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Bücher für alle Lebensfragen

Bücher über Heldin­nen, Glück oder das Alter – neu kann die gesam­te ­Bevöl­ke­rung im Bistum St. Gallen bei der Reli­gi­ons­päd­ago­gi­schen Medi­en­stel­le in Altstät­ten Medi­en ­auslei­hen – und das kostenlos.

Wie Kindern den Tod erklä­ren? Wie gehe ich mit Konflik­ten um? Wie stil­le ich meine Sehn­sucht? Über 7000 Medi­en stehen in der kirch­li­chen Medi­en­stel­le zum Auslei­hen bereit. Eine gemüt­li­che Kaffee-Ecke lädt ein, gleich vor Ort in den Büchern zu stöbern. Bisher war die Fach­bi­blio­thek vor allem bekannt bei allen, die in Kate­che­se, Reli­gi­ons­un­ter­richt und ERG tätig sind. «Neu rich­tet sich unser Ange­bot an die gesam­te Bevöl­ke­rung», hält Hildi Bandel, Leite­rin der Medi­en­stel­le, fest. «Seit zwei Jahren sind wir bei Swiss Libra­ry Service Platt­form (SLSP) im Verbund mit 475 Biblio­the­ken. Alle können bei uns Medi­en auslei­hen. Dafür ist nur eine Regis­trie­rung notwen­dig.» Wer nicht nach Altstät­ten kommen will, kann die Medi­en via Online-Katalog auswäh­len und sich für 12 Fran­ken schi­cken lassen.

Viele Bilder­bü­cher

Oft kommen Inter­es­sier­te vorbei, die gezielt ein Buch suchen, das sie bei einer aktu­el­len Lebens­fra­ge unter­stützt: «Das sind zum Beispiel Eltern, die bei ihren Kindern den Tod thema­ti­sie­ren wollen oder Gross­el­tern, die ihren Enkeln den Glau­ben weiter­ge­ben möch­ten», sagt Manue­la Mitte­rer, Kate­che­tin und Mitar­bei­te­rin in der Medi­en­stel­le. «Aber auch wer einfach ein Bilder­buch zu einem bestimm­ten Thema sucht, wird bei uns fündig.» Denn neben Sach­bü­chern und Unter­richts­ma­te­ria­li­en verfü­ge die Medi­en­stel­le über einen gros­sen Bestand an Bilder­bü­chern inklu­si­ve Wimmel­bü­chern. Hildi Bandel hält das Buch «Hier kommt Boris» in die Höhe: «Eine witzi­ge Geschich­te über Vorbil­der und Held­sein.» Die beiden Mitar­bei­te­rin­nen haben aber auch immer ein offe­nes Ohr für alle, die sie mit ihren persön­li­chen Lebens­fra­gen oder Bedürf­nis­sen konfron­tie­ren – und suchen dann geeig­ne­te Medi­en heraus.

Bücher über das Glück — ideal zum Einstieg ins neue Jahr.

Auch viele Spiele

Wer durch die Medi­en­stel­le spaziert, erkennt sofort, wie viel­fäl­tig das Sorti­ment ist. Auch viele Bücher zu den Welt­re­li­gio­nen, zu ethi­schen oder psycho­lo­gi­schen Themen warten auf die Lese­rin­nen und Leser. «In den letz­ten Jahren haben wir ange­fan­gen, auch eine Samm­lung von Spie­len, die sich für Klas­sen, Grup­pen oder Fami­li­en eignen, aufzu­bau­en», so Hildi Bandel. Die gesell­schaft­li­chen Entwick­lun­gen lassen sich laut Bandel gut am Bestand und an der Nach­fra­ge able­sen: So habe in den letz­ten Jahren die Nach­fra­ge nach Büchern zum Thema Beten sowie Bücher, die sich mit inner­kirch­li­chen Themen beschäf­ti­gen, nach­ge­las­sen. «Belieb­ter sind Medi­en zu Ritua­len, christ­li­chen Werten oder Vorbil­dern», weiss Manue­la Mitte­rer. Hildi Bandel merkt an: «Im Gegen­satz zu früher achten die Verla­ge heute mehr auf die Optik. Selbst bei Fach­bü­chern ist die Spra­che süffi­ger gewor­den. Auch wer nicht mit der Mate­rie vertraut ist, schafft sofort den Einstieg und hat das Buch schnell gelesen.»

Neue Leitung ab 2023

Auch in Zeiten der Digi­ta­li­sie­rung sind Hildi Bandel und Manue­la Mitte­rer über­zeugt, dass das Buch eine Zukunft haben wird: «Es ist etwas Ande­res, wenn ich es mir mit dem Kind oder Enkel­kind auf dem Sofa gemüt­lich mache und wir gemein­sam in einem Buch blät­tern als Ergän­zung zu den digi­ta­len Ange­bo­ten.» Künf­tig will die Medi­en­stel­le auch vermehrt Veran­stal­tun­gen anbie­ten. Zunächst stehen jedoch inter­ne Verän­de­run­gen an: Im kommen­den Jahr wird die lang­jäh­ri­ge Stel­len­lei­te­rin Hildi Bandel die Leitung an ihre Nach­fol­ge­rin Manue­la Mitte­rer über­ge­ben. Sie selbst wird weiter­hin in der Medi­en­stel­le tätig sein.

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Ange­bot des Kath. Konfessionsteils

Die RPM Altstät­ten wird finan­ziert vom Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil des Kantons St. Gallen. Verant­wort­lich für den Betrieb ist das Amt für Kate­che­se und Reli­gi­ons­päd­ago­gik des ­Bistums St. Gallen. Die RPM ist Teil des Medi­en­ver­bunds der Pädago­gi­schen Hoch­schu­le St. Gallen. ­Öffnungs­zei­ten: Montag, 14 bis 17 Uhr, Diens­tag – Frei­tag, 9 bis 11.30 Uhr, 14 bis 17 Uhr.Ferien vom 24. Dezem­ber 2022 bis 8. Janu­ar 2023.

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Bischof Markus Büchel

«Dann kommt etwas zum Leuchten»

Bischof Markus Büchel über die Bedeu­tung von Kerzen für den Advent und die Spiri­tua­li­tät und welche Botschaft für ihn im Advents­lied «Mache dich auf und werde Licht» steckt.

Bischof Markus, für viele ist Advent und Weih­nach­ten ohne Kerzen undenk­bar. Doch wieviel von der ­Botschaft von ­Weih­nach­ten steckt in ­diesem Symbol?

