Was zeichnet die Region Obersee aus? Welche Ecken sind besonders schön? Das Pfarreiforum hat auf einer Tour um den Obersee Lieblingsorte von Personen besucht, die dort leben.
Schwester Andrea Fux öffnet das Fenster im oberen Stock des «Türmli». Es befindet sich direkt am Obersee und ist Teil der Mauern, die das Kloster Mariazell Wurmsbach umgeben. «Wir blicken von hier aus hinüber zur Gräfin von Altendorf. Mir gefällt, dass durch den Erlebnisweg rund um den Obersee auf diese Weise nun zwei starke Frauen miteinander verbunden sind», sagt sie. Beim Erlebnisweg handelt es sich um eine rund 37 Kilometer lange Wander- oder Veloroute rund um den Obersee und durch die zwei Kantone St. Gallen und Schwyz mit verschiedenen Charakterköpfen wie eben die Gräfin, die Schlipflochhexe, den Steinbrüchler und seit diesem Sommer neu die Äbtissin im sogenannten «Türmli». Bei jeder Station gibt es ein Rätsel zu lösen und die Besucherinnen und Besucher erfahren, weshalb die jeweilige Person für die Region wichtig war.
Für eine kurze Rast
Im Türmli taucht eine Lichtinstallation den kleinen Raum in rotes, blaues und gelbes Licht. Auf einem Schreibtisch finden sich alte Handschriften. Wer sie entziffert, löst womöglich das Rätsel rund um die Äbtissin Maria Dumysen von Rapperswil, welche das Kloster 52 Jahre lang leitete. Schwester Andrea reicht derweil ein Informationsblatt zur Äbtissin. Dieses erzählt davon, wie sich die Äbtissin anfangs des 17. Jahrhunderts gegen neue Vorschriften der Gnädigen Herren der Stadt Rapperswil wehrte, die den Schwestern viele Freiheiten wegnehmen wollten. Das Informationsblatt liegt im Türmli auch auf Ukrainisch auf. «In den ehemaligen Räumen unseres Klosterinternats leben derzeit 30 aus der Ukraine geflüchtete Personen», sagt Schwester Andrea und führt vom Türmli zum Seeufer. Während der Blick nach rechts in Richtung des einstigen Mädcheninternats fällt, blickt man links auf eine grüne Wiese. In den kommenden Wochen sollen hier einige Sitzgelegenheiten für die Velo- und Wandertouristinnen und ‑touristen entstehen. «Wir wollen zusammen mit dem Türmli auch einen Teil von unserem Seeanstoss für die Öffentlichkeit zugänglich machen», sagt die 56-Jährige. An diesem Morgen sind es bereits drei Velogruppen, die auf der Wiese eine kurze Rast einlegen.

