Zwischen Heli und Seelsorge

Der Ostschwei­zer Pfar­rer Markus Schö­bi nutzt jedes Jahr einen Teil seiner Feri­en, um als Flug­hel­fer bei der Air Zermatt zu arbei­ten. Während zwei Wochen hilft er im Matten­tal beim Trans­port von Mate­ri­al und Lebens­mit­teln per Heli­ko­pter. Für ihn ist dieser Einsatz eine ­beson­de­re Auszeit, die ihn für seine Arbeit als Seel­sor­ger inspiriert.

«Heli­ko­pter zu flie­gen, war mein Buben­traum», sagt Markus Schö­bi, Pfar­rer in der Seel­sor­ge­ein­heit Magden­au. Der 62-Jährige ist gera­de von einem zwei­wö­chi­gen Einsatz bei der Air Zermatt zurück. Seit zwan­zig Jahren nutzt er jedes Jahr zwei Wochen seiner Feri­en, um als Flug­hel­fer bei dem Walli­ser Helikopter-Unternehmen zu arbei­ten. Bäume abtrans­por­tie­ren, die unter der schwe­ren Schnee­last im April umge­stürzt sind, Sessel­bahn­bän­ke zu einer neuen Berg­sta­ti­on flie­gen, Lawi­nen­ver­bau­un­gen instand setzen und Lebens­mit­tel zu den verschie­de­nen Berg­hüt­ten brin­gen: Das sind eini­ge Aufga­ben, bei denen Markus Schö­bi in diesem Sommer mitge­hol­fen hat. «Als Flug­hel­fer bin ich dafür zustän­dig, die Lasten vorzu­be­rei­ten und am Heli­ko­pter zu befes­ti­gen sowie sie am Ziel­ort wieder abzu­la­den und mit den Pilo­tin­nen und Pilo­ten per Funk zu kommu­ni­zie­ren», sagt er. Am Abend sei er jeweils müde, habe während der ersten Tage seines Einsat­zes Muskel­ka­ter und manch­mal eini­ge Bles­su­ren. «Aber das Heli­ko­pter­flie­gen und die Möglich­keit, dadurch eine ande­re Perspek­ti­ve einzu­neh­men und an Orten zu sein, zu denen ich sonst nicht gelan­gen würde, sind das alles wert», sagt er.

Klein und dankbar

Flie­ge man mit dem Heli­ko­pter durch die eindrück­li­che Natur des Matter­tals, fühle man sich klein und dank­bar. «Durch die ande­re Perspek­ti­ve rela­ti­viert sich vieles wie etwa Heraus­for­de­run­gen im Alltag zu Hause. Als Flug­hel­fer habe ich mit ande­ren Menschen zu tun und mache eine komplett ande­re Arbeit. Das gibt mir Kraft und inspi­riert mich», sagt er. «Ich komme ausge­gli­che­ner nach Hause zurück und bin dank­bar dafür, Seel­sor­ger zu sein.» Wie wich­tig es für ihn ist, Menschen auf Augen­hö­he und in einem Umfeld zu begeg­nen, das nicht typisch für einen Pfar­rer ist, merkt er vor über zwan­zig Jahren. Damals mit Ende Dreis­sig wächst in ihm der Wunsch, Pfle­ge­fach­mann zu werden. «Ich hätte auch gerne Medi­zin studiert, habe mich dann aber für ein Theo­lo­gie­stu­di­um entschie­den. Ich denke, das hat mich nie ganz losge­las­sen», sagt er. Nach einem Gespräch mit dem dama­li­gen St. Galler Bischof Ivo Fürer stellt ihn dieser für vier Jahre von seinem Beruf als Pfar­rer frei. Markus Schö­bi macht in dieser Zeit seine Pfle­ge­aus­bil­dung bei den Ingen­boh­ler Schwes­tern am Theo­dosia­num. «Dazu gehör­te ein Prak­ti­kum bei der Ambu­lanz der Air Zermatt. Weil dort aber gera­de wenig los war, wurde ich den Flug­hel­fern zuge­teilt», sagt er. «Seit­her fragen mich die Verant­wort­li­chen der Air Zermatt jedes Jahr an, ob ich erneut bei einem Einsatz dabei wäre.»

