Mit Beltracchi Duplikate in der Stiftsbibliothek aufspüren

Nebst viel Einma­li­gem gibt es in der Stifts­bi­blio­thek St. Gallen auch Dupli­ka­te zu entde­cken. Den Fragen, ob und worin sich diese unter­schei­den lassen, geht der eins­ti­ge Kunst­fäl­scher Wolf­gang Beltrac­chi an einer öffent­li­chen Führung im April nach.

«So einfach ist das mit der Einma­lig­keit nicht», sagt Stifts­bi­blio­the­kar Cornel Dora. Aktu­ell zeigt die Stifts­bi­blio­thek in St. Gallen in der Ausstel­lung «Nur du!» einma­li­ge Hand­schrif­ten, die als solche Unika­te sind. «Das bringt die Fragen mit sich, was Einzig­ar­tig­keit ist und in welchem Verhält­nis Dupli­ka­te zu den Origi­na­len stehen», sagt Dora. Sei beispiels­wei­se etwas, das von tausend Stück als Einzi­ges noch übrig sei, ein Origi­nal oder ein Dupli­kat? «Ich fand, im Rahmen der Ausstel­lung soll­ten wir unbe­dingt jeman­den einla­den, der sich sowohl mit der Herstel­lung von Origi­na­len als auch Kopien auskennt», sagt er. Am 14. April wird daher der Maler und ehema­li­ge Kunst­fäl­scher Wolf­gang Beltrac­chi durch den Barock­saal der Stifts­bi­blio­thek führen.

Dupli­ka­te der Stiftsbibliothek

«Das Inter­es­san­te an Beltrac­chi ist, dass er versteht, wie die Origi­na­le gemacht wurden. Welche Pinsel, Farben und Tech­ni­ken die jewei­li­gen Künst­ler ange­wen­det haben», sagt Dora. Auch in der Stifts­bi­blio­thek gibt es nebst den Origi­na­len wie den Decken­ge­mäl­den im Barock­saal Dupli­ka­te. Dazu gehört etwa das Gemäl­de «Der Leich­nam Chris­ti im Grab» von Hans Holbein dem Jünge­ren. Das Origi­nal aus dem 16. Jahr­hun­dert befin­det sich gemäss Dora in der Öffent­li­chen Kunst­samm­lung in Basel. In der Stifts­bi­blio­thek ist hinge­gen eine Kopie aus dem 17. Jahr­hun­dert zu sehen. Was braucht es, damit solche Dupli­ka­te gelin­gen? Antwor­ten auf diese und weite­re Fragen wird Wolf­gang Beltrac­chi den Besu­che­rin­nen und Besu­chern an der Führung geben. 50 Perso­nen können teilnehmen.

Als Origi­na­le verkauft

Beltrac­chi selbst wander­te für seinen Betrug 2011 ins Gefäng­nis. Er hatte während 40 Jahren Bilder welt­be­kann­ter Künst­ler wie Max Ernst, Fernand Léger, Hein­rich Campen­donk und Kees van Dongen gefälscht und als Origi­na­le verkauft. Wie er dem katho­li­schen News­por­tal kath.ch erzähl­te, hat er aller­dings nie exis­tie­ren­de Gemäl­de von Künst­lern einfach kopiert. Viel­mehr hat er Gemäl­de eben in dem Stil gemalt, wie sie ein bestimm­ter Künst­ler hätte malen können. Damit täusch­te er Kunst­ex­per­tin­nen und ‑exper­ten auf der ganzen Welt.

In Kirchen aufgewachsen

Heute arbei­tet der 72-Jährige täglich in seinem Atelier in Meggen bei Luzern und lebt von seiner eige­nen Kunst. Aktu­ell hat er etwa sein Gemäl­de von der Arche Noah nach der Sint­flut für 250 000 Fran­ken verkauft. Mit der reli­giö­sen Seite der Kunst ist Beltrac­chi schon früh in Berüh­rung gekom­men. Sein Vater war Kirchen­ma­ler. «Ich bin quasi mit Engeln und gold­um­ran­de­ten Altä­ren aufge­wach­sen», sagt er kath.ch gegen­über. Auch Mess­die­ner sei er gewe­sen. Beltrac­chi hält sich im Grun­de für einen «grund­ehr­li­chen Menschen» und ist über­zeugt, dass Reli­gi­on und Kirche für viele Menschen wesent­lich sind. «Reli­gion und Glau­ben vermö­gen in schwie­ri­gen Lebens­si­tua­tio­nen Trost und Hoff­nung zu spen­den und einen emotio­na­len Halt zu geben», sagt er. Die Bilder, die er damals gemalt habe, habe er nicht bereut, nur unter das Bild den falschen Namen gesetzt zu haben.

Ablass­brief als Unikat

Gekrit­zel am Seiten­rand oder ein persön­li­cher Brief: Nebst den Gemäl­den besitzt die Stifts­bi­blio­thek viele Zeug­nis­se, die in der einen oder ande­ren Weise einma­lig sind. Das Spek­trum sei hier­bei sehr weit, sagt Cornel Dora. Beispiels­wei­se seien Ablass­brie­fe im Mittel­al­ter in gros­sen Mengen in Umlauf gewe­sen. In St. Gallen sei von einem gedruck­ten Stutt­gar­ter Ablass das einzi­ge Exem­plar erhal­ten geblie­ben. Die Urkun­de enthal­te den Namen einer Frau, Margre­ta Geuche­rin aus Kauf­beu­ren, die den Ablass am 13. April 1466 erhal­ten hat. Dora sagt: «Sowohl die Tatsa­che, dass es den Druck nun nur noch einmal gibt, als auch, dass er für einen ganz bestimm­ten Menschen ausge­stellt wurde, macht das Doku­ment zum Unikat. Hoffen wir, dass sie den Ablass tatsäch­lich bekom­men hat.»

Text: Nina Rudnicki

Bild: kath.ch / Wolf­gang Holz

Veröf­fent­li­chung: 23. Febru­ar 2024

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