Mit Fidelio und Saba
Die Zisterzienserinnenabtei und deren Umgebung sind für Schwester Andrea längst zur Heimat geworden. Seit über 30 Jahren lebt sie hier. «Der See gibt mir das Gefühl von Weite. Das Seeufer ist daher einer der schönsten Orte hier. Aber ich bin mit unseren beiden Hunden Fidelio und Saba auch sehr gerne im Klostergarten mit seinem Wäldli unterwegs.» Wie wichtig es sei, im Moment zu leben, das würde sie von den beiden Hunden immer wieder aufs Neue lernen. Eine weitere Velogruppe fährt den Kiesweg zum Seeufer hinunter. Schwester Andrea Fux begrüsst sie und führt die Gruppe zum Türmli.
Entlang der Seepromenade
Vom Kloster Mariazell Wurmsbach, das etwa vier Kilometer von Rapperswil-Jona entfernt liegt, geht es mit dem Velo weiter Richtung Schmerikon. Auf dieser Etappe fällt der Erlebnisweg mit dem Meinradweg zusammen, einem internationalen und spirituellen Pilgerveloweg auf den Spuren des Heiligen Meinrad. Unterwegs in Oberbollingen findet sich auf einer kleinen Landzunge am Obersee daher auch die Meinradskapelle aus dem 13. Jahrhundert. Den Schlüssel dazu gibt es in der nahegelegenen Wirtschaft zum Hof. Danach ist es nicht mehr weit bis Schmerikon. Von der Seepromenade aus gleitet der Blick über den See und auf die hügelige Landschaft dahinter. «Die Regionen Obersee und Linthebene bedeuten für mich Lebensqualität und Vielfalt», sagt Cornelia Brändli-Bommer bei einem Kaffee. Sie ist Mitglied der Regierung des Katholischen Parlaments im Kanton St. Gallen. Dort ist sie als Administrationsrätin für das Ressort «Aufsicht und Kirchgemeinden» zuständig. Mit Vielfalt meint sie einerseits das kulturelle Angebot, andererseits die abwechslungsreiche Natur mit ihren vielfältigen ökologischen Lebensräumen. Cornelia Brändli-Bommer ist in der Region aufgewachsen und vor 30 Jahren nach Uznach gezogen. «Heimat ist für mich aber vor allem jener Ort, an dem man sich aufgenommen fühlt, vernetzt ist und sich gemeinsam mit anderen für etwas engagieren kann», sagt sie. Als Beispiel nennt sie den Kunstverein Oberer Zürichsee, in dessen Vorstand sie seit der Gründung vor 15 Jahren dabei ist und den sie seit zwei Jahren präsidiert. Er bildet eine Plattform für Kunstschaffende und Kulturvermittelnde in der Region und organisiert verschiedene Veranstaltungen. Und auch das kirchliche Engagement sei wichtig, um eine Gemeinde lebendig zu halten. In Uznach beispielsweise sind im Begegnungszentrum der katholischen Kirchgemeinde in wechselnden Kunstaustellungen die Werke regionaler Künstlerinnen und Künstler zu sehen.

Eiszapfen und Blumen
Nach der Pause an der Seepromenade in Schmerikon führt ein Abstecher ins Aabachtobel, einem der Lieblingsorte von Cornelia Brändli. Der Aabach fliesst dort durch eine wilde und grüne Schlucht. «Während der Pandemie war ich hier regelmässig zwei bis drei Stunden unterwegs. Und auch sonst spaziere ich gerne hier. Es ist ein guter Ort, um Ausgleich und Inspiration zu finden. Und von beeindruckenden Eiszapfen im Winter über Blumen und spezielle Pflanzen im Frühling und Sommer gibt es hier immer etwas zu entdecken», sagt sie. Biken, Wandern, Schwimmen, Paddeln: Auf diese Weise könne man die Region am besten erkunden. «Bei Wanderungen in den umliegenden Bergen schätze ich auch die zahlreichen Alpbeizli, in denen man sich eine Pause gönnen und die Geselligkeit pflegen kann.»

Die drei schönsten Orte
Die letzte Station an diesem Vormittag ist die Grynau. Das Schloss liegt am Linthkanal, der die Grenze zwischen den Kantonen St. Gallen und Schwyz bildet. Auch der Erlebnisweg führt dort vorbei und bald soll als neue Rätselstation ein Schlossgespenst die Besucherinnen und Besucher empfangen. Wer Zeit hat zum Baden, kann ein Stück dem Kanal entlang laufen und sich dann im Wasser bis zu einer der zahlreichen Ausstiegsstellen hinuntertreiben lassen. «Schmerikon, der Aabach und die Grynau sind für mich die drei schönsten Orte», sagt Cornelia Brändli-Bommer zum Abschied. Auf der anderen Seite des Kanals wartet so einiges auf diejenigen, die noch Ausdauer für einen weiteren Kanton haben: Die Insel Ufenau mit ihrer Kapelle und Kirche, die zum Kloster Einsiedeln gehören, Wälder und Naturschutzgebiete.
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Text: Nina Rudnicki
Fotos: Ana Kontoulis
Veröffentlicht: 25.09.2022