News

Einem Käfer ebenbürtig

Mina Inauen-Neff von Appen­zell (73) singt den Betruf seit sie als zwölf­jäh­ri­ges Mädchen bei ihrem Vater auf der Alp gear­bei­tet hat. «Es hat sich so erge­ben», sagt die Älple­rin, die 2012 im Kino­film «Alpse­gen» porträ­tiert wurde. 

Seit zwan­zig Jahren verbringt Mina Inauen-Neff die Sommer­mo­na­te zusam­men mit ihrem Mann sowie rund 40 Tieren auf der Alp Streck­wees (1257 m. ü. M) im Alpstein, wo sie jeden Abend den tradi­tio­nel­len Betruf durch den Trich­ter singt. Als Mesme­rin ist sie zudem für die Berg­got­tes­diens­te in der nahge­le­ge­nen Kapel­le «Maria Heim­su­chung» zustän­dig. Die pensio­nier­te Handarbeits- und Haus­wirt­schafts­leh­re­rin ruft den Alpse­gen aus tiefer, inne­rer Über­zeu­gung: «Der Betruf gibt mir Kraft und ich kann damit meine Dank­bar­keit ausdrü­cken. Wir sind in der Natur in Gottes Hand gebor­gen, aber wir sind nicht mehr als ein Teil davon.» Wer den Natur­ge­wal­ten in der Berg­welt ausge­setzt ist, erlebt die eige­ne Exis­tenz ganz bewusst als Teil des Ganzen. «Du bist nicht mehr als so ein Käfer – du bist ande­ren Lebe­we­sen eben­bür­tig und du sollst dich nicht als Beherr­scher der Natur aufspie­len», sagt sie. 

Volks­tüm­li­cher Charakter

Den Betruf bezeich­net Inau­en als «singen­des Gebet», von dem man sagt, es sei doppelt so viel wert. Man bittet die Heili­gen und Schutzpatrone, sie mögen Mensch, Tier und Alp von Unge­mach fern­hal­ten. Am besten gefällt ihr die Text­stel­le «Bhüets Gott allsa­me, seis Fründ oder Feind ond di lieb Mutter Gottes mit erem Chend», weil mit «allsa­me», alle gemeint sind und somit alle Menschen ins Gebet aufge­nom­men werden. «Wir bitten Gott, dass er uns alle beschützt und behü­tet», so Inau­en. Der Wort­laut des Betrufs vari­iert von Regi­on zu Regi­on. Der Text des Inner­rho­der Betrufs in der Fassung von 1948 stammt von Pater Erich Eber­le und basiert auf der Melo­die von Pater Ekke­hard Högger, «wobei es bei der Tonla­ge schon klei­ne­re Abwei­chun­gen gibt, je nach­dem wer den Betruf ausruft», ergänzt Inau­en. Der halb gespro­che­ne, halb gesun­ge­ne Alpse­gen erhält zusam­men mit dem mund­art­lich gefärb­ten Hoch­deutsch seinen unver­kenn­ba­ren, volks­tüm­li­chen Charakter. 

Keine Sonder­rol­le als Frau

Übli­cher­wei­se ruft der Senn den Betruf aus. Dass sie die einzi­ge Frau sein soll, die den Alpse­gen pflegt, hat für sie wenig Bedeu­tung. Ihrer Meinung nach können Frau­en und Männer gleich wohl beten. Es habe sich damals einfach so erge­ben. Sie erin­nert sich: «Als ich damals als zwölf­jäh­ri­ges Mädchen als ‹Hand­bueb› bei meinem Vater auf der Alp gear­bei­tet habe, hat mich der Milch­kon­trol­leur eines Tages auf den Trich­ter ange­spro­chen. Es herrsch­te schlech­tes Wetter und er hatte gera­de Zeit, mir den Betruf beizu­brin­gen.» Seit­her holt sie den Holz­trich­ter jeden Abend zwischen 19 und 20 Uhr hervor und steht auf den Stein neben der Alphüt­te. «Ich mache es immer zu dieser Zeit – und ich mache es auch nicht den Touris­ten zulie­be früher oder später», sagt die Älplerin. 

Tradi­ti­on soll weitergehen

Sie wird heute noch oft auf ihre Rolle im Kino­film «Alpse­gen» von Bruno Moll ange­spro­chen, der 2012 ausge­strahlt wurde. Es sei eine schö­ne Erfah­rung gewe­sen, aber auch streng, weil sie vor laufen­der Kame­ra spon­tan auf tief­grün­di­ge Fragen antwor­ten muss­te. «Ich habe sehr viele, posi­ti­ve Rück­mel­dun­gen erhal­ten und ich habe gemerkt, dass viele Leute nur wenig Ahnung vom Alple­ben haben.» Laut Inau­en zeigt der Film neben den schö­nen Seiten auch die anstren­gen­de Arbeit und die unmit­tel­ba­ren Gefah­ren in der Berg­welt. Wie es mit der Fami­li­en­tra­di­ti­on einmal weiter­ge­hen soll, weiss sie noch nicht. Wich­tig sei ihr, dass der Alpse­gen nicht zur Touris­ten­ak­ti­on verkom­me. «Ich bin zuver­sicht­lich, dass diese schö­ne Tradi­ti­on auf der Alp Streck­wees weiter­ge­pflegt wird».

Text: Katja Hongler

Bild: Annet­te Boutellier

Veröf­fent­licht: 05. Juni 2023

Endlich wieder gut schlafen

Egal ob Schlaf­stö­run­gen, nerv­li­che Belas­tun­gen oder Heuschnup­fen – die Haus­mit­tel aus dem Klos­ter St. Otti­lia in Grim­men­stein (Walzen­hau­sen) haben schon vielen bei körper­li­chen Beschwer­den gehol­fen. Sr. Danie­la und Sr. Michae­la geben dem Pfar­rei­fo­rum ­­einen exklu­si­ven Einblick in den Klos­ter­gar­ten und die Herstel­lung der Haus­mit­tel. Sie verra­ten, was das Beson­de­re an Haus­mit­teln aus dem Klos­ter ist.

Sr. Danie­la (links) und Sr. Michae­la sind von Ostern bis Ende Okto­ber täglich im Garten des Klos­ters St. Otti­lia, Grim­men­stein, Walzen­hau­sen anzutreffen.

In letz­ter Zeit kommen vermehrt Menschen zu uns, die von nerv­li­chen Proble­men, Schlapp­heit oder Husten geplagt sind», erzählt Sr. Michae­la. Sie ist im Klos­ter Grimmen­stein für die Herstel­lung und Produk­ti­on der Haus­mit­tel verant­wort­lich. Die wich­tigs­ten Zuta­ten dafür stam­men aus ihrem Klos­ter­gar­ten. Für diesen ist Sr. Danie­la zustän­dig. Der Garten ist für beide mehr als nur ein Arbeits­ort. «Wenn endlich der Früh­ling kommt, können wir es meis­tens kaum erwar­ten, wieder im Garten zu sein und uns um die Pflan­zen zu kümmern», sagt Sr. Danie­la. Das weittläu­fi­ge Grund­stück mit Blick auf den Boden­see ist unter­teilt in einen Kräuter- und einen Gemü­se­gar­ten. Über fünf­zig Kräu­ter wach­sen hier. Das Wissen über ihre Wirk- und Heil­kräf­te hat Sr. Danie­la von ihren Vorgän­ge­rin­nen gelernt und selber via Bücher und Inter­net erwei­tert. «Wir haben zwar alte Rezept­bü­cher, aber die Rezep­te wurden immer münd­lich weiter­ge­ge­ben», sagt sie. «Das Wissen um die Heil­kräu­ter wird auch nicht inner­halb des Ordens oder mit ande­ren Klös­tern ausge­tauscht. Es sind die Rezep­te von unse­rem Kloster.»

Sr. Michae­la verant­wor­tet den Laden mit den Heilmitteln.

Altbe­währ­te Rezepte

Verschie­de­ne Stär­kungs­mit­tel, Tees, Trop­fen, Salben, Pulver und Balsam – das Sorti­ment des Klos­ters Grim­men­stein  ist gross. Eines wird dabei aber auch sicht­bar: Es geht um eine ganz­heit­li­che Medi­zin. Die Mittel zielen nicht nur auf das Lindern von bestehen­den Beschwer­den ab, sondern setzen bereits bei der Präven­ti­on an. Dazu gehört auch eine gesun­de und ausge­wo­ge­ne Ernäh­rung. Neu produ­zie­ren die Schwes­tern auch Kräu­ter­sal­ze für die Küche. Schon immer sei die Herstel­lung von Haus­mit­teln ein wich­ti­ges Aufga­ben­ge­biet im Klos­ter St. Otti­lia Grim­men­stein gewe­sen. Entstan­den ist das Kapu­zi­ne­rin­nen­klos­ter im Jahr 1378 aus einer klei­nen Begi­nen­ge­mein­schaft (halb­klös­ter­li­che Gemein­schaft). Mit dem Verkauf von Haus­mit­teln sei es aber erst in den 1950er-Jahren rich­tig losge­gan­gen. An ihre Vorfah­rin­nen erin­nert im Lager ein Regal mit 100-jährigen Tontöp­fen. «Das ist aber nur zur Zier­de, wir arbei­ten heute mit ande­ren Behäl­tern.» Auch wenn die Haus­mit­tel auf altbe­währ­ten Rezep­ten beru­hen, werden die Rezep­te immer wieder weiter­ent­wi­ckelt und an den aktu­el­len Wissens­stand ange­passt. Die wich­tigs­te Zutat sei jedoch immer das Gebet. «Wir beten bei jedem Arbeits­schritt.» Mit dem Waren­lift, der vor ein paar Jahren einge­baut wurde, geht es vom Erdge­schoss bis ins Dach­ge­schoss – dort haben Sr. Danie­la und Sr. Michae­la gera­de frisch gepflück­te Blüten zum Trock­nen ausge­legt. Der Waren­lift und die Anschaf­fung der einen oder ande­ren Maschi­ne haben die Produk­ti­on verein­facht, das meis­te ist jedoch bis heute Hand­ar­beit. Das sei körper­lich manch­mal anstren­gend. «Doch es ist eine erfül­len­de Aufga­be und so etwas wie eine Beru­fung. Wir verste­hen die Herstel­lung der Haus­mit­tel als Dienst für die Menschen.» Moti­vie­rend seien für sie auch die Rück­mel­dun­gen, die sie bekom­men: «Wir erfah­ren sehr viel Dank­bar­keit – und dass die Menschen auf uns setzen, ist auch ein Ausdruck von Vertrau­en.» Unter­stützt werden die beiden Schwes­tern von zwei Ange­stell­ten, die stun­den­wei­se im Garten und in der Verar­bei­tung helfen. Der Verkauf der Haus­mit­tel gene­rie­re für die Gemein­schaft ein wich­ti­ges Einkom­men. Trotz­dem versu­chen die Schwes­tern, die Produk­te möglichst güns­tig anzu­bie­ten. «In unse­rer Gemein­schaft galt schon immer der Tenor: Die Produk­te sollen für möglichst alle erschwing­lich sein.»

