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Eine Zeit lang auf demselben Weg

Wieso entschei­den sich junge Erwach­se­ne für die Firmung? Und wie erle­ben sie den Firm­weg mit den regel­mäs­si­gen Tref­fen und den gemein­sa­men Ausflü­gen? Darüber ­haben fünf Firman­din­nen und ein Firmand der Firm­grup­pe in Buchs mit dem Pfar­rei­fo­rum diskutiert.

Ceci­lia, Sara und Joan­na, ­wieso habt ihr euch für den Firm­weg entschieden?

Ceci­lia Weid­mann (17): Das ist eine etwas spezi­el­le Geschich­te. Ich und Sara haben uns draus­sen vor der katho­li­schen Kirche in Buchs getrof­fen. Wir waren beide nicht ganz sicher, ob wir die Firmung machen wollen. Daher disku­tier­ten wir allge­mein über Glau­ben und die Firmung. Als wir nach dem Gespräch hoch­schau­ten, hatten sich die Wolken wie zu einem Kreuz geformt. Es war ein Zufall, für uns aber ein Zeichen, dass wir die Firmung machen sollten.

Sara Broz­vic (18): Unsi­cher waren wir, weil wir zu diesem Zeit­punkt nicht mehr so viel mit dem Glau­ben zu tun hatten. Das ist allei­ne schon dadurch der Fall, dass es in der Lehre keinen Reli­gi­ons­un­ter­richt mehr gibt.

Joan­na Auer (18): Ich bin eine sehr ratio­na­le Person, die stark an die Wissen­schaft glaubt. Trotz­dem denke ich, dass es etwas Über­mensch­li­ches gibt, das nicht greif­bar ist. Ich erhof­fe mir, dass ich durch den Firm­weg den Zugang dazu bekom­me. Ausser­dem will ich dadurch dem Glau­ben in meinem Leben mehr Raum geben. Wie Ceci­lia und Sara  es schon gesagt haben, war man früher durch den Reli­gi­ons­un­ter­richt auto­ma­tisch näher an den Themen Reli­gi­on und Glau­be dran, hat sich aber mitt­ler­wei­le etwas davon entfernt.

Also ist es für euch die ­Annä­he­rung an den Glau­ben, die den Firm­weg ausmacht?

Joan­na Auer: Für mich ist es auch das Gemein­schafts­er­leb­nis. Man kommt mit vielen unter­schied­li­chen Menschen zusam­men. Ich finde es schön, dass man sich austau­schen kann. Ich gehe an die Kantons­schu­le und habe im Alltag meis­tens einfach mit meinen Freun­den zu tun. Durch den Firm­weg konn­te ich Perso­nen kennen­ler­nen, die eine Lehre machen. Da bespricht man auch einmal ande­re Themen. Eindrück­lich fand ich dies­be­züg­lich auch, dass wir während unse­rer Firm­rei­se Einbli­cke in Insti­tu­tio­nen für Menschen am Rande der Gesell­schaft erhal­ten haben und mit Betrof­fe­nen disku­tie­ren konnten.

Sara Broz­vic: Das fand ich auch sehr span­nend. Zudem haben wir auch selbst bei Aktio­nen wie dem Rosen­ver­kauf am Fasten­ak­ti­ons­tag mitge­hol­fen. Anders als Joan­na sind Ceci­lia und ich aber erst nach der Firm­rei­se mit einem Firm-Weekend in den Firm­weg einge­stie­gen. Ich glau­be, das Firm-Weekend war thema­tisch etwas gedräng­ter als die Firm­rei­se, weil wir alles in zwei Tagen nach­ho­len muss­ten, wofür die ande­ren eine Woche lang Zeit gehabt haben.

Ceci­lia Weid­mann: Ja, im Wesent­li­chen ging es darum, uns über unse­ren Glau­ben auszu­tau­schen. Das fand ich sehr span­nend. Ich habe gemerkt, dass zwar alle an densel­ben Gott glau­ben, aber auf unter­schied­li­che Art und Weise.

Joan­na Auer: Genau. Es ist mega span­nend zu sehen, wie die verschie­de­nen Perso­nen den Glau­ben im Alltag unter­schied­lich leben. In unse­rer Firm­grup­pe gibt es eini­ge, die jeden Tag beten und regel­mäs­sig in Gottes­diens­te gehen, und für ande­re ist das nicht so wichtig.

Habt ihr mal gezwei­felt, ob der Entscheid für den Firm­weg rich­tig war?

Sara Broz­vic: Bei mir gab es solche Momen­te. Vor allem wenn ich während meiner Ausbil­dung zur Fach­frau Gesund­heit eine stren­ge Woche hatte und dann noch am Wochen­en­de ein Tref­fen für den Firm­weg bevor­stand. Aber die Tref­fen haben sich jedes Mal gelohnt.

Ceci­lia Weid­mann: Ich mache eben­falls eine Lehre als Fach­frau Gesund­heit und hatte diese Gedan­ken auch. Ich glau­be ausser­dem, man ist hin und wieder in Bezug auf den Firm­weg unsi­cher, weil man denkt, man kann ja auch allei­ne glau­ben, ohne irgend­wo teil­zu­ha­ben. Aber es ist dann eben doch besser, wenn man Teil einer Grup­pe ist.

Joan­na Auer: Bei mir gab es diesen Moment auch, vor allem weil man mit dem Firm­weg ja Verpflich­tun­gen eingeht. Die Firm­tref­fen sind etwas Schö­nes. Aber trotz­dem sind sie auch leicht mit Druck verbun­den, im Sinne von «Ihr müsst das machen, damit ihr gefirmt werdet». Dann denke ich mir, wie du Ceci­lia gera­de auch gesagt hast, Glau­be ist so etwas Persön­li­ches, da soll­te mir ja niemand etwas vorge­ben. Aber Grund, mich nicht firmen zu lassen, waren diese Über­le­gun­gen nie.

Wie hat sich durch den ­Firm­weg eure Sicht auf Kirche und Glau­be verändert?

Joan­na Auer: Da komme ich noch­mals auf die Gassen­kü­che zurück. Wir haben durch den Firm­weg viele Einbli­cke erhal­ten, was die Kirche alles macht. Kirche besteht nicht einfach nur aus Gottes­diens­ten, die bei vielen Jugend­li­chen viel­leicht ein Gefühl der Lange­wei­le auslö­sen. Kirche ist viel­fäl­tig. Das fand ich schön zu entdecken.

Ceci­lia Weid­mann: Bei mir ist es eher, dass ich selber gemerkt habe, woran ich glau­be. Dieser Prozess hat am Firm-Weekend ange­fan­gen, als ich mit Sara über meinen Glau­ben rede­te. Obwohl wir befreun­det sind, war das bislang nie Thema.

Sara Broz­vic: Ich sehe durch den Firm­weg, was Kirche auch noch ist und wie wich­tig schon klei­ne Gesten sind. Kirche besteht nicht nur aus Bibel­le­sen, sondern wie im Fall der Gassen­kü­che auch daraus, sich für ande­re einzusetzen.

Simon, Yaritza und Sere­na, wie war das bei euch, hattet Ihr Aha-Erlebnisse in Bezug auf Kirche und Glaube?

Simon Tinner (17): Eigent­lich nicht. Ich minis­trie­re seit meiner 1. Kommu­ni­on und bin stark mit der Kirche in Kontakt. Mein Bild über die Kirche habe ich mir schon vor dem Firm­weg gemacht, es hat sich jetzt nicht verän­dert. Aber ich würde sagen, mein Bild von Kirche und Glau­be hat sich bestä­tigt und noch etwas intensiviert.

Yaritza Brisi­ta (17): Bei mir ist es genau­so. Durch den Firm­weg bin ich einfach näher bei Gott, allei­ne dadurch, dass wir uns an den Tref­fen regel­mäs­sig über den Glau­ben ausge­tauscht haben. Das geht im Alltag sonst eher unter. Mir war bewusst, dass die Kirche viele verschie­de­ne Dinge macht, aber nicht, wie viel­fäl­tig diese sind und was etwa Seel­sor­gen­de alles leis­ten. Ich mache eine Ausbil­dung zur Assis­ten­tin Gesund­heit und Sozia­les. Als einer unse­rer Bewoh­ner der Einrich­tung, für die ich arbei­te, ins Spital kam, besuch­te ihn dort ein Seel­sor­ger. Er rede­te mit ihm und hielt seine Hand. Ich fand das so schön zu sehen und vor allem zu merken, wie gut ihm das tat.

Sere­na Rei (17): Ich schlies­se mich Simon und Yaritza an. Die Kurse haben mich näher zu Gott gebracht. Aber meine Sicht auf die Kirche hat sich nicht verändert.

Was war euer Grund, euch für den Firm­weg zu entscheiden?

Yaritza Brisi­ta: Ich habe mich für den Firm­weg entschie­den, weil ich getauft bin und die Erst­kom­mu­ni­on gemacht habe. Die Firmung ist jetzt wie der nächs­te Schritt. Auch in meiner Fami­lie sind alle gefirmt und ich möch­te später einmal in der Kirche heira­ten. Für mich gehört die Firmung also einfach dazu.