Wir feiern an Weih­nach­ten die Geburt von ­Jesus Chris­tus, dem Retter. Weih­nach­ten fällt bei uns mitten in die dunk­le Zeit. Jesus Chris­tus gilt als Licht der Welt. Mich faszi­niert, dass er in die Dunkel­heit hinein­ge­bo­ren wird. Mit ihm kommt etwas Neues in die Welt. Seine Geburt bringt Hoff­nung und Zuver­sicht. Das Licht der Kerzen ist leben­dig. Jesus sagt – so das Johannes-Evangelium – über sich: Ich bin das Licht der Welt. Aber er sagt auch: ihr seid das Licht der Welt. In der Botschaft von Weih­nach­ten steckt auch der Auftrag, Licht­trä­ge­rin und Licht­trä­ger zu sein und das Licht weiter­zu­ge­ben. Bei mir brennt jedes Jahr während der ganzen Weih­nachts­zeit das Frie­dens­licht. Sobald ich es bekom­me, stel­le ich die Kerze in eine Later­ne, damit es nie erlischt. Ich entzün­de in dieser Zeit immer wieder Kerzen an diesem Licht.

Bei Bischof Markus Büchel war das Licht der Kerzen schon immer von der kirch­li­chen Bedeu­tung geprägt.

Wie oft bren­nen bei Ihnen ­Kerzen? Welche Bedeu­tung ­haben sie für Sie?

Bei mir brennt sehr oft eine Kerze und beson­ders immer dann, wenn ich mich zum Gebet samm­le. Das war in meinem Leben schon immer so. Bei uns zuhau­se in der Fami­lie waren Kerzen sehr wich­tig und von der kirch­li­chen Bedeu­tung her geprägt. In meiner Kind­heit war man noch nicht so verwöhnt mit elek­tri­schem Licht, da war es an den Winter­aben­den wirk­lich dunkel. Umso mehr schätz­te man das Licht einer Kerze. Kerzen­licht schafft eine Atmo­sphä­re und sorgt für Gebor­gen­heit. Aber für mich ist das Licht einer Kerze auch etwas Leben­di­ges und damit etwas Ande­res als elek­tri­sches Licht. Als Minis­trant wurde ich aufmerk­sam auf die litur­gi­sche Bedeu­tung der Kerzen.

Kerzen sind heut­zu­ta­ge ­wieder im Trend. Doch ­katho­li­sche Kerzen­bräu­che wie zum Beispiel Maria ­Licht­mess im Febru­ar gehen ­immer mehr vergessen.

In unse­rer Fami­lie war es üblich, an Maria Licht­mess in der Kirche die Kerzen segnen zu lassen. Diese geseg­ne­ten Kerzen brann­ten dann zuhau­se bei beson­de­ren Anläs­sen. Ich erin­ne­re mich zum Beispiel an den Tod meines Gross­va­ters: Wir zünde­ten neben dem Leich­nam eine Kerze an. Es ist faszi­nie­rend, dass Kerzen uns durch so viele prägen­de Ereig­nis­se im Leben beglei­ten. Sie bren­nen an einer Fest­tags­ta­fel und an fröh­li­chen Anläs­sen, zu denen viele Menschen zusam­men­kom­men. Aber genau­so brennt die Kerze bei trau­ri­gen Ereig­nis­sen oder ihr Licht schafft Trost, wenn sich jemand allein und einsam fühlt. Was mich jedes Jahr an Aller­hei­li­gen und auch an ande­ren Festen beein­druckt: So viele haben das Bedürf­nis, in den Kirchen eine Opfer­ker­ze anzu­zün­den. Das war früher noch nicht so verbrei­tet. Viel­leicht hat diese neue­re Tradi­ti­on älte­re Bräu­che abge­löst. Früher wie heute bin ich immer wieder tief beein­druckt, wenn an Ostern in der dunk­len Kirche das Licht von der Oster­ker­ze allen weiter­ge­reicht wird.

Für Bischof Markus Büchel geht es darum, acht­sam zu werden.

«Mache dich auf und werde Licht» wird in den Rora­te­fei­ern im Advent gesun­gen. Was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie diesen Kanon singen?

Er erin­nert mich, dass wir ausge­sandt sind. Der Vers aus Jesa­ia lädt mich ein, mich auf den Weg zu machen. Chris­tus ist uns Licht, aber gleich­zeitig braucht auch er uns als Licht­spen­der. Dazu sind konkre­te Schrit­te von uns notwen­dig. Wir sind aufge­for­dert, Hoff­nungs­trä­ger zu sein.

Was heisst das?

Es geht darum, eine Haltung gegen­über ande­ren Menschen einzu­neh­men so wie es Jesus getan hat: Jeden anzu­neh­men so wie er ist. Nicht ande­re zu beur­tei­len aufgrund von Äusser­lich­kei­ten oder Leis­tun­gen, sondern sich in sie hinein­zu­ver­set­zen und hineinzufühlen.

Ange­sichts von Krieg und Leid tun sich gegen­wär­tig ­viele schwer, an dieses Licht und die Hoff­nung zu glau­ben. Was antwor­ten Sie ihnen?

Gera­de in diesem Jahr wurde sicht­bar, dass viele Menschen nicht wegschau­en, sondern etwas für Notlei­den­de tun: Ich denke an alle, die Geflüch­te­te aus der Ukrai­ne aufge­nom­men haben oder sich auf ande­re Weise für sie enga­gie­ren. In all dem Leid bricht doch eine Sehn­sucht, ein ­Funke Hoff­nung auf. Man darf nicht direkt ein Wunder erwar­ten, wenn man eine Kerze anzün­det. Aber es kann schon ein erster Schritt aus der Ohnmachts­hal­tung sein, mit einer Kerze die eige­ne Sprach­lo­sig­keit auszu­drü­cken. Wenn ich an einem Grab oder in der Kirche eine Opfer­ker­ze anzün­de, dann ist das so als ob ich mein Gebets­an­lie­gen oder meinen Gedan­ken in diesem Licht plat­zie­re. Auch wenn ich wieder weg bin, bleibt mein Anlie­gen dort.

Sich aufma­chen, ­öffnen und Licht sein. Wie könn­te das im ­Advent gehen?

Für mich geht es darum, acht­sam zu werden gegen­über dem Nächs­ten, sich einlas­sen auf die Not der ande­ren. Wenn ich versu­che, mein Leben aus dem Glau­ben heraus zu gestal­ten, dann kommt etwas zum Leuch­ten. Es geht auch darum, sich wieder bewusst zu machen, dass in jedem von uns das Licht, der gött­li­che Funke, steckt. ­Diesem Licht gilt es Sorge zu tragen.

Bischof Markus Büchel erhält das ­Frie­dens­licht seit vielen Jahren von Jda Gara­ven­ta. Die St. Galle­rin hat das Frie­dens­licht nach St. Gallen gebracht, schon lange bevor die welt­wei­te Frie­dens­ak­ti­on in der Ostschweiz bekannt war.

Veröf­fent­licht: 16. Dezem­ber 2022

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Fokus auf Prävention

«Noch immer ist es für viele Miss­brauchs­be­trof­fe­ne ein gros­ser Schritt, sich an das ­Fach­gre­mi­um zu wenden und über das erfah­re­ne Leid zu spre­chen», sagt Danie­la Sieber, ­Präsi­den­tin des Fach­gre­mi­ums gegen sexu­el­le Über­grif­fe im Bistum St. Gallen. Bischof Ivo Fürer hat das Gremi­um 2002 installiert.

