «Heili­gen Boden», wenn sie mit Paaren und Fami­li­en arbei­ten: So heisst ein neuer Leit­fa­den für die Seel­sor­ge, der nach der letz­ten Bischofs­syn­ode von den Bistü­mern Basel und St. Gallen zur Ehe- und Fami­li­en­pas­to­ral heraus­ge­ge­ben wurde. Dieser betont, wie wich­tig es ist, sich vorbe­halt­los auf die heut­zu­ta­ge viel­fäl­ti­gen Paar- und Fami­li­en­rea­li­tä­ten einzu­las­sen. Genau diesem seel­sor­ge­ri­schen Ansatz entspricht auch das Projekt paargeschichten.ch.

Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle und Matthi­as Koller Filli­ger such­ten nach einem Projekt, das sich weiter­ent­wi­ckeln lässt und wurde mit paargeschichten.ch fündig.

Von wegen viel­fäl­ti­gen ­Paar- und Fami­li­en­rea­li­tä­ten: Welche Rolle spielt der inter­kul­tu­rel­le Aspekt? Was können wir etwa von bina­tio­na­len Paaren oder von Paaren aus einer ande­ren Kultur lernen?

Made­lei­ne Winterhalter-Häuptle: Das Wich­tigs­te ist wohl, zu verste­hen, dass wir nicht in einer Blase leben. So wie wir und viel­leicht unser Bekann­ten­kreis leben, das muss nicht zwangs­läu­fig auch für ande­re so stim­men. Das soll auch in den Paar­ge­schich­ten wider­ge­spie­gelt werden. Gera­de planen wir eine Zusam­men­ar­beit mit dem St. Galler Verein Aida, der sich im Bereich Bildung und Begeg­nung fremd­spra­chi­ger Frau­en enga­giert. Die Bezie­hungs­ge­schich­ten dieser Frau­en werden in paargeschichten.ch aufge­nom­men und berei­chern so das Projekt.

→ www.paargeschichten.ch

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 25.01.2023

Stets neue Geschichten

Das Projekt paargeschichten.ch wird von IG PEF-Pastoral Deutsch­schweiz verant­wor­tet und von der Inlän­di­schen Missi­on sowie den röm.-kath. Kanto­nal­kir­chen Aargau, Luzern, Deutsch­frei­burg und Zürich und den Bistü­mern Sitten ­(Ober­wal­lis) und St. Gallen finan­ziert. Die Websei­te paargeschichten.ch wird fort­lau­fend mit neuen Geschich­ten ­erwei­tert. Die Fach­stel­le Partnerschaft-Ehe-Familie (PEF) des Bistums St. Gallen ist Mitglied bei der IG PEF und setzt das Projekt Paar­ge­schich­ten im Bistum St. Gallen um.

→ Weite­re Infos unter www.pef-sg.ch

An jenem Abend vor 22 Jahren

Was hält Paare zusam­men? Wieso tren­nen sie sich? Und wie schafft man es, dass ­Alltäg­li­ches seinen Zauber behält? Das Projekt paargeschichten.ch sammelt Erzäh­lun­gen von Paaren. 

Meine Momo

«Wenn Momo zuhör­te, blüh­te die Fanta­sie der Erzäh­len­den auf wie eine Früh­lings­wie­se. Die Gedan­ken, die bisher zu Fuss gegan­gen sind, beka­men plötz­lich Flügel», heisst es im gleich­na­mi­gen Buch von Micha­el Ende. Ich habe das Privi­leg, Momo bei mir zu Hause zu haben: Sie schlum­mert zwischen zwei Buch­de­ckeln, bis ich sie zum Leben erwe­cke; oder sitzt mir am Küchen­tisch gegen­über. Meine Momo ist meine Frau. Wenn ich ihr eine vage Idee erzäh­le, entwi­ckelt sich diese wie von selbst weiter, allein durch ihre Art des Zuhö­rens. Sie ergänzt einen Gedan­ken, trifft mit einer Frage ins Schwar­ze oder hört einfach zu, mit den Augen.

Dort, in Rapperswil

Zwan­zig Jahre, nach­dem er sich von mir getrennt hat, ruft er an – nach zwan­zig Jahren tota­ler Funk­stil­le ruft er einfach unver­mit­telt an. Er sagt, dass er keine Angst vor der Angst mehr habe und dass er daher diesen Anruf gewagt habe. Ich falle, wie man sagt, aus allen Wolken, freue mich sehr. Und wir machen ein Tref­fen ab. In Rappers­wil. Dort gehen wir dann zusam­men über den Seesteg. Er erzählt mir, dass er einen Herz­in­farkt hatte. Und dass dieser ihn gelehrt habe, mehr auf sein Herz zu hören. Er wolle lernen zu lieben. Nach zwei­hun­dert Metern auf dem Seesteg sind wir wieder total verliebt.

Leiden­schaft statt Partnerschaft

Genies­se ich Spar­geln, tunke ich das Köpf­chen in die Sauce, sauge es aus – den Rest werfe ich weg. Es könn­te bitter sein, holzig oder schlecht geschält. Und genau­so halte ich es mit der Paar­be­zie­hung: Endlos spie­le ich den Akt des Sich-Verliebens, endlos beschäf­ti­ge ich mich mit Ouver­tü­ren, mit dem ersten Blick, der ersten Berüh­rung, dem ersten Kuss, der ersten Verei­ni­gung. Wird es aber ernst und kommen Paarbeziehungs-Gefühle auf, habe ich Angst, es könn­te, wie die Spar­geln, bitter werden, holzig. Und ich breche ab. Auf der einen Seite, ja, sehne ich mich so sehr nach Zwei­sam­keit, auf der ande­ren Seite gera­te ich dermas­sen in Panik, sie in einer Part­ner­schaft zu fixie­ren – zu mono­ga­mi­sie­ren, alles auf eine Karte zu setzen. Wieso kapi­tu­lie­re ich vor der Paar­be­zie­hung, wo ich doch den Gross­teil meines Lebens in genau dieser Form von Bezie­hung gelebt habe? Oder ist es umge­kehrt? Habe ich für mich gemerkt, dass die Paar­be­zie­hung selber die Kapi­tu­la­ti­on ist? Die Kapi­tu­la­ti­on vor der Leiden­schaft, vor dem ewig Neuen?