Sere­na Rei: Auch für mich war es einfach klar, dass ich mich firmen lassen möch­te. Ich bin Italie­ne­rin und meine Fami­lie ist sehr katho­lisch. Zuerst über­leg­te ich, ob ich mich in Itali­en firmen lassen möch­te, weil das dort schon früher möglich ist als hier mit 18 Jahren. Aber dann stand die Lehr­stel­len­su­che an und es wäre zu viel gewe­sen. Daher habe ich mich für den Firm­weg ab 18 entschieden.

Simon Tinner: Auch für mich ist die Firmung der nächs­te Schritt und gehört einfach dazu. Ich möch­te mein ganzes Leben bei der Katho­li­schen Kirche mit dabei sein und mit Gott in Verbin­dung sein.

Das klingt nicht danach, als ob ihr jemals am Firm­weg ­gezwei­felt habt?

Sere­na Rei: Nein, am Firm­weg selbst habe ich nicht gezwei­felt. Aber verun­si­chert hat mich, ob ich von meinem Arbeit­ge­ber im Bereich Detail­han­del die frei­en Tage bekom­men würde, die ich für den Firm­weg brauch­te, und ob sich alles, also Firm­weg und Ausbil­dung, verein­ba­ren lässt.

Yaritza Brisi­ta: Ich habe mich schon im Vorfeld gefragt, ob ich immer Lust oder Zeit haben werde, an den Tref­fen teil­zu­neh­men. Aber Zwei­fel waren das nicht wirk­lich, denn die Firmung ist etwas, das ich machen will.

Simon Tinner: Es gab auch bei mir Momen­te, in denen es zum Beispiel gele­ge­ner gewe­sen wäre, für eine Prüfung an der Kantons­schu­le zu lernen oder etwas ande­res zu machen, statt abends an ein Firm­tref­fen zu gehen. Für mich ist aber klar, dass ich die Firmung machen möch­te. Ausser­dem redet man an den Tref­fen über Dinge, die sonst im Alltag eher unter­ge­hen, und es gibt einem jedes Mal neue Denk­an­stös­se, wenn man hier ist.

Was hat euch während des Firm­wegs am meis­ten über­rascht? Was war spannend?

Simon Tinner: Span­nend am Firm­weg ist defi­ni­tiv, ande­re und neue Einbli­cke zu bekom­men, wie zum Beispiel in den Alltag von Perso­nen am Rande der Gesell­schaft. Wir haben über Sucht­pro­blem disku­tiert oder darüber, wie es ist, in der Schweiz von Armut betrof­fen zu sein. Eindrück­lich war, dass wir direkt mit Betrof­fe­nen reden konnten.

Sere­na Rei: Mir gefiel das Firm-Weekend und der Besuch in St. Gallen bei der Gassen­kü­che am besten. Für mich war es aber auch über­ra­schend und schön zu sehen, dass es so viele verschie­de­ne Einstel­lun­gen zum Thema Glau­be in unse­rer Firm­grup­pe gibt. Trotz der Unter­schie­de sind wir alle auf demsel­ben Weg. Ausser­dem war ich am Anfang schüch­tern und zurück­hal­tend. Dass nun alle locker mitein­an­der reden, zeigt für mich, dass in der Grup­pe ein Zusam­men­halt entstan­den ist.

Yaritza Brisi­ta: Eine der schöns­ten Erleb­nis­se war für mich defi­ni­tiv der Ausflug ins Klos­ter Einsie­deln. Die Grös­se und Schön­heit und die Gesprä­che mit den Mönchen haben mich beein­druckt. Wie Sere­na war auch ich am Anfang des Firm­wegs sehr zurück­hal­tend. Aber nach und nach lernt man die verschie­de­nen Menschen und ihre Einstel­lun­gen kennen. Dass alle so offen sind und «sich selbst zu öffnen» gar nicht so schlimm ist, hat mich dann doch überrascht.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 21. Arpil 2023

Firmgeschenke?

Zusam­men Zeit verbrin­gen, ein Glücks­brin­ger oder ein finan­zi­el­ler Zustupf: ​Was schenkt man jungen Menschen zur Firmung? Barba­ra Gahler, Firm­ver­ant­wort­li­che in Teufen, Bühler, Gais und Mörschwil, gibt Tipps, was zu diesem Schritt ins Erwach­se­nen­le­ben passt. 

Gemein­sa­mes Essen

Barba­ra Gahler hat bei ihren Firm­grup­pen nach­ge­fragt: «Die Firman­din­nen und Firman­den erwar­ten grund­sätz­lich keine Geschen­ke, jeden­falls nicht im gros­sen Stil. Eini­ge von ihnen hätten bei älte­ren Geschwis­tern oder Freun­den miter­lebt, dass diese zur Firmung etwa ein Buch oder einen klei­nen Geld­be­trag erhal­ten haben. Für die meis­ten ist das gemein­sa­me Essen und Feiern das Wich­tigs­te an diesem Tag.» Sie habe auch erfah­ren, dass sich die Jugend­li­chen im Anschluss an die Fami­li­en­fei­er eine Party mit Freun­den wünschen. Die Eltern würden dann anstel­le eines Geschen­kes die Kosten für die Party über­neh­men. Im Vorder­grund stehen offen­bar die Erleb­nis­se und der emotio­na­le Wert, nicht mate­ri­el­le  Geschen­ke, die man im Laden um die Ecke kaufen oder online bestel­len kann. Gahler weiss auch, dass die Bezie­hung zu den Firm­pa­tin­nen und ‑paten eine gros­se Rolle spielt. Oft sind es Eltern, Geschwis­ter, der Part­ner oder jemand aus dem Freun­des­kreis. Die Jugend­li­chen suchen sich bewusst nahe­ste­hen­de Menschen aus, auf die sie sich in jeder Hinsicht verlas­sen können. «Sie sehen die Bezie­hung als wert­volls­tes Geschenk an.» 

Schmuck

Ein Schmuck-Geschenk muss nicht immer aus teuren Diaman­ten bestehen. Ausge­wähl­te Glücks­brin­ger als Anhän­ger, Ketten und Armbän­der können einen persön­li­chen Wunsch für Glück, Schutz, inne­re Kraft und Mut über­brin­gen. «Die klas­si­schen Geschen­ke wie eine elegan­te Armband­uhr oder ein Schmuck­stück mit reli­giö­sem Motiv sind häufig nicht mehr gewünscht. Mode­schmuck ist hinge­gen beliebt», sagt Gahler. 

Finan­zi­el­ler Zustupf

Junge Leute haben gros­se Pläne. Besten­falls kann man sie dabei tatkräf­tig und mental unter­stüt­zen. Manch­mal ist auch eine finan­zi­el­le Betei­li­gung ein will­kom­me­nes Geschenk. Ein Grosi hat Gahler einmal erzählt, dass sie ihrem Gross­kind zur Firmung einen Betrag für die Auto­prü­fung geschenkt habe. «Das fand ich sehr passend», sagt sie.

Möbel­stück

Von einer Fami­lie hat Gahler erfah­ren, dass die gela­de­nen Gäste sich für ein gemein­sa­mes Geschenk entschie­den haben. Sie haben die Firman­din mit einem Möbel über­rascht. Ein Bett, ein Nacht­tisch, ein Schrank oder ein Side­board: Ein Möbel ist auf alle Fälle ein nach­hal­ti­ges Geschenk, das lang­fris­tig an die Firmung und Firm­gäs­te erin­nert. Allen­falls kann es auch ein mass­ge­fer­tig­tes Möbel­teil vom Schrei­ner sein.

Gemein­sa­me Zeit

Ein Gutschein für eine gemein­sa­me Akti­vi­tät hat eine beson­ders persön­li­che Note. Der Schen­ken­de über­legt sich nämlich, «über was würde er oder sie sich freu­en?» Je nach Vorlie­be kann dies ein gemein­sa­mes Essen, eine Berg­tour, eine Städ­te­rei­se, ein Frei­zeit­kurs, ein Musical- oder Konzert­be­such, eine Shop­ping­tour oder ein Well­ness­tag sein. 

Symbo­li­sches Geschenk

Symbo­li­sche Geschen­ke stehen als Zeichen der Zunei­gung und Verbun­den­heit. Ein solches Geschenk kommt von Herzen und hat einen hohen, emotio­na­len Wert. Dies kann ein Talis­man oder eine Pflan­ze sein oder etwas Selbst­ge­fer­tig­tes, wie beispiels­wei­se ein Traum­fän­ger, ein Gemäl­de oder ein Gedicht.

Text: Katja Hongler

Bild: Pixabay.com

Veröf­fent­licht: 20.04.023

Bei Konflikten beraten

15 bis 20 Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen im Jahr. ­«Ursa­chen für ­Konflik­te sind oft unge­klär­te Rollen oder Ziel­vor­ga­ben», sagt Ombuds­per­son Kath­rin Hilber. Das Ange­bot steht kirch­li­chen Mitar­bei­ten­den und frei­wil­lig Enga­gier­ten zur Verfügung.

