Klara Bischof aus Grub SG baute als Dank für ein Heilungswunder in Lourdes die Kapelle auf dem Fünfländerblick. Zum 130-Jahr-Jubiläum der Kapelle Maria Lourdes erinnert ein Freilichtspiel an die aussergewöhnliche Frau.
Viele, die das Ausflugsziel Fünfländerblick (auf dem Bergkamm des Rossbüchels) den atemberaubenden Blick auf den Bodensee geniessen, machen auch einen kurzen Halt in der Maria-Lourdes-Wallfahrtskapelle. «Die Kapelle ist bis heute sehr beliebt», sagt Markus Peter, Präsident der Kath. Kirchgemeinde Eggersriet-Grub SG, auf deren Boden das sakrale Gebäude steht. «In der Kapelle werden jährlich für rund 20 000 Franken Kerzen angezündet.» Dass hinter dieser Kapelle eine persönliche Glaubensgeschichte steht, weiss jedoch kaum jemand. Das Freilichtspiel «Deckers Klara» soll das nun ändern.
«Mich fasziniert, dass Klara Bischof eine gläubige Frau war, die aber trotzdem ganz unbeschwert lebte und auch manches Laster hatte», sagt Rebecca Heierli. Die Laienschauspielerin, in Oberegg aufgewachsen und jetzt in Eichberg zuhause, spielt im im Freilichtspiel die Rolle der Klara Bischof. «Sie war eine Kämpferin – sie hat für das gekämpft, was ihr wichtig war. Damit ist sie auch heute ein Vorbild.» Klara Bischof war ein Gruber Dorforiginal und in der Region Rorschach, im Appenzeller Vorderland und weit darüber hinaus bekannt. Sie entstammte dem uralten Dachdeckergeschlecht «Bischof», ein Name, der im st.gallischen Grub fast jeder trug. Um die Familien besser auseinanderzuhalten, verwendete man Spitznamen, die sich entweder auf den Wohnort oder die berufliche Tätigkeit beziehen. Klaras Vater arbeitete als Dachdecker, so nannte man die Nachkommenschaft «Deckers». Die im Jahre 1859 geborene Klara war ein kränkliches Kind. Eine Pilgerreise in den französischen Wallfahrtsort Lourdes brachte die Wende und schenkte ihr Gesundheit. Als Dank für dieses Heilwunder plante sie als noch junge Frau ihrer Heimat eine Kapelle zu stiften – gegen den Widerstand des Kirchenrats. Auf dem Fünfländerblick erwarb sie ein Plätzchen für dieses Vorhaben. Klara schleppte im «Handwägelchen» Sand und Steine auf den Hügel. Nach der Bauzeit, März bis Juni 1892, wurde am 15. August die Kapelle feierlich eingeweiht. Mehr als 50 Jahre lang versah Klara den Messmerdienst und betete jeden Tag einen Rosenkranz in dieser Kapelle.
Regisseur Freddy Kunz hat intensiv über Klara Bischof recherchiert.
Ein Ort für alle
Lynn Blattmann ist Historikerin und lebt in der Nähe der Kapelle auf dem Fünfländerblick. «Mit der Kapelle wollte sie einen Ort für die Menschen schaffen, ausserhalb der Dorfkirche», sagt sie. «Ihre Kapelle steht dort, wo die Natur zuhause ist, dort wo die Elemente toben, der Wind, der Regen, Schnee. Sie steht dort, wo man die ganze Welt sehen oder erahnen kann, dort, wo man auch mit vielen Sorgen leicht wieder zu sich selbst findet. Klara Bischof hat beim Fünfländerblick einen magischen Ort geschaffen. Er ist eine steingewordene Einladung an uns alle, uns selbst nicht immer so wahnsinnig ernst zu nehmen, und über uns selbst hinauszuschauen.»