Dieses Jahr jähr­te sich die Grün­dung des Fach­gre­mi­ums zum zwan­zigs­ten Mal. Als Bischof Ivo Fürer 2002 als Reak­ti­on auf einen Miss­brauchs­fall das Gremi­um instal­lier­te, wurde noch kaum über sexu­el­le Miss­bräu­che im kirch­li­chen Umfeld gespro­chen. «In den vergan­ge­nen zwan­zig Jahren hat sich extrem viel getan», fasst Danie­la Sieber, Juris­tin und Media­to­rin, zusam­men. «Das Gremi­um hat sich konse­quent weiter­ent­wi­ckelt und profes­sio­na­li­siert.» Das Fach­gre­mi­um ist heute fest etabliert, in ande­ren Bistü­mern gibt es heute ähnli­che Gremi­en und Anlauf­stel­len. Ging es anfangs vor allem um straf­recht­li­che Themen, habe sich der Fokus auf die Präven­ti­on verla­gert. Ein wich­ti­ger Schritt war 2016 die Einfüh­rung des Schutz­kon­zep­tes im Bistum St. Gallen. Jähr­lich finden Einfüh­rungs­kur­se für alle Ange­stell­ten und frei­wil­lig Enga­gier­te im Bistum statt. Das Thema ist auch fester Teil der Berufs­ein­füh­rung der Seel­sor­gen­den. Seit 2017 können sich Betrof­fe­ne von physi­scher und psychi­scher Gewalt, Mobbing, Arbeits­platz­kon­flik­ten und emotio­na­len Grenz­ver­let­zun­gen auch an zwei Ombuds­per­so­nen wenden. Einen Beitrag zur Aufar­bei­tung leis­tet auch ein Genug­tu­ungs­fonds der Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz. Dass ein Bewusst­sein für die Not und die Erfah­run­gen der Betrof­fe­nen geschaf­fen wurde, dazu hätten auch die Medi­en beigetra­gen. «Und beson­ders all die Betrof­fe­nen, die ihre Erfah­run­gen öffent­lich gemacht haben.»

«Dennoch gehen wir davon aus, dass es auch in unse­rem Bistum Betrof­fe­ne gibt, die sich noch nicht gemel­det haben.»

Danie­la Sieber

Hilfe bei Verarbeitung

Aktu­ell hat das Fach­gre­mi­um keinen straf­recht­li­chen Fall zu bear­bei­ten. In diesem Jahr haben sich acht Perso­nen gemel­det. Im Bistum St. Gallen sei es für Betrof­fe­ne nieder­schwel­lig möglich, sich an das Fach­gre­mi­um zu wenden. Sie behal­ten die Kontrol­le über die Schrit­te und welche Infor­ma­tio­nen an welche Stel­le gelan­gen. «Dennoch gehen wir davon aus, dass es auch in unse­rem Bistum Betrof­fe­ne gibt, die sich noch nicht gemel­det haben», sagt Danie­la Sieber. Deshalb sei das Gremi­um daran, sich immer wieder ins Gespräch zu brin­gen und auf sein Ange­bot aufmerk­sam zu machen. Für Theo­lo­gin und Psycho­lo­gin Regu­la Sarbach, Ansprech­per­son für Betrof­fe­ne, kann es ein Beitrag zur Verar­bei­tung sein, wenn sich Betrof­fe­ne auch Jahr­zehn­te nach dem Miss­brauch melden: «Das Erzäh­len der Erfah­run­gen wird von vielen Betrof­fe­nen als wich­tig und entlas­tend erlebt», sagt sie, «oft sind für die Betrof­fe­nen die Frage nach einer finan­zi­el­len Genug­tu­ung oder straf­recht­li­chen Konse­quen­zen zweit­ran­gig. Selbst wenn der Täter schon verstor­ben ist, kann es entlas­tend sein, Gehör zu finden.» Teil­wei­se sind es auch Perso­nen, die grenz­ver­let­zen­des Verhal­ten beob­ach­tet haben und sich melden.

Spiri­tu­el­ler Missbrauch

Rela­tiv neu ist das Bewusst­sein für den spiri­tu­el­len Miss­brauch. Dieser wurde vor allem durch das Buch «Spiri­tu­el­ler Miss­brauch in der katho­li­schen Kirche» der deut­schen Theo­lo­gin Doris Reisin­ger zum Thema: In vielen Grup­pen und Gemein­schaf­ten gibt es Perso­nen, die leiten und Verant­wor­tung tragen. Diese Perso­nen haben Macht, die sie zum Guten einset­zen, aber auch miss­brau­chen können. «Solche Fälle sind oft noch­mals viel komple­xer als ein sexu­el­ler Über­griff und für die Betrof­fe­nen schwer zu erken­nen und benen­nen», so Danie­la Sieber. Um auch diese Betrof­fe­nen opti­mal beglei­ten zu können, könn­te es laut Sieber sinn­voll sein, eine eige­ne Anlauf­stel­le zu schaffen.

Nicht­kirch­li­che Meldestelle

In den letz­ten Jahren sind zahl­rei­che Bücher von Miss­brauchs­be­trof­fe­nen erschie­nen. Es gibt inzwi­schen auch Netz­wer­ke und Grup­pen, zu denen sich Betrof­fe­ne zusam­men­ge­schlos­sen haben wie zum Beispiel die «Inter­es­sen­ge­mein­schaft für Miss­brauchs­be­trof­fe­ne im kirch­li­chen Umfeld». Diese fordert die Errich­tung einer gesamt­schwei­ze­ri­schen, neutra­len und unab­hän­gi­gen Melde­stel­le. Danie­la Sieber kann diese Forde­rung nach­voll­zie­hen: «Die Situa­ti­on in den Bistü­mern ist bis heute ganz unter­schied­lich. Im Bistum St. Gallen ist auch hier das Bewusst­sein gewach­sen. Heute ist im Fach­gre­mi­um kein Mitglied mehr aus der Perso­nal­ab­tei­lung oder dem Ordi­na­ri­at des Bistums vertre­ten.» Sieber sieht gespannt den Ergeb­nis­sen der histo­ri­schen Studie zum sexu­el­len Miss­brauch im Umfeld der römisch-katholischen Kirche entge­gen, die die Schwei­zer Bischofs­kon­fe­renz im Früh­ling in Auftrag gege­ben hat. Diese soll einen weite­ren Beitrag zur Aufar­bei­tung und Präven­ti­on leis­ten. Die Ergeb­nis­se werden für Herbst 2023 erwartet.

Text: Stephan Sigg

Bild: zVg.

Weiter­bil­dung für frei­wil­lig Engagierte

Worauf müssen frei­wil­lig Enga­gier­te ­achten? Das Bistum St. Gallen bietet 2023 die Weiter­bil­dung ­«Pfarreirat-Updates» zur Umset­zung des Schutz­kon­zep­tes an. Pfarrei- und ­Pasto­ral­rä­te haben, so die  Ausschrei­bung, meist das ganze ­Spek­trum der Frei­wil­li­gen in ihrer Pfar­rei und Seel­sor­ge­ein­heit im Blick. Ihnen komme deshalb eine wich­ti­ge Rolle zu.

