
Kirchlich heiraten?
Warum entscheiden sich heute Paare für eine kirchliche Hochzeit? Wie begleiten die Seelsorgerinnen und Seelsorger Paare? Und welche Ehevorbereitungsangebote gibt es?
(mehr …)Warum entscheiden sich heute Paare für eine kirchliche Hochzeit? Wie begleiten die Seelsorgerinnen und Seelsorger Paare? Und welche Ehevorbereitungsangebote gibt es?
(mehr …)Die Pfarreien im Bistum St.Gallen versuchten während des Lock-Downs mit verschiedenen Aktionen Hoffnung zu wecken. Die Foto-Galerie zeigt ein paar Highlights.
Informationen und Orientierungshilfen:
Empfehlungen zur Nachhaltigen Geldanlage (Greenpeace)
Ratgeber Nachhaltige Geldanlage (Greenpeace)
Infos Geldanlagen (Public Eye)
SRF-Sendung anhören: https://www.srf.ch/audio/perspektiven/tierethik-warum-sich-kirchen-mit-tierrechten-schwertun?id=12152697
A.* wurde Opfer von sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld. Sie hat dem Pfarreiforum einen Text zur Verfügung gestellt, in dem sie die Verarbeitung und ihre Erfahrungen mit dem Fachgremium des Bistums St.Gallen gegen sexuelle Übergriffe reflektiert.
Meine letzten 20 Jahre gleichen einem steinigen Weg mit einem ständigen Auf und Ab, mit Gesprächen, Therapien und Medikamenten. Im Nachhinein weiss ich, dass jeder Schritt nötig war, um die Kraft und den Mut zu bekommen, mich in die «Höhle des Löwen» zu wagen: an das Fachgremium «Sexuelle Übergri e im kirchlichen Umfeld» des Bistums St.Gallen. Hier meldete ich den Missbrauch. Ich möchte jedoch ausdrücklich betonen: Ich verstehe jedes Opfer, das der Kirche den Rücken zukehrt und von ihr nichts mehr wissen will. Mein Weg ist nur einer von vielen. Welchen Weg ein Opfer auch geht, es ist der richtige Weg – denn es ist sein ganz persönlicher Weg! Als schwer eingestuft.
Das Fachgremium begleitet mich seit Juli 2018. Es war für mich da, als ich erfuhr, dass «mein» Pfarrer an einem anderen Ort verurteilt worden war, weil er «den Mädchen im Unterricht zu nahe gekommen ist». Er erhielt vier Monate Gefängnis bedingt, musste diese Strafe also nicht absitzen, kam dann in unser Dorf, wo er sich weiterhin an Mädchen verging. Auch an mir! Der Bescheid der Genugtuungskommission, dass mein «Fall» als schwer eingestuft wurde und ich den Höchstbetrag, der an Opfer ausbezahlt wird, bekommen sollte, war sehr schwierig für mich. Ich hatte lange Zeit Mühe, mich mit diesem Geld «anzufreunden», weil es für mich «schmutzig» war. Mit der Zeit konnte ich mich dazu überwinden, zu versuchen, mit dem Geld meine Seele und meinen Körper wieder einigermassen «gesund zu machen». Mit Dingen, die ich mir sonst aus finanziellen Gründen nicht leisten und die Krankenversicherung nicht bezahlen würde.
«Meinen Seelenfrieden finden»
Beim ersten Gespräch mit den Ansprechpersonen des Fachgremiums formulierte ich meine innigsten Wünsche so: Meinen Seelenfrieden finden, keine Angst mehr haben vor dem Pfarrer und vor der Hölle, mit der er mir gedroht hatte. Ich wünschte mir, mein inneres Bild – der Pfarrer stehe im Jenseits zwischen Gott und mir – möge verschwinden. In tiefgründigen Gesprächen mit Seelsorger Sepp Koller (Ansprechperson des Fachgremiums) gelang es mir, meine immense Angst vor der Hölle und der Bestrafung durch Gott Schritt um Schritt in mir abzubauen. Meinen Seelenfrieden habe ich noch nicht gefunden. Vergessen kann ich den Missbrauch wohl nie. Dem Priester kann ich nicht vergeben, das verlangt auch niemand von mir. Aber jetzt kann ich endlich über das Geschehene, über meine Gefühle und Ängste offen sprechen. Es gibt Situationen, in denen auch die Ansprechpersonen sprachlos sind, wenn ich ihnen vom Missbrauch erzähle. Auch dieses gemeinsame Schweigen tut mir gut.