Vorbild für heute
Beim Freilichtspiel «Deckers Klara» wirken die Schauspielerinnen und Schauspieler des Dramatischen Vereins Oberegg mit. Der Regisseur Fredy Kunz, seit 1998 beim Verein tätig, möchte im Stück Klara als gläubige und aussergewöhnliche Frau zeigen. Er erinnert aber auch an ihre vielen Streiche, mit denen sie für grosses Gelächter und Gesprächsstoff weit über Grub hinaus sorgte. «Für mich ist Klara Bischof auch eine starke Frauenfigur», sagt Rebecca Heierli, «sich als Frau in der damaligen Zeit von der Obrigkeit nicht von ihrem Ziel abbringen zu lassen, das brauchte noch viel mehr Mut als heute. Ich finde, sie ist auch eine gute Inspiration für die heutigen Anliegen der Frauenbewegung in der Gesellschaft und auch in der Kirche.» Die Klara-Darstellerin freut sich auf die Aufführungen: «Der Fünfländerblick ist eine atemberaubende Kulisse und macht das Freilichtspiel gleich noch spannender.»
Insgesamt rund 7200 Zuschauerinnen und Zuschauer wollen die Verantwortlichen des Freilichtspieles erreichen. Die Premiere findet am 11. August statt. Daten der weiteren elf Aufführungen und Tickets:
Im Juni gehen die Seelsorgerin Leila Zmero und der Journalist Mark Liebenberg der Frage nach, welche Vorteile eine kirchliche Hochzeit heute überhaupt noch bringt. Und wieso haben sie beide selbst sich für diesen Schritt entschieden?
Im September werden wir uns das Ja-Wort geben. Wieso neben dem zivilen Akt auch noch eine ganz «altmodische Heirat» in der Kirche – diese Frage stellte sich uns rasch. Welchen Vorteil haben wir dadurch? Oder: Hätten wir irgendeinen Nachteil, wenn wir uns nicht in der Kirche trauen lassen?
Augenscheinlich nein, dennoch haben wir uns bewusst dafür entschieden. Es gibt einen wichtigen Beweggrund: Wir wollen nicht nur auf das Zivilgesetzbuch, sondern auch auf den Beistand von Gott bauen, der uns im Ehesegen zugesagt wird. Denn eines ist uns vor Augen: Dort, wo es bei Disney-Filmen oder Grimms Märchen aufhört, beim «Einlaufen» in den Ehehafen, da beginnt die Reise ja erst richtig. Ist es da nicht gut, Jesus Christus an der Seite zu wissen, der mitnavigiert oder allenfalls sogar mal die Wogen eines Sturms stillen kann?
Mehr als eine Show
Ganz gewiss begleitet Gott auch die Lebensreise von unverheirateten Paaren und auch jene derjenigen, denen als Homosexuelle oder Geschiedene die sakramentale Eheschliessung verwehrt bleibt. Gottes Liebe kennt keine Schranken, denn «Gott ist die Liebe» – wie im 1. Johannesbrief eindrücklich zu lesen ist. Unsere Entscheidung für die kirchliche Trauung fusst auf ebendiesem Versprechen, dass Gott uns alle schon längst geliebt hat, bevor wir überhaupt die Chance hatten zu lieben.
In der Vorbereitung unserer Hochzeit haben wir uns immer mal wieder gesagt: «Machen wir es hier nicht vor allem den Eltern, der Oma, Freunden, der Gesellschaft recht?» Gerade bei der Entscheidung, ob ein Paar kirchlich heiraten will, sollte aber der Wunsch der Anderen keine Rolle spielen. Schliesslich ist ein «Ja, ich will» keine blosse Show für die Hochzeitsgäste, sondern die Bereitschaft für die sakramentale Ehe. Somit gibt es bei uns kein «Sollen», sondern ein schlichtes «Wollen» der kirchlichen Trauung, jenseits von Idealvorstellungen einer Hochzeit in festlichem Weiss vor dem Altar.
Mitverantwortung übernehmen
Wir beide wollen dies, da wir die Feier gerade nicht als Druck, sondern als Entlastung empfinden. Wir stellen uns den Moment des Trauversprechens als einen vor, der leicht ums Herz macht – leicht, weil die Verantwortung für das Gelingen der Ehe nicht nur auf unseren Schultern lastet, weil Gott mitträgt, diese Ehe mittragen soll. Somit sprengt das Trauritual auch jede Möglichkeit der «Einigelung» in der Zweierbeziehung – übrigens auch in anderer Hinsicht: Bei einer kirchlichen Trauung wird das Paar gefragt: «Sind Sie beide bereit, als christliche Eheleute Mitverantwortung in der Kirche und in der Welt zu übernehmen?» Nur auf sich bezogen zu bleiben, liegt da nicht drin. Uns gefällt diese Offenheit und die Ermutigung, als Eheleute nicht nur um uns selbst zu kreisen. Miteinander in der Welt wirksam werden – das tönt spannend.