Sams­tag, 14. Janu­ar 2023, Mels oder ­Sams­tag, 18. Febru­ar 2023, Degers­heim, ­jeweils 9 bis 12.45 Uhr

→ Infor­ma­tio­nen und Anmel­dung: www.bistum-stgallen.ch

Geschlechterklischees ­überwinden

Mehr Sensi­bi­li­tät für die Geschlech­ter­viel­falt – die Tagung der ­Fach­stel­le für Jugend­ar­beit im Bistum St. Gallen (Daju) regte an, über Geschlech­ter­rol­len, Diskri­mi­nie­rung und die Perspek­ti­ve von sexu­el­len Minder­hei­ten nachzudenken.

Was macht dich zur Frau, was macht dich zum Mann? Welche Geschlech­ter­vor­ur­tei­le machen dir zu schaf­fen? Was wäre in meinem Leben anders, wenn ich ein ande­res Geschlecht hätte? Was ist unweib­lich und unmänn­lich – und wer legt das fest? Gleich zu Beginn der Daju-Tagung in Trogen AR konfron­tiert ein Frage­bo­gen die Jugend­seel­sor­gen­den mit ihrer eige­nen Haltung zum Geschlecht. Bei der anschlies­sen­den Diskus­si­on in Klein­grup­pen wird schnell klar: Auch wer sich selbst als tole­rant und offen im Umgang mit der Geschlech­ter­viel­falt bezeich­net, hat beim Frage­bo­gen den einen oder ande­ren Aha-Moment erlebt. Vieles, das selbst­ver­ständ­lich scheint, ist doch gar nicht so selbst­ver­ständ­lich. Im Austausch mit den ande­ren schil­dern die kirch­li­chen Jugend­ar­bei­ten­den aber auch bald Erfah­run­gen aus ihrem Berufs­all­tag: «Ich erle­be noch immer, dass manche Jugend­li­che sich gegen einen Lehr­be­ruf entschei­den, weil dieser als zu weib­lich oder zu männ­lich gilt und sie sich vor Häme und Vorur­tei­len fürch­ten.» Auch bekom­men die Jugend­ar­bei­ten­den mit, wie sehr Ideal­bil­der von Männ­lich­keit und Weib­lich­keit in Werbung und Medi­en auch heute viele junge Menschen unter Druck setzen.

Kirch­li­che Jugendarbeiter*innen aus dem Bistum St.Gallen setz­ten sich mit der Geschlech­ter­viel­falt auseinander.

Offen und unverkrampft

Die Teil­neh­men­den spre­chen ganz offen und unver­krampft. Man spürt, dass es in der kirch­li­chen Jugend­ar­beit schon viel Sensi­bi­li­tät im Umgang mit Geschlech­ter­viel­falt und sexu­el­len Orien­tie­run­gen gibt. Viele Jugend­seel­sor­gen­de sind bemüht, Jugend­li­che bei der Entwick­lung einer gelin­gen­den Geschlechts­iden­ti­tät zu unter­stüt­zen. Ande­re wieder­um berich­ten, dass die Akzep­tanz von quee­ren Jugend­li­chen unter Gleich­alt­ri­gen noch gar nicht so verbrei­tet ist wie man oft den Eindruck hat: Ein Jugend­seel­sor­ger erzählt von homo­pho­ben Äusse­run­gen, die Jugend­li­che in seiner Pfar­rei von sich gege­ben haben.

Die Tagung ging auch der Frage nach, wie kirch­li­che Jugend­ar­beit zeit­ge­mäss mit der Geschlech­ter­viel­falt umgeht und nieman­den ausschliesst.

Mit Spra­che ausdrücken

Refe­ren­tin Simo­ne Dos Santos, Geschäfts­lei­te­rin der Fach­stel­le für Aids- und Sexu­al­fra­gen St. Gallen, zeigt immer wieder auf, wie sehr die Gesell­schaft bis heute in Kate­go­rien denkt. «Das gilt es zu hinter­fra­gen», sagt sie. Die binä­re Eintei­lung grei­fe zu kurz und schlies­se viele Geschlech­ter­iden­ti­tä­ten aus. Während die einen die Viel­falt als berei­chernd erle­ben, löst sie bei ande­ren Unsi­cher­hei­ten und Ableh­nung aus. «Die meis­ten von uns haben ihre Geschlech­ter­rol­len auto­ma­tisch ange­nom­men. Viele der heuti­gen Jugend­li­chen setzen sich inten­siv mit der Frage ausein­an­der, wer sie sind und wie sie ihr Geschlecht leben wollen. Manche spie­len auch krea­tiv damit.» Das heis­se aber nicht auto­ma­tisch, dass es für sexu­el­le Minder­hei­ten heute einfa­cher sei. Simo­ne Dos Santos moti­viert die Teil­neh­men­den, die Viel­falt auch in der Spra­che sicht­bar zu machen: Beispiels­wei­se hätten Studi­en gezeigt, dass Kinder sich mehr Beru­fe zutrau­en, wenn die Geschlech­ter­viel­falt in Beru­fen auch sprach­lich immer wieder expli­zit ausge­drückt wird. An der Tagung kommen auch Betrof­fe­ne selbst zu Wort – am Vormit­tag in Film­ein­spie­lun­gen und am ­Nach­mit­tag stellt sich Aman­da, eine junge Trans­frau aus der Ostschweiz, den Fragen der Teilnehmenden.

Refe­ren­tin Simo­ne Dos Santos moti­vier­te für eine geschlech­ter­sen­si­ble Sprache.

Die Bibel und die Geschlechter

Im Tagungs­saal hängt ein Banner an der Wand: «Gott liebt viel­fäl­tig.» Was sagt die Bibel zu diesem Thema? Dieser Frage geht am zwei­ten Tag Gregor Emmen­eg­ger, Profes­sor für Kirchen­ge­schich­te an der Univer­si­tät Frei­burg, nach. Er zeigt auf, dass die Bibel sehr viel­fäl­ti­ge Aussa­gen zu den Geschlech­tern macht: Zum Beispiel habe Gott in erster Linie Adam als Menschen geschaf­fen und nicht als Mann und daraus die Frau, wie das verkürzt in jahr­hun­der­te­lan­gen Bibel­aus­le­gun­gen wieder­ge­ge­ben wurde. Auch der Umgang mit den Geschlech­tern habe sich im Laufe der ­Kirchen­ge­schich­te gewan­delt (s. Inter­view S. 11). Der Apos­tel Paulus schrieb im Brief an die ­Gala­ter: «Es gibt nicht mehr Juden und Grie­chen, nicht Skla­ven und Freie, nicht männ­lich und weib­lich; denn ihr alle seid einer in Chris­tus Jesus.»

