Das kleine blaue Kirchengesangbuch wird bis 2027 durch ein schlankeres Gesangbuch und digitale Inhalte ersetzt. Die Arbeiten laufen auf Hochtouren. Die Projektverantwortlichen brauchen nun Feedback aus der Bevölkerung.
«Weniger Gottesdienstteilnehmende und die steigende Digitalisierung – wir versuchen, in Zeiten einer sich verändernden Kirche unseren Weg zu finden», sagt Martin Hobi. Der 62-Jährige steht in der Kathedrale St. Gallen, in der einen Hand sein iPad, in der anderen das blaue Kirchengesangbuch. Seit 1998 liegt das 959-seitige Werk mit der schier endlosen Fülle an Kirchenliedern und liturgischen Formeln in den katholischen Kirchen der Schweiz. Doch seine Tage sind gezählt. Ein neues Medium soll her – eines, das die Menschen mehr abholt und der fortschreitenden Digitalisierung gerecht wird. Die Lösung: Ein schlankeres Gesangbuch, eine App und eine Website, auf der auch jene Lieder zu finden sein werden, die es nicht in die gedruckte Ausgabe geschafft haben.
Das blaue Kirchengesangsbuch verschwindet. Ersetzt wird es durch ein schlankeres Gesangsbuch mit App und Webseite.
Die Pfarreien können so eigene Sammlungen zusammenstellen. «Das Digitale dürfen wir nicht mehr als Konkurrenz ansehen, sondern müssen es aufnehmen», sagt Martin Hobi. Er ist Dozent für Kirchenmusik in St. Gallen und als Mitglied des Projektteams auch in der Kommission «Hymnologie» für die Lieder zuständig.
Arbeiten auf Kurs
2021 hat die Projektgruppe KG-neu der Deutschschweizerischen Ordinarienkonferenz unter der Leitung von Abt Urban Federer von Einsiedeln mit der Umsetzung begonnen. Das neue Medium soll 2027 unter dem Namen «Jubilate» erscheinen. «Wir sind auf Kurs», sagt Martin Hobi. Die Finanzierung sei zwar noch nicht gesichert, «aber vieles kommt mit dem Verkauf des Printprodukts und der Aufführungsrechte wieder zusammen. Das Kirchengesangbuch aus dem Jahr 1998 war letztlich ein finanzielles Erfolgsprodukt.» Das Interesse am Projekt sei riesig und die Projektgruppe personell gut aufgestellt. Dazu gehören nebst Leiterin Sandra Rupp Fischer unter anderem Esther Wild Bislin, Kirchenmusikleiterin in Uzwil, und Michael Wersin, Studienleiter an der Diözesanen Kirchenmusikschule St. Gallen. Martin Hobi streicht die Bedeutung von St. Gallen als Teil der Projektgruppe heraus: «St. Gallen ist und war schon früh ein wichtiges Zentrum für die kirchliche Musik und in diesem Bereich sehr vif.»
Veraltete Ausdrücke
Die Verantwortlichen haben jedes Lied angeschaut, die Wortwahl hinterfragt und das Zusammenspiel mit der Melodie untersucht. Dabei stiessen sie immer wieder auf Ausdrücke, die überholt sind oder auf musikalische Gesangsstücke, die kaum bekannt sind. Auf solche wird künftig verzichtet. Ausschlaggebend ist auch die Komplexität. «Es ist wichtig, dass ein Lied inhaltlich und melodisch gut erfassbar ist», erklärt Hobi.
Die Projektverantwortlichen haben in den vergangenen Monaten jedes Lieb und jedes liturgische Gefäss überprüft.
Nun stehen die Verantwortlichen vor der Entscheidung: Welche Lieder und liturgischen Formeln kommen ins neue Buch und welche nicht? «Dies ist der Kern des Projektes und eine sehr intensive Arbeit. Spannend sei die Sensibilisierung für das Zusammenspiel von Wort und Musik in der Liturgie. «Dieses ist für die Kirche zentral und stellt damit für sie ein zukunftsorientiertes Hoffnungs- und Aufbruchszeichen dar. Das ist für die Kirche in Zeiten, in denen sie mit dem Rücken zur Wand steht, besonders wichtig.»
Rückmeldungen erwünscht
Die Projektgruppe sucht aktiv den Kontakt zur Bevölkerung und zu den Pfarreien. Zu Beginn stand eine breit angelegte Umfrage, welche Veränderungen der Kirchengesang in kommender Zeit erfahren müsse. Auch bei der Namensgebung konnte die Bevölkerung mitmachen. Wie Martin Hobi erklärt, laufen momentan verschiedene Experimente. So sind die Pfarreien aufgerufen, Erfahrungen mit dem Singen ab Beamer und dem Singen ab Smartphone zu sammeln und Feedback zu geben. «Die Pfarreien machen mit. Die Rückmeldungen sind sehr wichtig für uns», so Hobi. Denn die Arbeit des Projekktteams ist noch längst nicht fertig: 2025 widmet es sich möglichen neuen liturgischen Gefässen und der Anpassung jetziger Formeln.
Sofort und niederschwellig Armutsbetroffene zu unterstützen, gehöre zu den wichtigsten Aufgaben der Caritas St. Gallen-Appenzell, sagt Geschäftsleiter Philipp Holderegger. Seit 100 Jahren hilft diese dort, wo der Staat etwas nicht macht – etwa mittels Caritas-Märkten.
Philipp Holderegger, die Zahlen Armutsbetroffener in der Schweiz steigen seit Jahren. Wie zeigt sich das bei Caritas?
In den Caritas-Märkten sehen wir etwa jeden Tag neue Gesichter. Zunehmend kaufen bei uns Personen ein, die vorher nicht kamen. Sie kommen, weil sie keine andere Wahl haben. Auch die Zahlen belegen, wie die Armut zunimmt. Alleine durch den Krieg in der Ukraine und in der Folge durch die Zahl der Geflüchteten verzeichneten wir 20 Prozent mehr Einkäufe. Durch die darauffolgende Teuerungswelle kamen nochmals 20 Prozent dazu. Der unterste Mittelstand wird zusammengedrückt, bis es nicht mehr geht und er auf Hilfestellungen angewiesen ist.
Die Entwicklung der Armut zeigt sich in den Caritas-Märkten also am schnellsten?
Das ist so. In den Märkten ist sie sichtbar und greifbar. Mit einiger Verzögerung macht sich die Armut dann bei uns in der Schuldenberatung bemerkbar. Aktuell arbeiten wir beispielsweise viele Fälle auf, bei denen es sich um Verschuldung als Folge der Coronapandemie handelt.
Im Rahmen des 100-Jahr-Jubiläums der Caritas St. Gallen-Appenzell gibt es in den drei Caritas-Märkten der Region Tage der offenen Tür. Wie funktionieren die Märkte überhaupt?