Sr. Danie­la legt im Dach­stock die Blüten zum Trock­nen aus.

Gros­se Nachfrage

Im Unter­schied zu ande­ren Klös­tern hat das Klos­ter Grim­men­stein keinen Shop – die Produk­te werden an einem Schal­ter verkauft. «So können wir, wenn es gewünscht wird, die Menschen besser bera­ten», erklärt Sr. Michae­la. Es gehe oft um viel mehr als nur um den Verkauf von Produk­ten: «Viele, die zu uns kommen, haben das Bedürf­nis nach einem offe­nen Ohr: Sie möch­ten mit uns über ihre Sorgen und Nöte spre­chen. Heute bleibt im Alltag oft kaum Zeit für Gesprä­che, deshalb ist es uns beson­ders wich­tig, uns Zeit für die Menschen zu nehmen.» Das Ange­bot wird rege genutzt – es kommen Menschen aus der ganzen Deutsch­schweiz, aus dem benach­bar­ten Vorarl­berg und auch aus Deutsch­land. Viele würden durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Klos­ter aufmerk­sam. Zu den Kundin­nen und Kunden gehö­ren Menschen, die mit der Kirche verbun­den sind, aber auch Kirchen­fer­ne und auch Ange­hö­ri­ge  von ande­ren Konfes­sio­nen und Reli­gio­nen. Die beiden Schwes­tern nehmen wahr, dass sich in den letz­ten Jahren wieder ein neues Bewusst­sein für die Heil­kräf­te der Natur entwi­ckelt hat. Das ist auch beein­flusst von Papst Fran­zis­kus, der mit seinem Lehr­schrei­ben «Lauda­to si» auf die Schöp­fungs­ver­ant­wor­tung und die Natur als Schöp­fung Gottes aufmerk­sam gemacht hat. «Zudem hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass sich viele wieder vermehrt über­le­gen, wie sie die natür­li­chen Abwehr­kräf­te und das Immun­sys­tem stär­ken können», so Sr. Daniela.

Über fünf­zig Kräu­ter und Pflan­zen wach­sen im Klos­ter St. Otti­lia, Grim­men­stein, Walzenhausen

Jugend­li­che zu Gast

Sechs Schwes­tern leben heute im Klos­ter St. Otti­lia. Wie viele ande­re Klös­ter sind sie auch hier mit dem stei­gen­den Alters­durch­schnitt der Mitschwes­tern und ausblei­ben­den Neuein­trit­ten konfron­tiert. Trotz­dem blicken Sr. Danie­la und Sr. Michae­la gelas­sen in die Zukunft. «Da unse­re Klos­ter­kir­che auch Pfarr­kir­che ist, sind wir mit vielen Menschen in Kontakt», sagt Sr. Danie­la, «Wir bieten regel­mäs­sig Klos­ter­ta­ge für junge Frau­en an.» Sr. Michae­la ergänzt: «Zudem sind auch immer wieder Firm­grup­pen oder Schul­klas­sen bei uns zu Gast. Das ist für uns auch eine Möglich­keit, auf unse­re Tradi­ti­on aufmerk­sam zu machen und die Bedeu­tung der Heil­pflan­zen aufzu­zei­gen.» Für die Jugend­li­chen sei das oft ganz neu, aber sie würden sehr inter­es­siert reagie­ren. Die beiden Schwes­tern rech­nen auch in Zukunft mit einer Nach­fra­ge nach Haus­mit­teln, die auf altbe­währ­ten Rezep­ten basie­ren. Sr. Michae­la öffnet eine Kiste – es riecht sofort inten­siv nach Sommer­wie­se – und greift nach einer Verpa­ckung. «Das ist eine Neuheit», sagt sie und lacht, «wir haben unse­re Tees umbe­nannt. Jetzt trägt jeder Tee den Namen einer Heili­gen.» Es gibt einen Klara-Tee, einen Brigida-Tee und natür­lich auch einen Tee mit dem Namen der Klos­ter­pa­tro­nin Otti­lia. Die Heiligen-Namen sollen bei den Käufe­rin­nen und Käufer die Wieder­erken­nung stär­ken, aber gleich­zei­tig auch noch mehr in den Fokus rücken: Die Haus­mit­tel aus dem Klos­ter Grim­men­stein sind ganz eng verwo­ben mit dem Glau­ben der Schwes­tern und der Spiri­tua­li­tät der Kapuzinerinnen-Gemeinschaft.

Die Teemi­schun­gen tragen neu den Namen von Heiligen.

Euro­päi­sche Verei­ni­gung für Tradi­tio­nel­le Euro­päi­sche Medi­zin tagt in St. Gallen

In der medi­zi­ni­schen Präven­ti­on und Thera­pie wird das uralte Wissen um die Heil­kräf­te der Pflan­zen – das im euro­päi­schen Raum zum gros­sen Teil auf den Klös­tern und berühm­ten kirch­li­chen Pionie­ren wie der Heili­gen Hilde­gard von Bingen oder den Pries­tern Sebas­ti­an Kneipp und Johan­nes Künz­le beruht – wieder neu entdeckt. Am 17. Juni 2023 hält die Euro­päi­sche Verei­ni­gung für Tradi­tio­nel­le Euro­päi­sche Medi­zin TEM ihre Grün­dungs­ver­samm­lung im Stifts­be­zirk St. Gallen ab (Musik­saal des Deka­nat­flü­gels). Die Grün­dungs­ver­samm­lung ist gleich­zei­tig eine Tagung, bei der Fach­leu­te für TEM und inter­es­sier­te Laien Wissen über die TEM austau­schen und sie gemein­sam vorwärts­brin­gen, wie die Orga­ni­sa­to­ren auf ihrer Website schrei­ben. Es refe­rie­ren verschie­de­ne Exper­tin­nen und Exper­ten aus den Berei­chen Phar­ma­zie, Ernäh­rungs­wis­sen­schaf­ten und Komple­men­tär­me­di­zin. Unter den Refe­ren­ten ist auch Cornel Dora, Stifts­bi­blio­the­kar. Dieser spricht über das Klos­ter St. Gallen als ein Ort des Heilens im Frühmittelalter.

Infos TEM: https://tem-forum.org

Text: Stephan Sigg

Bild: Regi­na Kühne

Veröf­fent­li­chung: 24.05.2023

Weder Gold noch Protz

Im Dach­saal der Props­tei St. Peter­zell insze­niert der Künst­ler Det Blum­berg Fund­stü­cke aus Kirchen neu – und fordert zum kriti­schen Nach­den­ken auf.

«Wenn alte Zeiger stehen blei­ben, muss etwas Neues kommen», sagt Det Blum­berg, als er in den Dach­saal der Props­tei St. Peter­zell führt. Den bespielt der Künst­ler anläss­lich des 300-Jahr-Jubiläums der Kirche Peter und Paul vom 17. Mai bis 17. Dezem­ber. Wer den Saal betritt, findet sich zunächst vor den zwei grossen, alten Uhrzei­gern des Kirch­turms und ist mitten­drin im Thema der Ausstel­lung «Licht­blick Dorf 9» von Det Blum­berg. Mit dieser möch­te der 69-jährige Künst­ler mit Allgäu­er Wurzeln zum kriti­schen Nach­den­ken auffor­dern: Wie soll Kirche sein, wenn sie auch in Zukunft bestehen möchte?

Vom Poli­zis­ten zum Künstler

Bevor es weiter durch die Ausstel­lung geht, öffnet Det Blum­berg aber die Türe zu einer Kammer gleich neben dem Dach­saal. In der Kammer reihen sich unzäh­li­ge Fund­stü­cke aus der Props­tei, wie alte Statu­en von Heili­gen, Kerzen­stän­der, Kisten gefüllt mit Kreu­zen und eini­ge stau­bi­ge Schrän­ke. Zwischen all diesen Schät­zen erzählt Det Blum­berg, wie er Mona­te damit verbracht hatte, die Fund­stü­cke zu sich­ten, inter­es­san­te Gegen­stän­de heraus­zu­su­chen und die Themen für die Ausstel­lung zu gestal­ten. Und er erzählt, wie er vor drei Jahr­zehn­ten seinen Beruf als Einsatz­lei­ter bei der Poli­zei aufgab, beschloss Kunst zu machen und während einer Reise in Mexi­ko über­ra­schend Gott wieder fand. «Als Einsatz­lei­ter stumpf­te ich ab, wurde zu herrisch und konn­te keine Kritik mehr dulden», sagt er. Auch aus der Kirche war Det Blum­berg zu dieser Zeit ausge­tre­ten. Zu vieles hatte ihn irri­tiert – so auch während einer Reise durch Mexi­ko. «Über­all gab es diese gros­sen, präch­ti­gen Kathe­dra­len. Während einer Führung frag­te ich mich, wo ich zwischen all dem Gold denn Gott finden soll und woll­te zornig die Kathe­dra­le verlas­sen», sagt er. «Dann stand ich dann plötz­lich vor einer klei­nen, mit buntem Papier, Glas und Saat­gut ausge­schmück­ten Seiten­ka­pel­le. Es war, als ob mir Gott auf die Schul­tern gestupst und gesagt hätte: Da findest du mich.»