«Viele, die mit uns Kontakt aufneh­men, melden sich rela­tiv spät», sagt Kath­rin Hilber, «die Konflikt­dy­na­mik ist schon weit voran­ge­schrit­ten und die Not deshalb gross. Wenn möglich, versu­chen wir, in solchen Fällen auch den Erst­kon­takt inner­halb 24 Stun­den zu reali­sie­ren.» Für die Betrof­fe­nen sei es zunächst mal wich­tig, dass ihnen jemand zuhört. «Als Ombuds­per­son können wir keine Wunder voll­brin­gen. Wir unter­stüt­zen als Coach. Unse­re Rolle besteht darin, zu bera­ten und Mut zu machen. Wir möch­ten die Ratsu­chen­den befä­hi­gen, wenn immer möglich ihren Konflikt selber zu lösen. Vorge­setz­te haben meist keine Freu­de dran, wenn Ombuds­per­so­nen auftre­ten.» So probie­ren sie zum Beispiel verschie­de­ne Verhal­tens­mög­lich­kei­ten aus und bespre­chen, welche unter­schied­li­che Dyna­mi­ken damit ausge­löst werden.

Tino Bente­le, Kath­rin Hilber und Alex­an­dra Gloor (v. links) haben ein offe­nes Ohr für kirch­li­che Mitar­bei­ten­de und Freiwillige.

Unge­klär­te Fragen

«Bis jetzt haben sich prak­tisch alle Berufs­gruppen, die im kirch­li­chen Umfeld tätig sind, gemel­det: Pries­ter, Seel­sor­ge­rin­nen und Seel­sorger, Mess­me­rin­nen und Mesmer, Reini­gungs­kräf­te …», so Kath­rin Hilber. Die Ombuds­stel­le steht auch für frei­wil­lig Enga­gier­te offen. «Von diesen hat sich bis jetzt kaum jemand gemel­det», sagt Kath­rin Hilber, «denn frei­wil­lig Enga­gier­te legen meist ihr Ehren­amt nieder, wenn sie unter einem Konflikt leiden.» Etwas beob­ach­tet Kath­rin Hilber bei ihren Ratsu­chen­den immer wieder: «Die Menschen, die zu mir kommen, bren­nen für die Kirche. Trotz der Konflik­te stel­len sie ihre Beru­fung nicht infra­ge.» Oft komme es zu Konflik­ten, weil eini­ges zu wenig genau geklärt ist: Wer hat welche Kompe­ten­zen? Was steht genau im Stel­len­be­schrieb? «Immer wieder geht es auch um die Erfah­rung, nicht gehört zu werden, oder es fehlt an echter Wert­schät­zung.» Manch­mal umfasst ein Fall einfach nur ein Bera­tungs­ge­spräch am Tele­fon, manch­mal trifft man sich zu mehre­ren Termi­nen. Was auf der Ombudsstelle bespro­chen wird, ist vertrau­lich. «Jeder Schritt passiert nur mit dem Einver­ständ­nis des Klien­ten. Wir bera­ten unab­hän­gig und neutral. Die Ombuds­stelle ist nieman­dem gegen­über zu einer Auskunft verpflich­tet und entschei­det selbst, ob und in welcher Form sie tätig sein will.» Wird es gewünscht, leitet die Ombuds­per­son ein Gespräch mit allen Betrof­fe­nen ein. Durch ihre Arbeit als Ombuds­frau sei ihr bewusst gewor­den, was für ein beson­de­res System das duale Kirchen­mo­dell sei: «Dass das Mitein­an­der von kirch­li­chen und staats­kir­chen­recht­li­chen Gremi­en funk­tio­niert, hängt von den konkre­ten Perso­nen ab.» Kirch­li­che Mitar­bei­ten­de haben meist zwei Vorge­setz­te – den Bischof und die Kirchenverwaltung.

Inno­va­ti­ver Schritt

2017 haben das Bistum St. Gallen und der Katho­li­sche Konfes­si­ons­teil die Ombuds­stel­le einge­rich­tet. «Das war im kirch­li­chen Bereich ein inno­va­ti­ver Schritt», sagt Kath­rin Hilber. Die ehema­li­ge St. Galler Regie­rungs­rä­tin ist seit Anfang an dabei. Sie wird unter­stützt von Tino Bente­le, Wittenbach, und Alex­an­dra Gloor, Buchs. «Die Betrof­fe­nen sollen auswäh­len können und zudem sind mit der Juris­tin Alex­an­dra Gloor noch weite­re Kompe­ten­zen vertre­ten. Oft sind bei unse­ren Fällen schnell juris­ti­sche Fragen im Spiel.» Fünf­zehn bis zwan­zig Fälle bear­bei­tet die Ombuds­stel­le im Jahr. Laut Kath­rin Hilber, die auch Erfah­rung als Ombuds­frau von ande­ren Insti­tu­tio­nen mitbringt, ist das über­ra­schend wenig. «Woran das liegt, lässt sich schwer sagen. Ich vermu­te, dass die Hemm­schwel­le, sich zu melden, bei vielen noch gross ist.» Sie ermu­tigt alle, die Ombuds­stel­le auch präven­tiv in Anspruch zu nehmen. «Oft lassen sich Konflik­te für alle Betei­lig­ten viel einfa­cher lösen, wenn man sich profes­sio­nell bera­ten und beglei­ten lässt, bevor sich eine nega­ti­ve Dyna­mik in Gang gesetzt hat.»

Anlie­gen werden gehört

Alle zwei Jahre tref­fen sich die Ombuds­per­so­nen mit ihren Auftrag­ge­bern, dem Bistum und dem Katho­li­schen Konfes­si­ons­teil. «Beob­ach­ten wir, dass gewis­se Themen immer wieder vorkom­men, dann machen wir unse­re Auftrag­ge­ber darauf aufmerk­sam, wo Hand­lungs­be­darf besteht.» Das können zum Beispiel das Ange­bot von Weiter­bil­dun­gen oder Anpas­sun­gen bei den Anstel­lungs­be­din­gun­gen sein. «Auch bei diesen Gesprä­chen erle­be ich die kirch­li­chen Verant­wor­tungs­trä­ger als offen und konstruk­tiv. Wir werden mit unse­ren Anlie­gen gehört.» Die Ombuds­stel­le des Bistums St. Gallen wird schweiz­weit wahr­ge­nom­men: Jüngst hat Kath­rin Hilber von einem ande­ren Bistum den Auftrag erhal­ten, das Konzept für eine Ombuds­stel­le zu entwickeln.

Kontakt­auf­nah­me mit Kath­rin Hilber

Text: Stephan Sigg

Bild: Regi­na Kühne

Veröf­fent­licht: 12. 04. 2023

«Du bist ja schliesslich ein Mann»

I. B.* (64) aus dem Bistum St. Gallen steht mit beiden Beinen fest im Leben, bis er durch die Schei­dung in arge Schwie­rig­kei­ten gerät. Sein Lohn wird gepfän­det und er lebt jahre­lang am Exis­tenz­mi­ni­mum. Wie findet er aus der Krise heraus? 

In seinen guten Jahren hat I. B. Freu­de im Beruf. Er enga­giert sich in der Berg­ret­tung und bei der Feuer­wehr. In der Frei­zeit ist er viel in den Bergen unter­wegs, am liebs­ten in Klet­ter­aus­rüs­tung an einer Fels­wand. Nach priva­ten und finan­zi­el­len Proble­men folgt eine persön­li­che Grat­wan­de­rung, die viel von ihm abver­langt. Der Mann aus den Bergen ist in einfa­chen Verhält­nis­sen ober­halb der Nebel­gren­ze aufge­wach­sen. «Wir lebten sehr abge­schie­den. Wir hatten keinen Strom und einen langen Schul­weg. Aber wir hatten immer genug zu essen und wir erleb­ten dort oben eine gute Jugend­zeit», erin­nert er sich. Nach der Schu­le schliesst er eine Ausbil­dung auf dem Bau ab und arbei­tet über länge­re Zeit im Hoch­bau. Später nimmt er eine Saison­stel­le im Gast­ge­wer­be an und baut im Sommer jeweils Natur­stein­mau­ern. Zu dieser Zeit ist er auch Mitglied der alpi­nen Berg­ret­tung und im Kader der örtli­chen Feuer­wehr. Zudem chauf­fiert er als Mili­tär verschie­de­ne Bundes­rä­te und rang­ho­he Poli­ti­ker. «Das waren inter­es­san­te Begeg­nun­gen, die ich nicht missen möch­te», erzählt er weiter. Auch sein Privat­le­ben scheint stabil zu sein: Er ist verhei­ra­tet und Familienvater. 