Die Bett­fla­sche

In den drei­zehn Jahren, in denen ich Flora kenne, gab es viel­leicht fünf Aben­de, an denen ich vor ihr ins Bett gegan­gen bin. Sie geht früh ins Bett, manch­mal schon vor 21 Uhr. Sie liebt ihr Bett. Und wenn sie einmal drin ist, ist sie die Köni­gin. Doch wenn ich spät von der Arbeit komme, Zeit mit ihr verbrin­gen will, ist Flora schon auf dem Rück­zug. Dieser allabend­li­che Moment der Tren­nung fühl­te sich für mich viele Jahre lang wie eine Nieder­la­ge an. Auch Flora litt unter meiner Enttäu­schung. Bis zu dem Tag, viel­leicht vor fünf Jahren, als Flora mich bat, ihr eine Bett­fla­sche zu machen. Ich erhitz­te sie – und brach­te sie ihr ins Zimmer. Anfangs moch­te ich das nicht unbe­dingt. Doch indem sie mich fragt, ob ich ihr die Bett­fla­sche mache, teilt sie mir mit, habe ich mit der Zeit verstan­den, dass sie ins Bett geht. Und seit ich das verstan­den habe, tue ich das fast jeden Abend für sie. Es ist zu unse­rem gemein­sa­men Ritu­al des Zubett­ge­hens gewor­den. Ich brin­ge die Wärme­fla­sche herein und lege mich zu Flora, plau­de­re mit ihr und lasse den Tag gemein­sam mit ihr ausklin­gen. In manchen Näch­ten muss ich ihr manch­mal, wenn ich mit der Bett­fla­sche ins Schlaf­zim­mer komme, ihren Kopf frei­le­gen, um sie küssen zu können, so fest ist sie in ihre Decke einge­wi­ckelt. In diesen Näch­ten grum­melt sie nur; kein «Gute Nacht», kein Kuss, keine Aufmerk­sam­keit. Aber ich weiss selbst dann, dass wir zusam­men sind. Anspruchs­los und wohlig verlas­se ich das Schlaf­zim­mer. Wenn mich Flora fragt, ob ich ihr ihre Bett­fla­sche gemacht habe, fragt sie mich: «Teilen wir diesen Abend?» Sie fragt mich auch: «Gefällt es dir, dein Leben mit mir zu verbrin­gen?» Und: «Weisst du, wie froh ich bin, dass du hier bist?» Ja, habe ich, Flora. Ja, das tun wir. Ja, sehr. «Ja, ich weiss.»

Der Besser­wis­ser

Bei jeder Gele­gen­heit zück­te er sein Handy, um zu googeln, ob nun Selma oder er recht hatte. Immer schon hat sie das genervt. Doch dann kam: Sizi­li­en. Sie hatten eine Feri­en­woh­nung in einem klei­nen mittel­al­ter­li­chen Städt­chen und sassen auf der Piaz­za beim Nacht­es­sen, gleich gegen­über einer Kirche. Über der Eingangs­tür stand in tief­ro­ten Lettern «Chie­sa del Purga­to­rio» – und Willy frag­te sie, was wohl «Purga­to­rio» bedeu­te. Ohne zu über­le­gen, sagte sie es ihm: «Fege­feu­er!» Wieso sie das nun wieder wisse, sagt er, und: «Wenn du solche Sachen weisst, ist es klar, dass bei dir dafür ande­re Hirn­area­le unter­ent­wi­ckelt sind!» Sie woll­te etwas entgeg­nen, konn­te aber nicht, es ging nicht mehr, wort­los stand sie auf, warf die Servi­et­te auf den halb leer­ge­ges­se­nen Teller mit dem Riso ai Frut­ti di Mare, ging in die Feri­en­woh­nung zurück, pack­te ihren Koffer und fuhr zum Flug­ha­fen. Zuhau­se lösch­te sie seine fünf­zehn Anru­fe in Abwe­sen­heit und acht­zehn SMS. Und blockier­te seine Nummer.

Vor dem Velokurierladen

Ein paar Tage nach­dem ich von einer langen Pilger­rei­se nach Sant­ia­go zurück­kam, stand ich in meinem Velo­ku­rier­ge­schäft, als zwei Frau­en herein­ka­men. Sie frag­ten mich, ob sie ihre Velo­rei­fen pumpen könn­ten. Und so kamen sie ins ­Gespräch mit mir und den ande­ren Velo­ku­rier­fah­re­rin­nen und ‑fahrern, die noch im Laden herum­stan­den oder am Ende ihrer Schicht etwas zusam­men trin­ken woll­ten. Wir hatten eine gute Zeit, und als sich die munte­re Gesell­schaft aufzu­lö­sen begann, war es Abend gewor­den. Meine Geschäfts­part­ner, die eine Frau und ich blie­ben etwas länger. Als wir die Tür abschlos­sen, kam er, dieser eine Moment, der mein Leben verän­dern soll­te: Mein Heim­weg führ­te mich in diesel­be Rich­tung, die auch mein Geschäfts­part­ner einschlug. Doch der Weg der Frau ging in die entge­gen­ge­setz­te Rich­tung. Ich stand unent­schlos­sen da. Die Frau auch. Mein Geschäfts­part­ner rief: «Kommst du …?» Ich aber beweg­te mich nicht. Bis sie schliess­lich zu mir sagte: «Küss mich, aber rich­tig!» Und so habe ich sie geküsst, an jenem Abend vor 22 Jahren. Heute sind wir Eltern von drei Kindern.

Texte: paargeschichten.ch

Illus­tra­tio­nen: Lea Neuenschwander

Veröf­fent­licht: 25.01.2023

Auch mal einen Besen in die Hand nehmen

Bischof Markus Büchel hat am 26. Novem­ber den Kapu­zi­ner Kletus Hutter (51) zum ­Pries­ter geweiht. Der aus Kries­sern stam­men­de Ordens­mann will ein boden­stän­di­ges Pries­ter­bild verkörpern.

Die Kapu­zi­ner­kir­che in Rappers­wil ist voll­be­setzt. Auf den Stüh­len sitzen nicht nur Wegge­fähr­ten von Bruder Kletus Hutter, sondern auch viele Menschen, die ihn im Klos­ter Rappers­wil als «Bruder auf Zeit» kennen gelernt haben. Bischof Markus Büchel ist bester Laune, als er an diesem sonni­gen Vormit­tag die Fest­ge­mein­de begrüsst. «Eine Pries­ter­wei­he, das ist heute etwas Selte­nes», sagt der Bischof von St. Gallen. Und: «Es gibt tatsäch­lich noch Wunder!» Kletus Hutter stammt aus Kries­sern im St. Galler Rhein­tal. Nichts deute­te darauf hin, dass er einmal Pries­ter werden würde. Zunächst war er kauf­män­ni­scher Ange­stell­ter. Danach studier­te er in Luzern Reli­gi­ons­päd­ago­gik und arbei­te­te später als Reli­gi­ons­päd­ago­ge im Bistum St. Gallen. Im Klos­ter Rappers­wil lern­te er das Konzept «Bruder auf Zeit» kennen und fing Feuer fürs Leben als Ordensmann.