Ein leerer Tabernakel

Heute ist Det Blum­berg wieder Kirchen­mit­glied. Auch Glau­be und Kunst haben sich für ihn nach und nach zusam­men­ge­fügt. In den vergan­ge­nen Jahren hat er zahl­rei­che Ausstel­lun­gen in Kirchen und Klös­tern der Regi­on reali­siert. Altes zeigen vor moder­nem Kontext, ist eines der Themen, das sich durch seine Arbei­ten zieht. So geht es auch in der Ausstel­lung in der Props­tei von den Zeigern des Kirch­turms weiter zu einer Art Altar­raum. Dort stehen Kirchen­bän­ke mit origi­na­len, guss­ei­ser­nen Seiten­leh­nen. Statt eines Altars findet sich aber ein Flach­bild­fern­se­her, in dem medi­ta­ti­ve Film­aus­schnit­te zu sehen sind. In einer weite­ren Ecke steht ein leerer und stau­bi­ger Taber­na­kel, in dem eigent­lich die Hosti­en aufbe­wahrt werden. «Wo wohnt Gott?» – darüber sollen die Besu­che­rin­nen und Besu­cher hier nach­den­ken. Letz­te Stati­on ist ein langer Tisch mit zwölf grau­en Stüh­len und einem gelben Stuhl. Die Szene erin­nert an das letz­te Abend­mahl. An den Wänden hängen Fotos von Det Blum­bergs Part­ne­rin Clau­dia Gruber – die beiden wohnen zusam­men gleich gegen­über der Props­tei. Die Fotos wurden alle im Umkreis von 500 Metern um die Props­tei aufge­nom­men und halten in Farb- und Form­fül­le die Schön­heit der Schöp­fung fest. Det Blum­berg sagt: «Die Fotos brin­gen Gott in den Raum. Das ist auch die Idee von diesem Tisch. Er lädt verschie­de­ne Grup­pen ein, sich hinzu­setz­ten, zu disku­tie­ren und sich über aktu­el­le Themen auszutauschen.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 8. Mai 2023

Aus altem Wissen schöpfen

Wieso uns die ganz­heit­li­che Medi­zin des Mittel­al­ters bis heute faszi­niert und was wir aus ­Legen­den der dama­li­gen Zeit erfah­ren, sagt Stifts­bi­blio­the­kar Cornel Dora im Interview.

Klos­ter­me­di­zin und Natur­heilkunde sind im Trend. Wie hängen aber Chris­ten­tum und Medi­zin zusammen?

Cornel Dora: Wurde früher jemand krank, war es lange Zeit Aufga­be der Fami­lie, diese Person zu pfle­gen. Erste Vorläu­fer von Spitä­lern gab es bei den Römern, wobei es dort vor allem um die Versor­gung der Wunden der Solda­ten ging. Als das Chris­ten­tum aufkam, änder­te sich das. Die Erzäh­lung vom Barm­her­zi­gen Sama­ri­ter im Neuen Testa­ment beispiels­wei­se ruft zur Nächs­ten­lie­be auf und erin­nert daran, dass alle für ihre Mitmen­schen verant­wort­lich sind. Es ist also Teil des christ­li­chen Funda­men­tes, für Kran­ke und Arme da zu sein.

Cornel Dora

.

Welche Rolle spiel­te das ­Klos­ter St. Gallen?

Cornel Dora: Das Klos­ter St. Gallen hatte ein gros­ses Einfluss­ge­biet sowie den medi­zi­ni­schen Auftrag, für die Armen zu sorgen. Dabei müssen wir wissen, dass wer damals krank war mit gros­ser Wahr­schein­lich­keit früher oder später auch arm wurde. Auf dem St. Galler Klos­ter­plan von 825 waren eine Armen­her­ber­ge, zwei Häuser für Ader­lass und Baden, ein Ärzte­haus für Opera­tio­nen sowie ein Heil­kräu­ter­gar­ten vorge­se­hen. Die Menschen im Umfeld des Klos­ters fanden hier auch Fach­per­so­nal. Im 10. Jahr­hun­dert war Notker, der Arzt aus St. Gallen, weit herum bekannt – er wirk­te auch am Hof Ottos des Gros­sen. Zu Notker dem Arzt gibt es dazu zahl­rei­che Über­lie­fe­run­gen in der Stifts­bi­blio­thek wie etwa jene des Herzogs von Bayern, der Notker testen woll­te und ihm den Urin seiner gesun­den Zofe statt seines eige­nen gab. Nach der Unter­su­chung verkün­de­te Notker, es sei ein Wunder gesche­hen, der Herzog erwar­te ein Kind.

Das klingt eher nach einer Legende.

Cornel Dora: Ja, das mag sein. Aber, ob Legen­de oder nicht, bele­gen solche Über­lie­fe­run­gen, dass damals schon bekannt war, dass man im Urin eine Schwan­ger­schaft able­sen konnte.

Welche weite­ren medi­zi­ni­schen Hand­schrif­ten sind in der Stifts­bi­blio­thek erhalten?

Cornel Dora: Wir haben Über­lie­fe­run­gen von anti­ken und früh­mit­tel­al­ter­li­chen Rezept- und Arznei­bü­chern. Dazu gehört etwa das Liber Medi­cina­lis, ein medi­zi­ni­sches Hand­buch des römi­schen Gelehr­ten Quin­tus Sere­nus Sammo­ni­cus. Die Werke aus dieser Zeit zeigen auf, wie die Medi­zin bis ins Früh­mit­tel­al­ter mit Magie durch­drun­gen war. Gemäss dem Liber Medi­cina­lis galt etwa das Wort Abra­ka­da­bra als Mittel gegen Mala­ria. Man schrieb das Wort auf eine Karte und wieder­hol­te es immer wieder, wobei man jedes Mal einen weite­ren Buch­sta­ben wegliess. So wie das Wort soll­te auch die Krank­heit verschwinden.

Im Juni wird in der Stifts­bi­blio­thek die Verei­ni­gung für euro­päi­sche tradi­tio­nel­le Medi­zin (TEM) gegrün­det. Wieso faszi­niert uns tradi­tio­nel­le Medi­zin wie Klos­ter­me­di­zin bis heute?

Cornel Dora: Die heuti­ge moder­ne Medi­zin ist wirkungs­ori­en­tiert. Es gibt einen Wirk­stoff, der die jewei­li­ge Krank­heit ganz gezielt bekämpft, möglichst ohne Neben­wir­kun­gen. Viele Krank­hei­ten sind aber komple­xer und kompli­zier­ter. Im Mittel­al­ter war die Medi­zin zwar weni­ger wirkungs­voll, sie schau­te aber gemäss der damals verbrei­te­ten 4‑Säfte-Lehre immer ganz­heit­lich auf den Menschen. Die Theo­rie ging davon aus, dass die Gesund­heit des Menschen davon abhing, ob die vier Säfte Blut, Schleim (Phleg­ma), gelbe Galle (Chole­ra) und schwar­ze Galle (Melan­cho­lie) im Gleich­ge­wicht waren. Basie­rend darauf beka­men die Erkrank­ten dann keinen einzel­nen Wirk­stoff, sondern einen Medi­ka­men­ten­cock­tail, welcher der oder dem Kran­ken insge­samt helfen sollte.

Sie sagen also, dass der ganz­heit­li­che Ansatz heute zu kurz kommt?

Cornel Dora: Ich denke, dass der ganz­heit­li­che Ansatz für viele Menschen heute zu kurz kommt und die tradi­tio­nel­le Medi­zin dies­be­züg­lich posi­tiv etwas beitra­gen kann. Es geht nicht darum, eine Ideo­lo­gie zu pfle­gen, sondern das Poten­zi­al dieses alten Wissens ergän­zend zur sehr leis­tungs­fä­hi­gen moder­nen Medi­zin zu nutzen. Dank unse­rer histo­ri­schen Samm­lung passen die Stifts­bi­blio­thek und die Euro­päi­sche Verei­ni­gung für TEM gut zusammen.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Cornel Dora: Foto Marlies Thurn­heer, ­Leader; Putte: Urs Baumann, Stifts­bi­blio­thek St. Gallen

Veröf­fent­li­chung: 22. Mai 2023

Gefangen und ausgestellt

Ein Käfig als Sinn­bild für die Situa­ti­on von Armuts­be­trof­fe­nen: Cari­tas St. Gallen-Appenzell stell­te das Projekt rund um die Kunst­in­stal­la­ti­on beim Diakonie-Treffen in Rorschach vor. 