Erfah­rung in Krisenmomenten

«Don Camil­lo ist wieder auf dem Platz», solche Sprü­che in Anleh­nung an die berühm­te lite­ra­ri­sche Figur eines italie­ni­schen Pfar­rers bekommt Markus Schö­bi von ande­ren Mitar­bei­ten­den der Air Zermatt manch­mal zu hören. «Damit habe ich keine Proble­me. Und es stört sich auch niemand daran, dass ich Pfar­rer bin. Im Gegen­teil», sagt er und erzählt, wie seine seel­sor­ge­ri­schen Erfah­run­gen gera­de in Krisen­si­tua­tio­nen geschätzt werden. Dazu können persön­li­che Anlie­gen und Proble­me von Mitar­bei­ten­den gehö­ren. Eini­ge Male ist es auch vorge­kom­men, dass Ange­hö­ri­ge von verun­glück­ten Berg­stei­ge­rin­nen oder Berg­stei­gern auf der Basis in Zermatt vorbei­ka­men. «In Begeg­nun­gen und Gesprä­chen mit Trau­ern­den habe ich als Pfar­rer viel Erfah­rung. Die kann ich in solchen Momen­ten einsetzen.»

Alltag sehen, so wie er ist

Als Pfar­rer ist Markus Schö­bi heute zu 80 Prozent tätig. Nach seiner Ausbil­dung zum Pfle­ge­fach­mann arbei­te­te er zunächst als Spital­seel­sor­ger am Kantons­spi­tal St. Gallen. Seit eini­gen Jahren ist er noch einen Tag pro Woche bei der Spitex im Einsatz. Auch das ist für ihn eine Möglich­keit, Menschen auf eine ande­re Art und Weise zu begeg­nen. «Ich tref­fe auf Menschen in ihren alltäg­li­chen Situa­tio­nen», sagt er und verdeut­licht: «Wenn ich als Pfar­rer zu jeman­dem nach Hause komme, dann räumen die Menschen zuvor meist alles blitz­blank auf. Komme ich als Spitex­mit­ar­bei­ter sehe ich deren Alltag so, wie er eben ist.» Manch­mal, wenn die jewei­li­ge Person erfährt, dass er Pfar­rer ist, erge­ben sich auch seel­sor­ge­ri­sche Gespräche.

Erkun­dungs­flug über Blatten

Auf der Basis in Zermatt beginnt der Tag um 6.30 Uhr mit einer Einsatz­be­spre­chung aller Teams. Diese bestehen jeweils aus bis zu drei Flug­hel­fern pro Heli­ko­pter und einem Pilo­ten. Jedes Team erle­digt zwei bis drei Aufträ­ge. In diesem Jahr gibt es mehr zu tun und mehr Trans­port­flü­ge als sonst, weil die Mitar­bei­ten­den der Basis in Raron wegen des Bergsturzes von Blat­ten gefor­dert waren. «Wir haben also eini­ge Aufträ­ge aus diesem Gebiet über­nom­men, ohne jetzt spezi­ell für die Aufräum­ar­bei­ten im Lötschen­tal einge­teilt zu sein», sagt er. Das zerstör­te Dorf Blat­ten hat er während eines Erkun­dungs­flugs ledig­lich von oben gesehen.

Spek­ta­ku­lä­re Mänover

Heli­ko­pter, die in unwegsamem Gelän­de unter­wegs sind: Markus Schö­bi begeis­tert vor allem auch die Tech­nik, dank der sie zu spek­ta­ku­lä­ren Manö­vern fähig sind. «Der Pilot kann so nahe an einen Berg­hang heran­flie­gen, dass die Kufen des Heli­ko­pters vorne mit den Spit­zen fast den Boden berüh­ren und ich absprin­gen kann. Das ist einfach faszi­nie­rend», sagt er. Viel zu teuer und nur schwer zu errei­chen sei es indes­sen, selbst Heli­ko­pter zu flie­gen. Er sagt: «Aber als Flug­hel­fer lebe ich meinen Buben­traum jedes Jahr aufs Neue.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Chris­ti­an Pfam­mat­ter; zVg

Veröf­fent­li­chung: 24. Juli 2025

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