Von welchem Paradies träume ich? Und wo liegt es? Die Garten-Ausstellung «Das Paradies findet statt» in Berneck lädt zum Träumen und Philosophieren ein. Kurator Urs Stieger zeigt dem Pfarreiforum bei einem Rundgang seine Highlights.

Als Urs Stieger in der Paradies-Schaukel unter der 150-jährigen Linde mitten in Berneck Platz nimmt, nähern sich einige Jugendliche und staunen: «Darf man sich hier einfach reinsetzen?» Urs Stieger nickt und gibt ihnen sogleich den Platz frei. Die Schaukel ist Teil der Installation «Im dritten Himmel» der Vorarlberger Künstlerinnen Uta Belina Waeger und Maria Jansa. Urs Stieger spaziert mit dem Pfarreiforum durch Berneck. Die Garten-Ausstellung «Das Paradies findet statt» des Kulturforums Berneck lädt die Besucherinnen und Besucher zur aktiven Teilnahme ein: Beim Projekt der Vorarlberger Künstlerinnen geht es barfuss über Baumwollbeutel, ehe man in der Schaukel entspannen und träumen kann. Das OePlan-Team aus Altstätten beschäftigt sich mit dem verlorenen Paradies. In seinem Garten «Lost Paradise» warten verschiedene Türen.

Wo ist das Paradies?
Manche Türen lassen sich öffnen, manche sind zugesperrt. Der Besucher wird überrascht und sensibilisiert, ganz genau hinzusehen und zum Beispiel den Himmel mal aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten. Doch wo liegt jetzt das Paradies? Hinter einer Tür wird man aufgefordert, die Antwort an die Wand zu kritzeln. Einige Besucherinnen und Besucher haben das schon getan: «Überall, wo ich mich wohlfühle», «zuhause» oder «nach einer Wanderung im Bergsee baden».

Ein schützender Zaun
«Das Paradies findet statt» verbindet Kunst, Natur und Landschaftsarchitektur. Für den Bernecker Musiker und Gärtner Urs Stieger und seine Frau sind Gärten seit über dreissig Jahren ein Sehnsuchtsort. Beim Rundgang wird schnell deutlich, welches Projekt Urs Stieger persönlich am meisten berührt: «HimmelHöll» – zu finden direkt neben dem evangelisch-reformierten Pfarramt – von Isabel Rohner aus Reute. Ihr Paradies wird von einem markanten Zaun umgeben. «Dieser Zaun erinnert mich an meine Kindheit, bei uns zuhause wurden in Heimarbeit solche Zaunlatten hergestellt», erinnert sich Urs Stieger. Für ihn komme mit der Installation aber auch zum Ausdruck, dass das Paradies geschützt werden muss. «Es geht um den Gegensatz zwischen dem Leisen und Unscheinbaren und dem Lauten und Grossen, von dem man sich zu oft blenden lässt.»

Wo lauert die Versuchung?
Zur Auseinandersetzung mit dem Paradies gehört auch die Versuchung: Bei Adam und Eva waren es der Apfel und die Schlange als Verführerin – mit welchen Versuchungen werden wir heute konfrontiert? Und mit welcher Strategie wollen uns Verführerinnen und Verführer auf ihre Seite ziehen? Ein Team rund um den Steinbildhauermeister Hubert D. Müller aus Oberriet hat sich mit der biblischen Schöpfungsgeschichte beschäftigt. Sie sind überzeugt: Die Erzählung von Adam und Eva zeigt die Grenzen und Konsequenzen von menschlichem Handeln auf – und ist aktueller denn je.
Die acht Kunstgärten machen nicht nur die Paradies-Erzählungen aus der Bibel, sondern auch aus anderen heiligen Schriften mit allen Sinnen erfahrbar. «Das Paradies findet statt» ist interreligiös angelegt. Wie Urs Stieger beim Rundgang erzählt, hätten sie das nicht so geplant, es habe sich von selbst ergeben. Beim Spaziergang durch die Gärten wird einem bewusst, wie aktuell die Botschaft und Sehnsüchte in diesen Schriften sind. Eines kommt in mehreren Gärten zum Ausdruck: Auch in einer säkularisierten Welt ist die Sehnsucht nach dem Paradies gross.
16. Mai 2022
Text: Stephan Sigg
Bilder: Ana Kontoulis
Bis 26. Juni geöffnet
Die Kunstgärten sind mitten in Berneck zu finden und können alle in einem Spaziergang besucht werden. Das Projekt läuft noch bis 26. Juni. Zahlreiche Begleitveranstaltungen geben Einblicke in die Paradies-Vorstellungen.
→ www.dasparadiesfindetstatt.ch