«Will­kür», «Schuld», «Vorur­tei­le», «Ohnmacht», «Scham» und «Fremd­be­stim­mung» steht auf verschie­de­nen Schil­dern. Sie konfron­tie­ren den Betrach­ter mit der komple­xen Situa­ti­on von armuts­be­trof­fe­nen Menschen, die sich durch alle Lebens­be­rei­che zieht. Im Innern des Käfigs sind emotio­na­le State­ments von Armuts­be­trof­fe­nen auf lami­nier­tem Papier zu lesen. Beim Tref­fen der Diakonie-Ressortbeauftragten aus dem ganzen Bistum St. Gallen Mitte März in Rorschach zeig­te Cari­tas St. Gallen-Appenzell den beklem­men­den Käfig zum ersten Mal und stell­te Ideen für zukünf­ti­ge Einsät­ze in den Seel­sor­ge­ein­hei­ten zur Diskus­si­on. «Die Anre­gung für die Käfig-Kunstinstallation ist im Herbst 2022 bei einem Tref­fen mit der Orga­ni­sa­ti­on ‹verkehrt Bern› entstan­den», sagt Olivia Conrad, Mitar­bei­te­rin Diako­nie­ani­ma­ti­on der Cari­tas Regio­nal­stel­le Sargans. «verkehrt Bern» ist eine Gemein­schaft aus Sozi­al­ar­bei­ten­den und armuts­be­trof­fe­nen Menschen, die sich frei­wil­lig enga­gie­ren und mit krea­ti­ven Aktio­nen auf die Armuts­si­tua­ti­on in der Schweiz aufmerk­sam machen. «Ich habe sie kontak­tiert, weil ich gerne eine über­kan­to­na­le Akti­on planen woll­te, die möglichst viele Menschen in der Ostschweiz erreicht», erklärt die Sozi­al­ar­bei­te­rin. Im gemein­sa­men Brain­stor­ming mit Armuts­be­trof­fe­nen ist die Idee mit dem Käfig entstan­den: «Wir wollen mit einem 3D-Objekt das Gefühl von gefan­gen und ausge­stellt sein sicht­bar machen», sagt Conrad. Für die plas­ti­sche Gestal­tung wurde der frei­schaf­fen­de Künst­ler Manfred Syts­ma aus Bern enga­giert. Er hat eine modu­la­re Holz­kon­struk­ti­on gefer­tigt, die durch den rost­ar­ti­gen Anstrich sehr authen­tisch wirkt. 

Einbin­den statt ausgrenzen

Den ersten Auftritt hatte der Käfig auf dem Berner Bundes­platz im Febru­ar 2023 am inter­na­tio­na­len Tag der sozia­len Gerech­tig­keit. «Der Käfig zog viele inter­es­sier­te Menschen aus allen sozia­len Schich­ten an und es entstan­den span­nen­de Gesprä­che», so Conrad. Nun geht es darum, weite­re Aktio­nen in den verschie­de­nen Seel­sor­ge­ein­hei­ten des Bistums zu planen. Inter­es­se am Aufbau des Käfigs zeigt Franz Schi­b­li, Leiter Sozia­les der Katho­li­schen Pfarr- und Kirch­ge­mein­de Wil: «Fürs nächs­te Jahr planen wir, zusam­men mit ande­ren Sozi­al­part­nern neue Gefäs­se zu schaf­fen, um gemein­sam mit betrof­fe­nen Perso­nen konkre­te Mass­nah­men in der Armuts­prä­ven­ti­on und ‑bekämp­fung anzu­stos­sen.» Zentral dabei sei, dass das Wissen und die Erfah­rung von Betrof­fe­nen vor allem auch in der Sozi­al­hil­fe einbe­zo­gen werden. Es gehe auch darum, Sozi­al­hil­fe­emp­fän­ge­rin­nen und ‑empfän­ger eine Stim­me zu geben, die gehört werde. Das wäre der erste Schritt, aus der Armuts­spi­ra­le auszu­bre­chen. Das Ganze mache jedoch nur Sinn, wenn auch die loka­le Sozi­al­be­hör­de gewillt sei, einen derar­ti­gen Prozess zu unter­stüt­zen. «Für den Start­schuss dieser Akti­on wäre der Käfig ein idea­les Symbol gegen die Demü­ti­gung von Armuts­be­trof­fe­nen», sagt der Theo­lo­ge und Sozi­al­ar­bei­ter und spricht damit die gros­se Hürde bei einer Sozialhilfe-Anmeldung an: «Wenn jemand beim Sozi­al­amt um Hilfe bittet, muss man ein 15-seitiges Formu­lar mit 25 Beila­gen einrei­chen und somit das komplet­te Privat­le­ben preisgeben.»

Armut kann alle treffen

Armut wird ausge­löst durch Schick­sa­le wie Krank­heit, Unfall, Schei­dung, Arbeits­lo­sig­keit oder Erwerbs­tä­tig­keit im Tief­lohn­seg­ment. Es kann jeden und jede tref­fen. Dies zu verste­hen, hilft die Klischees abzu­bau­en, die an armuts­be­trof­fe­nen Menschen haften. «Viele glau­ben, dass ihre Situa­ti­on selbst­ver­schul­det ist. Diese Pauscha­li­sie­rung ist falsch und löst bei Betrof­fe­nen oft Scham­ge­füh­le aus», weiss Conrad aus ihrer Arbeit mit armuts­be­trof­fe­nen Menschen. Laut der Schwei­ze­ri­schen Konfe­renz für Sozi­al­hil­fe (SKOS) haben im Jahr 2021 über 265 000 Menschen in der Schweiz Sozi­al­hil­fe bezo­gen. Die Sozi­al­hil­fe ist das letz­te Netz, wenn jemand keine Arbeit mehr findet, alles Vermö­gen aufge­braucht ist und keine der Sozi­al­ver­si­che­run­gen zustän­dig ist. 

Gefan­gen im System

Aus dieser Situa­ti­on heraus­zu­kom­men, ist nicht einfach. Auch wenn man wieder Arbeit findet, verlan­gen die Sozi­al­äm­ter in eini­gen Kanto­nen das Geld, das ausbe­zahlt wurde, zurück. «Für Betrof­fe­ne ist es deshalb schwie­rig bis aussichts­los, sich aus diesem Kreis­lauf jemals befrei­en zu können», sagt Conrad. Für diese Situa­ti­on ist der Käfig ein passen­des Sinn­bild. In der Armuts­the­ma­tik dürfen die soge­nann­ten «Working Poor» nicht verges­sen werden: Perso­nen, die im Tief­lohn­seg­ment arbei­ten und keinen Anspruch auf Sozi­al­hil­fe haben, aber trotz­dem am Exis­tenz­mi­ni­mum leben. Cari­tas St. Gallen-Appenzell geht davon aus, dass circa 50 000 Menschen im Kanton St. ­Gallen und den beiden Appen­zell  trotz Arbeit in Armut leben oder armuts­ge­fähr­det sind und keine staat­li­che Unter­stüt­zung beziehen.

Die modu­lar aufbau­ba­re Kunst­in­stal­la­ti­on kann für Anläs­se und Aktio­nen in den ­Seel­sor­ge­ein­hei­ten des Bistums St. Gallen ausge­lie­hen werden.

Text: Katja Hong­ler, Bilder: Ana Kontoulis

Eine Zeit lang auf demselben Weg

Wieso entschei­den sich junge Erwach­se­ne für die Firmung? Und wie erle­ben sie den Firm­weg mit den regel­mäs­si­gen Tref­fen und den gemein­sa­men Ausflü­gen? Darüber ­haben fünf Firman­din­nen und ein Firmand der Firm­grup­pe in Buchs mit dem Pfar­rei­fo­rum diskutiert.

Ceci­lia, Sara und Joan­na, ­wieso habt ihr euch für den Firm­weg entschieden?

Ceci­lia Weid­mann (17): Das ist eine etwas spezi­el­le Geschich­te. Ich und Sara haben uns draus­sen vor der katho­li­schen Kirche in Buchs getrof­fen. Wir waren beide nicht ganz sicher, ob wir die Firmung machen wollen. Daher disku­tier­ten wir allge­mein über Glau­ben und die Firmung. Als wir nach dem Gespräch hoch­schau­ten, hatten sich die Wolken wie zu einem Kreuz geformt. Es war ein Zufall, für uns aber ein Zeichen, dass wir die Firmung machen sollten.

Sara Broz­vic (18): Unsi­cher waren wir, weil wir zu diesem Zeit­punkt nicht mehr so viel mit dem Glau­ben zu tun hatten. Das ist allei­ne schon dadurch der Fall, dass es in der Lehre keinen Reli­gi­ons­un­ter­richt mehr gibt.

Joan­na Auer (18): Ich bin eine sehr ratio­na­le Person, die stark an die Wissen­schaft glaubt. Trotz­dem denke ich, dass es etwas Über­mensch­li­ches gibt, das nicht greif­bar ist. Ich erhof­fe mir, dass ich durch den Firm­weg den Zugang dazu bekom­me. Ausser­dem will ich dadurch dem Glau­ben in meinem Leben mehr Raum geben. Wie Ceci­lia und Sara  es schon gesagt haben, war man früher durch den Reli­gi­ons­un­ter­richt auto­ma­tisch näher an den Themen Reli­gi­on und Glau­be dran, hat sich aber mitt­ler­wei­le etwas davon entfernt.

Also ist es für euch die ­Annä­he­rung an den Glau­ben, die den Firm­weg ausmacht?

Joan­na Auer: Für mich ist es auch das Gemein­schafts­er­leb­nis. Man kommt mit vielen unter­schied­li­chen Menschen zusam­men. Ich finde es schön, dass man sich austau­schen kann. Ich gehe an die Kantons­schu­le und habe im Alltag meis­tens einfach mit meinen Freun­den zu tun. Durch den Firm­weg konn­te ich Perso­nen kennen­ler­nen, die eine Lehre machen. Da bespricht man auch einmal ande­re Themen. Eindrück­lich fand ich dies­be­züg­lich auch, dass wir während unse­rer Firm­rei­se Einbli­cke in Insti­tu­tio­nen für Menschen am Rande der Gesell­schaft erhal­ten haben und mit Betrof­fe­nen disku­tie­ren konnten.

Sara Broz­vic: Das fand ich auch sehr span­nend. Zudem haben wir auch selbst bei Aktio­nen wie dem Rosen­ver­kauf am Fasten­ak­ti­ons­tag mitge­hol­fen. Anders als Joan­na sind Ceci­lia und ich aber erst nach der Firm­rei­se mit einem Firm-Weekend in den Firm­weg einge­stie­gen. Ich glau­be, das Firm-Weekend war thema­tisch etwas gedräng­ter als die Firm­rei­se, weil wir alles in zwei Tagen nach­ho­len muss­ten, wofür die ande­ren eine Woche lang Zeit gehabt haben.