Abwärts­spi­ra­le

Finan­zi­el­le und ande­re Proble­me, auf die er nicht weiter einge­hen möch­te, führen schliess­lich zur Schei­dung von seiner Ehefrau. Eine Laien­be­hör­de entschei­det, dass sein Lohn fort­an gepfän­det wird. «Nach der Schei­dung 1997 ging es abwärts. Ich muss­te nur noch zahlen und hatte selbst nichts mehr», beschreibt er seine dama­li­ge Situa­ti­on als geschie­de­ner Mann und Vater. Er leidet, erfüllt kaum mehr Pflich­ten und weicht Proble­men aus. Wenn er in seinem Umfeld nach Hilfe fragt, bekommt er etwa zur Antwort: «Du schaffst das schon, du bist ja schliess­lich ein Mann!» Der Kontakt zur Fami­lie bricht ab. Er verliert das Vertrau­en in Ämter, weil er sich ihnen ausge­lie­fert fühlt. Die Abwärts­spi­ra­le zieht ihn weiter nach unten. Das Gefühl, versagt zu haben, wird immer grös­ser. Bis zum Moment, an dem er allen Mut zusam­men­nimmt und beim Kirch­li­chen Sozi­al­dienst anklopft. «Ich dach­te, entwe­der gehst du jetzt zu dieser Tür rein oder du stürzt irgend­wo in den Bergen ab.»

Der Wende­punkt

Beim Kirch­li­chen Sozi­al­dienst bekommt I. B. die drin­gend nöti­ge Hilfe. Hier sei er endlich ernst genom­men worden und er habe sich verstan­den gefühlt. «Es ist kein Amt, die Atmo­sphä­re ist persön­li­cher, ange­neh­mer.» Die Sozi­al­ar­bei­te­rin unter­stützt ihn auf dem Weg zurück in ein gere­gel­tes Leben. «Sie hat mich zu den Ämtern beglei­tet und mir gehol­fen, wieder einen festen Wohn­sitz zu finden und meine Auswei­se zurück zu erlan­gen.» So einfach sei es aber nicht gewe­sen. Entschei­dend ist für ihn, dass er – nach langem Kampf – eine Berufs­bei­stän­din erhält. Seit­her regelt sie die Finan­zen und schreibt alle Behör­den­brie­fe für ihn. «Das ist eine enor­me Entlas­tung für mich», sagt er dank­bar. «Ich habe zwar ein siche­res Auftre­ten und kann gut Leute führen, aber gewis­se Sachen kann ich einfach nicht.» Die Beistän­din steht ihm zur Seite und führt die Korre­spon­denz mit verschie­de­nen Ämtern. Sie kann bewir­ken, dass ihm nebst seinen beschei­de­nen Erwerbs­ein­nah­men ein verläss­li­ches Grund­ein­kom­men zusteht. Eine IV-Rente erhält I. B. aufgrund einer Diagno­se, die nach seinem Schlag­an­fall zufäl­lig entdeckt wird. I. B. hat sich erstaun­lich gut von diesem Vorfall erholt und kann mit Medi­ka­men­ten gut damit leben. 

Gute Gesund­heit

Heute geht I. B. einem gere­gel­ten Alltag nach und steht auch finan­zi­ell wieder auf eige­nen Beinen. Er lebt in einer Wohn­ge­mein­schaft in einem Bauern­haus und kümmert sich um leich­te Arbei­ten auf dem Hof und im Haus. Er fühlt sich nach wie vor stark zu den Bergen und zur Natur hinge­zo­gen. Ab und zu besucht er einen Freund auf seiner Alphüt­te und geniesst dort oben das Berg­pan­ora­ma. Wenn er zurück­schaut auf die schwie­ri­ge Zeit, empfin­det er tiefe Dank­bar­keit für die Hilfe, die er bekom­men hat. Für die Zukunft wünscht er sich gute Gesund­heit und dass er immer ein biss­chen etwas zu arbei­ten hat. «Und viel­leicht gehe ich auch wieder einmal auf eine einfa­che Klet­ter­rou­te», fügt er schmun­zelnd an. 

*Der Name ist der Redak­ti­on bekannt. Auf Rück­sicht gegen­über der Privat­sphä­re wird auf persön­li­che Anga­ben verzichtet.

Text: Katja Hongler 

Bild: Ana Kontoulis

Ein Café wird zum Haus für alle

In einem ehema­li­gen Watt­wi­ler Café haben die katho­li­sche und die evangelisch-­reformierte Kirche vor knapp einem Jahr einen inno­va­ti­ven Begeg­nungs­ort eröff­net. «Der b’treff füllt eine Nische», sagt Marlis Kauf­mann, die Präsi­den­tin der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de ­Watt­wil, «er bringt verschie­de­ne sozia­le Ange­bo­te zusam­men. So können wir und ande­re ­Betei­lig­te Menschen noch viel besser helfen.»

Im ersten Stock findet an diesem Montag­mor­gen gera­de Deutsch­un­ter­richt (siehe Titel­bild) statt, im Erdge­schoss bespricht eine Hand­voll Frei­wil­li­ge ihren nächs­ten Einsatz­plan und sich­tet die Spie­le, die für die Café-Gäste zur Verfü­gung stehen. «Als Kirch­ge­mein­de helfen wir vor Ort Menschen ganz konkret», sagt Marlis Kauf­mann, Präsi­den­tin der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Watt­wil. Seit knapp einem Jahr ist der b’treff in Betrieb. Initi­iert wurde er von der evangelisch-reformierten Kirch­ge­mein­de und der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de. «Es war ein gros­ses Glück, dass dieses Haus gefun­den werden konn­te», so Marlis Kauf­mann. Das ehema­li­ge Café, zentral gele­gen in der Nähe von Bahn­hof Watt­wil und Manor, sei schon eini­ge Zeit leer gestan­den. «Das Gebäu­de hat verschie­de­ne Räum­lich­kei­ten, verteilt auf drei Etagen. So ist es möglich, mehre­re Ange­bo­te gleich­zei­tig durch­zu­füh­ren.» Das Herz des Hauses ist der Café-Bereich im Erdge­schoss. Es wurden nur weni­ge bauli­che Anpas­sun­gen vorge­nom­men, der Café-Charme blieb erhal­ten. Im Sommer stehen sogar Sitz­plät­ze draus­sen auf der Terras­se zur Verfü­gung. Selbst die ehema­li­ge Verkaufs­the­ke wurde umfunk­tio­niert: hier stehen zahl­rei­che «Second-Hand»-Gegenstände zum Mitneh­men bereit – kosten­los oder gegen eine klei­ne Spende.

Geschirr, Deko­ma­te­ri­al und ande­res kann gratis oder gegen eine klei­ne Spen­de mitge­nom­men werden.

Betrof­fe­nen besser helfen

Mittags­tisch, Lebens­mit­tel­ab­ga­be, Sozial- und Schul­den­be­ra­tung, Deutsch­kurs oder einfach nur bei einer Tasse Kaffee über Freu­den und Nöte spre­chen oder zusam­men mit ande­ren lismen – im b’treff Watt­wil haben viele verschie­de­ne Ange­bo­te ein neues Zuhau­se gefun­den. Sven Keller, Sozi­al­ar­bei­ter der katho­li­schen Seel­sor­ge­ein­heit Neutog­gen­burg, und Remo Schwei­zer, Diakon der evangelisch-reformierten Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg, teilen sich die Leitung des b’treffs. «Uns ging es primär nicht darum, mit dem b’treff sofort eine Palet­te an neuen Ange­bo­ten zu lancie­ren. Viel­mehr ist es die Idee, dass der neue Begeg­nungs­ort eine Vernet­zung zwischen den bestehen­den Ange­bo­ten ermög­licht», sagt Sven Keller. «Viele der Ange­bo­te waren bisher an unter­schied­li­chen Stand­or­ten behei­ma­tet, jetzt ist alles am glei­chen Ort. Die Chan­ce dabei ist, dass Betrof­fe­ne schnel­ler einen Über­blick bekom­men. Sie sehen, was es alles gibt. Alles ist viel nieder­schwel­li­ger zugäng­lich. Aber auch die Frei­wil­li­gen, die sich bei uns enga­gie­ren, wissen besser Bescheid und können Betrof­fe­nen zeigen, welche Unter­stüt­zungs­mög­lich­kei­ten es gibt.»

Marlis Kauf­mann, Präsi­den­tin der katho­li­schen Kirch­ge­mein­de Watt­wil: «Der b’treff füllt eine Nische.»

Mitein­an­der lismen

Die Verant­wort­li­chen sind mit der bishe­ri­gen Reso­nanz zufrie­den. «Dank dem b’treff konn­te ich neue Kontak­te knüp­fen», zitiert Sven Keller die Rück­mel­dung eines b’treff-Besuchers. Die Dienst­leis­tun­gen werden genutzt von Armuts­be­trof­fe­nen, Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, aber auch von Pensio­nier­ten. «Unter den Gästen sind auch viele Allein­ste­hen­de», weiss Marlis Kauf­mann, «oft tun sie sich zu klei­nen Grüpp­chen zusam­men und kommen gemein­sam zu uns.» Auch eine Lisme-Gruppe, die sich früher im Pfar­rei­zen­trum traf, habe im b’treff ein neues Zuhau­se gefun­den. Als ein High­light erwähnt Sven Keller die Weih­nachts­fei­er, bei der sich 35 Perso­nen zum Raclette trafen. 50 bis 60 Perso­nen nutzen die Lebens­mit­tel­ab­ga­be, zum Mittags­tisch kommen etwa fünf­zehn. «Aber es braucht sicher noch etwas Zeit, dass sich unser Ange­bot herum­spricht.» Hinter den Ange­bo­ten im b’treff stehen verschie­de­ne kirch­li­che und nicht­kirch­li­che Organsia­tio­nen wie Cari­tas, Heks oder die Lebens­mit­tel­ab­ga­be «Tisch­lein deck dich». «Jede Orga­ni­sa­ti­on hat eine eige­ne Struk­tur und ande­re Bedürf­nis­se», sagt Sven Keller. Er bezeich­net es als alles ande­re als selbst­ver­ständ­lich, dass das Mitein­an­der der betei­lig­ten Orga­ni­sa­tio­nen im Haus so gut ange­lau­fen ist.