Unsere Einkaufsgenossenschaft in Sempach kauft die Produkte für uns ein, ein Teil wird subventioniert. Das bedeutet, dass dieselben Produkte, die auch die gängigen Grossverteiler anbieten, bei uns im Schnitt 30 Prozent billiger sind. Zu unserem Sortiment gehören Grundnahrungsmittel wie Brot, Früchte, Gemüse, Fleisch- und Milchprodukte, aber auch Süssigkeiten, Parfüm und Spielsachen. Es ist wichtig, dass auch armutsbetroffene Personen eine Auswahl haben und sich auch einmal für etwas wie ein Parfüm entscheiden können. Bei vielen handelt es sich um Working Poor. Das sind Personen, die trotz Arbeit zu wenig zum Leben haben. Auswählen zu können ist wichtig, weil es das Selbstwertgefühl stärkt. Man ist kein Almosenempfänger, der die Hand aufhält und nehmen muss, was er bekommt.
In St. Gallen und Appenzell ist die Caritas ein Hilfswerk der Katholischen Kirche. Vielen ist das nicht bewusst. Wie gehen Sie damit um?
Wir sind in einer glücklichen Situation. Wir werden jährlich vom katholischen Konfessionsteil mit 1,4 Millionen Franken unterstützt. Das ist längst nicht in jedem Bistum in der Schweiz so. Diese Unterstützung ermöglicht es uns, dass Gelder, welche als Spenden bei uns reinkommen, auch als Spenden wieder rausgehen, anstatt etwa für Lohnkosten eingesetzt zu werden. Die Kirchensteuer wird hier auf eine äusserst sinnvolle Art eingesetzt: Sie hilft direkt von Armut betroffenen Menschen. Entwicklungen zu sehen, wie den Imageverlust der Katholischen Kirche und zunehmende Kirchenaustritte, tut weh. Gleichzeitig können wir als Caritas nicht die Retter der Katholischen Kirche sein. Die Kirche hat und hätte bei vielen gesellschaftsrelevanten Themen Wichtiges beizutragen, etwa im Gesundheitswesen oder zu der Art, wie heute mit den Themen Endlichkeit und Sterben umgegangen wird. Es muss gelingen, diese Stärken zu zeigen und sich in der Öffentlichkeit zu positionieren.
Was hat sich in 100 Jahren Caritas St. Gallen-Appenzell am stärksten verändert?
Im Grunde hat sich nicht viel verändert. Thema der Caritas ist seit jeher die Armut mit all ihren Facetten. Im Zentrum steht dabei immer, dort anzusetzen, wo der Staat etwas nicht macht. Je nach Jahrzehnt wurden beispielsweise straffällige katholische Männer, Menschen mit einer Beeinträchtigung, Geflüchtete, Arbeitslose oder eben Working Poor besonders unterstützt. Eine wichtige Veränderung waren aber schon die Caritas-Märkte, die es nun im Bistum St. Gallen seit 31 Jahren gibt. Sie sind ein niederschwelliges Angebot, das sofort hilft.
Welchen Wunsch haben Sie für die Zukunft der Caritas?
Ich bin stets neidisch auf die welschen Kollegen. In der Westschweiz wird anders und offener mit dem Thema Armut umgegangen. Der Staat übernimmt mehr Verantwortung. Bei uns dominiert auch von politischer Seite her oft die Einstellung, dass jemand selber schuld ist, wenn es ihm schlecht geht. Ich würde mir einen Sinneswandel wünschen. Zudem braucht es gesellschaftliche Wertschätzung der vielen Freiwilligen.
Ohne Freiwillige würden wohl auch die Caritas-Märkte nicht funktionieren?
Das ist so. Allein im Caritas-Markt St. Gallen engagieren sich 60 Personen. Bei den meisten handelt es sich um Pensionierte aus dem Mittelstand, die etwas zurückgeben möchten. Viele Freiwillige finden sich durch Mund-zu-Mund-Propaganda. Wie gross die Bereitschaft in der Gesellschaft ist, zu helfen, erlebe ich immer wieder. Als etwa während der Coronapandemie alle Pensionierten zu Hause bleiben mussten, verschickten wir per WhatsApp einen Aufruf. Innert kurzer Zeit waren alle Stellen mit Studierenden besetzt. Das zu sehen, motiviert einen.
Tag der offenen Tür in den Caritas-Märkten St. Gallen, Wil und Rapperswil-Jona, 8. Juni, 10 bis 16 Uhr. Tag der offenen Regionalstellen in Sargans, St. Gallen und Uznach, 16. August, 11 bis 18 Uhr. Jubiläumsgottesdienst in der Kathedrale St. Gallen mit Apéro, 9. November, 17.30 Uhr. Infos unter www.caritas-regio.ch
Seit neun Jahren engagiert sich Susi Winkler für den Bibelgarten Gossau und hegt über 100 Pflanzenarten. Bei ihrer Arbeit hat die Hobbygärtnerin einen einfachen Grundsatz: Sie härtet die Pflanzen bewusst ab, damit sie sie nicht «höfele» muss.
Susi Winkler stöbert gerne in alten Büchern. Nicht in irgendwelchen, sondern in Pflanzenbüchern. «Dort finde ich immer wieder nützliche und vor allem natürliche Tipps. Schneckenkörner oder Ähnliches gibt es bei mir nicht», sagt die 62-Jährige. Sie zeigt nacheinander auf mehrere Beete. Acht sind es an der Zahl. Darin spriessen die unterschiedlichsten Pflanzen, mal farbig und zart, mal stachlig und zäh. In den vergangenen Jahren hat Susi Winkler hier im Bibelgarten im Andreaspark in Gossau immer wieder ihren grünen Daumen bewiesen. Sie ist seit 2015 zuständig für das Fleckchen Natur mitten im Stadtzentrum, das 365 Tage im Jahr frei zugänglich ist. Unterstützung erhält sie dabei von Ursula Rehmann und Christoph Grzonka, welche sich ehrenamtlich im Team engagieren. Der Vierte im Bunde, Simon Sigg, organisiert regelmässig Führungen im Schaugarten. Dieser feiert im kommenden Jahr bereits sein 20-jähriges Bestehen.
Nicht immer gelingt Anzucht
Mit viel Herzblut kümmern sich die Hobbygärtner liebevoll um rund 110 Pflanzenarten – 70 davon werden in der Bibel erwähnt oder sind artenverwandt. Darunter sind auch Exoten wie ein Maulbeerbaum, ein Granatapfelbaum oder Senfkörner.
Susi Winkler engagiert sich seit neun Jahren mit viel Herzblut für den Bibelgarten Gossau. Im Frühjahr hat sie besonders viel zu tun.