Ceci­lia Weid­mann: Ja, im Wesent­li­chen ging es darum, uns über unse­ren Glau­ben auszu­tau­schen. Das fand ich sehr span­nend. Ich habe gemerkt, dass zwar alle an densel­ben Gott glau­ben, aber auf unter­schied­li­che Art und Weise.

Joan­na Auer: Genau. Es ist mega span­nend zu sehen, wie die verschie­de­nen Perso­nen den Glau­ben im Alltag unter­schied­lich leben. In unse­rer Firm­grup­pe gibt es eini­ge, die jeden Tag beten und regel­mäs­sig in Gottes­diens­te gehen, und für ande­re ist das nicht so wichtig.

Habt ihr mal gezwei­felt, ob der Entscheid für den Firm­weg rich­tig war?

Sara Broz­vic: Bei mir gab es solche Momen­te. Vor allem wenn ich während meiner Ausbil­dung zur Fach­frau Gesund­heit eine stren­ge Woche hatte und dann noch am Wochen­en­de ein Tref­fen für den Firm­weg bevor­stand. Aber die Tref­fen haben sich jedes Mal gelohnt.

Ceci­lia Weid­mann: Ich mache eben­falls eine Lehre als Fach­frau Gesund­heit und hatte diese Gedan­ken auch. Ich glau­be ausser­dem, man ist hin und wieder in Bezug auf den Firm­weg unsi­cher, weil man denkt, man kann ja auch allei­ne glau­ben, ohne irgend­wo teil­zu­ha­ben. Aber es ist dann eben doch besser, wenn man Teil einer Grup­pe ist.

Joan­na Auer: Bei mir gab es diesen Moment auch, vor allem weil man mit dem Firm­weg ja Verpflich­tun­gen eingeht. Die Firm­tref­fen sind etwas Schö­nes. Aber trotz­dem sind sie auch leicht mit Druck verbun­den, im Sinne von «Ihr müsst das machen, damit ihr gefirmt werdet». Dann denke ich mir, wie du Ceci­lia gera­de auch gesagt hast, Glau­be ist so etwas Persön­li­ches, da soll­te mir ja niemand etwas vorge­ben. Aber Grund, mich nicht firmen zu lassen, waren diese Über­le­gun­gen nie.

Wie hat sich durch den ­Firm­weg eure Sicht auf Kirche und Glau­be verändert?

Joan­na Auer: Da komme ich noch­mals auf die Gassen­kü­che zurück. Wir haben durch den Firm­weg viele Einbli­cke erhal­ten, was die Kirche alles macht. Kirche besteht nicht einfach nur aus Gottes­diens­ten, die bei vielen Jugend­li­chen viel­leicht ein Gefühl der Lange­wei­le auslö­sen. Kirche ist viel­fäl­tig. Das fand ich schön zu entdecken.

Ceci­lia Weid­mann: Bei mir ist es eher, dass ich selber gemerkt habe, woran ich glau­be. Dieser Prozess hat am Firm-Weekend ange­fan­gen, als ich mit Sara über meinen Glau­ben rede­te. Obwohl wir befreun­det sind, war das bislang nie Thema.

Sara Broz­vic: Ich sehe durch den Firm­weg, was Kirche auch noch ist und wie wich­tig schon klei­ne Gesten sind. Kirche besteht nicht nur aus Bibel­le­sen, sondern wie im Fall der Gassen­kü­che auch daraus, sich für ande­re einzusetzen.

Simon, Yaritza und Sere­na, wie war das bei euch, hattet Ihr Aha-Erlebnisse in Bezug auf Kirche und Glaube?

Simon Tinner (17): Eigent­lich nicht. Ich minis­trie­re seit meiner 1. Kommu­ni­on und bin stark mit der Kirche in Kontakt. Mein Bild über die Kirche habe ich mir schon vor dem Firm­weg gemacht, es hat sich jetzt nicht verän­dert. Aber ich würde sagen, mein Bild von Kirche und Glau­be hat sich bestä­tigt und noch etwas intensiviert.

Yaritza Brisi­ta (17): Bei mir ist es genau­so. Durch den Firm­weg bin ich einfach näher bei Gott, allei­ne dadurch, dass wir uns an den Tref­fen regel­mäs­sig über den Glau­ben ausge­tauscht haben. Das geht im Alltag sonst eher unter. Mir war bewusst, dass die Kirche viele verschie­de­ne Dinge macht, aber nicht, wie viel­fäl­tig diese sind und was etwa Seel­sor­gen­de alles leis­ten. Ich mache eine Ausbil­dung zur Assis­ten­tin Gesund­heit und Sozia­les. Als einer unse­rer Bewoh­ner der Einrich­tung, für die ich arbei­te, ins Spital kam, besuch­te ihn dort ein Seel­sor­ger. Er rede­te mit ihm und hielt seine Hand. Ich fand das so schön zu sehen und vor allem zu merken, wie gut ihm das tat.

Sere­na Rei (17): Ich schlies­se mich Simon und Yaritza an. Die Kurse haben mich näher zu Gott gebracht. Aber meine Sicht auf die Kirche hat sich nicht verändert.

Was war euer Grund, euch für den Firm­weg zu entscheiden?

Yaritza Brisi­ta: Ich habe mich für den Firm­weg entschie­den, weil ich getauft bin und die Erst­kom­mu­ni­on gemacht habe. Die Firmung ist jetzt wie der nächs­te Schritt. Auch in meiner Fami­lie sind alle gefirmt und ich möch­te später einmal in der Kirche heira­ten. Für mich gehört die Firmung also einfach dazu.

Sere­na Rei: Auch für mich war es einfach klar, dass ich mich firmen lassen möch­te. Ich bin Italie­ne­rin und meine Fami­lie ist sehr katho­lisch. Zuerst über­leg­te ich, ob ich mich in Itali­en firmen lassen möch­te, weil das dort schon früher möglich ist als hier mit 18 Jahren. Aber dann stand die Lehr­stel­len­su­che an und es wäre zu viel gewe­sen. Daher habe ich mich für den Firm­weg ab 18 entschieden.

Simon Tinner: Auch für mich ist die Firmung der nächs­te Schritt und gehört einfach dazu. Ich möch­te mein ganzes Leben bei der Katho­li­schen Kirche mit dabei sein und mit Gott in Verbin­dung sein.

Das klingt nicht danach, als ob ihr jemals am Firm­weg ­gezwei­felt habt?

Sere­na Rei: Nein, am Firm­weg selbst habe ich nicht gezwei­felt. Aber verun­si­chert hat mich, ob ich von meinem Arbeit­ge­ber im Bereich Detail­han­del die frei­en Tage bekom­men würde, die ich für den Firm­weg brauch­te, und ob sich alles, also Firm­weg und Ausbil­dung, verein­ba­ren lässt.

Yaritza Brisi­ta: Ich habe mich schon im Vorfeld gefragt, ob ich immer Lust oder Zeit haben werde, an den Tref­fen teil­zu­neh­men. Aber Zwei­fel waren das nicht wirk­lich, denn die Firmung ist etwas, das ich machen will.

Simon Tinner: Es gab auch bei mir Momen­te, in denen es zum Beispiel gele­ge­ner gewe­sen wäre, für eine Prüfung an der Kantons­schu­le zu lernen oder etwas ande­res zu machen, statt abends an ein Firm­tref­fen zu gehen. Für mich ist aber klar, dass ich die Firmung machen möch­te. Ausser­dem redet man an den Tref­fen über Dinge, die sonst im Alltag eher unter­ge­hen, und es gibt einem jedes Mal neue Denk­an­stös­se, wenn man hier ist.

Was hat euch während des Firm­wegs am meis­ten über­rascht? Was war spannend?

Simon Tinner: Span­nend am Firm­weg ist defi­ni­tiv, ande­re und neue Einbli­cke zu bekom­men, wie zum Beispiel in den Alltag von Perso­nen am Rande der Gesell­schaft. Wir haben über Sucht­pro­blem disku­tiert oder darüber, wie es ist, in der Schweiz von Armut betrof­fen zu sein. Eindrück­lich war, dass wir direkt mit Betrof­fe­nen reden konnten.

Sere­na Rei: Mir gefiel das Firm-Weekend und der Besuch in St. Gallen bei der Gassen­kü­che am besten. Für mich war es aber auch über­ra­schend und schön zu sehen, dass es so viele verschie­de­ne Einstel­lun­gen zum Thema Glau­be in unse­rer Firm­grup­pe gibt. Trotz der Unter­schie­de sind wir alle auf demsel­ben Weg. Ausser­dem war ich am Anfang schüch­tern und zurück­hal­tend. Dass nun alle locker mitein­an­der reden, zeigt für mich, dass in der Grup­pe ein Zusam­men­halt entstan­den ist.

Yaritza Brisi­ta: Eine der schöns­ten Erleb­nis­se war für mich defi­ni­tiv der Ausflug ins Klos­ter Einsie­deln. Die Grös­se und Schön­heit und die Gesprä­che mit den Mönchen haben mich beein­druckt. Wie Sere­na war auch ich am Anfang des Firm­wegs sehr zurück­hal­tend. Aber nach und nach lernt man die verschie­de­nen Menschen und ihre Einstel­lun­gen kennen. Dass alle so offen sind und «sich selbst zu öffnen» gar nicht so schlimm ist, hat mich dann doch überrascht.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 21. Arpil 2023

Firmgeschenke?

Zusam­men Zeit verbrin­gen, ein Glücks­brin­ger oder ein finan­zi­el­ler Zustupf: ​Was schenkt man jungen Menschen zur Firmung? Barba­ra Gahler, Firm­ver­ant­wort­li­che in Teufen, Bühler, Gais und Mörschwil, gibt Tipps, was zu diesem Schritt ins Erwach­se­nen­le­ben passt. 

