Für tausende Geflüchtete aus der Ukraine muss innert kurzer Zeit Unterstützung
organisiert werden. Philipp Holderegger, Geschäftsleiter der Caritas St.Gallen-Appenzell,
erklärt, wie man diesen Menschen helfen kann. In absehbarer Zeit werde es etwa viele
Freiwillige brauchen, die den Geflüchteten bei der Integration in den Alltag helfen.
Bild: zVg./ Caritas.ch
Täglich kommen hunderte aus der Ukraine geflüchtete Personen in der Schweiz an. Was bedeutet das für die Caritas St.Gallen-Appenzell?
Philipp Holderegger: Wir, die Hilfswerke auf dem Platz St. Gallen, sind sieben Tage die Woche mit fünf Personen im Asylzentrum Altstätten im Einsatz. Wir haben dort ein Büro bezogen und helfen, für die geflüchteten Personen passende Gastfamilien zu finden. Viele der Geflüchteten kommen direkt vom Bahnhof oder per Car von der Empfangsstelle am Zürcher Hauptbahnhof bei uns an. Sie sind per Bahn eingereist und durch die direkten Zugverbindungen in Zürich gelandet. Von dort aus werden sie dann in die weniger ausgelasteten Zentren wie eben in Altstätten gefahren.
Was brauchen die geflüchteten Personen?
Holderegger: Nebst der Klärung des Schutzstatus S steht schnell die Wohnsituation im Vordergrund, zum Beispiel durch die Vermittlung in Gastfamilien. Die Geflüchteten sollen dort zur Ruhe kommen können, sich sicher fühlen, und beispielsweise erst einmal wieder zwei, drei Nächte durchschlafen, um dann in eine Tagesstruktur zurückzufinden. Dann gibt es auch Personen, für die eine Gastfamilie nicht in Frage kommt, wie etwa allein reisende Kinder. Für sie stehen fachlich betreute Plätze bereit.
Auch viele Pfarreien organisieren Hilfsangebote. Wie läuft dabei die Zusammenarbeit mit der Caritas?
Holderegger: Es gibt Pfarreien, die derzeit ihre Pfarrheime bereitstellen respektive für die Unterbringungen geflüchteter Personen vorbereiten. Vereine, die dort ihren Treffpunkt haben, ziehen vorübergehend aus. So kann Platz für Schlafräume und sanitäre Anlagen geschaffen werden. Wertvoll ist das vor allem, wenn Platz für grössere Gruppen von 40 Personen benötigt wird. Wir sind überzeugt, dass die Kirchen zu einem späteren Zeitpunkt eine wichtige Rolle übernehmen können. Sei es als begleitete Treffpunkte, wo gemeinsam
gekocht wird in den Pfarreizentren, als Beratungsorte oder Raum, wo Freizeit gestaltet wird.
Wie kann man als Privatperson am besten helfen?
Holderegger: Wer genügend Platz bei sich hat und ein Zimmer oder eine Wohnung anbieten möchte, kann sich auf www.fluechtlingshilfe.ch als Gastfamilie registrieren. Abgesehen davon helfen Geldspenden am meisten. Die können wir an die Caritas in Polen und Bulgarien überweisen und ermöglichen diesen so, handlungsfähig zu sein. Wir werden in absehbarer Zeit auch Freiwillige brauchen, die die Geflüchteten bei der Integration in den Alltag unterstützen. Personen, die helfen möchten, rate ich daher, Augen und Ohren offen zu halten. Wir werden die Aufrufe zur Unterstützung bei Bedarf publizieren. Nicht hilfreich sind hingegen Sachspenden.
Worauf bereitet sich die Caritas derzeit vor? Was sind die nächsten Herausforderungen und Aufgaben?
Holderegger: Ein nächster Schritt wird sein, die Situation zuhause bei den Gastfamilien zu überprüfen und zu begleiten. Eine Gastfamilie verpflichtet sich für mindestens drei Monate. Die geflüchteten Personen werden derzeit rasch platziert, sodass die Nachbetreuung von Gastfamilien und Geflüchteten in einem zweiten Schritt umso wichtiger sein wird. Diese Nachbetreuung durch Fachpersonen organisieren die Kantone. Wir werden seitens der Caritas für diese Aufgabe unsere Unterstützung anbieten.
Welche Eindrücke nehmen Sie persönlich aus den vergangenen Tagen mit?
Holderegger: Mich beeindruckt die Solidarität. Um die Aufgabe im Asylzentrum Altstätten übernehmen zu können, müssen wir Angebote wie einzelne Firmgruppenbegleitungen um einige Monate verschieben. Für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist das selbstverständlich. Dann motivieren mich jene Geschichten, die trotz der aktuellen Situation Hoffnung mit sich bringen. Da ist etwa eine Familie, die nebst ihrer Muttersprache nur Italienisch spricht. Für sie konnte ein Platz in einem Tessiner Dorf gefunden werden. Noch bevor die Familie in Altstätten abreiste, war das Kind nach einem Telefongespräch mit der Schulleiterin praktisch schon eingeschult. Handeln zu können und den Betroffenen in alltäglichen Dingen zu helfen, empfinde ich in der aktuellen Situation als absolutes Privileg
Philipp Holderegger
Geschäftsleiter Caritas St.Gallen-Appenzell