Wütend und traurig
Eine Versöhnung mit der Institution Kirche ist mir bis jetzt nicht gelungen, wird es vermutlich nie ganz geben. Denn immer wieder erlebe ich Situationen, die es mir schwer machen, zu vertrauen. Zum Beispiel, wenn ich erlebe, dass Kirchenvertreter sich dem Thema nicht stellen wollen. Das macht mich als Opfer wütend und traurig. Solange es Seelsorger gibt, die bei diesem Thema schweigen und nicht wahrhaben wollen, dass einer der Hauptgründe für Kirchenaustritte der Macht- und sexuelle Missbrauch ist, wird sich nie etwas ändern. Missbrauchsopfer wollen von der Kirche Offenheit, Ehrlichkeit und die Anerkennung des Leidens.
Schritt auf dem Verarbeitungsweg
Den Bericht habe ich nicht der Kirche zu Liebe geschrieben, niemand hat mich ermutigt dazu. Es war mein Entscheid, weil ich glaube, dies ist ein weiterer Schritt auf meinem Verarbeitungsweg. Ich möchte zudem aus der Opferperspektive aufzeigen, wie wichtig es ist, dass sich Kirchenvertreter den Themen «Macht und sexueller Missbrauch» stellen. Beim Schreiben hatte ich stets ein Auge auf den Respekt anderen Opfern gegenüber. Ich hoffe, es ist mir gelungen. Mein grosser Dank geht an das Fachgremium – insbesondere an die Ansprechpersonen Dolores Waser Balmer und Sepp Koller – für die Begleitung und Unterstützung in den letzten eineinhalb Jahren. Ihnen schenke ich mein vollstes Vertrauen. Mit vielem hatte ich gerechnet. Aber nicht damit, ausgerechnet von Kirchenvertretern Hilfe annehmen zu können.
Autor*in: Name der Redaktion bekannt.
Veröffentlicht: Januar 2020
In der Berichterstattung über sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld wird meistens über die Fälle und die Täter berichtet. Doch wie verarbeiten Opfer die Missbrauchserfahrung? Und was erleben sie bei der Begleitung durch die kirchlichen Fachleute? Der Text von A*. wurde im Rahmen der Begleitung der Betroffenen durch das «Fachgremium gegen sexuelle Übergriffe» verfasst. Das Fachgremium des Bistums St.Gallen wurde 2002 von Bischof Ivo Fürer eingesetzt. Es steht allen Betroffenen – Opfer und Täter, aber auch Menschen aus deren Umfeld – zur Verfügung.
Offener Brief von Bischof Markus Büchel an die Gläubigen
Seit einigen Jahren werden die tiefen Wunden sichtbar, welche durch zahlreiche Übergriffe den meist jungen Menschen zugefügt wurden, die unschuldig zu Opfern wurden. Jede und jeder Einzelne ist eine oder einer zu viel. Das alles ist nicht neu und dennoch macht mich das Ausmass und die Grausamkeit sprachlos. Die Täter haben ihren kirchlichen Auftrag missbraucht und Abhängigkeiten ausgenutzt. Undurchschaubare Strukturen und irregeleitete Rücksicht auf den Ruf der Kirche machten es möglich, die Verbrechen zu vertuschen, das Leid der Opfer zu verdrängen und damit noch zu vergrössern.
Deshalb drücke ich es ganz deutlich aus: Nicht die Aufklärung verletzt die Menschen und spaltet die Kirche, sondern die Verbrechen der sexuellen Gewalt und ihre Vertuschung. Meine Anteilnahme und mein Gebet gilt in erster Linie allen, die an Leib und Seele geschädigt und verletzt wurden.
Wenn Menschen in dieser Situation ihr Vertrauen in die Kirche verlieren und sie verlassen, muss ich das akzeptieren. In den letzten Monaten wird mir in Gesprächen und Begegnungen aber auch immer klarer, wie viele die tiefe Beschämung und Erschütterung mit mir teilen, weil sie die Kirche lieben und in ihr Heimat gefunden haben. Sie möchten die Kirche nicht verlassen, sondern alles tun, um sie zu einer Gemeinschaft zu machen, in der Menschen Nähe und Zuneigung erleben, wo sie Gehör finden und mit anderen im Glauben unterwegs sind.