Im vergangenen Jahr versuchte sich Susi Winkler an Safran. Die Setzlinge hatte sie von der Safranzunft Mund im Wallis, «der einzige Ort, an dem in der Schweiz Safran wächst.» Susi Winkler bekommt von Bekannten oft Setzlinge oder Samen von alten Kulturpflanzen und probiert auch immer wieder die Anzucht von neuen Pflanzen. «Ich kann auch manchmal kreativ sein. Wenn ich etwas Neues höre, möchte ich es ausprobieren», sagt sie. Der Safran hat den erneuten Kälteeinbruch vor einigen Wochen allerdings nicht vertragen und ist zum Leidwesen von Susi Winkler eingegangen. «Das reut mich schon ein bisschen.»
Pflanzen abhärten
Susi Winkler hat ihre Leidenschaft gefunden. Dies war nicht immer so. Auf einem Bauernhof aufgewachsen, war die Mithilfe im Garten im Kindesalter ein notwendiges Muss. Erst nach der Geburt der eigenen Kinder habe sie wieder zu gärtnern begonnen. «Und es hat mir den Ärmel hineingezogen.» Die aufgestellte Frau ist aber keine typische Gärtnerin. Rosen mag sie nicht. «Die muss man ‹höfele›, das liegt mir nicht», sagt sie und ergänzt: «Blumen sind schön, wenn man sie nicht umständlich pflegen muss.» Vielmehr fasziniert sie der kleine Stachelrosenbaum, der «aussieht, als würde er brennen, wenn die Sonne ihn anscheint», oder das Beet mit den Wiesenblumen. Dieses wurde erst im vergangenen Jahr angelegt und hat eine wichtige Bedeutung: «Viele sehen gar nicht, was überhaupt hinter einer einfachen Wiese steckt», sagt Susi Winkler. «Wiesenblumen werden immer wichtiger und wir wollen damit einen Beitrag zur Biodiversität leisten.» Die Klimaerwärmung hingegen beeinflusst Susi Winklers Arbeit nicht. Sie ist eine Verfechterin davon, ihre Pflanzen abzuhärten. Wasser bekommen sie nur in den ersten beiden Jahren und das sehr spärlich. «Danach müssen die Wurzeln lang genug sein, um an das Grundwasser zu gelangen. Ich kann nicht jeden Tag die Pflanzen giessen», sagt sie. Dann verabschiedet sie sich. Sie hat noch einiges zu tun – die Frühlingsmonate sind für sie die intensivsten. Dann heisst es: Jäten, säen und zurückschneiden, was das Zeug hält, damit sich die Gäste auch in diesem Jahr wieder an vielen verschiedenen Pflanzenarten erfreuen können.
Text: Alessia Pagani Bilder: Ana Kontoulis Veröffentlichung: 27. Mai 2024
Vier Tage lang mit Freunden Musik und Konzerte geniessen und den Ausnahmezustand im Sittertobel miterleben: Jugendarbeitende und Mitarbeitende des Care Teams erzählen, welche Chancen und Herausforderungen das gerade für junge Menschen mit sich bringt.
THOMAS FUHRER Jugendarbeiter Katholische Kirche St. Gallen
Das Open Air St. Gallen hat Thomas Fuhrer erstmals vor drei Jahren besucht. Er bevorzugt eigentlich Festivals mit einer anderen musikalischen Ausrichtung. «Ich mag Heavy Metal», sagt der 28-Jährige, der als katholischer Jugendarbeiter in der Stadt St. Gallen arbeitet. An Heavy-Metal-Festivals gefalle ihm nebst der Musik die friedliche Stimmung. Als Beispiel erzählt er von einem Kollegen, der aus betrunkenem Leichtsinn einem völlig Fremden seine Kreditkarte zur sicheren Aufbewahrung zusteckte. «Am nächsten Morgen liefen sich die beiden zufällig über den Weg und der Fremde sagte: ‹Hey, ich habe übrigens noch deine Karte›», sagt Thomas Fuhrer und lacht. Ob das nun typisch für ein Heavy-Metal-Festival oder einfach nur Glück gewesen sei, wisse er natürlich nicht.
Als Pfadi am Festival
Seine Motivation, ans Open Air St. Gallen zu gehen, ist eine andere. Seit einigen Jahren ist er im Care Team beider Appenzell dabei. Geschieht beispielsweise ein Unfall oder ein anderes Ereignis mit seelischen Extrembelastungen, unterstützt er unmittelbar die Angehörigen. «Als ich dann vor drei Jahren erfuhr, dass das Care Team vom Open Air St. Gallen Mitglieder sucht, hat mich das sofort angesprochen. Das war für mich eine neue Herausforderung», sagt er. Am Open Air St. Gallen liegt ihm noch etwas Weiteres am Herzen. Thomas Fuhrer ist Präses der Pfadi Zentrum St. Gallen. Deren Leitungsteam geht seit Jahren zusammen ans Open Air. «Ich schaue während des Festivals natürlich auch beim Zeltplatz meiner Pfadi vorbei. Dann bin ich aber privat unterwegs», sagt er. Dass die Pfadis das seit Jahren so machen und gemeinschaftlich am Festival seien, beeindrucke ihn. «Ich denke, gerade in einer Gruppe, die sich seit Langem kennt, ist das Verantwortungsbewusstsein gross», sagt er und ergänzt: «Wer beispielsweise an heissen Open-Air-Tagen viel Wasser trinkt, macht schon einmal ziemlich viel richtig.» Besorgten Eltern rät er, Vertrauen zu haben und nachts das Handy anzulassen. «Deren Nachwuchs soll wissen, dass er sich jederzeit melden kann», sagt er.
Aus Langeweile pöbeln
Widersprechen möchte Thomas Fuhrer der These, dass vor allem Jugendliche am Open Air besonderen Risiken ausgesetzt sind. «Von übermässigem Alkoholkonsum oder Gewalterfahrungen sind auch Erwachsene betroffen», sagt er. So sei ihm vor allem ein Erlebnis in Erinnerung geblieben. Bei der Telefonnummer des Care Teams habe sich einmal ein Mann gemeldet, dem es langweilig gewesen sei und der daher willkürlich Leute angepöbelt habe. «Er rief uns an, und erwartete zwei stämmige Securitas-Mitarbeiter», sagt Thomas Fuhrer. Als der Pöbler dann ihn und seine Kollegin vom Care Team gesehen habe, beide eher schmächtig, habe er gelacht und gemeint, nun werde wohl nichts aus einer Schlägerei. «So etwas verwundert einen schon», sagt Thomas Fuhrer.
