Im Dezember ist die Bereitschaft zu spenden grösser als sonst im Jahr. Wie grosszügig sind die Menschen in der Ostschweiz? Wie entwickelt sich das Spendenverhalten? Und wie wichtig sind inzwischen die digitalen Spende-Möglichkeiten und Influencer?
Die Menschen in der Ostschweiz sind besonders hilfsbereit und schätzen gemeinschaftliche Werte. Das schlägt sich in einem hohen Spendenengagement nieder», sagt Karin Schäfer, Geschäftsführerin von Miva (Bild oben). Das katholische Hilfswerk mit Sitz in Wil SG ist seit Jahrzehnten für ein unkonventionelles Spendenmodell bekannt: den Kilometer-Rappen. Er gilt als Dank für jeden unfallfrei gefahrenen Kilometer. Miva setzt sich seit 1932 dafür ein, die Lebensbedingungen in abgelegenen Regionen von Entwicklungsländern zu verbessern, indem sie Transportmittel für dort ansässige Hilfsorganisationen finanziert. Für miva ist der Dezember ein wichtiger Monat: «Es wird dann deutlich mehr gespendet als in anderen Monaten. Wir können im Dezember bis zu 30 Prozent der Spenden eines Jahres einnehmen», sagt Karin Schäfer. Die Gründe sind vielfältig. Einerseits verstärken viele Hilfswerke vor Weihnachten die Spendenaufrufe und machen mehr Werbung. «Andererseits sind die Menschen in der Weihnachtszeit besonders grosszügig und haben das Bedürfnis, anderen etwas Gutes zu tun.»

Höchste Spendenbereitschaft
Beim Spenden gibt es regionale Unterschiede, wobei sich die Ostschweiz gemäss Schäfer am spendenfreudigsten zeigt. Sie spricht von beeindruckenden «87 Prozent der Haushalte». Gemäss der Miva-Geschäftsführerin ist die Spendenbereitschaft so hoch, dass man sagen könne, dass fast alle spenden: Frauen und Männer, Junge und Ältere, Stadt- und Landbewohner. «Unterschiede kann man am ehesten noch am Alter aufzeigen: Am spendenbereitesten sind Menschen über 55 Jahren, aber auch die jüngeren Altersgruppen zeigen wachsenden Einsatz und spenden heutzutage häufiger als früher.» Schäfer spricht generell von einer wachsenden Anzahl Spendern. «Es spenden mehr Menschen als früher, jedoch seltener, dafür mit höheren Beträgen.» Dabei wird in den vergangenen Jahren vermehrt für akute Nothilfe gespendet. «Ereignisse wie Kriege und Naturkatastrophen erhalten viel Aufmerksamkeit und lösen hohe Spendenbereitschaft aus. Der Anteil an solchen ‹ausserordentlichen› Einzelspenden nimmt stark zu», sagt Schäfer. Schwieriger sei es hingegen für die Entwicklungshilfe, die angesichts der omnipräsenten Krisen leicht in Vergessenheit gerät.

Onlinepräsenz ausbauen
Miva setzt nicht nur auf die klassischen Kommunikationsmittel, sondern hat auch die Onlinepräsenz stark ausgebaut, um neue Zielgruppen anzusprechen. «Onlinespenden nehmen von Jahr zu Jahr zu und machen bei vielen Hilfswerken bereits rund zehn Prozent des Volumens aus», so Schäfer. In den Sozialen Medien sieht sie denn auch eine Chance. «Künftig möchten wir gerne auch mit Influencern zusammenarbeiten, da sie sich das Vertrauen ihrer Follower bereits erarbeitet haben und damit sehr authentisch wirken können, wenn sie von einer guten Sache wie unseren Hilfsprojekten überzeugt sind.»
Neue Massnahmen testen
Im selben Spannungsfeld bewegt sich auch Caritas Schweiz. Sie versucht das Vertrauen in die Organisation über verschiedene Kanäle auf- und auszubauen. «Um am Puls zu bleiben und die Spender/-innen dort abzuholen, wo sie sich bewegen, testen wir stetig neue Massnahmen im Online- und Offline-Bereich», sagt Mediensprecherin Daria Jenni. Auch Caritas Schweiz verzeichnet einen steigenden Anteil digitaler Spenden am Gesamtspendenvolumen, wobei in Katastrophenfällen jeweils nochmals ein Anstieg erkennbar ist. Twint wird mittlerweile bei den Spenden über die Caritas-Website mit Abstand am häufigsten genutzt. Bei den Privatspenden sei die Ostschweiz vergleichbar mit dem Mittelland und der Zentralschweiz, so Jenni. Im Dezember führt Caritas Schweiz jeweils eine grosse Kampagne gegen Armut durch. Nicht ohne Resultat: «Der Dezember ist ein sehr spendenstarker Monat.». Caritas hat über die vergangenen Jahre ebenfalls einen Trend hin zu Spenden für Katastrophenhilfe und akute Krisen festgestellt. «Aber auch für die Menschen in der Schweiz wird weiterhin gespendet.»

Sternsinger boomen
«Mit der vergangenen Aktion Sternsingen konnten wir bei den Spendenergebnissen wiederum ein leichtes Plus verzeichnen», freut sich Hanspeter Ruedl, Marketingleiter bei Missio Schweiz. Die Aktion Sternsingen ist die bekannteste Spendensammlung des katholischen Hilfswerks. Durchgeführt wird sie gemeinsam mit den Pfarreien, die meisten Sternsinger in der Schweiz sammeln für eines der Projekte von Missio. Anders war die Situation vor ca. 35 Jahren: «Da war der Sternsinger-Brauch ziemlich eingeschlafen und drohte auszusterben.» Seither erlebt der Brauch einen regelrechten Boom. Dies lässt sich nicht nur an der Beteiligung von über 10 000 Kindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren, sondern auch an wachsenden Spendenergebnissen festmachen. «Das besondere bei dieser Aktion ist sicherlich, dass Kinder für Kinder sammeln», sagt Ruedl, «wenn Kinder sich freiwillig für andere engagieren, da fällt es schwer, ihnen nichts zu geben.» Auch die Sternsinger erhalten Spenden vermehrt digital: «Die Sternsinger sind mit einer Büchse unterwegs, aber sie verteilen auch Flyer mit dem QR-Code für Twint-Spenden. Dieses Angebot wird immer mehr genutzt.»
Unzählige Influencer
Im Marketing setzen heute viele auf Influencer – hat auch Missio schon darüber nachgedacht? Hanspeter Ruedl lacht: «Wir überlegen uns tatsächlich gerade, einen Influencer aufzubauen, die oder den man mit unserer Arbeit verbindet und die oder der uns gegen aussen ein Gesicht gibt.» Vorerst sind es im Dezember und Januar die Sternsinger – unzählige Kinder und Jugendliche, die als «Influencer» schweizweit für Kinder in Not im Einsatz sind.
Text: Stephan Sigg, Alessia Pagani
Bild: zVg
Veröffentlichung: 3. Dezember 2024