«Als Kirch­ge­mein­de helfen wir vor Ort Menschen ganz konkret.»

Marlis Kauf­mann

Ökume­ne intensivieren

«Uns war es wich­tig einen Ort zu schaf­fen, der für alle offen ist, unab­hän­gig von ihrem reli­giö­sen oder kultu­rel­len Hinter­grund», erklärt Brigit­te Horn. Sie ist in der katho­li­schen Kirchen­ver­wal­tung für die Ressorts Ökume­ne, Reli­gi­on und Kate­che­se zustän­dig, «Der Begeg­nungs­ort soll­te nicht abseits, sondern inmit­ten des Gesche­hens zu finden sein.» Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg und die allge­mei­ne Teue­rung haben die Zahl der Armuts­be­trof­fe­nen in der Schweiz erhöht. «Als wir das Konzept für den b’treff entwi­ckelt haben, war das alles noch weit weg», so Brigit­te Horn, «aber auch unab­hän­gig von der neuen Entwick­lung war die Not in der Gesell­schaft schon gross genug.» Zu Beginn erar­bei­te­ten fünf Studie­ren­de der Fach­hoch­schu­le Ost als Praxis­pro­jekt eine Mach­bar­keits­stu­die. «Diese Arbeit brach­te klar zum Ausdruck, dass ein Ange­bot wie der b’treff in Watt­wil und Umge­bung fehlt», so Sven Keller. Die katho­li­sche Kirch­ge­mein­de entschied sich schnell für eine Mitwir­kung. «Wir sahen in diesem Projekt von Anfang an auch eine Chan­ce, die ökume­ni­sche Zusam­men­ar­beit auszu­bau­en und die Mittel effi­zi­en­ter einzusetzen.»

Sven Keller (links) und Remo Schwei­zer leiten den b’treff gemeinsam.

Von Frei­wil­li­gen getragen

«Ohne frei­wil­li­ges Enga­ge­ment wäre unser b’treff nicht denk­bar», sagt Sven Keller. Die beiden Co-Stellenleiter sind jeweils zehn Prozent ange­stellt. Es sei erfreu­lich, wie viele sich von Anfang an für eine frei­wil­li­ge Mitar­beit zur Verfü­gung gestellt haben. «Die Mitwir­kung der Frei­wil­li­gen ist sehr posi­tiv ange­lau­fen. Mein refor­mier­ter Kolle­ge Remo verfügt über ein gros­ses Netz­werk», so Keller. Rund sech­zig Frei­wil­li­ge sind im b’treff aktiv. Viele von ihnen hätten einen kirch­li­chen Bezug. Neben Pensio­nier­ten seien auch erstaun­lich viele dabei, die im Berufs­le­ben stehen.

«Wir sahen in diesem Projekt von Anfang an auch eine Chan­ce, die ökume­ni­sche Zusam­men­ar­beit auszu­bau­en und die Mittel effi­zi­en­ter einzusetzen.»

Sven Keller

Gemein­de Lich­ten­steig als Partnerin

Der b’treff Watt­wil wird von den Katho­li­schen Kirch­ge­mein­den Watt­wil und Lich­ten­steig, der Evangelisch-reformierten Kirch­ge­mein­de Mitt­le­res Toggen­burg sowie der Cari­tas St. Gallen-Appenzell getra­gen. Ein gros­ser Teil der Betriebs­kos­ten sowie die Perso­nal­kos­ten werden durch Kirchen­steu­ern finan­ziert. Als Gönner und Spon­so­ren sind die Gemein­de Lich­ten­steig, die Stif­tung Fondia, die Inte­gra­ti­ons­för­de­rung des Kantons St. Gallen sowie der EVDA (Evang.-ref. Verein für diako­ni­sche Aufga­ben) mit im Boot.

Seit Febru­ar 2023 gibt es im b’treff auch eine Kleiderabgabe. 

Vorerst bis 2025

Ist der b’treff auch eine Chan­ce, um Menschen zu errei­chen, die sonst Berüh­rungs­ängs­te mit Kirche haben? «Das katho­li­sche Pfar­rei­zen­trum war auch bisher ein Ort, der für alle offen stand und in dem die unter­schied­lichs­ten Ange­bo­te und Ziel­grup­pen will­kom­men sind», sagt Brigit­te Horn. Aber mit dem b’treff sei die Diako­nie der Kirchen noch etwas deut­li­cher sicht­bar. Das Projekt ist vorerst bis 2025 gesi­chert – bis dann läuft der Miet­ver­trag. Dann werde – so der Plan – das Haus für einen Neubau abge­ris­sen. «Dann werden wir das Projekt evalu­ie­ren und über­le­gen, ob und wie es weiter­ge­führt werden kann», so Marlis Kauf­mann. «Entschei­dend wird sein, ob wir mit unse­rem Ange­bot den Menschen helfen können. Auch stehen wir dann vor der Heraus­for­de­rung, geeig­ne­te Räum­lich­kei­ten zu finden, die zudem auch noch finan­zier­bar sind.»

Bis es soweit ist, hat Sven Keller noch eine Menge vor. Seit Febru­ar gibt es neu eine Klei­der­ab­ga­be. Aus der Sicht des Sozi­al­ar­bei­ters gibt es durch­aus Poten­zi­al für mehr: «In unse­ren Räum­lich­kei­ten sollen even­tu­ell auch Kunst­aus­stel­lun­gen ange­bo­ten werden mit Werken, die in Mal- oder Gestal­tungs­the­ra­pien entstan­den sind. Zudem kann ich mir ganz alltags­prak­ti­sche Work­shops zu Haus­halts­the­men vorstel­len wie zum Beispiel: wie kann ich Heiz­kos­ten sparen?» Denk­bar sei auch ein Repair-Café. So könne die Grund­idee ganz konse­quent umge­setzt werden: der b’treff als Begeg­nungs­ort für alle.

Website b’treff Wattwil

Text: Stephan Sigg

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 21. Febru­ar 2023

Mehre­re b’treffs

Neben dem b’treff in Watt­wil gibt es auch b’treffs in Ebnat-Kappel, Bütschwil und Flawil. Sie haben unter­schied­li­che Konzep­te und Finan­zie­rungs­mo­del­le, doch bei allen sind die Kirch­ge­mein­den mitbe­tei­ligt. Zudem werden alle b’treffs mass­geb­lich durch das Enga­ge­ment Frei­wil­li­ger ermöglicht.

Leserfrage: Warum braucht es den kirchlichen Sozialdienst?

Sabi­ne F. betritt das Büro des kirch­li­chen Sozi­al­diens­tes (KSD) der Seel­sor­ge­ein­heit Werden­berg. Ihr Mann ist kürz­lich an Krebs gestor­ben, nach­dem die 53-Jährige ihn drei Jahre gepflegt hatte.

Das Paar lebte von seinem Einkom­men, zuletzt von Kran­ken­tag­gel­dern und Erspar­nis­sen. Zeit für Freund­schaf­ten gab es kaum und die fami­liä­ren Kontak­te waren spannungs­geladen. Nun ist sie mit der Admi­nis­tra­ti­on über­for­dert, aktu­ell hat sie wenig Geld, sein Konto ist gesperrt. Sabi­ne F. sehnt sich nach Ruhe, Trost und Sicher­heit. Der Seel­sor­ger über­weist sie an den KSD.

Zusatz­ein­kom­men nötig

Hier verschaf­fen wir uns gemein­sam einen Über­blick. Wir klären Fragen bezüg­lich des Nach­lass­in­ven­tars und der Witwen­ren­te, erhal­ten vom Pfarr­amt finan­zi­el­le Hilfe, um eine Miete zu bezah­len und erstel­len Budgets für verschie­de­ne Zukunfts­sze­na­ri­en. Daraus wird ersicht­lich, dass Sabi­ne F. ein Zusatz­ein­kom­men benö­ti­gen wird. Immer wieder nehmen wir uns Zeit für die wider­sprüch­li­che Gefühls­welt von Sabi­ne F., für ihre biogra­phi­schen Rück­bli­cke und Zukunfts­fra­gen. Nach eini­gen Mona­ten sind die Finan­zen gesi­chert. Sabi­ne F. besucht regel­mäs­sig einen Trau­er­treff und kann sich bei Bewer­bungs­ge­sprä­chen vorstel­len. Sie fühlt sich nun siche­rer und ist zuver­sicht­lich, den weite­ren Weg selbst­stän­dig zu bewältigen.