Apropos spannend: Es gibt wohl keine Extremsportart, die so viel Mut erfordert wie die kirchliche Ehe. Warum also nicht etwas wagen?
Leila Zmero und Mark Liebenberg
Seelsorgerin Bazenheid-Gähwil-Kirchberg und Journalist Schaffhauser Nachrichten
Egal ob Schlafstörungen, nervliche Belastungen oder Heuschnupfen – die Hausmittel aus dem Kloster St. Ottilia in Grimmenstein (Walzenhausen) haben schon vielen bei körperlichen Beschwerden geholfen. Sr. Daniela und Sr. Michaela geben dem Pfarreiforum einen exklusiven Einblick in den Klostergarten und die Herstellung der Hausmittel. Sie verraten, was das Besondere an Hausmitteln aus dem Kloster ist.
Sr. Daniela (links) und Sr. Michaela sind von Ostern bis Ende Oktober täglich im Garten des Klosters St. Ottilia, Grimmenstein, Walzenhausen anzutreffen.
In letzter Zeit kommen vermehrt Menschen zu uns, die von nervlichen Problemen, Schlappheit oder Husten geplagt sind», erzählt Sr. Michaela. Sie ist im Kloster Grimmenstein für die Herstellung und Produktion der Hausmittel verantwortlich. Die wichtigsten Zutaten dafür stammen aus ihrem Klostergarten. Für diesen ist Sr. Daniela zuständig. Der Garten ist für beide mehr als nur ein Arbeitsort. «Wenn endlich der Frühling kommt, können wir es meistens kaum erwarten, wieder im Garten zu sein und uns um die Pflanzen zu kümmern», sagt Sr. Daniela. Das weittläufige Grundstück mit Blick auf den Bodensee ist unterteilt in einen Kräuter- und einen Gemüsegarten. Über fünfzig Kräuter wachsen hier. Das Wissen über ihre Wirk- und Heilkräfte hat Sr. Daniela von ihren Vorgängerinnen gelernt und selber via Bücher und Internet erweitert. «Wir haben zwar alte Rezeptbücher, aber die Rezepte wurden immer mündlich weitergegeben», sagt sie. «Das Wissen um die Heilkräuter wird auch nicht innerhalb des Ordens oder mit anderen Klöstern ausgetauscht. Es sind die Rezepte von unserem Kloster.»
Sr. Michaela verantwortet den Laden mit den Heilmitteln.
Altbewährte Rezepte
Verschiedene Stärkungsmittel, Tees, Tropfen, Salben, Pulver und Balsam – das Sortiment des Klosters Grimmenstein ist gross. Eines wird dabei aber auch sichtbar: Es geht um eine ganzheitliche Medizin. Die Mittel zielen nicht nur auf das Lindern von bestehenden Beschwerden ab, sondern setzen bereits bei der Prävention an. Dazu gehört auch eine gesunde und ausgewogene Ernährung. Neu produzieren die Schwestern auch Kräutersalze für die Küche. Schon immer sei die Herstellung von Hausmitteln ein wichtiges Aufgabengebiet im Kloster St. Ottilia Grimmenstein gewesen. Entstanden ist das Kapuzinerinnenkloster im Jahr 1378 aus einer kleinen Beginengemeinschaft (halbklösterliche Gemeinschaft). Mit dem Verkauf von Hausmitteln sei es aber erst in den 1950er-Jahren richtig losgegangen. An ihre Vorfahrinnen erinnert im Lager ein Regal mit 100-jährigen Tontöpfen. «Das ist aber nur zur Zierde, wir arbeiten heute mit anderen Behältern.» Auch wenn die Hausmittel auf altbewährten Rezepten beruhen, werden die Rezepte immer wieder weiterentwickelt und an den aktuellen Wissensstand angepasst. Die wichtigste Zutat sei jedoch immer das Gebet. «Wir beten bei jedem Arbeitsschritt.» Mit dem Warenlift, der vor ein paar Jahren eingebaut wurde, geht es vom Erdgeschoss bis ins Dachgeschoss – dort haben Sr. Daniela und Sr. Michaela gerade frisch gepflückte Blüten zum Trocknen ausgelegt. Der Warenlift und die Anschaffung der einen oder anderen Maschine haben die Produktion vereinfacht, das meiste ist jedoch bis heute Handarbeit. Das sei körperlich manchmal anstrengend. «Doch es ist eine erfüllende Aufgabe und so etwas wie eine Berufung. Wir verstehen die Herstellung der Hausmittel als Dienst für die Menschen.» Motivierend seien für