Das Pfarreiforum hat bei Mitarbeitenden im Bistum St. Gallen nachgefragt, was von Papst Franziskus bleibt und was sie sich vom neuen Papst erhoffen.

St. Gallen. (Bild: Urs Bucher)
Gregor Scherzinger, was wünschen Sie sich vom neuen Papst?
Die Ausrichtung der Kirche sollte so bleiben wie bei Papst Franziskus. Die Kirche muss dem Menschen zugewandt und leidsensibel sein. Dieser Aspekt darf nicht an den Rand rücken. Nur in einer solchen Kirche finden wir Nährstoff für die Seelsorge. Die Sprache von Papst Franziskus war die Sprache der Barmherzigkeit: Wir sollen für Menschen in Not da sein. Gleichzeitig gab er der Kirche eine Verletzlichkeit, indem er die Bilder einer verbeulten Kirche und der Kirche als Feldlazarett entwarf: Die Kirche sollte sich den Nöten in der Welt aussetzen. Auch wenn ein Papst selbst wenig ändern kann, so kann er durch seine Sprache doch Zeichen setzen. Durch Papst Franziskus war mir immer wieder stark bewusst, wie wichtig das Engagement der Caritas für Menschen in Not ist.
Sie sprechen Working Poor und Menschen mit Fluchthintergrund an?
Ja. Zur Caritas kommen Menschen, die sich in Not befinden. Sie verdienen zum Beispiel trotz Arbeit zu wenig zum Leben, sind auf eine Sozial- oder Schuldenberatung angewiesen oder aus einem anderen Land geflüchtet. Wenn diese Personen zu uns kommen, legen sie damit auch ihre Verletzlichkeit offen. Unsere Reaktion darf nie banal sein. Natürlich bieten wir Lösungen an, genauso ist aber auch die Not anzuerkennen. Das Zugeständnis, selbst verletzlich zu sein, hat durch Papst Franziskus Rückendeckung bekommen.
Was von Papst Franziskus’ Wirken bleibt in der Gesellschaft haften?
Papst Franziskus hat unermüdlich die globale Ungleichheit, die Situation von Flüchtenden sowie die Ökologie und das Klima zum Thema gemacht. Davor können wir auch hier in der Schweiz unsere Augen nicht mehr verschliessen. Zu diesem Bewusstsein hat er beigetragen.
Was hat der Tod von Papst Franziskus bei Ihnen ausgelöst?
War ich traurig? Als ich davon erfuhr, fragte ich mich tatsächlich, was das mit mir zu tun hat. Ich habe ihn nie an einer Audienz getroffen oder seine Hand geschüttelt. Diese persönliche Ebene fällt also weg. Dann dachte ich darüber nach, dass er der dritte Papst war, den ich miterlebt habe und dass ich mit seinem Stil am meisten anfangen konnte. Seine Sprache und seine Auftritte gaben der Kirche ein Gesicht, mit dem ich mich identifizieren konnte und das sich heute in meinem Arbeitsalltag bei der Caritas widerspiegelt.