Unrea­lis­ti­sches Priesterbild

Heuti­ge Pries­ter, sagt Bischof Markus Büchel in seiner Predigt, litten unter einem falschen Pries­ter­bild, das in gros­sen Teilen der Bevöl­ke­rung herr­sche: «Es ist unrea­lis­tisch und über­höht.» Manche glaub­ten, ein Pries­ter stehe über allen irdi­schen Dingen oder sei ein gott­ähn­li­ches Wesen. Nicht mit beiden Füssen am Boden, verbun­den mit der Basis. Nicht bei den Sorgen der Menschen. Mit solch einem Pries­ter­bild könne Kletus Hutter nichts anfan­gen. Bischof Markus Büchel sagte, er habe gehört, dass sich Kletus Hutter für nichts zu scha­de sei. Er nehme auch mal einen Besen in die Hand, um nach dem Gottes­dienst die Kirche zu wischen. Die Kirche brau­che solche beschei­de­nen, boden­stän­di­gen und authen­ti­schen Priester.

Franz von Assi­si als Vorbild

Kletus Hutter sagt, dass ihm der Dienst am Menschen am Herzen liege. Zusam­men mit den Menschen unter­wegs zu sein, sei Teil der fran­zis­ka­ni­schen Spiri­tua­li­tät. Für ihn blei­be Franz von Assi­si eine lebens­lan­ge Inspi­ra­ti­on für ein erfüll­tes Leben. «Schon seit jungen Jahren kam mir immer wieder der Gedan­ke, ob Pries­ter werden etwas für mich wäre», sagt Kletus Hutter. «Die Zeit war aber wohl nicht reif. Ich fand immer schlüs­si­ge Grün­de, diesen Schritt nicht zu tun. Ein Schlüs­sel­er­leb­nis hatte ich während meiner Zeit als Gast im Klos­ter Rappers­wil: Eine halbe Stun­de nach dem Gottes­dienst putz­te ich mit dem Zele­bran­ten zusam­men die Kirche. Diese Haltung gefiel mir: ein Orden, in dem jemand dem Gottes­dienst vorste­hen kann aber es auch selbst­ver­ständ­lich ist, sich bei Alltags­ar­bei­ten die Hände schmut­zig zu machen.»

«Klos­ter auf Zeit»

Im Kapuziner-Kloster Rappers­wil hat Kletus Hutter an der Neukon­zep­ti­on des Ange­bots «Klos­ter auf Zeit» mitge­wirkt: «Unser Klos­ter steht nach wie vor Menschen offen, die bei uns als Gast mitle­ben wollen. Neu ist, dass wir eine Lebens­ge­mein­schaft bilden aus Brüdern und fran­zis­ka­nisch Inter­es­sier­ten, die ihren Lebens­mit­tel­punkt im Klos­ter Rappers­wil haben. Sie blei­ben in der Gemein­schaft für mindes­tens ein Jahr und gehen einer Erwerbs­ar­beit ausser­halb des Klos­ters nach.» Bis jetzt habe sich eine Frau auf dieses Projekt einge­las­sen, eine refor­mier­te Pfar­re­rin. «Sie passt sehr gut in unse­re Runde, enga­giert sich im Kern­team – also der Leitungs­grup­pe zusam­men mit zwei Brüdern – und im Haus. Unser Konzept sieht noch weite­re fran­zis­ka­nisch inter­es­sier­te Menschen vor. Die suchen wir noch. Es gibt zwar eini­ge Inter­es­sier­te, ein verbind­li­ches Zusam­men­le­ben stellt aber auch eine Heraus­for­de­rung dar.»

Text: Vera Rütti­mann / Walter Ludin

Bild: Vera Rüttimann

Veröf­fent­licht: 09. Janu­ar 2023

Bücher für alle Lebensfragen

Bücher über Heldin­nen, Glück oder das Alter – neu kann die gesam­te ­Bevöl­ke­rung im Bistum St. Gallen bei der Reli­gi­ons­päd­ago­gi­schen Medi­en­stel­le in Altstät­ten Medi­en ­auslei­hen – und das kostenlos.

Wie Kindern den Tod erklä­ren? Wie gehe ich mit Konflik­ten um? Wie stil­le ich meine Sehn­sucht? Über 7000 Medi­en stehen in der kirch­li­chen Medi­en­stel­le zum Auslei­hen bereit. Eine gemüt­li­che Kaffee-Ecke lädt ein, gleich vor Ort in den Büchern zu stöbern. Bisher war die Fach­bi­blio­thek vor allem bekannt bei allen, die in Kate­che­se, Reli­gi­ons­un­ter­richt und ERG tätig sind. «Neu rich­tet sich unser Ange­bot an die gesam­te Bevöl­ke­rung», hält Hildi Bandel, Leite­rin der Medi­en­stel­le, fest. «Seit zwei Jahren sind wir bei Swiss Libra­ry Service Platt­form (SLSP) im Verbund mit 475 Biblio­the­ken. Alle können bei uns Medi­en auslei­hen. Dafür ist nur eine Regis­trie­rung notwen­dig.» Wer nicht nach Altstät­ten kommen will, kann die Medi­en via Online-Katalog auswäh­len und sich für 12 Fran­ken schi­cken lassen.

Viele Bilder­bü­cher

Oft kommen Inter­es­sier­te vorbei, die gezielt ein Buch suchen, das sie bei einer aktu­el­len Lebens­fra­ge unter­stützt: «Das sind zum Beispiel Eltern, die bei ihren Kindern den Tod thema­ti­sie­ren wollen oder Gross­el­tern, die ihren Enkeln den Glau­ben weiter­ge­ben möch­ten», sagt Manue­la Mitte­rer, Kate­che­tin und Mitar­bei­te­rin in der Medi­en­stel­le. «Aber auch wer einfach ein Bilder­buch zu einem bestimm­ten Thema sucht, wird bei uns fündig.» Denn neben Sach­bü­chern und Unter­richts­ma­te­ria­li­en verfü­ge die Medi­en­stel­le über einen gros­sen Bestand an Bilder­bü­chern inklu­si­ve Wimmel­bü­chern. Hildi Bandel hält das Buch «Hier kommt Boris» in die Höhe: «Eine witzi­ge Geschich­te über Vorbil­der und Held­sein.» Die beiden Mitar­bei­te­rin­nen haben aber auch immer ein offe­nes Ohr für alle, die sie mit ihren persön­li­chen Lebens­fra­gen oder Bedürf­nis­sen konfron­tie­ren – und suchen dann geeig­ne­te Medi­en heraus.

Bücher über das Glück — ideal zum Einstieg ins neue Jahr.

Auch viele Spiele

Wer durch die Medi­en­stel­le spaziert, erkennt sofort, wie viel­fäl­tig das Sorti­ment ist. Auch viele Bücher zu den Welt­re­li­gio­nen, zu ethi­schen oder psycho­lo­gi­schen Themen warten auf die Lese­rin­nen und Leser. «In den letz­ten Jahren haben wir ange­fan­gen, auch eine Samm­lung von Spie­len, die sich für Klas­sen, Grup­pen oder Fami­li­en eignen, aufzu­bau­en», so Hildi Bandel. Die gesell­schaft­li­chen Entwick­lun­gen lassen sich laut Bandel gut am Bestand und an der Nach­fra­ge able­sen: So habe in den letz­ten Jahren die Nach­fra­ge nach Büchern zum Thema Beten sowie Bücher, die sich mit inner­kirch­li­chen Themen beschäf­ti­gen, nach­ge­las­sen. «Belieb­ter sind Medi­en zu Ritua­len, christ­li­chen Werten oder Vorbil­dern», weiss Manue­la Mitte­rer. Hildi Bandel merkt an: «Im Gegen­satz zu früher achten die Verla­ge heute mehr auf die Optik. Selbst bei Fach­bü­chern ist die Spra­che süffi­ger gewor­den. Auch wer nicht mit der Mate­rie vertraut ist, schafft sofort den Einstieg und hat das Buch schnell gelesen.»