Wie sieht es Backstage beim Open Air St. Gallen aus? Wie sind die Bandgarderoben eingerichtet und wie ist es, auf der Bühne zu stehen? Wenige Tage bevor das Festival Ende Juni beginnt, wird die reformierte Religionspädagogin Tanja Mäder mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen das Gelände begehen. Bis zu 40 Personen können sich für den Rundgang anmelden, den Tanja Mäder in diesem Jahr zum ersten Mal für junge Erwachsene organisiert. Führungen am Open Air St. Gallen, vor allem für Firmen, macht sie aber seit über 20 Jahren. «Als kirchliche Mitarbeitende ist es nicht einfach, mit jungen Erwachsenen in Kontakt zu kommen und in Kontakt zu bleiben, da diese einen ziemlich vollen Alltag und die verschiedensten Interessen haben», sagt die 52-Jährige. Daher sei in Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde Gaiserwald und der Fachstelle kirchliche Jugendarbeit DAJU die Idee mit den Führungen entstanden. «Über spannende Themen rund ums Open Air wollen wir mit den jungen Erwachsenen ins Gespräch kommen und zeigen, dass es uns gibt und dass sie mit allen Anliegen auch zu uns kommen können», sagt sie.
Füreinander einstehen
Spannend wird es allemal. Nach so vielen Jahren Engagement am Open Air kann Tanja Mäder aus dem Nähkästchen erzählen, etwa von den Sonderwünschen einiger Bands. So sollten einmal alle M&M’s einer bestimmten Farbe aussortiert werden, weil diese einem Musiker nicht schmeckten. Nebst spannenden Fakten rund ums Open Air möchte Tanja Mäder auch Werte vermitteln. Es sind Werte, die ihr gerade als kirchliche Jugendarbeiterin besonders wichtig sind. Dazu gehören füreinander da sein und einstehen sowie der Zusammenhalt als Gemeinschaft. «Das beeindruckt mich auch am Open Air immer wieder. Die Stimmung ist eigentlich sehr friedlich und wenn etwas passiert, beobachte ich vor allem bei jungen Menschen, wie gross die gegenseitige Unterstützung ist», sagt sie. Als Eltern mache man sich natürlich Sorgen. Aber wer seinen Kindern durch die Erziehung gute Werte mit auf den Weg gegeben habe, der müsse auch loslassen und die Kinder eigene Erfahrungen machen lassen können. Den Jugendlichen rät sie, mit guten Freunden in der Gruppe unterwegs zu sein sowie sich bei Problemen an das Care Team oder die Sanitäterinnen und Sanitäter zu wenden.
Derselbe Kern
Vor 39 Jahren besuchte Tanja Mäder erstmals selbst das Open Air St. Gallen. In all diesen Jahren habe sich das Open Air stark verändert. «Es ist von einem Dorf zu einer Stadt gewachsen, mit einem Supermarkt, Bazar-Ständen und verschiedenen Bühnen. Zudem ist alles professioneller organisiert», sagt sie und fügt an: «Aber der Kern, die Stimmung und dass die Menschen und vor allem die jungen Menschen gemeinsam etwas Schönes erleben wollen, ist nach wie vor gleich.»
SANDRA KÖSTLI Leiterin Care Team Open Air St. Gallen
«Das Open Air St. Gallen ist wie eine kleine Stadt, in der alles zusammenkommt, nur konzentrierter als sonst im Alltag. Gerade für Jugendliche, die vielleicht zum ersten Mal an ein Open Air gehen, ist das ein besonderes Erlebnis», sagt Sandra Köstli. Die 36-Jährige leitet seit diesem Jahr das Care Team des Festivals. Die 27 Ehrenamtlichen des Care Teams helfen Personen, die in eine Krise geraten – an einem Festivaltag im Schnitt fünf Mal.
Aufeinander achten
Sandra Köstli ist seit 2016 mit dabei. «Verändert hat sich in dieser Zeit vor allem, dass das Thema Awareness immer wichtiger wurde. Die Festivalbesucherinnen und ‑besucher sind sensibilisierter dafür, wie wichtig es ist, aufeinander zu achten und zu helfen, wenn jemand auf Unterstützung angewiesen ist», sagt sie. Beeindruckt sei sie beispielsweise immer wieder davon, wie gut gerade junge Erwachsene und Jugendliche als Gruppe auf die Einzelnen aufpassen würden, wenn es diesen nicht gut geht.
Dem Alltag entfliehen
Neue Musik entdecken, verschiedenes Essen ausprobieren, neue Leute kennenlernen und Teil der Open-Air-Gemeinschaft sein: All das bringt laut Köstli viele Chancen und schöne Erlebnisse gerade auch für Jugendliche mit sich. «Ausserdem können sie einmal dem Alltag mit all seinen Strukturen entfliehen und vier Tage Ausnahmezustand erleben», sagt sie. Das bringe allerdings auch Herausforderndes mit sich: Vielleicht gerät man in eine unangenehme Situation, mit der man nicht umgehen kann. Man könnte Gewalt erleben, zu viel getrunken haben oder es könnte ein Unfall geschehen. Vor einigen Jahren brach in einem Strohlager beispielsweise ein Brand aus. Es gab zwar keine Verletzten, aber Personen, die alles verloren, was sie dabei hatten. «Immer dann, wenn Personen in Not sind, aber keine körperliche Gefahr besteht, kommen wir vom Care Team ins Spiel», sagt Sandra Köstli, die soziale Arbeit studiert hat. «Wir schauen, was die Betroffenen brauchen. Ob sie zum Beispiel nach Hause gehen oder am Festival bleiben möchten oder ob wir allenfalls den Kontakt zur Opferhilfe herstellen sollen.»
Sich auf Freunde verlassen
Das Care Team hat am Open Air einen Container, ist aber auch auf dem Gelände unterwegs. «Gerade die Jugendlichen und jungen Erwachsenen begegnen uns sehr offen und interessiert», sagt sie und fügt an: «Ich denke, dass die Themen ‹Awareness› und ‹Aufmerksam sein› durch die Sensibilisierungsarbeit des Open Airs bei der heutigen Jugend stärker verankert ist als früher.» Tipps, die Sandra Köstli jungen Menschen mit auf den Weg gibt, die zum ersten Mal ein Festival besuchen, sind: Mit Personen zusammen hingehen, auf die man sich verlassen kann. «Und wenn man merkt, dass einem vier Tage Menschenmasse, Hitze oder Kälte sowie der Lärm zu viel sind, soll man einfach einmal eine Pause einlegen. Man könnte vielleicht kurz heimgehen und dann ausgeruht ans Festival zurückkommen.»
Mirco Meier und Janina Landolt, kirchliche Jugendarbeiter in der Seelsorgeeinheit Gaster, unterstützen Jugendliche auf ihrem Weg ins Erwachsenenleben. Im Jugendtreff haben sie auch ein Ohr, wenn ein Teenager einmal einfach über sein Hobby sprechen will.