Mein Mitgefühl richtet sich deshalb auch an alle jene, die selber zwar unschuldig, als Mitglieder unserer Kirche aber mit betroffen sind und unter den notwendigen und trotzdem leidvollen Veröffentlichungen leiden. Mein Dank gilt ihnen für ihre Treue und ihren weiteren Einsatz.
Mir ist sehr bewusst, dass der Schaden, der angerichtet wurde, durch finanzielle Genugtuung und andere Hilfen für die Opfer nur in kleinem Umfang aufgefangen werden kann. Trotzdem ist es mir wichtig, deutliche Akzente zu setzen und alles zu tun, um künftige Verbrechen zu verhindern.
1. Aufklärung ist schmerzhaft, aber notwendig – für die Opfer und für die gesamte Gemeinschaft der Glaubenden. Deshalb bin ich sehr froh, dass in unserem Bistum bereits seit 2002 das «Fachgremium gegen sexuelle Übergriffe» eingerichtet ist und wertvolle Arbeit leistet. Die Ansprechpersonen haben schon viele Gespräche geführt und teilweise erschütternde Erlebnisse aufgenommen. Mir ist es ein Anliegen, dass alle Menschen in unserem Bistum wissen, an wen sie sich in akuter Not oder mit Fragen und Anliegen wenden können. (www.bistum-stgallen.ch/schutz)
2. Der vielfach geäusserten Forderung nach einem «Perspektivenwechsel» schliesse ich mich aus tiefer Überzeugung an. Nicht die Sorge um den guten Ruf der Kirche und den Schutz der Täter darf an erster Stelle stehen. Die Perspektive der Opfer und der Blick auf ihr Leiden samt Aufarbeitung und Genugtuung muss unser erstes Anliegen sein.
3. Dazu gehört für mich auch die Bereitschaft, über die strukturellen Voraussetzungen dafür zu sprechen, dass gerade in der Kirche Täter so lang geschützt und verborgen werden konnten und Opfer nicht gehört wurden. Der Missbrauch spiritueller Macht und die Möglichkeit der Verheimlichung wegen fehlender Kontrollmechanismen müssen thematisiert und angegangen werden.
4. Schliesslich müssen wir endlich unseren Umgang mit der Sexualität auf den Prüfstand stellen. Viel zu lange haben wir sie nicht wie ein Gottesgeschenk, sondern wie eine Geissel der Menschheit behandelt. Unterdrückung und Missbrauch liegen da ganz eng beieinander. Deshalb sehe ich gerade in der Ausbildung und in der Weiterbildung kirchlicher Berufe grossen Handlungsbedarf.
Liebe Schwestern und Brüder, wenige Worte zu einem grossen, schwierigen und leidvollen Thema. Ihrer Grenzen bin ich mir sehr bewusst. Umso mehr vertraue ich darauf, dass Gott uns den Weg weisen wird, wenn wir bereit sind, auf ihn zu hören.
Im Gebet verbunden grüsse ich Sie herzlich
Autor: Bischof Markus Büchel
Veröffentlich: April 2019
Franziska Gschwend leitete Fachgremium gegen sexuelle Übergriffe im Bistum St.Gallen von 2014–2020.
«Mich beeindruckt, mit welcher Ernsthaftigkeit sich das Bistum mit dem Thema auseinandersetzt», sagt Franziska Gschwend. Die Juristin leitet seit drei Jahren das Fach- gremium gegen sexuelle Übergriffe im Bis- tum St.Gallen. Es sei oft ein grosser Schritt, bis sich ein Opfer an das Fachgremium wendet. Meist liegen die Fälle viele Jahre zurück. «Die Betroffenen, die mit uns Kontakt aufnehmen, haben den Miss- brauch oft jahrzehntelang mit sich rumgetragen», sagt Franziska Gschwend. Die Medienberichte über die Missbrauchsfälle hätten dazu beigetragen, dass das Thema enttabuisiert wurde. «Vielen Betroffenen ist bewusst geworden, dass sie nicht die einzigen sind. Sie wurden ermutigt, ihren Fall auch endlich zur Sprache zu bringen.» Franziska Gschwend möchte keine explizite Anzahl der Personen, die sich jedes Jahr beim Gremium melden, nennen: «Zahlen allein sagen nichts aus und erwecken schnell einen falschen Eindruck. Und gerade weil es stark von der medialen Berichterstattung abhängt, sind es in einem Jahr plötzlich viel mehr Fälle als in anderen Jahren. Nur so viel: Es sind vereinzelte.» Nach dem Erstgespräch klärt das Fachgremium ab, wie dem Opfer geholfen werden kann und welche Schritte sinnvoll sind. «In vielen Fällen sind die Täter bereits verstorben.»
