21 Jahre prägte Sabine Rüthemann die Kommunikation des Bistums St. Gallen. Kurz vor ihrer Frühpensionierung blickt sie zurück auf prägende Begegnungen, Krisen und die Zusammenarbeit mit zwei Bischöfen. Von der gesellschaftlichen Relevanz der Kirche bleibt sie überzeugt.
Ich passe hier nicht rein», so beschreibt Sabine Rüthemann schmunzelnd ihre Bedenken vor dem Wechsel zum Bistum St. Gallen im Dezember 2003. Es war eine fremde Welt, die die Toggenburgerin als Kommunikationsbeauftragte des Bistums St. Gallen kennenlernte. Die Erfahrungen als Journalistin während und nach dem Krieg in Bosnien und Herzegowina weckten bei ihr den Wunsch, den Studiengang Theologie zu absolvieren. 20 Jahre später sagt sie: «Meine Aufgaben beim Bistum und die Begegnungen mit vielen Menschen haben mich bereichert.»
Extrem beschleunigt
Die Website des Bistums musste überarbeitet werden, von Social Media sprach noch fast keiner. Sabine Rüthemann erkannte schnell, welche Chancen in den digitalen Medien stecken, und baute sie auf. Heute sind sowohl Website als auch Facebook- und Instagram-Profil wichtige Kanäle für die Kommunikation des Bistums. Die Veränderung der Ostschweizer Medienlandschaft mit dem Verschwinden diverser lokaler Zeitungen oder der Zusammenlegung zu Grossredaktionen erlebte sie hautnah mit: «Die Medienwelt hat sich extrem beschleunigt. Bei Interviews mit dem Bischof oder anderen kirchlichen Personen stellten Medienleute häufiger tiefgründige Fragen als heute, wo es oft um Klicks geht», sagt sie. Im Gespräch mit dem Pfarreiforum betont Sabine Rüthemann, dass sie viel Unterstützung erfahren habe von ihren Kolleginnen und Kollegen inklusive der beiden Bischöfe Ivo Fürer und Markus Büchel. «Gefreut hat mich immer das immense Engagement unzähliger Freiwilliger in der Kirche.»
Interne Machtkämpfe
Immer mehr beschäftigt haben die Kommunikationsfachfrau in den letzten Jahren innerkirchliche Differenzen. «Kritik und offene Diskussionen sind wichtig. Aber wie zuweilen in den Medien und auf Social Media gegen die Bischöfe geschossen wird, gerade auch von kirchlichen Mitarbeitenden, das befremdet mich und scheint mir nicht differenziert.» Auch Sabine Rüthemann unterstützt Reformen wie Gleichberechtigung für Frauen oder den freiwilligen Zölibat. «Wir dürfen aber nicht vergessen, welche Schritte die Schweizer Kirche und das Bistum St. Gallen in den letzten Jahren gemacht haben. Fokussieren wir uns doch genauso auf positive Themen – es gibt viele!» Zudem sei die Kirche heute eine Migrantenkirche: Rund vierzig Prozent haben Migrationshintergrund. «Für diese Katholikinnen und Katholiken sind oft andere Fragen relevant. Die vielen Gemeinschaften bereichern die Kirche und fordern sie gleichzeitig heraus.»
Historisch einordnen
Stark gefordert war Sabine Rüthemann als Kommunikationsbeauftragte vor einem Jahr, als die Pilotstudie zu kirchlichen Missbräuchen publiziert wurde. «Jeder Übergriff ist einer zu viel. Wir müssen alles dafür tun, das Geschehene aufzuarbeiten und künftiges Leid zu verhindern.» Umso mehr betont sie, was das Bistum St. Gallen und die anderen Schweizer Bistümer in den letzten 20 Jahren in die Prävention und Aufarbeitung von sexuellen Übergriffen investiert haben. «Mir hat bei der Berichterstattung über die Studie auch die historische Einordnung gefehlt. Die wenigsten Medien haben aufgezeigt, dass ein Grossteil der Übergriffe mehrere Jahrzehnte zurückliegt oder dass die Kirche selbst die Studie in Auftrag gegeben hat.»
Diakonie als Stärke
Ein wichtiges Anliegen war und bleibt für Rüthemann die Verantwortung für die Schöpfung. So hat sie den Aufbau der Arbeitsgruppe «Laudato si» (Kirche, Umwelt, Schöpfung) des Bistums St. Gallen aktiv mitgeprägt. Ende August geht Sabine Rüthemann in Frühpension. «Ich freue mich auf mehr Privatleben, Zeit mit unserem Hund, spontane Unternehmungen, Reisen, darauf, Zeit für Neues zu haben.» Eine freiwillige Aufgabe hat sie bereits angenommen: Sie engagiert sich im Vorstand von Caritas Schweiz. Die Arbeit dieser kirchlichen Institution und die Diakonie allgemein sieht Sabine Rüthemann als Stärke der Kirche: «Die kirchlichen Institutionen tun so viel für die verschiedensten Zielgruppen, vor Ort, aber auch überregional: für Jugendliche, für Senioren … Das ist ein unverzichtbarer Beitrag an das gesellschaftliche Leben. Dafür will ich mich auch nach der Pensionierung engagieren.»
Text: Stephan Sigg
Bild: Ana Kontoulis
Veröffentlicht: 26.07.2024