sie auch die Rückmeldungen, die sie bekommen: «Wir erfahren sehr viel Dankbarkeit – und dass die Menschen auf uns setzen, ist auch ein Ausdruck von Vertrauen.» Unterstützt werden die beiden Schwestern von zwei Angestellten, die stundenweise im Garten und in der Verarbeitung helfen. Der Verkauf der Hausmittel generiere für die Gemeinschaft ein wichtiges Einkommen. Trotzdem versuchen die Schwestern, die Produkte möglichst günstig anzubieten. «In unserer Gemeinschaft galt schon immer der Tenor: Die Produkte sollen für möglichst alle erschwinglich sein.»
Sr. Daniela legt im Dachstock die Blüten zum Trocknen aus.
Grosse Nachfrage
Im Unterschied zu anderen Klöstern hat das Kloster Grimmenstein keinen Shop – die Produkte werden an einem Schalter verkauft. «So können wir, wenn es gewünscht wird, die Menschen besser beraten», erklärt Sr. Michaela. Es gehe oft um viel mehr als nur um den Verkauf von Produkten: «Viele, die zu uns kommen, haben das Bedürfnis nach einem offenen Ohr: Sie möchten mit uns über ihre Sorgen und Nöte sprechen. Heute bleibt im Alltag oft kaum Zeit für Gespräche, deshalb ist es uns besonders wichtig, uns Zeit für die Menschen zu nehmen.» Das Angebot wird rege genutzt – es kommen Menschen aus der ganzen Deutschschweiz, aus dem benachbarten Vorarlberg und auch aus Deutschland. Viele würden durch Mund-zu-Mund-Propaganda auf das Kloster aufmerksam. Zu den Kundinnen und Kunden gehören Menschen, die mit der Kirche verbunden sind, aber auch Kirchenferne und auch Angehörige von anderen Konfessionen und Religionen. Die beiden Schwestern nehmen wahr, dass sich in den letzten Jahren wieder ein neues Bewusstsein für die Heilkräfte der Natur entwickelt hat. Das ist auch beeinflusst von Papst Franziskus, der mit seinem Lehrschreiben «Laudato si» auf die Schöpfungsverantwortung und die Natur als Schöpfung Gottes aufmerksam gemacht hat. «Zudem hat die Corona-Pandemie dazu geführt, dass sich viele wieder vermehrt überlegen, wie sie die natürlichen Abwehrkräfte und das Immunsystem stärken können», so Sr. Daniela.
Über fünfzig Kräuter und Pflanzen wachsen im Kloster St. Ottilia, Grimmenstein, Walzenhausen
Jugendliche zu Gast
Sechs Schwestern leben heute im Kloster St. Ottilia. Wie viele andere Klöster sind sie auch hier mit dem steigenden Altersdurchschnitt der Mitschwestern und ausbleibenden Neueintritten konfrontiert. Trotzdem blicken Sr. Daniela und Sr. Michaela gelassen in die Zukunft. «Da unsere Klosterkirche auch Pfarrkirche ist, sind wir mit vielen Menschen in Kontakt», sagt Sr. Daniela, «Wir bieten regelmässig Klostertage für junge Frauen an.» Sr. Michaela ergänzt: «Zudem sind auch immer wieder Firmgruppen oder Schulklassen bei uns zu Gast. Das ist für uns auch eine Möglichkeit, auf unsere Tradition aufmerksam zu machen und die Bedeutung der Heilpflanzen aufzuzeigen.» Für die Jugendlichen sei das oft ganz neu, aber sie würden sehr interessiert reagieren. Die beiden Schwestern rechnen auch in Zukunft mit einer Nachfrage nach Hausmitteln, die auf altbewährten Rezepten basieren. Sr. Michaela öffnet eine Kiste – es riecht sofort intensiv nach Sommerwiese – und greift nach einer Verpackung. «Das ist eine Neuheit», sagt sie und lacht, «wir haben unsere Tees umbenannt. Jetzt trägt jeder Tee den Namen einer Heiligen.» Es gibt einen Klara-Tee, einen Brigida-Tee und natürlich auch einen Tee mit dem Namen der Klosterpatronin Ottilia. Die Heiligen-Namen sollen bei den Käuferinnen und Käufer die Wiedererkennung stärken, aber gleichzeitig auch noch mehr in den Fokus rücken: Die Hausmittel aus dem Kloster Grimmenstein sind ganz eng verwoben mit dem Glauben der Schwestern und der Spiritualität der Kapuzinerinnen-Gemeinschaft.
