Das Risiko gut abwägen

Die Bischö­fe mit der Blocka­de der Kirchen­steu­ern unter Druck setzen? Auf mehr ­Mitspra­che­recht beim St. Galler Bischofs­wahl­recht pochen? Rapha­el Kühne, Admi­nis­tra­ti­ons­rats­prä­si­dent des ­Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils, will bei der Miss­brauchs­auf­ar­bei­tung lieber auf ande­re Wege setzen.

Eine Kirch­ge­mein­de aus dem Kanton Luzern will den Teil der Kirchen­steu­ern, die sie an das Bistum Basel weiter­lei­ten müss­te, blockie­ren und fordert damit vom Bistum grund­le­gen­de Mass­nah­men bei der Aufar­bei­tung der Miss­bräu­che und einen Struk­tur­wan­del. Dieses Beispiel scheint auch Kirch­ge­mein­den im Bistum St. Gallen auf den Plan geru­fen zu haben. Ende Septem­ber hat der Admi­nis­tra­ti­ons­rat des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils des Kantons St. Gallen alle Kirch­ge­mein­den aufge­ru­fen, auf solche Mass­nah­men zu verzich­ten. «Aus unse­rer Sicht macht es den Bischö­fen mehr Eindruck, wenn eine Insti­tu­ti­on wie der Konfes­si­ons­teil aktiv wird, als wenn eine einzel­ne Kirch­ge­mein­de Druck ausübt», sagt Rapha­el Kühne, Präsi­dent des Admi­nis­tra­ti­ons­ra­tes im Inter­view mit dem Pfar­rei­fo­rum. Doch: Kirchen­steu­er­gel­der an den Bischof zu blockie­ren, das ist für die katho­li­sche Kanto­nal­kir­che momen­tan kein Thema.

Gemein­sam mit RKZ

«Wir fordern gemein­sam mit der RKZ, dem Zusam­men­schluss aller Kanto­nal­kir­chen, bei den Bischö­fen struk­tu­rel­le Verän­de­run­gen ein. Aus meiner Sicht sind sich die Bischö­fe durch­aus bewusst, welche Stär­ke wir haben. Druck mit den Kirchen­steu­ern auszu­üben, wäre wirk­lich das letz­te Mittel.» Die gröss­ten Mitglie­der der RKZ – die Kanto­nal­kir­chen des Kantons Zürich, Luzern, Aargau und St. Gallen – ziehen laut Kühne am glei­chen Strang und gera­de deshalb müsse die Kraft dieser Zusam­men­ar­beit genutzt werden. Das nächs­te RKZ-Treffen finde im Novem­ber statt, das Thema sei traktandiert.

Einzig­ar­ti­ges Bischofswahlrecht

Gera­de was die Situa­ti­on im Bistum St. Gallen betrifft, rät Rapha­el Kühne zur Vorsicht: Das St. Galler Bischofs­wahl­recht ist welt­weit einzig­ar­tig. In St. Gallen wählt das Domka­pi­tel den Bischof, das Kolle­gi­um (das Parla­ment der Katho­li­kin­nen und Katho­li­ken) hat Mitspra­che­mög­lich­kei­ten. Grund­la­ge dafür ist die päpst­li­che Bulle von 1847. «Wenn dem Bischof Kirchen­steu­ern gekürzt oder vorent­hal­ten werden, besteht das Risi­ko, dass der Vati­kan dies als Verlet­zung der Bestim­mun­gen der Bulle in Frage stellt und daraus verlan­gen könn­te, dass die Bischofs­wahl wie in ande­ren Bistü­mern abläuft, und also der Papst den Bischof ohne Betei­li­gung der staats­kir­chen­recht­li­chen Seite wählt», so Rapha­el Kühne. Aus seiner Sicht sei deshalb das Risi­ko grös­ser als ein mögli­cher Zuge­winn der demo­kra­ti­schen Mittel und Trans­pa­renz, wie sie aktu­ell die St. Galler Bewe­gung «So nicht!» (zum Beitrag) einfor­dert.

Keine Kampa­gne geplant

Während der Konfes­si­ons­teil in den vergan­ge­nen Jahren mit verschie­de­nen Initia­ti­ven die Bevöl­ke­rung über die Verwen­dung der Kirchen­steu­ern infor­miert wie beispiels­wei­se mit der gros­sen Image­kam­pan­ge «Den Kirchen­steu­ern sei dank», ist es momen­tan merk­wür­dig still. Müss­te die Kanto­nal­kir­che in dieser Krisen­zeit den Kirch­ge­mein­den nicht mehr Rücken­de­ckung geben? «Die Öffent­lich­keit darüber zu infor­mie­ren, was die Kirchen­steu­ern vor Ort bewir­ken, ist für uns ein wich­ti­ges Anlie­gen», betont Rapha­el Kühne. Mit einem Austritt bestra­fe man nämlich nicht den Papst, sondern die Insti­tu­tio­nen und das viel­fäl­ti­ge Enga­ge­ment vor Ort – von den Kirchen­steu­ern flies­se kein einzi­ger Fran­ken nach Rom. «Deshalb haben wir vor einem Jahr die Kommu­ni­ka­ti­on­s­tel­le ausge­baut. Unser Kommu­ni­ka­ti­ons­be­auf­trag­te hat gera­de in den letz­ten Wochen in Medi­en­mit­tei­lun­gen an verschie­de­nen Beispie­len sicht­bar gemacht, welche wich­ti­gen Aufga­ben die Kirchen­steu­ern ermög­li­chen: sozia­le Aufga­ben, Kultur und Bildung.» Er sieht die Wich­tig­keit von Kampa­gnen, doch müsse dafür auch der rich­ti­ge Zeit­punkt gefun­den werden. «Im falschen Moment kann so eine Kampa­gne auch das Gegen­teil vom Gewünsch­ten auslösen.»

Text: Stephan Sigg

Bild: Roger Fuchs

Veröf­fent­licht: 27.10.2023

Verzicht auf Wiederwahl

Der Flawi­ler Rapha­el Kühne verzich­tet auf eine Wieder­wahl im Admi­nis­tra­ti­ons­rat für die Legis­la­tur­pe­ri­ode 2024 bis 2027. Ende des Jahres, dann im 68. Alters­jahr stehend, wird der Jurist auf 9,5 Jahre im Admi­nis­tra­ti­ons­rat zurück­bli­cken können. Seit 2020 amtet er als Präsi­dent, zuvor oblag ihm als Mitglied das Ressort «Kirch­ge­mein­den und Aufsicht». Rapha­el Kühne: «Nach über vier­zig Jahren Berufs­le­ben als Rechts­an­walt und dabei auch stets im Diens­te der Öffent­lich­keit wirkend – 16 Jahre als Präsi­dent im Kirchen­ver­wal­tungs­rat Flawil und als Kolle­gi­en­rat, 14 Jahre im Kantons­rat und 9,5 Jahre im Admi­nis­tra­ti­ons­rat – ist es Zeit, jünge­ren Enga­gier­ten Platz zu machen.» Das Parla­ment des Katho­li­schen Konfes­si­ons­teils wird bei seiner Sitzung am 21. Novem­ber 2023 seine Nach­fol­ge­rin, seinen Nach­fol­ger wählen.

Rapha­el Kühne, Präsi­dent des Admi­nis­tra­ti­ons­ra­tes, ruft dazu auf, die Kräf­te zu bündeln – anstatt auf Einzel­ak­tio­nen gegen die Bischö­fe zu setzen.

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