Neue Leitung ab 2023

Auch in Zeiten der Digi­ta­li­sie­rung sind Hildi Bandel und Manue­la Mitte­rer über­zeugt, dass das Buch eine Zukunft haben wird: «Es ist etwas Ande­res, wenn ich es mir mit dem Kind oder Enkel­kind auf dem Sofa gemüt­lich mache und wir gemein­sam in einem Buch blät­tern als Ergän­zung zu den digi­ta­len Ange­bo­ten.» Künf­tig will die Medi­en­stel­le auch vermehrt Veran­stal­tun­gen anbie­ten. Zunächst stehen jedoch inter­ne Verän­de­run­gen an: Im kommen­den Jahr wird die lang­jäh­ri­ge Stel­len­lei­te­rin Hildi Bandel die Leitung an ihre Nach­fol­ge­rin Manue­la Mitte­rer über­ge­ben. Sie selbst wird weiter­hin in der Medi­en­stel­le tätig sein.

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Ange­bot des Kath. Konfessionsteils

Die RPM Altstät­ten wird finan­ziert vom Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen. Verant­wort­lich für den Betrieb ist das Amt für Kate­che­se und Reli­gi­ons­päd­ago­gik des ­Bistums St. Gallen. Die RPM ist Teil des Medi­en­ver­bunds der Pädago­gi­schen Hoch­schu­le St. Gallen. ­Öffnungs­zei­ten: Montag, 14 bis 17 Uhr, Diens­tag – Frei­tag, 9 bis 11.30 Uhr, 14 bis 17 Uhr.Ferien vom 24. Dezem­ber 2022 bis 8. Janu­ar 2023.

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Sehen, was nicht sein kann

Klaus Grem­min­ger ist nicht nur Seel­sor­ger in Nieder­uz­wil, sondern auch Zaube­rer. Im Gespräch erzählt er, wie Zauber­kunst­stü­cke und Über­ra­schun­gen den Alltag berei­chern und unse­ren Verstand herausfordern.

Wieso brau­chen wir Über­ra­schun­gen? Und wieso sollen wir uns auf eine Zauber­show einlas­sen, wo wir in Zeiten von Netflix & Co. doch viel moder­ne­re und rasan­te­re Unter­hal­tungs­for­men gewöhnt sind? Klaus Grem­min­ger öffnet die Tür zu einem hellen Sitzungs­zim­mer im Pfar­rei­zen­trum Nieder­uz­wil. Darin stehen ein Koffer und ein Tisch mit schwar­zem Tisch­tuch. Länger als Seel­sor­ger ist der 46-Jährige schon Zaube­rer. Seit er als Kind einen Zauber­kas­ten geschenkt bekam und an seiner Schu­le den bekann­ten Kinder­zau­be­rer Hardy sah, hat ihn die Faszi­na­ti­on für Zaube­rei nicht mehr losgelassen.

Den Verstand herausfordern

Poesie, Thea­ter­spie­len, Psycho­lo­gie und die Kunst, die Aufmerk­sam­keit des Publi­kums gut zu lenken: Das ist es, was Zaube­rei für Klaus Grem­min­ger ausmacht. «Das Über­ra­schen­de dabei ist, wie schnell wir Menschen uns täuschen lassen», sagt er. Als Beispiel nennt er ein neues Zauber­kunst­stück an einem Zauber­kon­gress. «Wenn ich dann erfah­re, wie es funk­tio­niert, denke ich oft, dass ich darauf auch selber hätte kommen können», sagt er. Zaube­rei mit all ihren Über­ra­schun­gen brau­chen wir laut Grem­min­ger, da sie den Verstand heraus­for­dert und wir Dinge sehen, die einfach nicht sein können. Ein gutes Beispiel dafür sind die Klein-Illusionen. Es handelt sich dabei um eine Holz­kis­te, die die Zauber­kunst­stü­cke berühm­ter Zaube­rer in Minia­tur nach­ge­baut enthält. Gebannt schaut man nun zu, wie Klaus Grem­min­ger die Jass­kar­te Dame in einen klei­nen Käfig sperrt, mit Schwer­tern durch­bohrt und die Karte anschlies­send unver­sehrt wieder heraus­zieht – wobei er mit Worten zu diesem Effekt die tradi­tio­nel­le Rolle von Frau­en in der Zauber­kunst hinter­fragt. Diese Klei­nil­lu­sio­nen hat er von dem befreun­de­ten Flawi­ler Zaube­rer Friza­no über­nom­men, als dieser selbst zu alt wurde um als Zaube­rer aufzu­tre­ten. «Das faszi­nie­ren­de daran ist, dass man in einem klei­nen Kreis und ganze Nahe an diesen Illu­sio­nen sitzt, aber halt dennoch nicht sieht, wie der Trick funk­tio­niert», sagt er. Zaube­rei spre­che aber auch die Sehn­süch­te der Menschen an. Ein Seil, das in zwei Teile geschnit­ten ist und durch Zaube­rei wieder eines wird, löse etwa unbe­wusst die Sehn­sucht nach Heilung aus. Und menta­le Zauber­tricks wie Gedan­ken­le­sen würden immer für die Sehn­sucht nach Verbin­dung stehen. «Wer möch­te seinem Part­ner oder seiner Part­ne­rin nicht die Wünsche von den Augen able­sen können», sagt er.

Mit Jonglier­bäl­len lenkt Klaus Grem­min­ger die Aufmerk­sam­keit des ­Publi­kums. Oft beginnt er auf diese Weise seine Zaubershow.