Zehn bis fünfzehn Jugendliche kommen jeden zweiten Samstagabend in den kirchlichen Jugendtreff in Weesen. Das Zusammensein geniessen, Musik hören oder miteinander Billard spielen. «Manchmal hat jemand auch das Bedürfnis, dass ihnen jemand zuhört», so Mirco Meier, Jugendarbeiter, «sie möchten mit einem Erwachsenen über das sprechen, das sie beschäftigt oder interessiert wie zum Beispiel ihr Hobby.» Ihm sei es wichtig, den Jugendlichen eine Erfahrung zu ermöglichen, die auch er als Jugendlicher erlebt hat: «In meiner Teenagerzeit zerbrach meine Familie, ich hatte in der Kirche Ansprechpersonen, die für mich da waren, das hat mich durch diese schwere Zeit getragen.»
Janina Landolt: Die Sitzkissen sind bei den Jugendlichen jeweils sehr begehrt.
Empathie trainieren
Gemütlich im Jugendtreff chillen und zusammensitzen, beim Koch-Abend «fair kochen» gemeinsam ein Rezept kreieren oder sich auf die Wallfahrt nach Einsiedeln begeben – in der Seelsorgeeinheit Gaster hat die kirchliche Jugendarbeit einen grossen Stellenwert. Für Mirco Meier ist Jugendarbeit nicht einfach ein «Nice to have», sondern theologisch begründet: «Es geht darum, Jugendliche zu unterstützen, freie und selbstständige Menschen zu werden.» Dies sei bereits bei der Synode 72 – eine Reformsynode der Schweizer Bistümer – so festgehalten worden. «Kirchliche Jugendarbeit ist viel mehr als einfach nur Freizeitbeschäftigung oder mit Gleichaltrigen beisammen sein: Jugendliche setzen sich bei unseren Angeboten auch ganz konkret mit Werten auseinander.» Er nennt als Beispiel das Angebot «fair kochen»: «Beim gemeinsamen Kochen werden auch Empathie und Toleranz trainiert. Die Teilnehmenden werden mit unterschiedlichen Geschmäckern, Vorlieben und Allergien konfrontiert und stehen vor der Herausforderung, ein Rezept zu entwickeln, das für alle passt. Beim Essen merken sie dann: Es schmeckt auch, wenn ich es nicht genau so mache, wie ich es immer mache.»
Jugendlabel lanciert
Zur kirchlichen Jugendarbeit gehört viel mehr als nur der kirchliche Jugendtreff: Ministranten-Arbeit, Jugendreisen … dazu kommen in vielen Seelsorgeeinheiten im Bistum St. Gallen auch verbandliche Jugendangebote wie zum Beispiel die Jubla oder die katholische Pfadi und Jugendpastoral wie der Firmweg oder Seelsorge. All diese Angebote sollen nun mehr ins Bewusstsein rücken und gewürdigt werden. Mirco Meier und Janina Landolt werten es als positives Zeichen, dass die Fachstelle für Jugendarbeit im Bistum St. Gallen (DAJU) nun ein «Jugendlabel» lanciert (siehe Kasten). «Ein solches Label hilft, die Angebote vor Ort genau anzuschauen und auch auf blinde Flecken aufmerksam zu werden», so Mirco Meier. Ein erster Schritt sei die Anstellung einer Jugendarbeiterin gewesen: «Die Jugendlichen sollen zwischen einer Frau und einem Mann als Ansprechperson wählen können.»
Mirco Landolt (mitte) weiss aus eigener Erfahrung: Es ist wichtig, dass Jugendliche Ansprechspersonen haben.
Persönlichkeit entwickeln
Wenn eine Kirchgemeinde in die Jugend investiert, investiert sie in die Zukunft, hört man oft als Argument für den Einsatz von kirchlichen Ressourcen für diese Zielgruppe. Mirco Meier sieht das etwas anders: «Der Grund für Jugendarbeit muss aus meiner Sicht sein, Jugendliche bei der Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Allein deshalb lohnt es sich, Ressourcen dafür zu investieren.» Es geht aber auch noch um einen anderen Aspekt: Kirchliche Jugendarbeit ermöglicht laut Mirco Meier Erlebnisse, zu denen manche Jugendliche aufgrund der finanziellen Situation zuhause keinen Zugang hätten. «Wir entlasten damit auch Familien, die von Armut betroffen sind: Einen Ausflug machen und dort etwas essen können, das ist nicht für alle eine Selbstverständlichkeit. Bei uns können alle mitmachen, niemand wird aufgrund seiner Situation zuhause ausgegrenzt.»
Chillen, miteinander reden, Musik hören oder Töggelikasten spielen: Im Jugendtreff in Weesen wird es nie langweilig.
Erfahrungen machen
Janina Landolt beobachtet, dass sich Jugendliche heute nach Räumen sehnen, wo sie nicht bewertet werden und auch nicht schon wieder eine Leistung erbringen müssen. Dass manche Eltern ihre Kinder überhüten, sieht Mirco Meier kritisch: «Es gehört ja gerade zur Jugend, dass sie Erfahrungen machen können. Es ist eine herausfordernde Zeit, aber da lernen junge Menschen, auch mit negativen Erfahrungen umzugehen und daran zu wachsen. Wenn man erst mit 30 mit solchen Herausforderungen konfrontiert wird, hat man zuvor nicht die Chance gehabt zu lernen, damit umzugehen. Zudem erhält jemand in der Jugend häufig einfacher eine zweite Chance.» Der Jugendarbeiter steht auch im Austausch mit Eltern. «Wenn Jugendliche Probleme haben, wird das vielfach als Versagen der Eltern gedeutet. Viele sind deshalb total unter Druck. Dabei hat das oft nichts damit zu tun.» Für Janina Landolt ist das Vertrauen zwischen Eltern und Jugendlichen eine entscheidende Grundlage: «Das Wichtigste ist, zu vermitteln: Egal, was passiert, du kannst zu uns kommen und wir helfen dir. Und es gibt dann auch keine Vorwürfe oder Schuldzuweisungen. Jugendliche sollten wissen, dass immer jemand für sie da ist.»
Text: Stephan Sigg
Bilder: Ana Kontoulis
Veröffentlicht: 24. Mai 2024
Label für jugendfreundliche Kirche
Die DAJU und die Animationsstellen für kirchliche Jugendarbeit (akjs) haben ein Label für eine «jugendfreundliche Kirche» ausgearbeitet. Das Label soll eine öffentlich sichtbare Auszeichnung für eine qualitativ gute Jugendarbeit sein. Es werde für jeweils drei Jahre vergeben. Nach dieser Zeit kann es neu beantragt werden. «Das Label sei ein Zeichen für eine hohe Qualität und Professionalität der Jugendarbeit einer Seelsorgeeinheit», so die DAJU in einer Mitteilung. «Mit dem Label werden Seelsorgeeinheiten ausgezeichnet, welche die mit dem Label verbundenen zentralen Qualitätsmerkmale erfüllen.»