Die Teemischungen tragen neu den Namen von Heiligen.
Europäische Vereinigung für Traditionelle Europäische Medizin tagt in St. Gallen
In der medizinischen Prävention und Therapie wird das uralte Wissen um die Heilkräfte der Pflanzen – das im europäischen Raum zum grossen Teil auf den Klöstern und berühmten kirchlichen Pionieren wie der Heiligen Hildegard von Bingen oder den Priestern Sebastian Kneipp und Johannes Künzle beruht – wieder neu entdeckt. Am 17. Juni 2023 hält die Europäische Vereinigung für Traditionelle Europäische Medizin TEM ihre Gründungsversammlung im Stiftsbezirk St. Gallen ab (Musiksaal des Dekanatflügels). Die Gründungsversammlung ist gleichzeitig eine Tagung, bei der Fachleute für TEM und interessierte Laien Wissen über die TEM austauschen und sie gemeinsam vorwärtsbringen, wie die Organisatoren auf ihrer Website schreiben. Es referieren verschiedene Expertinnen und Experten aus den Bereichen Pharmazie, Ernährungswissenschaften und Komplementärmedizin. Unter den Referenten ist auch Cornel Dora, Stiftsbibliothekar. Dieser spricht über das Kloster St. Gallen als ein Ort des Heilens im Frühmittelalter.
Gemeinsam Zeit verbringen, im Wald bräteln, in die Badi gehen oder eine Velotour unternehmen: Im Rahmen von «mit mir» engagieren sich seit 20 Jahren schweizweit Freiwillige für Kinder, die von Armut betroffen sind. Aktuell wird das Projekt im ganzen Bistum ausgebaut.
Die Kinder haben ein stärkeres Selbstbewusstsein und sind zufriedener. Die Eltern fühlen sich durch die Patenschaft entlastet: Das sind zwei Erkenntnisse aus einer Studie der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaft (ZHAW), die Dolores Waser Balmer von der Caritas St. Gallen-Appenzell besonders freuen. Die Studie in Auftrag gegeben hat Caritas Schweiz anlässlich des 20-Jahr-Jubiläums des nationalen Patenschaftsprojekts «mit mir». Bei diesem vermittelt die Caritas Kinder und Jugendliche aus benachteiligten Familien an engagierte Patinnen und Paten. Die Freiwilligen verbringen ein- bis zweimal im Monat Zeit mit den Kindern. Mit zu den ersten Projektpartnern gehören die Sozialdienste der Katholischen Kirche im Lebensraum St. Gallen.
«Aktuell sind wir ausserdem dabei, ‹mit mir› in verschiedenen Regionen des Bistums aufzubauen wie etwa in Herisau, Gossau, Sargans und im Rheintal», sagt Dolores Waser Balmer und erzählt, worin die Vorteile des Projektes liegen. «Das Schöne ist nicht nur, dass die Patenschaft die Kinder bereichert, wie die Studie nun belegt. Auch die Paten und Patinnen bekommen etwas zurück. Sie lassen sich auf etwas Neues ein und erleben den Alltag durch Kinderaugen, was meist inspirierend ist», sagt sie. Anlässlich des nationalen Jubiläums hatte der Katholische Sozialdienst Anfang Mai einen Erlebnistag für Patinnen und Paten und die Kinder auf einem Bauernhof organisiert.