Scham und Angst

Wenn sich Menschen mit persön­li­chen, fami­liä­ren oder finan­zi­el­len Proble­men an die Kirche wenden, braucht es sowohl seel­sor­ger­li­che Beglei­tung und finan­zi­el­le Unter­stüt­zung als auch sozi­al­ar­bei­te­ri­sches Fach­wis­sen. Denn obwohl unser Sozi­al­sys­tem grund­sätz­lich gut ist, fallen Menschen durch die Maschen. Und nicht weni­gen fällt es schwer, sich im Sozi­al­sys­tem zurecht­zu­fin­den. Auf welche Leis­tun­gen habe ich Anspruch? An wen kann ich mich wenden? Hinzu kommen Scham und Angst vor Behör­den. Für manche Klien­ten und Klien­tin­nen ist es darum einfa­cher, mit einem KSD Kontakt aufzu­neh­men. Hier ist es möglich, flexi­bel und schnell zu reagie­ren sowie genü­gend Zeit zu haben für umfas­sen­de Bera­tun­gen. Dank lösungs­ori­en­tier­ter Zusam­men­ar­beit ist ein KSD oft ein Brücken­bau­er zu den staat­li­chen Stellen.

Vor allem für Working Poor

Mit der Grün­dung eines KSD veran­kert die Seel­sor­ge­ein­heit ihr sozia­les Enga­ge­ment auch struk­tu­rell. Dabei muss sie stra­te­gi­sche Entschei­dun­gen fällen: Welche Bedürf­nis­se bestehen vor Ort, welche Ange­bo­te gibt es bereits und welche Leis­tun­gen und Projek­te soll der KSD erbrin­gen. In der Regi­on Werden­berg erhal­ten vor allem Working Poor (d. h. Menschen, deren Lohn kaum zum Leben reicht) finan­zi­el­le Unter­stüt­zung. Zudem hat der kirch­li­che Sozi­al­dienst Werden­berg etwa eine Lebens­mit­tel­ab­ga­be­stel­le eröff­net, eine Diako­nie­wo­che orga­ni­siert sowie Compu­ter­kur­se für Menschen mit klei­nem Budget ange­bo­ten. Dies wurde nur möglich dank einer inten­si­ven Zusam­men­ar­beit mit dem Pasto­ral­team, den Sozi­al­fach­stel­len vor Ort und vielen Freiwilligen.

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Text: Snje­z­a­na Gajski, Sozi­al­ar­bei­te­rin, KSD Werden­berg, Cari­tas St. Gallen-Appenzell

Veröf­fent­li­chung: 15.2.2023

Diplomat und Zuhörer

Vor über 30 Jahren zog Peter Burk­hard von St. Gallen nach Ebnat-Kappel. Die «tief verwur­zel­ten» Tradi­tio­nen im Toggen­burg faszi­nie­ren den neuen höchs­ten St. Galler Katho­li­ken bis ­heute. Er wünscht sich eine libe­ra­le­re Kirche.

Was es bedeu­tet, wenn eine Dorf­ge­mein­schaft eine einzel­ne Person oder eine Fami­lie mitträgt und wie viele Tradi­tio­nen ein Kirchen­le­ben mit sich bringt, das gepflegt wird: Peter Burk­hard, neuer höchs­ter St. Galler Katho­lik, erzählt, wie er vor vielen Jahren durch seine Frau der Kirche näher kam. Bis dahin hatte er zwar die katho­li­sche Sekun­dar­schu­le flade in St. Gallen und vor allem an Weih­nach­ten und Ostern die Gottes­diens­te besucht. «Ansons­ten nahm ich aber nicht gross am kirch­li­chen Leben teil», sagt der neue Parla­ments­prä­si­dent des katho­li­schen Konfes­si­ons­teils des Kantons St. Gallen. Das Amt wird er bis Ende Novem­ber 2024 inne­ha­ben. Durch seine Frau, eine Walli­se­rin, änder­te sich seine Bezie­hung zur Kirche. «Als ich meine Frau als junger Mann in ihrem Heimat­dorf im Lötschen­tal besuch­te, war gera­de der Pfar­rer gestor­ben und ich wurde in die Toten­wa­che einge­teilt. Es war die Aufga­be des ganzen Dorfes, mehre­re Tage neben dem Leich­nam zu wachen», sagt er. «Auf diese Weise kommst du auto­ma­tisch ins Kirchen­le­ben rein und wirst Teil davon.»

Peter Burk­hard aus Ebnat-Kappel arbei­tet als Unter­neh­mens­be­ra­ter bei der Würth Finan­cial Services AG in Rorschach. Aufge­wach­sen ist der neue Parla­ments­prä­si­dent des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils in St. Gallen.

Ans Dorf­le­ben anschliessen

Seit über 30 Jahren lebt Peter Burk­hard, der in der Stadt St. Gallen aufge­wach­sen ist, mit seiner Fami­lie nun schon in Ebnat-Kappel. Und wie im Wallis sind es auch im Toggen­burg die «tief verwur­zel­ten Tradi­tio­nen» und die Kultur, die ihn faszi­nie­ren und vor denen er gros­sen Respekt hat. Als Beispiel nennt der 59-Jährige das «Einschel­len», die Vieh­schau­en oder den Toggen­bur­ger Natur­jo­del. Es sei ein wunder­ba­res und viel­fäl­ti­ges Tal und durch den Umzug nach Ebnat-Kappel als junge Fami­lie – die Kinder waren damals fünf und drei Jahre, das Jüngs­te kam im Toggen­burg zur Welt – sei auch der Anschluss ans Dorf­le­ben nicht schwer gefal­len. Nach Ebnat-Kappel zu ziehen, dafür hatte sich Peter Burk­hard wegen seines Beru­fes entschie­den. Bei seinem dama­li­gen Arbeit­ge­ber, der Winter­thur Versi­che­run­gen, wurde ein neuer Innen­dienst­lei­ter für die Gene­ral­agen­tur Watt­wil gesucht. «Ich woll­te den Job und so zogen wir um», sagt er.

Das Gegen­über einschätzen

In Ebnat-Kappel war Peter Burk­hard ab dem Jahr 2000 während 18 Jahren in der Kirchen­ver­wal­tung – für das Amt wurde er ange­fragt. Seit 2007 poli­ti­siert er zudem im Kolle­gi­um, dem Parla­ment des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils des Kantons St. Gallen. «Ich fand damals, dass unse­re Kirchen­ver­wal­tung eine Verbin­dung ins Parla­ment haben soll­te, da es immer von gegen­sei­ti­gem Vorteil ist, wenn man die Perso­nen hinter den Verwal­tun­gen kennt», sagt er über seine Moti­va­ti­on, sich ins Kolle­gi­um wählen zu lassen. Sich selbst beschreibt Peter Burk­hard als Zuhö­rer, Realist und Diplo­mat. Ihm sei es wich­tig, sein Gegen­über einschät­zen zu können und dessen Meinung zu kennen. In seinen zwei Jahren als Präsi­dent wird er vier Kolle­gi­ums­sit­zun­gen leiten und dabei die Eröff­nungs­re­den halten. «Die Kirche kann ich in diesem Amt nicht verän­dern. Aber ich kann in den Reden meine Gedan­ken kund­tun. Ich bin höchst libe­ral. Meiner Meinung nach wäre es Zeit für das Frau­en­pries­ter­tum und die Aufhe­bung des Zöli­bats», sagt er.

Text: Nina Rudnicki

Bild: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 10.2.2023

Eine familiäre Hochschule

Der St. Galler Lukas Gemein­der (27) arbei­te­te bisher im Kauf­män­ni­schen Bereich und s­uchte ­einen Beruf, der ihn mehr erfüllt. Jetzt studiert er an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur. Wie er haben viele der Studie­ren­den vor dem Theo­lo­gie­stu­di­um in ande­ren Beru­fen gearbeitet.

«Ich enga­gie­re mich schon seit länge­rem frei­wil­lig in der Kirche», erzählt Lukas Gemein­der (27) aus St. Gallen, «dabei habe ich immer mehr gespürt, dass mich diese Arbeit mehr erfüllt als meine beruf­li­che Tätig­keit im Kauf­män­ni­schen. Zudem habe ich in den letz­ten Jahren wieder stär­ker zum Glau­ben zurück­ge­fun­den und mich schliess­lich für das Theo­lo­gie­stu­di­um entschie­den mit dem kirch­li­chen Dienst als Ziel.» Das Studi­um gefal­le ihm: «Die unter­schied­li­chen Fächer wie etwa Musik, Liturgie-Wissenschaft, Kirchen­ge­schich­te und Spra­chen machen das Studi­um sehr span­nend und viel­sei­tig. Dank des brei­ten Spek­trums kann man persön­li­che Stär­ken und Schwä­chen in einzel­nen Fächern gut kompen­sie­ren. Auch wenn es manch­mal sehr theo­re­tisch ist, wird immer auch ein prak­ti­scher Bezug hergestellt.»

Lukas Gemein­der (rechts) in der Kaffee-Pause mit ande­ren Studie­ren­den aus dem Bistum St.Gallen.