Das Label bringe der Seelsorgeeinheit und deren Jugendarbeit viele Vorteile. Unter anderem werden damit die Qualität und Professionalität der Jugendarbeit gestärkt und gegen aussen sichtbar gemacht. Die Ziele und Wirkung der Jugendarbeit werden definiert und auch überprüfbar. Zudem werden Seelsorgeeinheiten beim Aufbau und der Professionalisierung der Jugendarbeit unterstützt. Schliesslich könne damit das Vertrauen von Eltern und Familien in die Jugendarbeit gestärkt werden. Die Seelsorgeeinheit Gaster strebt als eine der ersten Seelsorgeeinheiten das Jugendlabel an.
Auch in diesem Sommer finden im Alpstein und in anderen Regionen des Bistums St.Gallen zahlreiche Berggottesdienste statt. Die Redaktion hat für Sie eine Übersicht für Juni bis September 2024 zusammengestellt.
1924 gründeten die Salettiner die Schule Waid in Mörschwil. Heute führen nicht mehr die Patres, sondern eine Stiftung die Schule. Die individuelle Begleitung der Schülerinnen und Schüler steht im Fokus.
44 Schülerinnen und Schüler besuchen in diesem Schuljahr die Schule Waid. «Die familiäre Atmosphäre ist eine unserer Stärken», hält Schulleiter Roland Aregger beim Rundgang über das Schulgelände fest. Hier ist unter anderem auch ein grosses Bienenhaus zu finden, das das Eintauchen in die Welt der Bienen ermöglicht. «Erfreulicherweise hat unsere Schule einen so grossen Umschwung, der kann als zusätzlicher Lernort genutzt werden», merkt Roland Aregger an. Die Schülerinnen und Schüler stammen mehrheitlich aus umliegenden Gemeinden, die keine eigene Oberstufenschule haben. «Es melden aber auch Eltern aus anderen Gemeinden ihre Kinder bei uns an, weil sie unser Konzept der individuellen Begleitung anspricht.» Die Waid bietet die Mittelstufe, typengemischte Oberstufe sowie das Untergymnasium an.
44 Schülerinnen und Schüler besuchen aktuell die Schule Waid.
Mehrere Generationen
1924 kauften die Salettiner das Grundstück in Mörschwil und gründeten ein Missionshaus und eine Internatsschule. Aus dem Internat wurde inzwischen eine Tagesschule. Heute sind acht Salettiner-Patres in der Unteren Waid zu Hause. «Bei uns leben drei Generationen unter einem Dach: Der jüngste ist 41 Jahre, der älteste 95 Jahre», so Pater Piotr Zaba, Hausoberer und Stiftungsratspräsident. Die Patres stammen aus Polen, aus der Schweiz, Liechtenstein und Deutschland. Mit ausbleibenden Ordensberufungen sieht sich die Gemeinschaft nicht nur im deutschsprachigen Raum konfrontiert. «Auch in Polen ist die Zahl der Ordensberufungen stark rückgängig.» Trotzdem bleibt der Pater positiv: «Es gilt, sich im Vertrauen auf Gott den heutigen Herausforderungen zu stellen und für die Menschen da zu sein.»
«Die familiäre Atmosphäre ist eine unserer Stärken», sagt Schulleiter Roland Aregger (rechts), hier mit Pater Piotr Zaba.
Spiritualität alltagsnah
In der Waid ist Pater Piotr Zaba der einzige Salettiner-Pater, der heute noch im Schulbetrieb mitwirkt – als Religionslehrer und Schulseelsorger. «Wir haben uns bewusst dafür entschieden, die Schule weiterzuführen, auch wenn wir es selber personell nicht mehr stemmen können», sagt er. Die Schule wird heute als Stiftung geführt, deren Präsidium Pater Piotr inne hat. Ideell und finanziell unterstützt wird die Schule vom Katholischen Konfessionsteil des Kantons St. Gallen und vom Förderverein AMICI. Die Schule steht aber für Jugendliche aller Konfessionen und Religionen offen. Etwa die Hälfte der Lernenden habe einen katholischen Hintergrund. Im Schulalltag werden die christlichen Werte gelebt und gefördert. Die katholische Verwurzelung der Schule sei auch durch Angebote wie die Schulseelsorge, Gottesdienste oder Besinnungstage spürbar. Diese liegen Pater Piotr sehr am Herzen. «Ich versuche, den Jugendlichen möglichst alltagsnah Zugänge zur Spiritualität zu ermöglichen.» So habe sich zum Beispiel ein Besinnungstag mit dem Thema Schöpfungsverantwortung beschäftigt.
Pater Piotr Zaba in der Kapelle der Waid Mörschwil.
Polnische Gottesdienste
Auch wenn die Salettiner sich aus der Schule zurückgezogen haben, wollen sie auch künftig etwas für die Bildung, die Vermittlung von Spiritualität und Seelsorge tun. «Wir sind in mehreren Seelsorgeeinheiten des Bistums als Seelsorger im Einsatz», so Pater Piotr Zaba. Er selbst ist bistumsweit als Seelsorger für die polnischsprachigen Gläubigen engagiert. Die Gemeinschaft bietet in der Waid auch regelmässig Gottesdienste und andere spirituelle Angebote an. Auf grosse Nachfrage stossen laut Pater Piotr die polnischen Gottesdienste. Pater Piotr legt Wert darauf, dass sich hier alle willkommen fühlen. Die Gottesdienste werden zweisprachig gefeiert – auf Deutsch und Polnisch. «Diese Zweisprachigkeit ist ja auch die Realität vieler polnischer Gläubiger, die in der Ostschweiz leben.»
Beim Eurovision Song Contest gibt es fast nichts, das es noch nicht gab – und doch dieses Jahr neu: Alyona Alyona & Jerry Heil, die die Ukraine beim europäischen Wettbewerb vertreten, lösten eine kleine Kontroverse aus. Denn sie widmen ihren Song Maria und Mutter Teresa.
Mit viel nackter Haut, Glitzer und raffinierten Choreografien versuchen Anfang Mai beim Eurovision Song Contest, dieses Mal live aus dem schwedischen Malmö, wieder Bands aus rund fünfzig Teilnahmeländern zu punkten. Unter den Favoriten: die Rapperin Alyona Alyona und die Sängerin Jerry Heil aus der Ukraine mit ihrem Song «Teresa & Maria» – eine Hommage an die Muttergottes Maria und Teresa von Kalkutta, die 2016 von Papst Franziskus heilig gesprochen wurde.