Insekten retten
Die eigene Freude daran, sich auf die Lebenswelt eines Kindes einlassen zu können, erwähnt auch eine Frau, die seit einem Jahr Patin eines Buben im Primarschulalter ist, als das, was ihr das Projekt selbst zurückgibt. Sie habe sich in ihrer Freizeit engagieren und für etwas Sinnvolles einsetzen wollen. So sei sie über die Website der Fachstelle Benevol auf das «mit-mir»-Projekt aufmerksam geworden. «Da ich durch meine Arbeit im sozialen Bereich oft mit Problemen verschiedenster Personen zu tun habe, wollte ich im Rahmen meines Engagements etwas Motivierendes machen, das auch mit Lebensfreude zu tun hat», sagt die 48-Jährige. Als inspirierend und horizonterweiternd erlebt sie nun die regelmässigen Treffen mit ihrem Patenkind. Sie spazieren durch die Stadt und studieren Hausnummern, retten Insekten aus Brunnen, basteln, malen, kochen und singen. Hin und wieder unternehmen sie Ausflüge, etwa um im Wald zu bräteln, Ostereier zu suchen oder schwimmen zu gehen. «Wir hatten Glück. Ich, das Patenkind und seine Eltern passen gut zusammen. Ausserdem ist auch die Begleitung seitens des ‹mit-mir›-Projektes hilfreich und professionell», sagt sie.
Sich bewusst Zeit nehmen
Das jeweilige Kind wiederum bekommen durch das Projekt eine Person, die sich extra Zeit nimmt. Gemäss Caritas fehlt es Kindern gerade in armutsbetroffenen Familien häufig an Aufmerksamkeit und Unterstützung durch die oft stark belasteten Eltern. Hier setzt das Projekt an. Wird eine Patenschaft vermittelt, kommt es zunächst zu vorbereiteten Gesprächen und zwei begleiteten Treffen. Die Rahmenbedingungen werden geklärt und Aspekte wie Verantwortlichkeit, Versicherung sowie Nahe-und-Distanz-Verhalten besprochen. Sind nach dem ersten Kennenlernen alle einverstanden, beginnen die regelmässigen Treffen. «Vorgesehen ist, dass die Patenschaften drei Jahre dauern», sagt Dolores Waser Balmer. Oft sei es aber so, dass sie darüber hinaus bestehen bleiben würden.
30 Patenschaften
Aktuell gibt es bistumsweit 30 solcher Patenschaften. Schweizweit konnte Caritas seit dem Start des Projekts über 2300 Kinder an 2600 Patinnen und Paten vermitteln. Diese haben über 538 000 Stunden an Freiwilligenarbeit geleistet. Die Zahlen bestätigen laut Caritas, dass es in der Schweiz ein grosses Bedürfnis nach niederschwelliger Unterstützung für benachteiligte Kinder und Jugendliche gibt. Im Bistum St. Gallen ist man nach der Pandemie nun wieder dabei, die Patenschaften auszubauen, wobei sich die Situation in den Regionen etwas unterscheidet. Gibt es an den einen Orten mehr potenzielle Patinnen und Paten als Kinder, stehen an anderen Orten mehr Familien und Kinder auf der Warteliste.
Eine Kindheit heute
Was interessiert ein Kind heute? Was macht eine Kindheit heute aus? Wieso wird ein Spiegelei beim Braten weiss? Die bereits erwähnte Patin wüsste von vielen weiteren Erlebnissen zu berichten. Sie sagt: «Ich weiss, die Idee von ‹mit mir› ist, dass man sich alle zwei bis drei Wochen trifft. Bei uns hat es sich nun jeden Sonntagnachmittag ergeben. Das stimmt für alle und wir machen das so lange, wie das Kind Freude daran hat.»
Im Dachsaal der Propstei St. Peterzell inszeniert der Künstler Det Blumberg Fundstücke aus Kirchen neu – und fordert zum kritischen Nachdenken auf.