Von den Wundern des Lebens erzählen

Als Zaube­rer hat Klaus Grem­min­ger aber auch selbst gelernt, mit Über­ra­schun­gen umge­hen zu können. «Wer mit Live-Publikum arbei­tet, muss immer darauf gefasst sein, dass etwas Uner­war­te­tes passiert», sagt er. Gehe etwas schief oder funk­tio­nie­re ein Trick mit dem Publi­kum nicht, dann müsse man sich eben raus­win­den und weiter­ma­chen. «Zaube­rei ist schluss­end­lich ein Spiel und es braucht die Koope­ra­ti­on des Publi­kums, sei es an priva­ten Anläs­sen oder an Zauber­meis­ter­schaf­ten», sagt er. Am liebs­ten zaubert Klaus Grem­min­ger aber vor kirch­li­chem Publi­kum, etwa im Rahmen eines Gottes­diens­tes oder von Impuls­ver­an­stal­tun­gen. Er nennt dies spiri­tu­el­le Zauber­kunst. Diese erzäh­le von Hoff­nun­gen und Wünschen, von Liebe und Sehn­sucht und von den Wundern des Lebens. Symbol­haf­tig­keit und Poesie stehen laut Grem­min­ger im Mittel­punkt dieser Zauber­kunst­stü­cke. Er nimmt einen Stapel bunter Papie­re aus dem Koffer und faltet diese auf und wieder zu und erzählt dazu die Geschich­te eines klei­nen Heili­gen, der einen Schatz sucht. Am Ende des Tricks verwan­delt sich eines der zuvor leeren Blät­ter in ein Blatt voller Ster­ne – Der klei­ne Heili­ge hat den Ster­nen­him­mel, den Schatz, in sich selber gefunden.

Zum Reper­toire von Klaus Grem­min­ger gehö­ren auch Klein-Illusionen, also Zauber­kunst­stü­cke berühm­ter Zaube­rer in Minia­tur nachgebaut.

Vom Seel­sor­ger zum Zauberer

Theo­lo­gie hat Klaus Grem­min­ger, der aus Frei­sin­gen in Deutsch­land kommt, in München studiert. Zunächst war das die Spiri­tua­li­tät und das Fach selbst, die ihn inter­es­sier­ten. Während des Studi­ums merk­te er, dass er Seel­sor­ger werden woll­te und entschied sich gemein­sam mit seiner Ostschwei­zer Frau, die eben­falls in München Theo­lo­gie studiert hatte, für das Bistum St. Gallen. Sein Stand­bein nennt er Theo­lo­gie und Seel­sor­ge, sein Spiel­bein Zaube­rei und Jongla­ge. Doch wie funk­tio­niert das, dass das Publi­kum, das ihn häufig als Seel­sor­ger erlebt, auch als Zaube­rer ernst­nimmt? Klaus Grem­min­ger nimmt eini­ge Jonglier­bäl­le in die Hand und beginnt sie im Kreuz zwischen den Händen hin und her zu werfen, so wie er es häufig zu Beginn seiner Shows tut. «Ich blei­be immer Seel­sor­ger. Wenn ich jonglie­re, flie­gen die Bälle im Kreuz – wie ein perma­nen­ter Segen», sagt er. Dann werden die Bahnen, in denen er die Bälle wirft, wilder und abwechs­lungs­rei­cher. Das Auge kann kaum folgen. Er sagt: «Als Zaube­rer ist es meine Aufga­be euch zu verwir­ren und abzulenken.»

→ www.klausgremminger.com

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 31.12.2022

Überraschung? Für mich bitte nicht!

Da kommst du nichts Böses ahnend am Abend nach Hause, sperrst die Tür auf, ziehst die Schu­he aus, tappst ins Wohn­zim­mer und … zack … da sprin­gen deine besten Freun­din­nen und Freun­de hinter dem Sofa hervor: «Herz­li­chen Glück­wunsch!» Torte, Sekt, Geschenk – sie haben an alles gedacht. Der Party steht nichts mehr im Wege. Gibt es etwas Schö­ne­res als über­rascht zu werden?

Ich habe es nicht so mit Über­ra­schun­gen. Defi­ni­tiv. Ich will keine «Fahrt ins Blaue», kein «Über­ra­schungs­pro­gramm» und auch mit Über­ra­schungs­be­su­chen tue ich mich eher schwer – nicht weil ich mich nicht über den Besuch dieser Menschen freu­en würde. Im Gegen­teil. Aber wenn ich Besuch erwar­te, ist es doch schön, sich darauf vorbe­rei­ten zu können. Mich seelisch darauf einstim­men, «parat» sein. Selbst­ver­ständ­lich zappe ich bei Sendun­gen wie «Happy Day» schnell weiter. Wenn ich zum Geburts­tag einen «Überraschungs-Gutschein» bekom­me, sehe ich dieser Über­ra­schung mit gemisch­ten Gefüh­len entge­gen. Ich will nicht über­rascht werden. Logisch weiss ich: Es wird schön. Das ist nicht das Problem. Aber wenn mich etwas Schö­nes erwar­tet, warum soll ich mich auf dieses Schö­ne nicht freu­en dürfen? Das würde mir viel Kopf­zer­bre­chen erspa­ren: Was genau erwar­tet mich? Was muss ich mitneh­men? Wie anzie­hen? Ist es dort kalt, warm? Muss ich vorher noch etwas essen? Wie lange geht das unge­fähr? Stark ist mir Folgen­des in Erin­ne­rung geblie­ben: Da wurde eine Freun­din über­rascht – sie war so perplex, dass sie sich gar nicht freu­en konn­te. Wie verstei­nert stand sie da und betrach­te­te das Geschenk, das Teil der Über­ra­schung war, ziem­lich ange­strengt. Erst einen Tag später melde­te sie sich per Kurz­nach­richt: Sie habe sich eigent­lich schon total gefreut, aber sie sei so über­rum­pelt gewe­sen, dass die unbe­schwer­te Freu­de im Moment nicht möglich war. Also etwa so wie bei den Über­rasch­ten in TV-Shows.

Über­wäl­tigt oder schockiert

Manche Menschen können gut mit Über­ra­schun­gen umge­hen, manche über­haupt nicht. Ich habe mir schon oft in meinem priva­ten und beruf­li­chen Umfeld emotio­na­le Schil­de­run­gen von über­wäl­ti­gen­den Über­ra­schun­gen anhö­ren dürfen: Eine Über­ra­schungs­par­ty am Geburts­tag? Für manche könn­te es nichts Schö­ne­res geben. High­lights, an die man noch lange zurück­denkt. Darüber las ich auch schon in Psychologie-Zeitschriften. Es liegt nicht daran, dass mich mein Umfeld schon mit so vielen pein­li­chen, nervi­gen oder völlig deplat­zier­ten Über­ra­schun­gen konfron­tiert hätte, dass ich eine solche Abnei­gung gegen­über Über­ra­schun­gen habe. Ob man Über­ra­schun­gen mag oder nicht, ist Teil des Charak­ters. Das sagen zumin­dest diver­se Studien.

Mit Finger­spit­zen­ge­fühl

Ich bewun­de­re Menschen, die lange im Voraus und sehr aufwän­dig Über­ra­schun­gen für eine ande­re Person aushe­cken, ande­re einwei­hen, alles planen und orga­ni­sie­ren. Auch wenn sie viel­leicht nicht auf so einen Überraschungs-Phobiker wie mich tref­fen, sind Über­ra­schun­gen doch immer mit sehr viel Finger­spit­zen­ge­fühl verbun­den. Sind sie sich bewusst, auf welches Wagnis sie sich einlas­sen? Das braucht viel Empa­thie: Wo liegt die Gren­ze beim ande­ren? Was geht nicht? Freut sich die Person wirk­lich darüber? Ich sehe durch­aus auch das Posi­ti­ve am Über­ra­schen: Man beschäf­tigt sich inten­siv mit jemandem.