Trans­frau Aman­da gab offen und ehrlich Einbli­cke in ihre Geschich­te und den Umgang mit Vorurteilen.
Die Teil­neh­men­den schil­der­ten persön­li­che Erfah­run­gen aus ihrem Arbeits­all­tag in der kirch­li­chen Jugendarbeit.

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 28. Novem­ber 2022

«Immer wieder weiterentwickelt»

Gregor Emmen­eg­ger, Sie haben über die histo­ri­sche Entwick­lung der kirch­li­chen Haltung zu Geschlech­ter­fra­gen refe­riert. Die Kirche lehrt, es gibt Mann und Frau. Ist die Frage damit nicht schon beantwortet?

Im Gegen­teil – die Haltung der Kirche hat sich im Laufe der Jahr­hun­der­te immer wieder verän­dert. Die Idee, dass Mann und Frau sich dualis­tisch gegen­über­ste­hen, verbrei­tet sich erst ab dem 17. Jahrhundert.

Wie gingen denn die Kirche und die Theo­lo­gie im frühen Chris­ten­tum mit dem Thema um?

Wer von Geschlech­tern redet, denkt darüber nach, was Menschen verbin­det und was sie trennt. In der Anti­ke und im Mittel­al­ter wurden die Geschlechts­merk­ma­le nicht auf zwei Geschlech­ter hin inter­pre­tiert. Man ging davon aus, dass es nur ein Menschen­ge­schlecht gibt, in stär­ke­rer männ­li­cher und schwä­che­rer weib­li­cher Ausprä­gung, und ohne abso­lu­te Tren­nung dazwi­schen. Man reflek­tier­te so mit medi­zi­ni­schem Voka­bu­lar die Gesell­schafts­ver­hält­nis­se: Der Bauer unter­schied sich nicht sehr von der Bäue­rin, aber sehr vom Ritter. Im 17. Jahr­hun­dert verän­der­te sich das. Die Frau­en blie­ben zuneh­mend zu Hause, die Männer gingen auswärts arbei­ten. Ein neues gesell­schaft­li­ches Modell entwi­ckel­te sich und man gewann einen neuen Blick auf die Geschlech­ter. Auch in der Kirche und in der Medi­zin wurde seit­her die Diffe­renz der Geschlech­ter betont.

Die Gender-Diskussion wird heute oft emotio­nal geführt. Was lehrt uns der Blick in die Kirchengeschichte?

In den vergan­ge­nen Jahr­hun­der­ten hatte die Kirche im Umgang mit diesem Thema weni­ger Mühe. Die Viel­falt wurde nicht als Gefahr verstan­den. Es wäre eine Chan­ce, wenn die Kirche heute die Menschen in ihrer Viel­falt sehen lernt und diese Viel­falt als Mehr­wert versteht. (ssi)

Jugendbeilage Oberstufe Buchs SG

Schü­le­rin­nen der Ober­stu­fe Grof Buchs SG haben sich im Reli­gi­ons­un­ter­richt mit Advent und Weih­nach­ten beschäf­tigt und eine Advents­bei­la­ge entwi­ckelt, die mit der Dezember-Ausgabe verschickt wird.

Down­load Jugendbeilage

«Wir besu­chen die 1. Ober­stu­fen­klas­se im Ober­stu­fen­zen­trum Grof Buchs SG. Bereits nach den Sommer­fe­ri­en haben wir mit diesem Projekt begon­nen. Es war noch total heiss und wir haben uns mit Weih­nach­ten beschäf­tigt! Maria? Josef? Jesus? Aber gleich­zei­tig hat das bei uns die Vorfreu­de geweckt. Es soll­te viel öfter Advent sein – das ist eine so schö­ne Zeit. Leider vergeht sie so schnell, deshalb soll­te man sich im Advent an jedem Tag beson­ders viel Zeit nehmen.»

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 25. Novem­ber 2022

67 Jahre mit Kerzen verbunden

Im Leben von Elsa Egger (83) dreht sich alles um Kerzen und Fami­lie. Im Gespräch erzählt die Patro­nin der Hong­ler Kerzen in Altstät­ten, warum sie immer noch täglich in der Firma ist und worauf sie bei Kerzen kritisch achtet.

«Wenn es auf Weih­nach­ten zugeht, müss­te ja nicht unbe­dingt ich als Person, sondern mehr die Kerzen und das Licht im Vorder­grund stehen», sagt Elsa Egger zur Begrüs­sung. Sie stellt sich nicht gerne in den Mittel­punkt. Dennoch hat sie im Unter­neh­men eine star­ke Präsenz und ist immer noch opera­tiv im Geschäft des Kerzen-Unternehmens tätig. Sie steht im engen Austausch mit Mitar­bei­ten­den und Kunden. «Ich bin schon sehr einge­bun­den in der Firma», bemerkt sie. Es sei ihr aber auch bewusst, dass sie in einem sensi­blen Alter sei und nie wisse, in welche Rich­tung es weiter­ge­he. Im Moment ist sie im Schuss, denn es herrscht Hoch­be­trieb. Nebst der Weih­nachts­aus­stel­lung locken das Kerzen­ca­fé und das Kerzen­zie­hen zusätz­li­che Besu­che­rin­nen und Besu­cher an. Weite­re Höhe­punk­te im Geschäfts­jahr sind Licht­mess und Ostern, daran habe sich bis heute nichts geän­dert. «Beliebt ist momen­tan auch das Zelt für den Rampen­ver­kauf. Leute kaufen aufgrund der drohen­den Energie-Knappheit vermehrt Kerzen für den Notvor­rat ein», erklärt die Geschäftsfrau. 

Elsa Egger absol­vier­te 1955 die KV-Lehre bei Hong­ler Kerzen.

Mit der Firma verheiratet

1955 hat Elsa Egger die KV-Lehre bei Hong­ler Kerzen absol­viert und 1962 folg­te die Heirat mit dem dama­li­gen Geschäfts­füh­rer. Mit dem Eintritt ihrer drei Söhne in die Firma gab es einen Umbruch. Der Hand­werks­be­trieb, der haupt­säch­lich Kerzen für Kirchen herstell­te, entwi­ckel­te sich zu einem moder­nen Unter­neh­men mit neuer Produk­ti­ons­hal­le, Verkaufs­la­den und Online-Shop. «Es grenzt wirk­lich an ein Wunder, dass wir schon so viele Jahre mitein­an­der arbei­ten und alle am selben Strick ziehen», sagt sie und ergänzt aus mütter­li­cher Sicht: «Meine Kinder sind alle drei so unter­schied­lich und trotz­dem funk­tio­niert es.» Eine gute Unter­neh­mens­kul­tur ist Egger sehr wich­tig. Sie ist erfreut, dass ihre Söhne die elter­li­che Philo­so­phie weiter­tra­gen: «Uns geht es nicht nur um den Profit, wir möch­ten auch einen Sinn hinter der Arbeit sehen.» 

Die Heim­os­ter­ker­zen sind noch immer beliebt.