Umfeld reagiert erstaunt

Einer der Studie­ren­den aus dem Bistum St. Gallen ist auch Simon Sigg (32), Reli­gi­ons­päd­ago­ge und Jugend­seel­sor­ger in Gossau. Er absol­viert ein berufs­be­glei­ten­des Studi­um im bischöf­li­chen Studi­en­pro­gramm. «Mein Umfeld reagiert manch­mal ein biss­chen erstaunt, dass ich als junger Mensch Theo­lo­gie studie­re und ich spüre auch eine gewis­se Span­nung in Bezug auf die Kirche», sagt er. «Auch wenn mich die Skan­da­le oder die vielen Kirchen­aus­trit­te trau­rig und nach­denk­lich stim­men, denke ich, dass die Kirche eine Zukunft hat.» Ihn moti­vie­re die Arbeit mit Jugend­li­chen. «Ich spüre eine Offen­heit gegen­über Reli­gi­on und auch ein Bedürf­nis nach Spiri­tua­li­tät. Ich bin über­zeugt von der frohen Botschaft der Kirche und möch­te diese weiter­tra­gen.» Mit Anfang 30 verspür­te er die Moti­va­ti­on, sich persön­lich vermehrt mit exis­ten­zi­el­len und philo­so­phi­schen Fragen ausein­an­der­zu­set­zen und den Glau­ben zu hinter­fra­gen und zu begrün­den. «Ich arbei­te schon seit eini­gen Jahren in der Pfar­rei­seel­sor­ge und woll­te mein Wissen erwei­tern und vertie­fen.» Für Chur hat er sich entschie­den, weil die Hoch­schu­le dort klein und fami­li­är sei. «Man kennt sich persön­lich, isst und disku­tiert zusam­men am Mittags­tisch. Ich habe bereits Reli­gi­ons­päd­ago­gik studiert und zwar in Luzern. Ich woll­te noch eine ande­re Hoch­schu­le kennen lernen und entschied mich auch deshalb für Chur.»

Viele der Studie­ren­den an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur kommen aus den Kanto­nen Grau­bün­den, St. Gallen und Zürich.

50 bis 60 Studierende

«Das gros­se Plus der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur ist die Nähe von Hoch­schu­le und Semi­nar», hält René Scha­ber­ger, Rekto­rat­s­as­sis­tent an der Hoch­schu­le, fest. «Es wird nicht nur Theo­lo­gie gelehrt, sondern wir ermög­li­chen den Studie­ren­den auch eine ganz­heit­li­che Persön­lich­keits­bil­dung.» Auch bezeich­net René Scha­ber­ger die gute Betreu­ung der Studie­ren­den als einen Mehr­wert. «Wir können auch indi­vi­du­el­le Studi­en­pro­gram­me anbie­ten für Studie­ren­de, die berufs­tä­tig sind.» Etwa fünf­zig bis sech­zig Perso­nen studie­ren an der Theo­lo­gi­schen Hoch­schu­le Chur. Diese Zahl sei seit Jahren stabil. «Heute begin­nen die wenigs­ten direkt nach der Matu­ra mit dem Theo­lo­gie­stu­di­um. Die meis­ten haben schon eine Berufs­aus­bil­dung absol­viert und zum Teil auch mehre­re Jahre im Beruf gear­bei­tet.» Viele der Studie­ren­den kommen laut René Scha­ber­ger aus den Kanto­nen Grau­bün­den, St. Gallen und Zürich. Es gebe auch verein­zel­te Gast­hö­rer im Renten­al­ter, die die eine oder ande­re Vorle­sung besuchen.

Text: Katja Hongler

Bild: zVg.

Veröf­fent­licht: 31.01.2023

Online-­Infoveranstaltungen

Inter­es­sier­te erhal­ten bei den Online-­Informationsveranstaltungen am 13. und 21. Febru­ar, jeweils 19.30 Uhr, kompakt die wich­tigs­ten Infor­ma­tio­nen zum ­Studi­um der Theo­lo­gie an der TH Chur sowie einen Einblick in die Insti­tu­ti­on. Es werden auch Fragen beantwortet.

→ Anmel­dung: www.thchur.ch/info

An jenem Abend vor 22 Jahren

Was hält Paare zusam­men? Wieso tren­nen sie sich? Und wie schafft man es, dass ­Alltäg­li­ches seinen Zauber behält? Das Projekt paargeschichten.ch sammelt Erzäh­lun­gen von Paaren. 

Meine Momo

«Wenn Momo zuhör­te, blüh­te die Fanta­sie der Erzäh­len­den auf wie eine Früh­lings­wie­se. Die Gedan­ken, die bisher zu Fuss gegan­gen sind, beka­men plötz­lich Flügel», heisst es im gleich­na­mi­gen Buch von Micha­el Ende. Ich habe das Privi­leg, Momo bei mir zu Hause zu haben: Sie schlum­mert zwischen zwei Buch­de­ckeln, bis ich sie zum Leben erwe­cke; oder sitzt mir am Küchen­tisch gegen­über. Meine Momo ist meine Frau. Wenn ich ihr eine vage Idee erzäh­le, entwi­ckelt sich diese wie von selbst weiter, allein durch ihre Art des Zuhö­rens. Sie ergänzt einen Gedan­ken, trifft mit einer Frage ins Schwar­ze oder hört einfach zu, mit den Augen.

Dort, in Rapperswil

Zwan­zig Jahre, nach­dem er sich von mir getrennt hat, ruft er an – nach zwan­zig Jahren tota­ler Funk­stil­le ruft er einfach unver­mit­telt an. Er sagt, dass er keine Angst vor der Angst mehr habe und dass er daher diesen Anruf gewagt habe. Ich falle, wie man sagt, aus allen Wolken, freue mich sehr. Und wir machen ein Tref­fen ab. In Rappers­wil. Dort gehen wir dann zusam­men über den Seesteg. Er erzählt mir, dass er einen Herz­in­farkt hatte. Und dass dieser ihn gelehrt habe, mehr auf sein Herz zu hören. Er wolle lernen zu lieben. Nach zwei­hun­dert Metern auf dem Seesteg sind wir wieder total verliebt.

Leiden­schaft statt Partnerschaft

Genies­se ich Spar­geln, tunke ich das Köpf­chen in die Sauce, sauge es aus – den Rest werfe ich weg. Es könn­te bitter sein, holzig oder schlecht geschält. Und genau­so halte ich es mit der Paar­be­zie­hung: Endlos spie­le ich den Akt des Sich-Verliebens, endlos beschäf­ti­ge ich mich mit Ouver­tü­ren, mit dem ersten Blick, der ersten Berüh­rung, dem ersten Kuss, der ersten Verei­ni­gung. Wird es aber ernst und kommen Paarbeziehungs-Gefühle auf, habe ich Angst, es könn­te, wie die Spar­geln, bitter werden, holzig. Und ich breche ab. Auf der einen Seite, ja, sehne ich mich so sehr nach Zwei­sam­keit, auf der ande­ren Seite gera­te ich dermas­sen in Panik, sie in einer Part­ner­schaft zu fixie­ren – zu mono­ga­mi­sie­ren, alles auf eine Karte zu setzen. Wieso kapi­tu­lie­re ich vor der Paar­be­zie­hung, wo ich doch den Gross­teil meines Lebens in genau dieser Form von Bezie­hung gelebt habe? Oder ist es umge­kehrt? Habe ich für mich gemerkt, dass die Paar­be­zie­hung selber die Kapi­tu­la­ti­on ist? Die Kapi­tu­la­ti­on vor der Leiden­schaft, vor dem ewig Neuen?

Die Bett­fla­sche

In den drei­zehn Jahren, in denen ich Flora kenne, gab es viel­leicht fünf Aben­de, an denen ich vor ihr ins Bett gegan­gen bin. Sie geht früh ins Bett, manch­mal schon vor 21 Uhr. Sie liebt ihr Bett. Und wenn sie einmal drin ist, ist sie die Köni­gin. Doch wenn ich spät von der Arbeit komme, Zeit mit ihr verbrin­gen will, ist Flora schon auf dem Rück­zug. Dieser allabend­li­che Moment der Tren­nung fühl­te sich für mich viele Jahre lang wie eine Nieder­la­ge an. Auch Flora litt unter meiner Enttäu­schung. Bis zu dem Tag, viel­leicht vor fünf Jahren, als Flora mich bat, ihr eine Bett­fla­sche zu machen. Ich erhitz­te sie – und brach­te sie ihr ins Zimmer. Anfangs moch­te ich das nicht unbe­dingt. Doch indem sie mich fragt, ob ich ihr die Bett­fla­sche mache, teilt sie mir mit, habe ich mit der Zeit verstan­den, dass sie ins Bett geht. Und seit ich das verstan­den habe, tue ich das fast jeden Abend für sie. Es ist zu unse­rem gemein­sa­men Ritu­al des Zubett­ge­hens gewor­den. Ich brin­ge die Wärme­fla­sche herein und lege mich zu Flora, plau­de­re mit ihr und lasse den Tag gemein­sam mit ihr ausklin­gen. In manchen Näch­ten muss ich ihr manch­mal, wenn ich mit der Bett­fla­sche ins Schlaf­zim­mer komme, ihren Kopf frei­le­gen, um sie küssen zu können, so fest ist sie in ihre Decke einge­wi­ckelt. In diesen Näch­ten grum­melt sie nur; kein «Gute Nacht», kein Kuss, keine Aufmerk­sam­keit. Aber ich weiss selbst dann, dass wir zusam­men sind. Anspruchs­los und wohlig verlas­se ich das Schlaf­zim­mer. Wenn mich Flora fragt, ob ich ihr ihre Bett­fla­sche gemacht habe, fragt sie mich: «Teilen wir diesen Abend?» Sie fragt mich auch: «Gefällt es dir, dein Leben mit mir zu verbrin­gen?» Und: «Weisst du, wie froh ich bin, dass du hier bist?» Ja, habe ich, Flora. Ja, das tun wir. Ja, sehr. «Ja, ich weiss.»