Auf Über­ra­schen­des vertrauen

Was sagt die christ­li­che Spiri­tua­li­tät zu Über­ra­schun­gen? Gott ist ein Gott der Über­ra­schung. Im Alten Testa­ment gibt es zum Beispiel Abra­ham und Sara. Die beiden waren hoch­be­tagt, als Sara nach Jahr­zehn­ten des Warten doch noch schwan­ger wurde. Auch Jesus sorgt immer wieder für Über­ra­schun­gen, wie an vielen Stel­len im Neuen Testa­ment berich­tet wird: Er mach­te oft nicht das, was ande­re erwar­tet hätten. Zudem kann auch Ostern, die Aufer­ste­hung von Jesus Chris­tus, als ein gros­ses Über­ra­schungs­er­eig­nis gedeu­tet werden. Sind all diese Beispie­le Mutma­cher für mehr Offen­heit für Über­ra­schun­gen? Für mehr Vertrau­en, sich einfach einmal auf Über­ra­schun­gen einzu­las­sen? Offen zu sein für die Über­ra­schun­gen Gottes in meinem Leben? Ich versu­che, es mir für 2023 vorzunehmen.

Wer es wagt

Selbst­ver­ständ­lich habe ich mit klei­nen Über­ra­schun­gen wie zum Beispiel dem Inhalt des Advents­ka­len­ders kein Problem. Auch mein priva­tes Umfeld kennt mich gut. Kaum einer würde es wagen, mich zu über­ra­schen. Und wenn, dann wohl gut über­legt, welche Über­ra­schung mich tatsäch­lich freu­en würde. Denn ehrli­cher­wei­se muss ich zuge­ge­ben, wenn ich meine Phobie vor Über­ra­schun­gen zur Seite schie­be und wenn die Über­ra­schung wirk­lich zu hundert Prozent passt, ist die Freu­de doch riesig. Und nicht verges­sen gehen soll­te, dass auch klei­ne Über­ra­schun­gen Freu­de berei­ten. Manch­mal tut es auch einfach ein Blumenstrauss.

Text: Stephan Sigg

Bilder: istockphoto.com

Veröf­fent­li­chung: 30.12.2022

Unterwegs zur Spitalkapelle

Seit 30 Jahren enga­giert sich der St. Galler Markus Enz für den frei­wil­li­gen Betten­dienst im Kantons­spi­tal St. Gallen. Dieser ermög­licht Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten den Besuch des ­Gottes­diens­tes in der Spital­ka­pel­le. Aktu­ell werden drin­gend mehr Frei­wil­li­ge gesucht.

Kurz nach 9 Uhr sind die Vorbe­rei­tun­gen in vollem Gang: Eini­ge Frei­wil­li­ge stecken in der ­Spital­ka­pel­le des Kantons­spi­tals St. Gallen Verlän­ge­rungs­ka­bel ein. Dort sollen später jene ­Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten während des ­Gottes­diens­tes einen Platz bekom­men, deren Infu­si­ons­ge­rä­te beispiels­wei­se Strom benö­ti­gen. Draus­sen vor der Kapel­le im 1. Stock des Hauses 21 teilt Spital­seel­sor­ger Sepp Koller weite­re Frei­wil­li­ge in Grup­pen ein. Sie werden in der nächs­ten Stun­de zu zweit 25 Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten in den verschie­de­nen Häusern des Spitals abho­len und sie im Bett, im Roll­stuhl oder zu Fuss durch das unter­ir­di­sche Verbin­dungs­sys­tem bis zur Spital­ka­pel­le trans­por­tie­ren und beglei­ten. Nebst Mitglie­dern der Pfar­rei Witten­bach sowie der evangelisch-reformierten Kirch­ge­mein­de Witten­bach helfen an diesem Sonn­tag eini­ge Jugend­li­che aus Gossau mit, die den Einsatz im Rahmen eines Sozi­al­pro­jek­tes leisten.

«Unse­re Gesell­schaft wäre ohne all das frei­wil­li­ge Enga­ge­ment um ­eini­ges ärmer», sagt Markus Enz, der die Einsät­ze koordiniert.

Nur noch halb so viele helfen

Dann geht es los. Mit dabei ist auch Markus Enz, der sich seit 30 Jahren für den frei­wil­li­gen Betten­dienst im Kantons­spi­tal enga­giert. Seit 2008 koor­di­niert er zudem die Einsät­ze aller Grup­pen der Stadt St. Gallen. Aktu­ell sind es elf Grup­pen wie etwa die sozia­le Männer­be­we­gung St. Fiden, zu der Markus Enz gehört, oder Grup­pen, die sich in den Pfar­rei­en zusam­men­ge­schlos­sen haben. Jede Grup­pe hat fünf bis sechs Einsät­ze im Jahr. «Nun stehen wir aber vor dem Problem, dass wir immer weni­ger sind und es schwie­rig ist, neue Perso­nen zu finden, die sich frei­wil­lig für diesen Dienst enga­gie­ren», sagt Markus Enz, während er mit dem Lift hinun­ter ins UG fährt, wo sich auch der Zugang zu den unter­ir­di­schen Verbin­dungs­gän­gen befin­det. Vor eini­gen Jahren waren es noch rund 300 Perso­nen die mithal­fen. Heute sind es noch 140. «Werden es noch weni­ger, können wir diesen Frei­wil­li­gen­dienst nicht mehr stem­men», sagt der 63-Jährige.

Einsatz­be­spre­chung um 9 Uhr bevor es los geht: In Zwei­er­teams ­werden die Frei­wil­li­gen die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten abholen.

Vom Glau­ben begleitet

Markus Enz hält in der Hand eine oran­ge Karte mit verschie­de­nen Infos wie Name, Haus- und Zimmer­num­mer des Pati­en­ten, den er heute abho­len wird. Es geht ins Haus Nr. 1 zu Ferdi­nand Hutter. Der 66-Jährige hat eine neue Niere bekom­men und besucht den Gottes­dienst in der Spital­ka­pel­le an diesem Sonn­tag mit seiner Frau und seiner Toch­ter. «Diese Frei­wil­li­gen­ar­beit ist sensa­tio­nell. Ich schätz es sehr, dass mir jemand auf diese Weise ermög­licht, den Gottes­dienst besu­chen zu können. Ich bin gerne in der Kapel­le und der Glau­be beglei­tet mich mein Leben lang», sagt er. Auch seine Toch­ter Corne­lia Hutter erzählt, wie wich­tig dieser Gottes­dienst vielen Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten ist. Sie selbst arbei­tet als Pfle­ge­fach­frau auf der Palliativ-Station und betont, dass im Spital ohne die Frei­wil­li­gen niemand Zeit hätte, so viele Pati­en­ten und Pati­en­tin­nen zur Kapel­le zu begleiten.