Im Wandel der Zeit

Bei den Rohstof­fen für die Kerzen­pro­duk­ti­on ist eini­ges im Wandel. «Wir testen immer wieder Alter­na­ti­ven zu Paraf­fin, beispiels­wei­se mit Soja‑, Raps- und Oliven­wachs. Aufgrund der beschränk­ten Ressour­cen und Halt­bar­keit blei­ben diese aller­dings Nischen­pro­duk­te.» Bienenwachs-Kerzen sind nach wie vor gefragt, vor allem bei den litur­gi­schen Kerzen. Für diese bestehe nach dem Kirchen­recht eine Kult­vor­schrift von 55 Prozent Bienenwachs-Anteil, «früher waren es noch 100 Prozent», erin­nert sie sich. «Allge­mein sind Altar­ker­zen weni­ger gefragt, weil weni­ger Messen statt­fin­den. Ritua­le mit Kerzen­licht haben aller­dings zuge­nom­men, auch geseg­ne­te Kerzen sind nach wie vor beliebt. Ein wich­ti­ges Produkt ist die Heim­os­ter­ker­ze – eine Kopie der gros­sen Oster­ker­ze. Diese sind sehr beliebt und werden oft für den Heim­ge­brauch als Tisch­ker­ze oder Geschenk gekauft.» 

Emotio­na­les Produkt

Die Kerze als Produkt eines alten Hand­werks hat für Egger eine beson­ders emotio­na­le Bedeu­tung: «Es leuch­tet und es hat einen Auftrag.» Sie betrach­tet das Kerzen­licht berufs­be­dingt auch immer ein biss­chen kritisch wegen der Brenn­qua­li­tät. Kerzen beglei­ten Menschen durch das ganze Leben von Geburt bis zum Tod. «Wir haben entspre­chend viele Anfra­gen für indi­vi­du­el­le Verzierungs-Wünsche, diese werden von unse­ren ­Mitar­bei­ten­den mit viel ­Liebe zum Detail umge­setzt», sagt sie stolz. 

«Wachs klebt – so lautet ein altes Kerzenmacher-Sprichwort und meint, dass man oft ein Leben lang mit seiner Arbeit ­verbun­den bleibt.»

Elsa Egger
Elsa Egger fühlt sich wohl umge­ben von Kerzen und Menschen: «Ich bin sehr gut aufge­ho­ben in diesem gros­sen Team und möch­te noch so lange weiter­ma­chen, wie es die Gesund­heit erlaubt.»

Text: Katja Hong­ler (es besteht keine verwandt­schaft­li­che ­Bezie­hung zur Hong­ler Kerzen AG)

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht am 24.11.2022

Jubla — wer darf mitmachen?

Leser­fra­ge: Muss man Mitglied in einer Landes­kir­che sein, um bei Jung­wacht Blau­ring, kurz Jubla, mitzu­ma­chen?

Fran­zis­ka Köppel, Leite­rin Impuls­ar­beits­stel­le Rebstein, Jung­wacht Blau­ring Kanto­ne SG/AI/AR/GL

Die Antwort auf diese Leser­fra­ge möch­te ich gleich ­vorweg­neh­men: Nein, das muss man nicht. Auf unse­rer Websei­te www.jubla.ch ist zu lesen: «Die Jubla ist ein ­Kinder- und Jugend­ver­band mit über 400 Scha­ren (loka­le Verei­ne) – offen für alle, unab­hän­gig von Fähig­keiten, Herkunft oder Religion.»

Diese Offen­heit zeich­net den Verein aus und bietet einen klaren Mehr­wert: In der Jubla findet jedes inter­es­sier­te Kind seinen Platz. Leis­tung und Vergleich rücken in den Hinter­grund, gemein­sam lassen sich verbin­den­de Momen­te erle­ben. Die Jubla bietet ihren ­Mitglie­dern eine sinn­vol­le, alters­ge­rech­te Frei­zeit­ge­stal­tung. Sie ist Lebens­schu­le für die jugend­li­chen Leiten­den, die mit viel Spass und Begeis­te­rung Verant­wor­tung über­neh­men und in Leitungs­kur­sen Kompe­ten­zen entwi­ckeln oder erwei­tern können.

Ideen entwi­ckeln und Verant­wor­tung übernehmen

Der Ursprung der Jubla liegt bei der katho­li­schen Kirche, genau­er gesagt den katho­li­schen Pfar­rei­en. In den 1930er-Jahren riefen diese die Kinder- und Jugend­an­ge­bo­te «Jung­wacht» und «Blau­ring» ins Leben. Bis heute versteht sich die Jubla als Teil der katho­li­schen ­Kirche und macht dies mit ihrem Grund­satz «Glau­ben leben» sicht­bar. So kommen christ­li­che Werte und Tradi­tio­nen – wie sie auch in vielen ande­ren Reli­gio­nen und Gemein­schaf­ten veran­kert sind – noch heute im Schar­all­tag zum Tragen. Zusam­men lachen, am Lager­feu­er singen, Gutenacht­geschichten erzäh­len, Tisch­ri­tua­le spre­chen, Later­nen basteln, Kuchen für den guten Zweck verkau­fen, den Sami­ch­laus­tag feiern, Program­me für Asyl­su­chen­de veran­stal­ten, die Köpfe zusam­men­ste­cken und Ideen entwi­ckeln, Verant­wor­tung über­neh­men und gemein­sam weiter­kom­men, beson­de­re Momen­te feiern, Freund*innen fürs Leben finden: Das alles sind Akti­vi­tä­ten, die ihren Ursprung in Werten wie Frie­de und Gerech­tig­keit, Soli­da­ri­tät, Tole­ranz, Respekt und Spiri­tua­li­tät finden. Dabei geht es in der Jubla stets um das Mitein­an­der. Es zählen Gemein­sam­kei­ten – keine Unterschiede.

Jubla-Luft schnup­pern

Es gibt bei der Jubla also kein Aufnah­me­kri­te­ri­um ausser dem Alter: In den meis­ten Scha­ren können Kinder ab der ersten oder zwei­ten Klas­se beitre­ten. Hinzu kommen auch immer mehr «Jubli­nis», also Grup­pen für Kinder im Kinder­gar­ten­al­ter, die sich in der Regel einmal pro Monat tref­fen. Jedes Jahr gibt es auch einen natio­na­len Schnup­per­tag. Der ­soge­nann­te «Jubla-Tag» findet jeweils Anfang Septem­ber direkt bei den Scha­ren statt. Wer Jubla-Luft schnup­pern möch­te, kann aber auch jeder­zeit bei einer Jubla-Schar in seiner Regi­on vorbeischauen.

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Ein Frustrierter bricht auf

Inspi­riert durch Pilge­rin­nen und Pilger und deren Erleb­nis­se hat die Rorscha­ch­e­rin ­Beatri­ce Mock das ­Thea­ter­stück ­«#JAKOB S WEG – ein Pilger­stück» geschrie­ben. Die Komö­die ­beleuch­tet die unter­schied­li­chen Pilger-Beweggründe. Im Novem­ber ist Premiere. 