Franz Kreissl, welche Punkte möchten Sie spontan hervorheben, wenn es um das Wirken von Papst Franziskus geht?
Wichtig und inspirierend war beispielsweise «Laudato si», ein Schreiben von Papst Franziskus aus dem Jahr 2015. In diesem geht er auf den Zusammenhang von Glaube und Schöpfung und die Sorge um die Umwelt ein. Auf Basis von «Laudato si» entstand im Bistum St. Gallen eine Arbeitsgruppe, die bis heute verschiedenste Projekte im Bereich Umweltschutz umsetzt. Mit dem Klima und der Schöpfung hat Papst Franziskus immer auch die soziale Gerechtigkeit verbunden. In seinen Aussagen diesbezüglich war er radikal.
Was ist mit der Synodalität?
Die Synodalität, also die Teilhabe und Mitverantwortung aller Gläubigen, ist das zweite Beispiel, das ich nennen wollte. Da steht nicht mehr nur der Eine vorne und sagt, er wisse wie etwas geht oder was richtig sei. Im Zentrum steht viel mehr die gemeinsame Suche. Darauf ging Papst Franziskus auch in seinem Schreiben «Evangelii Gaudium» ein. Er betonte in diesem etwa, dass Predigten kurz und lebensnah sein sollten oder wie wichtig das Zuhören in der Seelsorge generell sei.
Haben Sie die Befürchtung, dass mit dem neuen Papst gewisse Themen wieder aus dem Fokus verschwinden könnten?
Ich hatte Befürchtungen, aber die Hoffnung ist grösser. Es gibt kirchliche Kreise, denen daran gelegen ist, viel von dem rückgängig zu machen, was Papst Franziskus umgesetzt hat. Wenn ich auf die Biografie und die Stationen von Leo XIV. schaue, bin ich aber sehr zuversichtlich. Schon seine ersten Voten betonen den umfassenden Frieden und die Synodalität. Er wird den Weg, den Franziskus gebahnt hat, weitergehen.
Was bleibt von Papst Franziskus?
Das sind mehrere Punkte, die im Prinzip immer die gleiche Haltung aufzeigen. Papst Franziskus hat betont, dass die Hauptamtlichen in der Kirche für das Volk Gottes da sein sollen und nicht für sich selber. Er stand für eine Seelsorge, die nicht das Gesetz betont, sondern den Menschen sieht. Mit der Synodalität ist die Aufforderung verbunden, zuhören zu lernen. Bischof Markus hat das Volk Gottes immer schon am Herzen gelegen. Als neues Element kam aber hinzu, dass wir uns durch Papst Franziskus in unserer Grundhaltung hier im Bistum bestätigt gefühlt haben. Das wird bleiben.

Madeleine Winterhalter-Häuptle, Sie leiten die Fachstelle des Bistums St. Gallen für Partnerschaft Ehe und Familie (PEF). Welche Rolle spielte Papst Franziskus in Bezug auf Ihren Arbeitsalltag?
Im Anschluss an zwei Bischofssynoden zu Ehe und Familie erschien das Schreiben «Amoris Laetitia – Freude der Liebe» von Papst Franziskus. Dieses Schreiben hat seit der Gründung unserer Fachstelle vor 40 Jahren eine Sonderstellung. In den bisherigen lehramtlichen Schreiben fanden wir wenig Impulse für die Paar- und Familienpastoral. Wir hatten den Eindruck, dass die Inhalte weit weg von den konkreten Lebenssituationen waren, es gab kaum Berührungspunkte mit den heutigen Lebensrealitäten von Paaren, Familien und Menschen in Trennung und Scheidung. Anders «Amoris Laetitia». Uns kam in diesem Schreiben ein anderer Stil entgegen, nicht nur sprachlich, sondern auch in der Haltung den Menschen gegenüber. Es war eine Haltung, die Menschen auf Augenhöhe begegnet und die durch Respekt und Wertschätzung gekennzeichnet war. Wir fanden lebensnahe und verständliche Impulse für unsere Arbeit mit den Menschen in ihren verschiedenen Beziehungssituationen, wenn wir uns auch in den strittigen Themen wie Scheidung, Wiederverheiratete Geschiedene und Homosexualität klarere Aussagen gewünscht hätten.
Haben Sie die Befürchtung, dass diese Themen wieder aus dem Fokus verschwinden könnten?
Ich hoffe sehr, dass auch unter dem neuen Papst die von Papst Franziskus angestossene Entwicklung der Paar- und Familienpastoral fortschreitet. Hoffnung gibt mir der synodale Prozess, den Papst Franziskus initiiert hat, und der für die Erneuerung der Kirche, gerade auch für den Umgang mit den Fragen zu Partnerschaft, Ehe und Familie so wichtig ist. Alles Themen, die Menschen existenziell herausfordern und berühren.
Text: Nina Rudnicki
Veröffentlichung: 21. Mai 2025