Die Spital­ka­pel­le bietet neben Sitz­plät­zen auch Platz für die Betten der Pati­en­tin­nen und Patienten.

Freund­schaft und Dank

Dann ist es Zeit, sich auf den Weg zur Kapel­le zu machen. Vom Zimmer aus geht es mit dem Lift wieder ins UG und unter­ir­disch zurück ins Haus Nr. 21. In der Kapel­le haben sich bereits eini­ge Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten einge­fun­den. Ferdi­nand Hutters Bett ist neben einer der Steck­do­sen plat­ziert. Seine Frau und seine Toch­ter haben sich mit Stüh­len direkt neben ihn gesetzt. Die frei­wil­li­gen Helfe­rin­nen und Helfer verlas­sen derweil die Kapel­le und versam­meln sich draus­sen, um noch etwas zu reden. Ande­re feiern den Gottes­dienst mit. «In all den Jahren, in denen ich mich für den Betten­dienst enga­gie­re, sind viele Freund­schaf­ten entstan­den», sagt Markus Enz. Das und die Dank­bar­keit, die man seitens der Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten erhal­te, sei der Lohn, den man für seinen Einsatz erhal­te. Er sagt: «Vor allem aber wäre unse­re Gesell­schaft ohne all das frei­wil­li­ge Enga­ge­ment um eini­ges ärmer.»

Einsät­ze am Sonntag

Die Spital­seel­sor­ge am Kantons­spi­tal St. Gallen findet kaum genü­gend Frei­willige, die am Sonn­tag die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten zum Gottes­dienst beglei­ten. Dieser wird abwech­selnd katho­lisch, evan­ge­lisch, manch­mal ökume­nisch ­gestal­tet. In den vergan­ge­nen Jahren hat die Zahl der Frei­wil­li­gen stark abge­nommen. Es werden deshalb zusätz­li­che ­Begleit­per­so­nen für den Sonn­tags­got­tes­dienst gesucht. Diese tref­fen sich jeweils um 9 Uhr bei der Spital­ka­pel­le. Bis 10 Uhr werden die Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten abge­holt. Nach dem Gottes­dienst werden sie wieder in ihr Zimmer gebracht.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 30.12.2022

Bischof Markus Büchel

«Dann kommt etwas zum Leuchten»

Bischof Markus Büchel über die Bedeu­tung von Kerzen für den Advent und die Spiri­tua­li­tät und welche Botschaft für ihn im Advents­lied «Mache dich auf und werde Licht» steckt.

Bischof Markus, für viele ist Advent und Weih­nach­ten ohne Kerzen undenk­bar. Doch wieviel von der ­Botschaft von ­Weih­nach­ten steckt in ­diesem Symbol?

Wir feiern an Weih­nach­ten die Geburt von ­Jesus Chris­tus, dem Retter. Weih­nach­ten fällt bei uns mitten in die dunk­le Zeit. Jesus Chris­tus gilt als Licht der Welt. Mich faszi­niert, dass er in die Dunkel­heit hinein­ge­bo­ren wird. Mit ihm kommt etwas Neues in die Welt. Seine Geburt bringt Hoff­nung und Zuver­sicht. Das Licht der Kerzen ist leben­dig. Jesus sagt – so das Johannes-Evangelium – über sich: Ich bin das Licht der Welt. Aber er sagt auch: ihr seid das Licht der Welt. In der Botschaft von Weih­nach­ten steckt auch der Auftrag, Licht­trä­ge­rin und Licht­trä­ger zu sein und das Licht weiter­zu­ge­ben. Bei mir brennt jedes Jahr während der ganzen Weih­nachts­zeit das Frie­dens­licht. Sobald ich es bekom­me, stel­le ich die Kerze in eine Later­ne, damit es nie erlischt. Ich entzün­de in dieser Zeit immer wieder Kerzen an diesem Licht.

Bei Bischof Markus Büchel war das Licht der Kerzen schon immer von der kirch­li­chen Bedeu­tung geprägt.

Wie oft bren­nen bei Ihnen ­Kerzen? Welche Bedeu­tung ­haben sie für Sie?

Bei mir brennt sehr oft eine Kerze und beson­ders immer dann, wenn ich mich zum Gebet samm­le. Das war in meinem Leben schon immer so. Bei uns zuhau­se in der Fami­lie waren Kerzen sehr wich­tig und von der kirch­li­chen Bedeu­tung her geprägt. In meiner Kind­heit war man noch nicht so verwöhnt mit elek­tri­schem Licht, da war es an den Winter­aben­den wirk­lich dunkel. Umso mehr schätz­te man das Licht einer Kerze. Kerzen­licht schafft eine Atmo­sphä­re und sorgt für Gebor­gen­heit. Aber für mich ist das Licht einer Kerze auch etwas Leben­di­ges und damit etwas Ande­res als elek­tri­sches Licht. Als Minis­trant wurde ich aufmerk­sam auf die litur­gi­sche Bedeu­tung der Kerzen.

Kerzen sind heut­zu­ta­ge ­wieder im Trend. Doch ­katho­li­sche Kerzen­bräu­che wie zum Beispiel Maria ­Licht­mess im Febru­ar gehen ­immer mehr vergessen.

In unse­rer Fami­lie war es üblich, an Maria Licht­mess in der Kirche die Kerzen segnen zu lassen. Diese geseg­ne­ten Kerzen brann­ten dann zuhau­se bei beson­de­ren Anläs­sen. Ich erin­ne­re mich zum Beispiel an den Tod meines Gross­va­ters: Wir zünde­ten neben dem Leich­nam eine Kerze an. Es ist faszi­nie­rend, dass Kerzen uns durch so viele prägen­de Ereig­nis­se im Leben beglei­ten. Sie bren­nen an einer Fest­tags­ta­fel und an fröh­li­chen Anläs­sen, zu denen viele Menschen zusam­men­kom­men. Aber genau­so brennt die Kerze bei trau­ri­gen Ereig­nis­sen oder ihr Licht schafft Trost, wenn sich jemand allein und einsam fühlt. Was mich jedes Jahr an Aller­hei­li­gen und auch an ande­ren Festen beein­druckt: So viele haben das Bedürf­nis, in den Kirchen eine Opfer­ker­ze anzu­zün­den. Das war früher noch nicht so verbrei­tet. Viel­leicht hat diese neue­re Tradi­ti­on älte­re Bräu­che abge­löst. Früher wie heute bin ich immer wieder tief beein­druckt, wenn an Ostern in der dunk­len Kirche das Licht von der Oster­ker­ze allen weiter­ge­reicht wird.

Für Bischof Markus Büchel geht es darum, acht­sam zu werden.

«Mache dich auf und werde Licht» wird in den Rora­te­fei­ern im Advent gesun­gen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie diesen Kanon singen?

