18 Jahre lang hat Franz Kreissl als Pastoralamtsleiter die Entwicklung des Bistums St. Gallen mitgeprägt. Kurz vor seiner Pensionierung spricht er über den Optimismus auch in schwierigen Zeiten, darüber, warum ihm die Freiwilligen am Herzen lagen und über seine Bucketlist.
Im Büro von Franz Kreissl im St. Galler Klosterhof ist von Auszug noch nichts zu sehen und auch wenn der Wahltermin des neuen Bischofs nun endlich feststeht, ist noch einiges unklar (Stand Redaktionsschluss): «Wann ich pensioniert werde, hängt davon ab, wie schnell wir wissen, wer der neue Bischof wird», sagt Franz Kreissl und lacht, «Um allen Beteiligten einen guten Übergang zu ermöglichen, habe ich mich dafür entschieden, zeitgleich mit Bischof Markus Büchel mein Amt zurückzulegen.»
Veränderungen im Blick
Achtzehn Jahre prägte Franz Kreissl als Pastoralamtsleiter das Bistum St. Gallen und war Teil der Bistumsleitung. Das Pastoralamt hat die Aufgabe, Impulse für die Seelsorge im Bistum zu entwickeln. Für den Theologen hiess es, stets «mehrere Fäden in den Händen zu halten», wie er es nennt. Dazu gehören zum Beispiel die Abteilung Pastorale Entwicklung und Beratung, die Caritas St. Gallen-Appenzell oder die ökumenische Fachstelle Begleitung in der letzten Lebensphase BILL. «Das Schöne an meinem Amt war, immer wieder zu sehen, mit was für vielfältigen Angeboten sich die Kirche für Menschen und die Gesellschaft engagiert.» Als Pastoralamtsleiter bekam er die Entwicklung von Kirche und Gesellschaft hautnah mit und versuchte, darauf zu reagieren. «Ein Beispiel dafür ist die Ökumenische Kommission für Asyl- und Flüchtlingsfragen, die wir vor zehn Jahren gegründet haben.»

Vor Frust schützen
Franz Kreissl ist bekannt für seinen Optimismus und seinen humorvollen Blick auf das Ganze. «Das hat sicher mit meiner Person und auch meinem Glauben zu tun», sagt er, «als Seelsorger geht dir die Arbeit nie aus, es gibt immer noch etwas, das man machen könnte, deshalb ist es wichtig, sich selbst nicht aus dem Blick zu verlieren. Ich habe mir schon als junger Seelsorger vorgenommen, mich vor Frust zu schützen.» Ein wichtiger Ausgleich seien für ihn immer der Freundeskreis gewesen, die geistliche Begleitung und regelmässige Auszeiten. Das habe ihm geholfen, auch mit schwierigen Situationen und Enttäuschungen klarzukommen. «Manchmal hätte ich mir von der Schweizer Bischofskonferenz mehr Mut gewünscht», hält er fest. Gleichzeitig fehle – so seine Beobachtung – der Mut auch häufig an der Basis. «Viel zu schnell kommt oft das Argument: Das haben wir immer schon so gemacht. Man ist damit beschäftigt, das Bewährte abzuwickeln, und es fehlen die Energie und die Ressourcen für die Weiterentwicklung. Man verpasst damit die Chance, etwas Neues wachsen zu lassen.»
Menschen vor Ort
Die freiwillig Engagierten in der Kirche lagen Franz Kreissl in seiner Tätigkeit am Herzen. «Es war mir ein Anliegen, bei ihnen das Selbstbewusstsein als Getaufte zu fördern und ihnen zu vermitteln: Ihr seid Kirche.» Es seien die Menschen vor Ort, die die Kirche prägen und weiterentwickeln. In Zeiten von Mangel an Priestern und Seelsorgerinnern und Seelsorgern werde das Engagement der Freiwilligen immer wichtiger. Deshalb setzte er sich ein für Bildungsangebote wie die «Updates für Pfarreiräte», um dieses Engagement zu würdigen und sie gleichzeitig zu fördern. «Die Pfarreiräte leisten wichtige Beiträge für eine lebendige Kirche. Es ist beeindruckend, was in den Seelsorgeeinheiten geleistet wird.»
Bucketlist
Das Abschiednehmen fällt ihm nicht leicht. «Die Menschen im Ordinariat und im ganzen Bistum sind mir ans Herz gewachsen», sagt er, «aber ich freue mich auf das, was kommt. Zurzeit sammle ich Ideen für die Zeit als Pensionierter. Alles, was nicht nach zwei Wochen wieder vergessen ist, kommt auf meine Bucketlist.» Konkret freue er sich darauf, mehr Zeit mit seiner Frau und für Besuche von Freunden in Deutschland und in Italien zu haben. Eines steht aber schon jetzt definitiv auf der Bucketlist: «Ich werde mich sicherlich auch in irgendeiner Form freiwillig in der Kirche für Menschen engagieren.»
Zur Person
Der Theologe Franz Kreissl, geb. 1958 in Bayern, ist seit 1986 ist im Bistum St. Gallen tätig, zunächst als Pastoralassistent in Diepoldsau und im Seelsorgeverband Ebnat-Kappel/Neu St. Johann, später als Klinikseelsorger in der Psychiatrischen Klinik Wil. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. «Ich fand es schon als junger Seelsorger spannend, über den Tellerrand hinausschauen zu können», sagt er.
Text: Stephan Sigg
Bild: Urs Bucher
Veröffentlichung: 1. Mai 2025