Gemein­sa­mes Essen

Barba­ra Gahler hat bei ihren Firm­grup­pen nach­ge­fragt: «Die Firman­din­nen und Firman­den erwar­ten grund­sätz­lich keine Geschen­ke, jeden­falls nicht im gros­sen Stil. Eini­ge von ihnen hätten bei älte­ren Geschwis­tern oder Freun­den miter­lebt, dass diese zur Firmung etwa ein Buch oder einen klei­nen Geld­be­trag erhal­ten haben. Für die meis­ten ist das gemein­sa­me Essen und Feiern das Wich­tigs­te an diesem Tag.» Sie habe auch erfah­ren, dass sich die Jugend­li­chen im Anschluss an die Fami­li­en­fei­er eine Party mit Freun­den wünschen. Die Eltern würden dann anstel­le eines Geschen­kes die Kosten für die Party über­neh­men. Im Vorder­grund stehen offen­bar die Erleb­nis­se und der emotio­na­le Wert, nicht mate­ri­el­le  Geschen­ke, die man im Laden um die Ecke kaufen oder online bestel­len kann. Gahler weiss auch, dass die Bezie­hung zu den Firm­pa­tin­nen und ‑paten eine gros­se Rolle spielt. Oft sind es Eltern, Geschwis­ter, der Part­ner oder jemand aus dem Freun­des­kreis. Die Jugend­li­chen suchen sich bewusst nahe­ste­hen­de Menschen aus, auf die sie sich in jeder Hinsicht verlas­sen können. «Sie sehen die Bezie­hung als wert­volls­tes Geschenk an.» 

Schmuck

Ein Schmuck-Geschenk muss nicht immer aus teuren Diaman­ten bestehen. Ausge­wähl­te Glücks­brin­ger als Anhän­ger, Ketten und Armbän­der können einen persön­li­chen Wunsch für Glück, Schutz, inne­re Kraft und Mut über­brin­gen. «Die klas­si­schen Geschen­ke wie eine elegan­te Armband­uhr oder ein Schmuck­stück mit reli­giö­sem Motiv sind häufig nicht mehr gewünscht. Mode­schmuck ist hinge­gen beliebt», sagt Gahler. 

Finan­zi­el­ler Zustupf

Junge Leute haben gros­se Pläne. Besten­falls kann man sie dabei tatkräf­tig und mental unter­stüt­zen. Manch­mal ist auch eine finan­zi­el­le Betei­li­gung ein will­kom­me­nes Geschenk. Ein Grosi hat Gahler einmal erzählt, dass sie ihrem Gross­kind zur Firmung einen Betrag für die Auto­prü­fung geschenkt habe. «Das fand ich sehr passend», sagt sie.

Möbel­stück

Von einer Fami­lie hat Gahler erfah­ren, dass die gela­de­nen Gäste sich für ein gemein­sa­mes Geschenk entschie­den haben. Sie haben die Firman­din mit einem Möbel über­rascht. Ein Bett, ein Nacht­tisch, ein Schrank oder ein Side­board: Ein Möbel ist auf alle Fälle ein nach­hal­ti­ges Geschenk, das lang­fris­tig an die Firmung und Firm­gäs­te erin­nert. Allen­falls kann es auch ein mass­ge­fer­tig­tes Möbel­teil vom Schrei­ner sein.

Gemein­sa­me Zeit

Ein Gutschein für eine gemein­sa­me Akti­vi­tät hat eine beson­ders persön­li­che Note. Der Schen­ken­de über­legt sich nämlich, «über was würde er oder sie sich freu­en?» Je nach Vorlie­be kann dies ein gemein­sa­mes Essen, eine Berg­tour, eine Städ­te­rei­se, ein Frei­zeit­kurs, ein Musical- oder Konzert­be­such, eine Shop­ping­tour oder ein Well­ness­tag sein. 

Symbo­li­sches Geschenk

Symbo­li­sche Geschen­ke stehen als Zeichen der Zunei­gung und Verbun­den­heit. Ein solches Geschenk kommt von Herzen und hat einen hohen, emotio­na­len Wert. Dies kann ein Talis­man oder eine Pflan­ze sein oder etwas Selbst­ge­fer­tig­tes, wie beispiels­wei­se ein Traum­fän­ger, ein Gemäl­de oder ein Gedicht.

Text: Katja Hongler

Bild: Pixabay.com

Veröf­fent­licht: 20.04.023

Bei Konflikten beraten

15 bis 20 Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen im Jahr. ­«Ursa­chen für ­Konflik­te sind oft unge­klär­te Rollen oder Ziel­vor­ga­ben», sagt Ombuds­per­son Kath­rin Hilber. Das Ange­bot steht kirch­li­chen Mitar­bei­ten­den und frei­wil­lig Enga­gier­ten zur Verfügung.

«Viele, die mit uns Kontakt aufneh­men, melden sich rela­tiv spät», sagt Kath­rin Hilber, «die Konflikt­dy­na­mik ist schon weit voran­ge­schrit­ten und die Not deshalb gross. Wenn möglich, versu­chen wir, in solchen Fällen auch den Erst­kon­takt inner­halb 24 Stun­den zu reali­sie­ren.» Für die Betrof­fe­nen sei es zunächst mal wich­tig, dass ihnen jemand zuhört. «Als Ombuds­per­son können wir keine Wunder voll­brin­gen. Wir unter­stüt­zen als Coach. Unse­re Rolle besteht darin, zu bera­ten und Mut zu machen. Wir möch­ten die Ratsu­chen­den befä­hi­gen, wenn immer möglich ihren Konflikt selber zu lösen. Vorge­setz­te haben meist keine Freu­de dran, wenn Ombuds­per­so­nen auftre­ten.» So probie­ren sie zum Beispiel verschie­de­ne Verhal­tens­mög­lich­kei­ten aus und bespre­chen, welche unter­schied­li­che Dyna­mi­ken damit ausge­löst werden.

Tino Bente­le, Kath­rin Hilber und Alex­an­dra Gloor (v. links) haben ein offe­nes Ohr für kirch­li­che Mitar­bei­ten­de und Freiwillige.

Unge­klär­te Fragen

«Bis jetzt haben sich prak­tisch alle Berufs­gruppen, die im kirch­li­chen Umfeld tätig sind, gemel­det: Pries­ter, Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sorger, Mess­me­rin­nen und Mesmer, Reini­gungs­kräf­te …», so Kath­rin Hilber. Die Ombuds­stel­le steht auch für frei­wil­lig Enga­gier­te offen. «Von diesen hat sich bis jetzt kaum jemand gemel­det», sagt Kath­rin Hilber, «denn frei­wil­lig Enga­gier­te legen meist ihr Ehren­amt nieder, wenn sie unter einem Konflikt leiden.» Etwas beob­ach­tet Kath­rin Hilber bei ihren Ratsu­chen­den immer wieder: «Die Menschen, die zu mir kommen, bren­nen für die Kirche. Trotz der Konflik­te stel­len sie ihre Beru­fung nicht infra­ge.» Oft komme es zu Konflik­ten, weil eini­ges zu wenig genau geklärt ist: Wer hat welche Kompe­ten­zen? Was steht genau im Stel­len­be­schrieb? «Immer wieder geht es auch um die Erfah­rung, nicht gehört zu werden, oder es fehlt an echter Wert­schät­zung.» Manch­mal umfasst ein Fall einfach nur ein Bera­tungs­ge­spräch am Tele­fon, manch­mal trifft man sich zu mehre­ren Termi­nen. Was auf der Ombudsstelle bespro­chen wird, ist vertrau­lich. «Jeder Schritt passiert nur mit dem Einver­ständ­nis des Klien­ten. Wir bera­ten unab­hän­gig und neutral. Die Ombuds­stelle ist nieman­dem gegen­über zu einer Auskunft verpflich­tet und entschei­det selbst, ob und in welcher Form sie tätig sein will.» Wird es gewünscht, leitet die Ombuds­per­son ein Gespräch mit allen Betrof­fe­nen ein. Durch ihre Arbeit als Ombuds­frau sei ihr bewusst gewor­den, was für ein beson­de­res System das duale Kirchen­mo­dell sei: «Dass das Mitein­an­der von kirch­li­chen und staats­kir­chen­recht­li­chen Gremi­en funk­tio­niert, hängt von den konkre­ten Perso­nen ab.» Kirch­li­che Mitar­bei­ten­de haben meist zwei Vorge­setz­te – den Bischof und die Kirchenverwaltung.

Inno­va­ti­ver Schritt

2017 haben das Bistum St. Gallen und der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil die Ombuds­stel­le einge­rich­tet. «Das war im kirch­li­chen Bereich ein inno­va­ti­ver Schritt», sagt Kath­rin Hilber. Die ehema­li­ge St. Galler Regie­rungs­rä­tin ist seit Anfang an dabei. Sie wird unter­stützt von Tino Bente­le, Wittenbach, und Alex­an­dra Gloor, Buchs. «Die Betrof­fe­nen sollen auswäh­len können und zudem sind mit der Juris­tin Alex­an­dra Gloor noch weite­re Kompe­ten­zen vertre­ten. Oft sind bei unse­ren Fällen schnell juris­ti­sche Fragen im Spiel.» Fünf­zehn bis zwan­zig Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le im Jahr. Laut Kath­rin Hilber, die auch Erfah­rung als Ombuds­frau von ande­ren Insti­tu­tio­nen mitbringt, ist das über­ra­schend wenig. «Woran das liegt, lässt sich schwer sagen. Ich vermu­te, dass die Hemm­schwel­le, sich zu melden, bei vielen noch gross ist.» Sie ermu­tigt alle, die Ombuds­stel­le auch präven­tiv in Anspruch zu nehmen. «Oft lassen sich Konflik­te für alle Betei­lig­ten viel einfa­cher lösen, wenn man sich profes­sio­nell bera­ten und beglei­ten lässt, bevor sich eine nega­ti­ve Dyna­mik in Gang gesetzt hat.»