Der Besser­wis­ser

Bei jeder Gele­gen­heit zück­te er sein Handy, um zu googeln, ob nun Selma oder er recht hatte. Immer schon hat sie das genervt. Doch dann kam: Sizi­li­en. Sie hatten eine Feri­en­woh­nung in einem klei­nen mittel­al­ter­li­chen Städt­chen und sassen auf der Piaz­za beim Nacht­es­sen, gleich gegen­über einer Kirche. Über der Eingangs­tür stand in tief­ro­ten Lettern «Chie­sa del Purga­to­rio» – und Willy frag­te sie, was wohl «Purga­to­rio» bedeu­te. Ohne zu über­le­gen, sagte sie es ihm: «Fege­feu­er!» Wieso sie das nun wieder wisse, sagt er, und: «Wenn du solche Sachen weisst, ist es klar, dass bei dir dafür ande­re Hirn­area­le unter­ent­wi­ckelt sind!» Sie woll­te etwas entgeg­nen, konn­te aber nicht, es ging nicht mehr, wort­los stand sie auf, warf die Servi­et­te auf den halb leer­ge­ges­se­nen Teller mit dem Riso ai Frut­ti di Mare, ging in die Feri­en­woh­nung zurück, pack­te ihren Koffer und fuhr zum Flug­ha­fen. Zuhau­se lösch­te sie seine fünf­zehn Anru­fe in Abwe­sen­heit und acht­zehn SMS. Und blockier­te seine Nummer.

Vor dem Velokurierladen

Ein paar Tage nach­dem ich von einer langen Pilger­rei­se nach Sant­ia­go zurück­kam, stand ich in meinem Velo­ku­rier­ge­schäft, als zwei Frau­en herein­ka­men. Sie frag­ten mich, ob sie ihre Velo­rei­fen pumpen könn­ten. Und so kamen sie ins ­Gespräch mit mir und den ande­ren Velo­ku­rier­fah­re­rin­nen und ‑fahrern, die noch im Laden herum­stan­den oder am Ende ihrer Schicht etwas zusam­men trin­ken woll­ten. Wir hatten eine gute Zeit, und als sich die munte­re Gesell­schaft aufzu­lö­sen begann, war es Abend gewor­den. Meine Geschäfts­part­ner, die eine Frau und ich blie­ben etwas länger. Als wir die Tür abschlos­sen, kam er, dieser eine Moment, der mein Leben verän­dern soll­te: Mein Heim­weg führ­te mich in diesel­be Rich­tung, die auch mein Geschäfts­part­ner einschlug. Doch der Weg der Frau ging in die entge­gen­ge­setz­te Rich­tung. Ich stand unent­schlos­sen da. Die Frau auch. Mein Geschäfts­part­ner rief: «Kommst du …?» Ich aber beweg­te mich nicht. Bis sie schliess­lich zu mir sagte: «Küss mich, aber rich­tig!» Und so habe ich sie geküsst, an jenem Abend vor 22 Jahren. Heute sind wir Eltern von drei Kindern.

Texte: paargeschichten.ch

Illus­tra­tio­nen: Lea Neuenschwander

Veröf­fent­licht: 25.01.2023

Auch mal einen Besen in die Hand nehmen

Bischof Markus Büchel hat am 26. Novem­ber den Kapu­zi­ner Kletus Hutter (51) zum ­Pries­ter geweiht. Der aus Kries­sern stam­men­de Ordens­mann will ein boden­stän­di­ges Pries­ter­bild verkörpern.

Die Kapu­zi­ner­kir­che in Rappers­wil ist voll­be­setzt. Auf den Stüh­len sitzen nicht nur Wegge­fähr­ten von Bruder Kletus Hutter, sondern auch viele Menschen, die ihn im Klos­ter Rappers­wil als «Bruder auf Zeit» kennen gelernt haben. Bischof Markus Büchel ist bester Laune, als er an diesem sonni­gen Vormit­tag die Fest­ge­mein­de begrüsst. «Eine Pries­ter­wei­he, das ist heute etwas Selte­nes», sagt der Bischof von St. Gallen. Und: «Es gibt tatsäch­lich noch Wunder!» Kletus Hutter stammt aus Kries­sern im St. Galler Rhein­tal. Nichts deute­te darauf hin, dass er einmal Pries­ter werden würde. Zunächst war er kauf­män­ni­scher Ange­stell­ter. Danach studier­te er in Luzern Reli­gi­ons­päd­ago­gik und arbei­te­te später als Reli­gi­ons­päd­ago­ge im Bistum St. Gallen. Im Klos­ter Rappers­wil lern­te er das Konzept «Bruder auf Zeit» kennen und fing Feuer fürs Leben als Ordensmann.

Unrea­lis­ti­sches Priesterbild

Heuti­ge Pries­ter, sagt Bischof Markus Büchel in seiner Predigt, litten unter einem falschen Pries­ter­bild, das in gros­sen Teilen der Bevöl­ke­rung herr­sche: «Es ist unrea­lis­tisch und über­höht.» Manche glaub­ten, ein Pries­ter stehe über allen irdi­schen Dingen oder sei ein gott­ähn­li­ches Wesen. Nicht mit beiden Füssen am Boden, verbun­den mit der Basis. Nicht bei den Sorgen der Menschen. Mit solch einem Pries­ter­bild könne Kletus Hutter nichts anfan­gen. Bischof Markus Büchel sagte, er habe gehört, dass sich Kletus Hutter für nichts zu scha­de sei. Er nehme auch mal einen Besen in die Hand, um nach dem Gottes­dienst die Kirche zu wischen. Die Kirche brau­che solche beschei­de­nen, boden­stän­di­gen und authen­ti­schen Priester.

Franz von Assi­si als Vorbild

Kletus Hutter sagt, dass ihm der Dienst am Menschen am Herzen liege. Zusam­men mit den Menschen unter­wegs zu sein, sei Teil der fran­zis­ka­ni­schen Spiri­tua­li­tät. Für ihn blei­be Franz von Assi­si eine lebens­lan­ge Inspi­ra­ti­on für ein erfüll­tes Leben. «Schon seit jungen Jahren kam mir immer wieder der Gedan­ke, ob Pries­ter werden etwas für mich wäre», sagt Kletus Hutter. «Die Zeit war aber wohl nicht reif. Ich fand immer schlüs­si­ge Grün­de, diesen Schritt nicht zu tun. Ein Schlüs­sel­er­leb­nis hatte ich während meiner Zeit als Gast im Klos­ter Rappers­wil: Eine halbe Stun­de nach dem Gottes­dienst putz­te ich mit dem Zele­bran­ten zusam­men die Kirche. Diese Haltung gefiel mir: ein Orden, in dem jemand dem Gottes­dienst vorste­hen kann aber es auch selbst­ver­ständ­lich ist, sich bei Alltags­ar­bei­ten die Hände schmut­zig zu machen.»

«Klos­ter auf Zeit»

Im Kapuziner-Kloster Rappers­wil hat Kletus Hutter an der Neukon­zep­ti­on des Ange­bots «Klos­ter auf Zeit» mitge­wirkt: «Unser Klos­ter steht nach wie vor Menschen offen, die bei uns als Gast mitle­ben wollen. Neu ist, dass wir eine Lebens­ge­mein­schaft bilden aus Brüdern und fran­zis­ka­nisch Inter­es­sier­ten, die ihren Lebens­mit­tel­punkt im Klos­ter Rappers­wil haben. Sie blei­ben in der Gemein­schaft für mindes­tens ein Jahr und gehen einer Erwerbs­ar­beit ausser­halb des Klos­ters nach.» Bis jetzt habe sich eine Frau auf dieses Projekt einge­las­sen, eine refor­mier­te Pfar­re­rin. «Sie passt sehr gut in unse­re Runde, enga­giert sich im Kern­team – also der Leitungs­grup­pe zusam­men mit zwei Brüdern – und im Haus. Unser Konzept sieht noch weite­re fran­zis­ka­nisch inter­es­sier­te Menschen vor. Die suchen wir noch. Es gibt zwar eini­ge Inter­es­sier­te, ein verbind­li­ches Zusam­men­le­ben stellt aber auch eine Heraus­for­de­rung dar.»

Text: Vera Rütti­mann / Walter Ludin

Bild: Vera Rüttimann

Veröf­fent­licht: 09. Janu­ar 2023

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