Entschädigung oft zweitrangig
In den vergangenen Jahren hat sich die Schweizer Bischofskonferenz ( SBK ) intensiv mit der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle beschäftigt. 2016 richtete sie einen Fonds ein, aus dem Genugtuungsbeiträge an Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld ausgerichtet werden können. «Für mich persönlich war das zunächst ein zwiespältiges Signal», gibt Franziska Gschwend zu, «unser Gremium erlebt, dass der finanzielle Aspekt für die Opfer oft gar nicht so wichtig ist. Entscheidender ist für sie, endlich gehört zu werden und mitteilen zu können, was sie erlebt haben.» Die Gespräche der Betroffenen mit den Vertretern des Fachgremiums werden protokolliert – allein das bezeichnen viele Betroffene als einen wichtigen Teil der Aufarbeitung. Es dürfe nicht passieren, dass mit dem Fonds die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen ausschliesslich auf eine finanzielle Ebene komme. Dem Fachgremium ist es weiterhin wichtig, dass mit den Opfern ein persönlicher Kontakt hergestellt werden kann. «Inzwischen sehe ich den Fonds aber als ein wichtiges Zeichen: Einerseits wird gegenüber den Opfern ein klares Signal gesetzt, dass ihr Leiden anerkannt wird. Andererseits bleibt das Thema da- mit im Gespräch und die Kirche zeigt, dass es ihr wirklich ernst ist.» Künftig kann das Fachgremium für Opfer eine finanzielle Genugtuung beantragen. Noch gebe es keine Erfahrungen, was der Fonds auslöst. Das Fachgremium des Bistums St.Gallen könne erst seit kurzem Anträge einreichen, weil die Kontaktdaten erst seit Anfang 2017 bekannt sind.
Rückbindung an Bistum notwendig
Franziska Gschwend, die als Juristin beim Bil- dungsdepartement des Kantons St.Gallen tätig ist, schätzt es, dass das Fachgremium interdis- ziplinär arbeitet und Fachpersonen aus ver- schiedenen Bereichen mitwirken. Mit Peter Lampart ist auch ein Mitglied der Bistumslei- tung im Gremium. – Ist damit nicht die Neut- ralität des Gremiums gefährdet? «Wir arbeiten im Auftrag des Bischofs, das lässt sich nicht von der Hand weisen», räumt Gschwend ein, «aber ich erlebe, dass alle Beteiligten sehr pro- fessionell arbeiten und die verschiedenen Rol- len auseinandergehalten werden. Wir sind an- gewiesen auf die Rückbindung an das Bistum, da es oft auch um kirchliche Fragen geht und letztlich der Bischof über konkrete Massnah- men zu entscheiden hat. Ich nehme von den Verantwortlichen ein ehrliches Interesse wahr, den Opfern zu helfen und geschehenes Leid aufzuarbeiten.» Hätte sie das Gefühl, nur eine «Alibi-Rolle» wahrnehmen zu können, hätte sie ihr Engagement schnell wieder beendet. Auch wenn sie mit viel Leid konfrontiert wer- de, sei es eine befriedigende Aufgabe: «Ich kann einen kleinen Beitrag zur Versöhnung leisten.» Seelsorger sensibilisieren Der Auftrag des Fachgremiums beschränkt sich nicht nur auf die Aufarbeitung von Geschehenem, sondern beinhaltet auch Sensibilisierung für Grenzverletzungen. So werden alle neuen Mitarbeitenden des Bistums bei der Einführung in den kirchlichen Dienst vom Fachgremium über dessen Arbeit informiert. Dieses Jahr wird zudem bei den Dekanatsweiterbildungen das neue Schutzkonzept (siehe Kasten) sowie die Arbeit des Fachgremiums vorgestellt.
Text: Stephan Sigg
Veröffentlicht: Mai 2017
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