Anlie­gen werden gehört

Alle zwei Jahre tref­fen sich die Ombuds­per­so­nen mit ihren Auftrag­ge­bern, dem Bistum und dem Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil. «Beob­ach­ten wir, dass gewis­se Themen immer wieder vorkom­men, dann machen wir unse­re Auftrag­ge­ber darauf aufmerk­sam, wo Hand­lungs­be­darf besteht.» Das können zum Beispiel das Ange­bot von Weiter­bil­dun­gen oder Anpas­sun­gen bei den Anstel­lungs­be­din­gun­gen sein. «Auch bei diesen Gesprä­chen erle­be ich die kirch­li­chen Verant­wor­tungs­trä­ger als offen und konstruk­tiv. Wir werden mit unse­ren Anlie­gen gehört.» Die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen wird schweiz­weit wahr­ge­nom­men: Jüngst hat Kath­rin Hilber von einem ande­ren Bistum den Auftrag erhal­ten, das Konzept für eine Ombuds­stel­le zu entwickeln.

Kontakt­auf­nah­me mit Kath­rin Hilber

Text: Stephan Sigg

Bild: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 12. 04. 2023

«Du bist ja schliesslich ein Mann»

I. B.* (64) aus dem Bistum St. Gallen steht mit beiden Beinen fest im Leben, bis er durch die Schei­dung in arge Schwie­rig­kei­ten gerät. Sein Lohn wird gepfän­det und er lebt jahre­lang am Exis­tenz­mi­ni­mum. Wie findet er aus der Krise heraus? 

In seinen guten Jahren hat I. B. Freu­de im Beruf. Er enga­giert sich in der Berg­ret­tung und bei der Feuer­wehr. In der Frei­zeit ist er viel in den Bergen unter­wegs, am liebs­ten in Klet­ter­aus­rüs­tung an einer Fels­wand. Nach priva­ten und finan­zi­el­len Proble­men folgt eine persön­li­che Grat­wan­de­rung, die viel von ihm abver­langt. Der Mann aus den Bergen ist in einfa­chen Verhält­nis­sen ober­halb der Nebel­gren­ze aufge­wach­sen. «Wir lebten sehr abge­schie­den. Wir hatten keinen Strom und einen langen Schul­weg. Aber wir hatten immer genug zu essen und wir erleb­ten dort oben eine gute Jugend­zeit», erin­nert er sich. Nach der Schu­le schliesst er eine Ausbil­dung auf dem Bau ab und arbei­tet über länge­re Zeit im Hoch­bau. Später nimmt er eine Saison­stel­le im Gast­ge­wer­be an und baut im Sommer jeweils Natur­stein­mau­ern. Zu dieser Zeit ist er auch Mitglied der alpi­nen Berg­ret­tung und im Kader der örtli­chen Feuer­wehr. Zudem chauf­fiert er als Mili­tär verschie­de­ne Bundes­rä­te und rang­ho­he Poli­ti­ker. «Das waren inter­es­san­te Begeg­nun­gen, die ich nicht missen möch­te», erzählt er weiter. Auch sein Privat­le­ben scheint stabil zu sein: Er ist verhei­ra­tet und Familienvater. 

Abwärts­spi­ra­le

Finan­zi­el­le und ande­re Proble­me, auf die er nicht weiter einge­hen möch­te, führen schliess­lich zur Schei­dung von seiner Ehefrau. Eine Laien­be­hör­de entschei­det, dass sein Lohn fort­an gepfän­det wird. «Nach der Schei­dung 1997 ging es abwärts. Ich muss­te nur noch zahlen und hatte selbst nichts mehr», beschreibt er seine dama­li­ge Situa­ti­on als geschie­de­ner Mann und Vater. Er leidet, erfüllt kaum mehr Pflich­ten und weicht Proble­men aus. Wenn er in seinem Umfeld nach Hilfe fragt, bekommt er etwa zur Antwort: «Du schaffst das schon, du bist ja schliess­lich ein Mann!» Der Kontakt zur Fami­lie bricht ab. Er verliert das Vertrau­en in Ämter, weil er sich ihnen ausge­lie­fert fühlt. Die Abwärts­spi­ra­le zieht ihn weiter nach unten. Das Gefühl, versagt zu haben, wird immer grös­ser. Bis zum Moment, an dem er allen Mut zusam­men­nimmt und beim Kirch­li­chen Sozi­al­dienst anklopft. «Ich dach­te, entwe­der gehst du jetzt zu dieser Tür rein oder du stürzt irgend­wo in den Bergen ab.»

Der Wende­punkt

Beim Kirch­li­chen Sozi­al­dienst bekommt I. B. die drin­gend nöti­ge Hilfe. Hier sei er endlich ernst genom­men worden und er habe sich verstan­den gefühlt. «Es ist kein Amt, die Atmo­sphä­re ist persön­li­cher, ange­neh­mer.» Die Sozi­al­ar­bei­te­rin unter­stützt ihn auf dem Weg zurück in ein gere­gel­tes Leben. «Sie hat mich zu den Ämtern beglei­tet und mir gehol­fen, wieder einen festen Wohn­sitz zu finden und meine Auswei­se zurück zu erlan­gen.» So einfach sei es aber nicht gewe­sen. Entschei­dend ist für ihn, dass er – nach langem Kampf – eine Berufs­bei­stän­din erhält. Seit­her regelt sie die Finan­zen und schreibt alle Behör­den­brie­fe für ihn. «Das ist eine enor­me Entlas­tung für mich», sagt er dank­bar. «Ich habe zwar ein siche­res Auftre­ten und kann gut Leute führen, aber gewis­se Sachen kann ich einfach nicht.» Die Beistän­din steht ihm zur Seite und führt die Korre­spon­denz mit verschie­de­nen Ämtern. Sie kann bewir­ken, dass ihm nebst seinen beschei­de­nen Erwerbs­ein­nah­men ein verläss­li­ches Grund­ein­kom­men zusteht. Eine IV-Rente erhält I. B. aufgrund einer Diagno­se, die nach seinem Schlag­an­fall zufäl­lig entdeckt wird. I. B. hat sich erstaun­lich gut von diesem Vorfall erholt und kann mit Medi­ka­men­ten gut damit leben. 

Gute Gesund­heit

Heute geht I. B. einem gere­gel­ten Alltag nach und steht auch finan­zi­ell wieder auf eige­nen Beinen. Er lebt in einer Wohn­ge­mein­schaft in einem Bauern­haus und kümmert sich um leich­te Arbei­ten auf dem Hof und im Haus. Er fühlt sich nach wie vor stark zu den Bergen und zur Natur hinge­zo­gen. Ab und zu besucht er einen Freund auf seiner Alphüt­te und geniesst dort oben das Berg­pan­ora­ma. Wenn er zurück­schaut auf die schwie­ri­ge Zeit, empfin­det er tiefe Dank­bar­keit für die Hilfe, die er bekom­men hat. Für die Zukunft wünscht er sich gute Gesund­heit und dass er immer ein biss­chen etwas zu arbei­ten hat. «Und viel­leicht gehe ich auch wieder einmal auf eine einfa­che Klet­ter­rou­te», fügt er schmun­zelnd an. 

*Der Name ist der Redak­ti­on bekannt. Auf Rück­sicht gegen­über der Privat­sphä­re wird auf persön­li­che Anga­ben verzichtet.

Text: Katja Hongler 

Bild: Ana Kontoulis

Ein Café wird zum Haus für alle

In einem ehema­li­gen Watt­wi­ler Café haben die katho­li­sche und die evangelisch-­reformierte Kirche vor knapp einem Jahr einen inno­va­ti­ven Begeg­nungs­ort eröff­net. «Der b’treff füllt eine Nische», sagt Marlis Kauf­mann, die Präsi­den­tin der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de ­Watt­wil, «er bringt verschie­de­ne sozia­le Ange­bo­te zusam­men. So können wir und ande­re ­Betei­lig­te Menschen noch viel besser helfen.»

Im ersten Stock findet an diesem Montag­mor­gen gera­de Deutsch­un­ter­richt (siehe Titel­bild) statt, im Erdge­schoss bespricht eine Hand­voll Frei­wil­li­ge ihren nächs­ten Einsatz­plan und sich­tet die Spie­le, die für die Café-Gäste zur Verfü­gung stehen. «Als Kirch­ge­mein­de helfen wir vor Ort Menschen ganz konkret», sagt Marlis Kauf­mann, Präsi­den­tin der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Watt­wil. Seit knapp einem Jahr ist der b’treff in Betrieb. Initi­iert wurde er von der evangelisch-reformierten Kirch­ge­mein­de und der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de. «Es war ein gros­ses Glück, dass dieses Haus gefun­den werden konn­te», so Marlis Kauf­mann. Das ehema­li­ge Café, zentral gele­gen in der Nähe von Bahn­hof Watt­wil und Manor, sei schon eini­ge Zeit leer gestan­den. «Das Gebäu­de hat verschie­de­ne Räum­lich­kei­ten, verteilt auf drei Etagen. So ist es möglich, mehre­re Ange­bo­te gleich­zei­tig durch­zu­füh­ren.» Das Herz des Hauses ist der Café-Bereich im Erdge­schoss. Es wurden nur weni­ge bauli­che Anpas­sun­gen vorge­nom­men, der Café-Charme blieb erhal­ten. Im Sommer stehen sogar Sitz­plät­ze draus­sen auf der Terras­se zur Verfü­gung. Selbst die ehema­li­ge Verkaufs­the­ke wurde umfunk­tio­niert: hier stehen zahl­rei­che «Second-Hand»-Gegenstände zum Mitneh­men bereit – kosten­los oder gegen eine klei­ne Spende.

Geschirr, Deko­ma­te­ri­al und ande­res kann gratis oder gegen eine klei­ne Spen­de mitge­nom­men werden.