Für Emanzipation
Die 28-jährige Jerry Heil (mit richtigem Namen Yana Shemayeva) schrieb den Song gemeinsam mit Rapperin Aliona Savranenko. Letztere ist seit einigen Jahren in der europäischen Rap-Szene ein grosser Name. Die ehemalige Kindergärtnerin rappt ohne Fluchausdrücke und macht sich mit ihren Songs für die Emanzipation und für Bodypositivity stark. Sie setzt aber auch auf Nachhaltigkeit: Bei ihren Auftritten trägt sie Second-Hand-Outfits. Warum will sie mit ihrer Kollegin jetzt mit Maria und Teresa den Eurovision-Sieg für sich entscheiden?
alyona alyona bei den Proben für das Halbfinale in der Malmö Arena.
Durchhaltewillen
In dem eingängigen Song klingt es fast schon wie in einem Gebet: «Maria und Mutter Teresa sind mit uns!». Es geht im Text, so die beiden Künstlerinnen gegenüber den Medien, um weibliches Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten und das am Beispiel Mutter Teresas und der Jungfrau Maria. Diese Statements sorgten nicht nur in der Ukraine für Schnappatmung. Die Kritiker störten sich gar nicht so sehr an der Tatsache, dass es sich bei Maria und Teresa um zwei religiöse Frauen handelt. Als Affront empfanden sie die Sicht auf die als «Mutter Teresa» weltweit bekannte Albanerin: Es sei deplatziert, die heilige Teresa von Kalkutta als Vorbild zu nennen, wo doch seit Langem feststehe, dass sie alles andere als perfekt war. Während des langjährigen Verfahrens zur Selig- und Heiligsprechung, bei der der Vatikan lange und intensiv prüft, ob die Person tatsächlich ein heiligengemässes Leben geführt hat und alles mitbringt, um den Status einer Heiligen zu haben, machten Zeitzeugen und auch Medien publik: Unbestritten ist die beeindruckende und unermüdliche Arbeit von Mutter Teresa und ihrer Ordensgemeinschaft für die Nächstenliebe. Doch Mutter Teresa, die für ihre Arbeit mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, hatte offensichtlich auch andere Seiten. Eine Studie kam sogar zum Urteil, dass sie alles andere als eine Heilige gewesen sei. Es war darin von der Überforderung von Mutter Teresas und ihren Ordensschwestern mit der Arbeit für Kinder und Kranke die Rede und einer «fragwürdigen Art», sich um Kranke zu kümmern.
Niemand ist perfekt
Alyona Alyona betonte: Der Song sei nicht missionarisch, sondern symbolisch zu verstehen. Es gehe um weibliches Durchhaltevermögen. «Teresa führte ein asketisches Leben», wird die Rapperin in ukrainischen Medien zitiert. Sie sei vergleichbar mit Menschen von heute, die sich für etwas einsetzen und ein Vorbild für alle Frauen: «Wir sind alle Maria und Teresa, die es ohne Geld oder sonst irgendwas geschafft haben.» Und mit Bezug auf Mutter Teresas radikale Ablehnung der Sterbehilfe: «Sie wollte, dass die Menschen leben und nicht sterben.» Das Newsportal «The New Voice of Ukraine» bringt ein Zitat von Alyona Alyona, das auch von einer modernen Theologin oder einem Theologen stammen könnte: Alle haben auch dunkle Seiten, selbst die Heiligen waren nicht perfekt. “Erst nach ihrem Tod denkt man: Wow, sie waren heilig, sie haben so viel getan. Alle Heiligen sind als Menschen geboren. Und wir dachten, das ist ein grossartiges Thema.”
In eigener Sache:An der Hauptversammlung des Vereins «Pfarrblatt im Bistum St.Gallen» kam es zu einem Wechsel im Präsidium und weiteren Neuwahlen. Rechnung, Budget und Jahresbericht passierten einstimmig. Die Chefs zweier Druckereien sprachen über den komplexen Druckprozess und hielten fest, welche Zukunft sie Printprodukten geben. Die Rede war von einem wichtigen Kanal in einem Gesamtkommunikationsmix.
2023 stand die Aufarbeitung der sexuellen Missbräuche im kirchlichen Umfeld mehrmals im Fokus der Berichterstattung beim Pfarreiforum. «Damit leistete das diözesane Pfarrblatt einen wichtigen Beitrag für eine glaubwürdige Kirche und eine differenzierte Wahrnehmung der Kirche in der Gesellschaft», sagte Präsidentin Pascale Baer-Baldauf im Rahmen der Hauptversammlung am Montagabend. Es war für sie der letzte Auftritt in dieser Funktion. Angesichts ihres Rücktritts als Administrationsrätin beim Katholischen Konfessionsteil St.Gallen hat sie auch als Präsidentin des Vereins «Pfarrblatt im Bistum St.Gallen»auf die Hauptversammlung hin ihre Demission eingereicht. Zu ihrer Nachfolge wählten die Stimmberechtigten Matthias Wettstein aus Gams, seit 1. Januar 2024 neuer Administrationsrat (Kultur Ressort und Medien) und somit Nachfolger von Pascale Baer-Baldauf.
Diverse Wechsel
Die Hauptversammlung war geprägt von weiteren Verabschiedungen und Neuwahlen. Demissioniert haben ebenso Judith Buob (Region Rorschach), Roman Giger (Kirchgemeinde St.Gallen), Claudia Gollino (Kirchenparlament St.Gallen), Astrid Maetzler (Region Sarganserland), Josef Manser (Seelsorgeeinheit Gaster), Sabine Rüthemann (Delegierte Bistumsleitung).
Der gemäss Statuten 7- bis 11-köpfige Vorstand besteht fortan noch aus exakt sieben Personen. Ohne Gegenstimmen neu in den Vorstand gewählt wurden Isabella Awad (Delegierte Bistumsleitung), Paul Gähwiler-Wick (Katholische Kirche Uzwil und Umgebung), Stefan Rosenblum (Katholische Kirchgemeinde St.Gallen). Die weiterhin im Vorstand verbleibenden mussten in ihren Ämtern bestätigt werden, was auch geschah: Gabi Corvi (Kath. Kirchgemeinde Schänis-Maseltrangen), Franz Kreissl (Delegierter Bistumsleitung), Roger Fuchs (Delegierter Administrationsrat).
Solides Finanzpolster
Der Jahresbericht der Präsidentin sowie die Jahresrechnung 2023 und das Budget 2024 konnten zügig abgehandelt werden. Die Rechnung schloss mit einem Plus von knapp 36’000 Franken. Das Eigenkapital betrug per Ende letzten Jahres gerundet 344’000 Franken. Kommendes Jahr wird mit einem Minus von rund 49’000 Franken budgetiert, was angesichts der Reserve vertretbar sei, so die abtretende Präsidentin Pascale Baer-Baldauf.