Er erin­nert mich, dass wir ausge­sandt sind. Der Vers aus Jesa­ia lädt mich ein, mich auf den Weg zu machen. Chris­tus ist uns Licht, aber gleich­zeitig braucht auch er uns als Licht­spen­der. Dazu sind konkre­te Schrit­te von uns notwen­dig. Wir sind aufge­for­dert, Hoff­nungs­trä­ger zu sein.

Was heisst das?

Es geht darum, eine Haltung gegen­über ande­ren Menschen einzu­neh­men so wie es Jesus getan hat: Jeden anzu­neh­men so wie er ist. Nicht ande­re zu beur­tei­len aufgrund von Äusser­lich­kei­ten oder Leis­tun­gen, sondern sich in sie hinein­zu­ver­set­zen und hineinzufühlen.

Ange­sichts von Krieg und Leid tun sich gegen­wär­tig ­viele schwer, an dieses Licht und die Hoff­nung zu glau­ben. Was antwor­ten Sie ihnen?

Gera­de in diesem Jahr wurde sicht­bar, dass viele Menschen nicht wegschau­en, sondern etwas für Notlei­den­de tun: Ich denke an alle, die Geflüch­te­te aus der Ukrai­ne aufge­nom­men haben oder sich auf ande­re Weise für sie enga­gie­ren. In all dem Leid bricht doch eine Sehn­sucht, ein ­Funke Hoff­nung auf. Man darf nicht direkt ein Wunder erwar­ten, wenn man eine Kerze anzün­det. Aber es kann schon ein erster Schritt aus der Ohnmachts­hal­tung sein, mit einer Kerze die eige­ne Sprach­lo­sig­keit auszu­drü­cken. Wenn ich an einem Grab oder in der Kirche eine Opfer­ker­ze anzün­de, dann ist das so als ob ich mein Gebets­an­lie­gen oder meinen Gedan­ken in diesem Licht plat­zie­re. Auch wenn ich wieder weg bin, bleibt mein Anlie­gen dort.

Sich aufma­chen, ­öffnen und Licht sein. Wie könn­te das im ­Advent gehen?

Für mich geht es darum, acht­sam zu werden gegen­über dem Nächs­ten, sich einlas­sen auf die Not der ande­ren. Wenn ich versu­che, mein Leben aus dem Glau­ben heraus zu gestal­ten, dann kommt etwas zum Leuch­ten. Es geht auch darum, sich wieder bewusst zu machen, dass in jedem von uns das Licht, der gött­li­che Funke, steckt. ­Diesem Licht gilt es Sorge zu tragen.

Bischof Markus Büchel erhält das ­Frie­dens­licht seit vielen Jahren von Jda Gara­ven­ta. Die St. Galle­rin hat das Frie­dens­licht nach St. Gallen gebracht, schon lange bevor die welt­wei­te Frie­dens­ak­ti­on in der Ostschweiz bekannt war.

Veröf­fent­licht: 16. Dezem­ber 2022

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Arbeiten, wo immer Neues entsteht

Zu den Arbei­ten des Forstwart-Lernenden Tino Wald­bur­ger gehört im Dezem­ber unter ande­rem die Ernte der Weihnachtsbäume.

Nach seinem Studi­um der Umwelt­wissenschaften entschied sich Tino Wald­bur­ger für eine Lehre als Forst­wart. Die Arbeit draus­sen in der Natur mache mental zufrie­de­ner, sagt der 29-jährige St. Galler. Zudem glei­che kein Tag dem anderen.

Mehr Verständ­nis für die verschie­de­nen Seiten: Das möch­te Tino Wald­bur­ger durch seine Lehre als Forst­wart errei­chen. Der 29-Jährige befin­det sich im letz­ten Lehr­jahr im Forst­be­trieb des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils des Kantons St. Gallen. Jeden Morgen um 7 Uhr trifft er sich mit seinen drei Arbeits­kol­le­gen beim Werk­hof des Betriebs in Gossau. Von dort aus geht es in die verschie­de­nen Gebie­te des 315 Hekt­ar gros­sen Waldes. «Mir gefällt vor allem der abwechs­lungs­rei­che Alltag als Forst­wart. Ich mache kaum mehr als ein, zwei Tage diesel­be Arbeit», sagt Tino Wald­bur­ger. Im Sommer­halb­jahr gehö­re beispiels­wei­se die Pfle­ge des jungen Waldes zu den Haupt­auf­ga­ben, im Winter­halb­jahr die Holz­ern­te. Im Dezem­ber werden zudem rund 50 Christ­bäu­me für die Weih­nachts­baum­ak­ti­on der Cari­tas St. Gallen-Appenzell geern­tet. Von Armut betrof­fe­ne Perso­nen können vor den Cari­tas Märk­ten in St. Gallen, Wil und Rappers­wil gratis einen Christ­baum bezie­hen. Weite­re Christ­bäu­me gehen an die Kirchen.

Die Welt retten

Dass er sich für die Arbeit rund um das Thema Wald inter­es­siert, merk­te Tino Wald­bur­ger während seines Studi­ums der Umwelt­na­tur­wis­sen­schaf­ten an der ETH Zürich. «Bei diesem Studi­um war für mich immer die Frage zentral, was man in Zeiten des Klima­wan­dels tun kann, um die Welt zu retten. Die Grund­la­ge dafür ist, die Zusam­men­hän­ge in der Natur zu verste­hen», sagt er. Tino Wald­bur­ger besuch­te unter ande­rem Vorle­sun­gen über Lebens­zy­klen der Bäume und über Wald­öko­lo­gie. Dabei merk­te er, dass dies der Bereich war, in dem er später arbei­ten woll­te. Nach einem Prak­ti­kum beim Kantons­forst­amt war ihm klar, dass ein Büro­job ohne prak­ti­sche Erfah­rung für ihn nicht in Frage kam. «Ich denke, die Akzep­tanz mir gegen­über in meinem späte­ren Berufs­le­ben wird grös­ser sein, wenn ich die unter­schied­li­chen Perspek­ti­ven der Berufs­grup­pen kenne, die mit Wald zu tun haben», sagt er.

Viel­falt und Ruhe

Tino Wald­bur­ger kommt ursprüng­lich aus Heris­au. Heute lebt er in St. Gallen. Ausgleich zu seinem Beruf findet er wenn, dann beim Gleit­schirm­flie­gen oder bei der Jubla. Dort enga­giert er sich in der Kantons­lei­tung. «In der Jubla kann ich mich gemein­sam mit ande­ren für eine Sache einset­zen. Und ich mag die Abwechs­lung», sagt er. Auch im Wald entwick­le sich immer etwas, es entste­he immer etwas Neues. Diese Viel­falt und die Ruhe, die einem der Wald gebe, würden die Arbeit als Forst­wart für ihn ausma­chen. Er sagt: «Zudem ist man mental zufrie­de­ner, wann man abends sieht, was man gemacht hat.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 14. Dezem­ber 2022

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