Die Theo­lo­gin und Thea­ter­schaf­fen­de Beatri­ce Mock wurde vom Verein Pilger­her­ber­ge Sankt Gallen ange­fragt, ein Pilger­thea­ter zu entwi­ckeln. «Ein Stück zwischen Klamauk, Komö­die und spiri­tu­el­lem Gebet, etwa so laute­te der Auftrag», erklärt Beatri­ce Mock mit Schalk in ihrer Stim­me. Von Seite des Vereins Pilger­her­ber­ge sagt Erika Pert­zel, Ideen­ge­be­rin und OK-Präsidentin für das Pilger­thea­ter: «Wir möch­ten bewusst auch Leute ausser­halb der Pilger-Szene anspre­chen und die Pilge­rei noch bekann­ter machen.»

Stephan Bitsch spielt die Haupt­rol­le Ambros.

Eine intel­lek­tu­el­le Reise

Mock hat den Jakobs­weg noch nicht unter die eige­nen Füsse genom­men, dennoch ist sie faszi­niert vom Pilgern. «Wir alle sind stän­dig unter­wegs von einem Ort zum andern, von einer Szene zur nächs­ten. Beim Pilgern möch­ten viele den Alltag hinter sich lassen und sich neu besin­nen.» Bei ihrer inten­si­ven Recher­che hat sie erstaun­li­che Eindrü­cke und Fakten über das Pilgern erhal­ten und rasch gemerkt, dass die Asso­zia­tio­nen zum Pilgern sehr viel­sei­tig sind. Nach der Lektü­re von Studi­en und Büchern folg­te der prak­ti­sche Teil: An fünf Tref­fen mit Bekann­ten aus ihrer «Theater-Bubble» und Jakobsweg-Interessierten hat sie indi­vi­du­el­le Erfah­run­gen und Ansich­ten von Pilgern­den und Ange­hö­ri­gen einge­holt. Sie haben disku­tiert, warum sich jemand auf eine Pilger­rei­se begibt und was das Gehen auslöst. Eine wich­ti­ge Inspi­ra­ti­ons­quel­le war auch die Ausstel­lung von Johann Kralew­ski mit 17 lebens­gros­sen Skulp­tu­ren. Das Credo des Künst­lers laute­te: «Ich will bewe­gen, dies gilt sowohl auf körper­li­cher Ebene wie auch in intel­lek­tu­el­ler Hinsicht.» Ihre gesam­mel­ten Inputs hat Mock zu einer Geschich­te verar­bei­tet. Das fina­le Dreh­buch schrieb sie in Vezelay – einem male­ri­schen Dorf im fran­zö­si­schen Burgund, wo Pilgern­de aus ganz Euro­pa vorbei­zie­hen. «Durch einen Facebook-Post bin ich zu einer Unter­kunft an diesem Pilger-Hotspot gekom­men», sagt Mock. 

Beatri­ce Mock hat das Stück geschrie­ben und sie wirkt auch als Regis­seu­rin mit.

Hash­tag bedeu­tet Stress

Nicht selten ist eine Krise der Auslö­ser für eine Pilger­rei­se. So auch beim Haupt­dar­stel­ler Ambros. Er ist ein Jour­na­list der alten Schu­le, der mit seiner geplan­ten Story «Jakob ist weg» versagt. Frus­triert über den ober­fläch­li­chen und schnell­le­bi­gen Online-Journalismus, bricht er aus seinem Hams­ter­rad aus und geht auf den Jakobs­weg. Ange­spro­chen auf den Hash­tag im Titel des Stückes, erklärt Mock: «Damit symbo­li­sie­ren wir die moder­ne Welt des Jour­na­lis­mus, die Jagd nach «Klicks» und «Views» als Kontrast zur seriö­sen, fakten­ori­en­tier­ten Bericht­erstat­tung, wie sie unser Ambros betreibt.» Im Stück spie­len zwei weite­re pilgern­de Figu­ren mit: eine älte­re Dame, die ihre Reise auf dem Jakobs­weg als spiri­tu­el­le Schluss­auf­ga­be vor dem Tod sieht und eine junge Bike-Pilgerin, die stän­dig neue, aben­teu­er­li­che Trails sucht. «Viele pilgern heute aus sehr unter­schied­li­chen Beweg­grün­den, das wollen wir mit diesem Thea­ter aufgrei­fen. Die Fragen rund um das Thema Pilgern sind sehr mensch­lich, aktu­ell und kultur­über­grei­fend.» Ob sie auch reli­giö­ser Natur sind, über­las­se sie dem Publikum. 

Das Ensem­ble probt einmal bis zwei Mal pro Woche in Rorschach.

Keine einfa­che Hauptrolle

Das Theater-Ensemble besteht aus sechs Laien-Schauspielende und einer profes­sio­nel­len Spre­che­rin. «Die gröss­te Heraus­for­de­rung besteht darin, passen­de Proben­ter­mi­ne zu finden», gesteht Mock. Für Stephan Bitsch, der die Haupt­rol­le Ambros spielt, bedeu­ten die ein- bis zwei­mal wöchent­li­chen Proben und die Ausein­an­der­set­zung mit der Rolle einen gros­sen Zeit­auf­wand. Er selbst arbei­tet als Sozi­al­päd­ago­ge und hat vor sechs Jahren die Ausbil­dung zum Thea­ter­päd­ago­gen absol­viert. Er freut sich, mit dieser Rolle nun auch Bühnen­er­fah­rung als Schau­spie­ler sammeln zu können: «Es ist aller­dings keine einfa­che Rolle, ich muss­te mich zuerst in die Gefühls­la­ge des frus­trier­ten Typen in seiner Lebens­kri­se hinein­ver­set­zen bis ich merk­te, dass ein klei­ner Teil in mir auch unzu­frie­den ist. In der Rolle kann ich nun diese eige­ne Unzu­frie­den­heit ausle­ben, was sehr befrei­end ist. Gleich­zei­tig bin ich froh, dass Ambros in diesem Stück auch eine Wand­lung durch­macht.» Pilgern kennt Bitsch aus eige­ner Erfah­rung: «Ich war schon drei­mal auf dem Pilger­weg in der Schweiz, einmal auch fastend, was das Erleb­nis noch inten­si­ver mach­te». Die Auffüh­run­gen im Novem­ber sollen erst der Anfang sein, die Thea­ter­crew will mit ihrem Stück auf Tour gehen.

Das Theater-Ensemble besteht aus sechs Laien-Schauspielende und einer profes­sio­nel­len Sprecherin

Weite­re Infos Pilgertheater

Text: Katja Hongler

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 14.11.2022

Plötzlich mit Messer und Gabel überfordert

An verschie­de­nen Statio­nen müssen Alltags­situationen aus der Perspek­ti­ve von Perso­nen mit Demenz gemeis­tert werden. Ein Spiel­zeug­au­to über eine gezeich­ne­te Stras­se schie­ben. Doch das Bild ist spie­gel­ver­kehrt, jede Kurve wird zur Gedulds­pro­be. Diese und zwölf weite­re Statio­nen des Demenz­si­mu­la­tors vermit­teln eine Ahnung vom Alltag von Menschen, die an Demenz erkrankt sind.