Printprodukte können Brücken schlagen
Auf grosses Interesse stiessen die Ausführungen von Thomas Ambühl, Geschäftsführer der Sarganserländer Druck & Medien AG, sowie von Claudio Cavelti, Geschäftsleiter der Cavelti AG. Erst genannte Firma druckt den Mantelteil des Pfarreiforums, die Zweitgenannte einige der Lokalteile.
Gemäss Thomas Ambühl steht der Printbereich in einem grossen Spannungsfeld, wie er auf eine entsprechende Frage von Gesprächsleiterin Gabi Corvi sagte. Die Vormachtstellung des Papiers sei verloren gegangen. Nach wie vor hätten Printprodukte aber eine grosse Wertigkeit und könnten auch Brücken in den digitalen Bereich schlagen – ein Beispiel hierzu sind die aufkommenden QR-Codes. Claudio Cavelti sieht im Print weiterhin einen wichtigen Kanal in einem Gesamtkommunikationsmix. Es gelte der Leserschaft Sorge zu tragen, durchaus werde es aber zu einer weiteren Bereinigung in der Druckbranche kommen.
Die beiden räumten überdies den Trugschluss aus dem Weg, dass es zu grossen Kosteneinsparungen kommen könnte, wenn man einfach 10 oder 20 Hefte weniger drucke. Hinter einem Druck stünden Prozesse, die ablaufen. Solche Prozesse wie das Einrichten eines Druckers verursachen Grundkosten, die sich nicht verändern, ob man nun wenig oder viel Exemplare drucke. Auch gingen sie auf die komplexen Abläufe ein, damit das Pfarreiforum mit all seinen unterschiedlichen Regional-Innenteilen rechtzeitig in den Briefkästen landet.
Die nächste Hauptversammlung des Vereins «Pfarrblatt im Bistum St.Gallen» findet am 28. April 2025 um 19 Uhr statt.
Robina Steyer kannte nur den Namen Wiborada. Mehr hatte die 40-Jährige über die Inklusin nicht gewusst. Dann hat sie sich entschlossen, das Leben der Einsiedlerin tänzerisch darzustellen. Dabei hat sie viele Parallelen zur heutigen Zeit entdeckt.
Robina Steyer lässt ein blaues Tuch über ihren Kopf schweben. Regelmässig hält sie inne, überlegt und beginnt von Neuem. Eine Frage beschäftigt sie in diesem Moment speziell: «Wie lässt sich das bewegte Leben einer Frau in Einsamkeit vor über 1000 Jahren tänzerisch darstellen?» Wieder lässt Robina Steyer das blaue Tuch über ihrem Kopf kreisen. «Es ist ein zentrales Element und stellt den Himmel und den Geist dar. Es soll versinnbildlichen, wie der Geist in der Einsamkeit wächst und grösser wird», erklärt Robina Steyer. Die 40-Jährige ist ausgebildete Tänzerin, Choreografin und Dozentin und probt momentan ein ganz besonderes Stück. Anfang Mai bringt sie «Sancta Wiborada – eine Reise ins Innere der Rebellion» erstmals auf die Bühne.
Liebe für sozialkritische Themen
Das Stück ist eine Herausforderung für die erfahrene Darstellerin, die zwischen 2014 und 2019 als Solistin in der Tanzkompanie St. Gallen engagiert war. «Es ist nicht ganz einfach, das Leben der heiligen Wiborada zu vertanzen», sagt sie und lächelt. Wie vielen anderen sei auch ihr der Name zwar ein Begriff gewesen, die Geschichte aber fremd. Robina Steyer ist in der DDR geboren und bezeichnet sich als «nicht sonderlich gläubig». Heute ist sie fasziniert von der Inklusin: «Ich habe herausgefunden, wie spannend Wiborada war. Im Kern ist es eine feministische, sozialkritische Geschichte. Das schätze ich sehr.» Robina Steyer widmet sich gerne solchen Geschichten. Zusammen mit zwei Kollegen leitet sie das ConFusionArt Collective in St.Gallen, dass sich immer wieder sozialkritischen Themen annimmt.
Lange Recherche
Die 40-Jährige hat in den vergangenen Wochen viel über das Leben der Inklusin recherchiert, hat Artikel gelesen und mit Expertinnen und Experten gesprochen. Als grosse Hilfe bezeichnet Robina Steyer die St.Galler Historikerin Judith Thoma, die immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden sei.
«Das Tuch soll versinnbildlichen, wie der Geist in der Einsamkeit wächst und grösser wird», so Robina Steyer.
Eine grosse Frage für Robina Steyer war jene nach den Beweggründen der Wiborada. «Ich habe mir lange überlegt, warum Wiborada ein Leben in der Inkluse, ein Leben in Einsamkeit einem Leben in Freiheit vorgezogen hat.» Robina Steyer spricht von Rebellion, von gesellschaftlichem Druck, von äusseren Wertvorstellungen und eigenen Wegen – und zieht den Vergleich zu heute. «Durch die vielen Einflüsse verlieren wir manchmal die Verbindung zu uns selbst. Es nützt, sich immer wieder zurückzunehmen, innezuhalten und sich zu fragen: Was ist Glück für mich überhaupt?». Wiborada habe sich selbstbewusst gegen die gesellschaftlichen Normen gestellt. «Das braucht Mut. Wir können uns ein Beispiel an ihr nehmen.»
Rückzug ins Selbst
Während all der Monate, in denen sie sich auf das Stück vorbereitet hat, hat Robina Steyer viele Parallelen zu ihrem Leben gefunden. «Das Stück thematisiert den Rückzug ins Selbst. Auch für uns Künstlerinnen und Künstler ein sehr zentrales Element, wenn wir kreative Wege einschlagen. Es hilft, sich voll in eine Rolle hineinzugeben.» Und was erwartet die Besucherinnen und Besucher konkret, und wie gross wird das blaue Tuch schlussendlich? Alles will Robina Steyer nicht verraten. Nur so viel: «Es wird ein Stück, das über die Grenzen des Glaubens und des Christentums hinausblickt und damit für alle zugänglich ist.»
«Sancta Wiborada – eine Reise ins Innere der Rebellion»: 2. Mai: Premiere in der Kirche St. Mangen in St.Gallen, 20 bis 21 Uhr (Eintritt frei); 3. und 4. Mai am Tanzfest St.Gallen: Kirche St. Mangen, 20 bis 21 Uhr (35 Franken)
Text: Alessia Pagani Bild: zVg. / Kay Appenzeller
Pfarrblatt im Bistum St.Gallen Webergasse 9 9000 St.Gallen