Betrof­fe­nen besser helfen

Mittags­tisch, Lebens­mit­tel­ab­ga­be, Sozial- und Schul­den­be­ra­tung, Deutsch­kurs oder einfach nur bei einer Tasse Kaffee über Freu­den und Nöte spre­chen oder zusam­men mit ande­ren lismen – im b’treff Watt­wil haben viele verschie­de­ne Ange­bo­te ein neues Zuhau­se gefun­den. Sven Keller, Sozi­al­ar­bei­ter der katho­li­schen Seel­sor­ge­ein­heit Neutog­gen­burg, und Remo Schwei­zer, Diakon der evangelisch-reformierten Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg, teilen sich die Leitung des b’treffs. «Uns ging es primär nicht darum, mit dem b’treff sofort eine Palet­te an neuen Ange­bo­ten zu lancie­ren. Viel­mehr ist es die Idee, dass der neue Begeg­nungs­ort eine Vernet­zung zwischen den bestehen­den Ange­bo­ten ermög­licht», sagt Sven Keller. «Viele der Ange­bo­te waren bisher an unter­schied­li­chen Stand­or­ten behei­ma­tet, jetzt ist alles am glei­chen Ort. Die Chan­ce dabei ist, dass Betrof­fe­ne schnel­ler einen Über­blick bekom­men. Sie sehen, was es alles gibt. Alles ist viel nieder­schwel­li­ger zugäng­lich. Aber auch die Frei­wil­li­gen, die sich bei uns enga­gie­ren, wissen besser Bescheid und können Betrof­fe­nen zeigen, welche Unter­stüt­zungs­mög­lich­kei­ten es gibt.»

Marlis Kauf­mann, Präsi­den­tin der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Watt­wil: «Der b’treff füllt eine Nische.»

Mitein­an­der lismen

Die Verant­wort­li­chen sind mit der bishe­ri­gen Reso­nanz zufrie­den. «Dank dem b’treff konn­te ich neue Kontak­te knüp­fen», zitiert Sven Keller die Rück­mel­dung eines b’treff-Besuchers. Die Dienst­leis­tun­gen werden genutzt von Armuts­be­trof­fe­nen, Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, aber auch von Pensio­nier­ten. «Unter den Gästen sind auch viele Allein­ste­hen­de», weiss Marlis Kauf­mann, «oft tun sie sich zu klei­nen Grüpp­chen zusam­men und kommen gemein­sam zu uns.» Auch eine Lisme-Gruppe, die sich früher im Pfar­rei­zen­trum traf, habe im b’treff ein neues Zuhau­se gefun­den. Als ein High­light erwähnt Sven Keller die Weih­nachts­fei­er, bei der sich 35 Perso­nen zum Raclette trafen. 50 bis 60 Perso­nen nutzen die Lebens­mit­tel­ab­ga­be, zum Mittags­tisch kommen etwa fünf­zehn. «Aber es braucht sicher noch etwas Zeit, dass sich unser Ange­bot herum­spricht.» Hinter den Ange­bo­ten im b’treff stehen verschie­de­ne kirch­li­che und nicht­kirch­li­che Organsia­tio­nen wie Cari­tas, Heks oder die Lebens­mit­tel­ab­ga­be «Tisch­lein deck dich». «Jede Orga­ni­sa­ti­on hat eine eige­ne Struk­tur und ande­re Bedürf­nis­se», sagt Sven Keller. Er bezeich­net es als alles ande­re als selbst­ver­ständ­lich, dass das Mitein­an­der der betei­lig­ten Orga­ni­sa­tio­nen im Haus so gut ange­lau­fen ist.

«Als Kirch­ge­mein­de helfen wir vor Ort Menschen ganz konkret.»

Marlis Kauf­mann

Ökume­ne intensivieren

«Uns war es wich­tig einen Ort zu schaf­fen, der für alle offen ist, unab­hän­gig von ihrem reli­giö­sen oder kultu­rel­len Hinter­grund», erklärt Brigit­te Horn. Sie ist in der katho­li­schen Kirchen­ver­wal­tung für die Ressorts Ökume­ne, Reli­gi­on und Kate­che­se zustän­dig, «Der Begeg­nungs­ort soll­te nicht abseits, sondern inmit­ten des Gesche­hens zu finden sein.» Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die allge­mei­ne Teue­rung haben die Zahl der Armuts­be­trof­fe­nen in der Schweiz erhöht. «Als wir das Konzept für den b’treff entwi­ckelt haben, war das alles noch weit weg», so Brigit­te Horn, «aber auch unab­hän­gig von der neuen Entwick­lung war die Not in der Gesell­schaft schon gross genug.» Zu Beginn erar­bei­te­ten fünf Studie­ren­de der Fach­hoch­schu­le Ost als Praxis­pro­jekt eine Mach­bar­keits­stu­die. «Diese Arbeit brach­te klar zum Ausdruck, dass ein Ange­bot wie der b’treff in Watt­wil und Umge­bung fehlt», so Sven Keller. Die katho­li­sche Kirch­ge­mein­de entschied sich schnell für eine Mitwir­kung. «Wir sahen in diesem Projekt von Anfang an auch eine Chan­ce, die ökume­ni­sche Zusam­men­ar­beit auszu­bau­en und die Mittel effi­zi­en­ter einzusetzen.»

Sven Keller (links) und Remo Schwei­zer leiten den b’treff gemeinsam.

Von Frei­wil­li­gen getragen

«Ohne frei­wil­li­ges Enga­ge­ment wäre unser b’treff nicht denk­bar», sagt Sven Keller. Die beiden Co-Stellenleiter sind jeweils zehn Prozent ange­stellt. Es sei erfreu­lich, wie viele sich von Anfang an für eine frei­wil­li­ge Mitar­beit zur Verfü­gung gestellt haben. «Die Mitwir­kung der Frei­wil­li­gen ist sehr posi­tiv ange­lau­fen. Mein refor­mier­ter Kolle­ge Remo verfügt über ein gros­ses Netz­werk», so Keller. Rund sech­zig Frei­wil­li­ge sind im b’treff aktiv. Viele von ihnen hätten einen kirch­li­chen Bezug. Neben Pensio­nier­ten seien auch erstaun­lich viele dabei, die im Berufs­le­ben stehen.

«Wir sahen in diesem Projekt von Anfang an auch eine Chan­ce, die ökume­ni­sche Zusam­men­ar­beit auszu­bau­en und die Mittel effi­zi­en­ter einzusetzen.»

Sven Keller

Gemein­de Lich­ten­steig als Partnerin

Der b’treff Watt­wil wird von den Katho­li­schen Kirch­ge­mein­den Watt­wil und Lich­ten­steig, der Evangelisch-reformierten Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg sowie der Cari­tas St. Gallen-Appenzell getra­gen. Ein gros­ser Teil der Betriebs­kos­ten sowie die Perso­nal­kos­ten werden durch Kirchen­steu­ern finan­ziert. Als Gönner und Spon­so­ren sind die Gemein­de Lich­ten­steig, die Stif­tung Fondia, die Inte­gra­ti­ons­för­de­rung des Kantons St. Gallen sowie der EVDA (Evang.-ref. Verein für diako­ni­sche Aufga­ben) mit im Boot.

Seit Febru­ar 2023 gibt es im b’treff auch eine Kleiderabgabe. 

Vorerst bis 2025

Ist der b’treff auch eine Chan­ce, um Menschen zu errei­chen, die sonst Berüh­rungs­ängs­te mit Kirche haben? «Das katho­li­sche Pfar­rei­zen­trum war auch bisher ein Ort, der für alle offen stand und in dem die unter­schied­lichs­ten Ange­bo­te und Ziel­grup­pen will­kom­men sind», sagt Brigit­te Horn. Aber mit dem b’treff sei die Diako­nie der Kirchen noch etwas deut­li­cher sicht­bar. Das Projekt ist vorerst bis 2025 gesi­chert – bis dann läuft der Miet­ver­trag. Dann werde – so der Plan – das Haus für einen Neubau abge­ris­sen. «Dann werden wir das Projekt evalu­ie­ren und über­le­gen, ob und wie es weiter­ge­führt werden kann», so Marlis Kauf­mann. «Entschei­dend wird sein, ob wir mit unse­rem Ange­bot den Menschen helfen können. Auch stehen wir dann vor der Heraus­for­de­rung, geeig­ne­te Räum­lich­kei­ten zu finden, die zudem auch noch finan­zier­bar sind.»

Bis es soweit ist, hat Sven Keller noch eine Menge vor. Seit Febru­ar gibt es neu eine Klei­der­ab­ga­be. Aus der Sicht des Sozi­al­ar­bei­ters gibt es durch­aus Poten­zi­al für mehr: «In unse­ren Räum­lich­kei­ten sollen even­tu­ell auch Kunst­aus­stel­lun­gen ange­bo­ten werden mit Werken, die in Mal- oder Gestal­tungs­the­ra­pien entstan­den sind. Zudem kann ich mir ganz alltags­prak­ti­sche Work­shops zu Haus­halts­the­men vorstel­len wie zum Beispiel: wie kann ich Heiz­kos­ten sparen?» Denk­bar sei auch ein Repair-Café. So könne die Grund­idee ganz konse­quent umge­setzt werden: der b’treff als Begeg­nungs­ort für alle.

Website b’treff Wattwil

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 21. Febru­ar 2023

Mehre­re b’treffs

Neben dem b’treff in Watt­wil gibt es auch b’treffs in Ebnat-Kappel, Bütschwil und Flawil. Sie haben unter­schied­li­che Konzep­te und Finan­zie­rungs­mo­del­le, doch bei allen sind die Kirch­ge­mein­den mitbe­tei­ligt. Zudem werden alle b’treffs mass­geb­lich durch das Enga­ge­ment Frei­wil­li­ger ermöglicht.

Pfarrblatt im Bistum St.Gallen
Webergasse 9
9000 St.Gallen

+41 71 230 05 31
info@pfarreiforum.ch