Frei­tag­nach­mit­tag im refor­mier­ten Kirch­ge­mein­de­haus in Ganter­schwil. Sieben Teil­neh­me­rin­nen des Kurses «Menschen mit Demenz beglei­ten» testen den «Demenz­si­mu­la­tor»: An einer Stati­on gilt es, eine Schür­ze anzu­zie­hen – aber mit über­gros­sen Hand­schu­hen. Jeder Knopf ist eine Heraus­for­de­rung. An einer ande­ren Stati­on wartet ein Text. Doch er ist von so vielen Hiero­gly­phen verun­stal­tet, dass man ihn nur mit viel Konzen­tra­ti­on lesen kann. Ich gebe mir Mühe, versu­che mich zu konzen­trie­ren, aber sehr schnell macht sich Unge­duld und Frus­tra­ti­on breit. An ande­ren Statio­nen fühlt man sich hilf­los oder verliert – weil es nicht so funk­tio­niert wie gewünscht – das Inter­es­se und die Lust. So geht es auch den ande­ren Teil­neh­me­rin­nen. Zwar wird ab und zu gelacht, doch die Betrof­fen­heit ist deut­lich spür­bar: Was für uns nur ein Test ist, ist für Menschen, die an Demenz ­erkrankt sind, der Alltag.

Frus­tra­ti­on und Scham

Welchen Hinder­nis­sen begeg­nen Demenz­kran­ke in ihrem Alltag? Maya Hauri Thoma, bei der Evangelisch-refomierten Kirche des Kantons St. Gallen zustän­dig für die Projekt­stel­le «Hoch­alt­rig­keit und Demenz», hat den Demenz­si­mu­la­tor mit seinen 13 Statio­nen in Deutsch­land entdeckt und in die Schweiz geholt. Er kommt bei Kursen zum Einsatz, wird aber auch an Kirch­ge­mein­den, Pfar­rei­en und Bildungs­in­sti­tu­tio­nen ausge­lie­hen. Die Reso­nanz sei gross, in diesem Jahr war er in der ganzen Deutsch­schweiz unter­wegs. Selbst­ver­ständ­lich: Der Simu­la­tor ist nur ein Versuch, Einbli­cke in das Erle­ben und Empfin­den von Demenz-Erkrankten zu ermög­li­chen – wie es den Betrof­fe­nen wirk­lich geht, wissen nur sie. Maya Hauri Thoma weist auch darauf hin: «Es gibt nicht die Demenz. Jeder Demenz­kran­ke ist anders.» Bei den Teil­neh­me­rin­nen in Ganter­schwil löst der Simu­la­tor viel aus. «Man kann einfach nicht begrei­fen, dass etwas so einfa­ches und selbst­ver­ständ­li­ches nicht mehr geht», sagt eine, «man ist frus­triert und schämt sich.» Alle von ihnen haben privat oder in ihrem frei­wil­li­gen Enga­ge­ment schon mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, zu tun gehabt. Jemand erzählt von einem Demenz-Betroffenen, der plötz­lich nicht mehr am Senio­ren­mit­tags­tisch teil­nahm, weil er mit Messer und Gabel über­for­dert war. «Sie schä­men sich, auswärts zu essen und das vergrös­sert die Isola­ti­on noch mehr.»

Tipps für den Alltag

Der Demenz­si­mu­la­tor soll mehr als nur Betrof­fen­heit auslö­sen: Er soll Verständ­nis wecken für die Gefüh­le und das Verhal­ten von Demenz­kran­ken. Gleich­zei­tig soll er auch einen unver­krampf­ten Umgang ermög­li­chen. Maya Hauri Thoma zeigt den Teil­neh­me­rin­nen konkre­te Tipps für den Alltag auf: «Wenn ich weiss, dass ein Verwand­ter Mühe hat, mit Messer und Gabel zu essen, dann kann ich Apéro-Gebäck anbie­ten, das man mit der Hand essen kann.»

«Einen unver­krampfteren Umgang»

Ende Novem­ber schlies­sen die Gossau­er ­Pfar­rei­en ihr ­Themen­jahr zur Demenz ab. Was hat es ausgelöst?

Martin Rusch, Sie sind ­Seel­sorger und ­Mitor­ga­ni­sa­tor des Themen­jah­res. Warum ­haben Sie dieses angeboten?

Martin Rusch: Die Kirche hat eine Verant­wor­tung für Demenz­kran­ke und deren Umfeld. Neben den medi­zi­ni­schen und sozia­len Ange­bo­ten leis­tet die Seel­sor­ge einen wich­ti­gen Beitrag. Wir wollen zeigen, dass wir für Betrof­fe­ne und deren Ange­hö­ri­ge da sind.

Wird es in Zukunft spezi­el­le Ange­bo­te für Demenz-­Erkrankte in den Gossau­er Pfar­rei­en geben?

Martin Rusch: Das war auch eine der Erkennt­nis­se in diesem Themen­jahr. Ursprüng­lich haben wir mit dem Gedan­ken gespielt, Gottes­diens­te für Demenz-Erkrankte zu initi­ie­ren. Fach­per­so­nen haben uns darauf hinge­wie­sen, dass es für die Betrof­fe­nen wich­tig sei, Gottes­diens­te in ihrer gewohn­ten Umge­bung mit dem gewohn­ten Ablauf zu erle­ben. Deshalb wäre es gera­de kontra­pro­duk­tiv, etwas Neues zu entwickeln.

Welche Erkennt­nis­se nehmen Sie aus diesem Themen­jahr mit?

Martin Rusch: Wir waren über­rascht von der gros­sen Reso­nanz. Alle Anläs­se sind auf gros­ses Echo gestos­sen, man hat gemerkt, wie sehr das Thema die Menschen beschäf­tigt. Mich haben die Inputs und Gesprä­che ermu­tigt, ein Stück offe­ner und natür­li­cher mit Menschen, die an Demenz erkrankt sind, umzu­ge­hen. Eines der schöns­ten Erleb­nis­se war das Singen mit Demenz-Erkrankten. Der St. Galler «Chor für Demenz­kran­ke» hat uns in Gossau besucht und mit Betrof­fe­nen aus unse­ren Pfar­rei­en gesun­gen. Die Sänge­rin­nen und Sänger haben mit gros­ser Hinga­be mitgemacht.

→ Der Demenz­si­mu­la­tor ist vom 28. Novem­ber bis 4. Dezem­ber noch­mals in Gossau ­(Gemein­schafts­haus Witten­wis) zu Gast. Infos: www.kathgossau.ch

Text: Stephan Sigg

Fotos: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 26. Okto­ber 2022

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