«Wenn alte Zeiger stehen bleiben, muss etwas Neues kommen», sagt Det Blumberg, als er in den Dachsaal der Propstei St. Peterzell führt. Den bespielt der Künstler anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums der Kirche Peter und Paul vom 17. Mai bis 17. Dezember. Wer den Saal betritt, findet sich zunächst vor den zwei grossen, alten Uhrzeigern des Kirchturms und ist mittendrin im Thema der Ausstellung «Lichtblick Dorf 9» von Det Blumberg. Mit dieser möchte der 69-jährige Künstler mit Allgäuer Wurzeln zum kritischen Nachdenken auffordern: Wie soll Kirche sein, wenn sie auch in Zukunft bestehen möchte?
Vom Polizisten zum Künstler
Bevor es weiter durch die Ausstellung geht, öffnet Det Blumberg aber die Türe zu einer Kammer gleich neben dem Dachsaal. In der Kammer reihen sich unzählige Fundstücke aus der Propstei, wie alte Statuen von Heiligen, Kerzenständer, Kisten gefüllt mit Kreuzen und einige staubige Schränke. Zwischen all diesen Schätzen erzählt Det Blumberg, wie er Monate damit verbracht hatte, die Fundstücke zu sichten, interessante Gegenstände herauszusuchen und die Themen für die Ausstellung zu gestalten. Und er erzählt, wie er vor drei Jahrzehnten seinen Beruf als Einsatzleiter bei der Polizei aufgab, beschloss Kunst zu machen und während einer Reise in Mexiko überraschend Gott wieder fand. «Als Einsatzleiter stumpfte ich ab, wurde zu herrisch und konnte keine Kritik mehr dulden», sagt er. Auch aus der Kirche war Det Blumberg zu dieser Zeit ausgetreten. Zu vieles hatte ihn irritiert – so auch während einer Reise durch Mexiko. «Überall gab es diese grossen, prächtigen Kathedralen. Während einer Führung fragte ich mich, wo ich zwischen all dem Gold denn Gott finden soll und wollte zornig die Kathedrale verlassen», sagt er. «Dann stand ich dann plötzlich vor einer kleinen, mit buntem Papier, Glas und Saatgut ausgeschmückten Seitenkapelle. Es war, als ob mir Gott auf die Schultern gestupst und gesagt hätte: Da findest du mich.»
Fundstücke aus der Probstei, die Det Blumberg mit seiner Partnerin Claudia Gruber für die Ausstellung herausgesucht und zusammengestellt hat.
Ein leerer Tabernakel
Heute ist Det Blumberg wieder Kirchenmitglied. Auch Glaube und Kunst haben sich für ihn nach und nach zusammengefügt. In den vergangenen Jahren hat er zahlreiche Ausstellungen in Kirchen und Klöstern der Region realisiert. Altes zeigen vor modernem Kontext, ist eines der Themen, das sich durch seine Arbeiten zieht. So geht es auch in der Ausstellung in der Propstei von den Zeigern des Kirchturms weiter zu einer Art Altarraum. Dort stehen Kirchenbänke mit originalen, gusseisernen Seitenlehnen. Statt eines Altars findet sich aber ein Flachbildfernseher, in dem meditative Filmausschnitte zu sehen sind. In einer weiteren Ecke steht ein leerer und staubiger Tabernakel, in dem eigentlich die Hostien aufbewahrt werden. «Wo wohnt Gott?» – darüber sollen die Besucherinnen und Besucher hier nachdenken. Letzte Station ist ein langer Tisch mit zwölf grauen Stühlen und einem gelben Stuhl. Die Szene erinnert an das letzte Abendmahl. An den Wänden hängen Fotos von Det Blumbergs Partnerin Claudia Gruber – die beiden wohnen zusammen gleich gegenüber der Propstei. Die Fotos wurden alle im Umkreis von 500 Metern um die Propstei aufgenommen und halten in Farb- und Formfülle die Schönheit der Schöpfung fest. Det Blumberg sagt: «Die Fotos bringen Gott in den Raum. Das ist auch die Idee von diesem Tisch. Er lädt verschiedene Gruppen ein, sich hinzusetzten, zu diskutieren und sich über aktuelle Themen auszutauschen.»
Wieso uns die ganzheitliche Medizin des Mittelalters bis heute fasziniert und was wir aus Legenden der damaligen Zeit erfahren, sagt Stiftsbibliothekar Cornel Dora im Interview.
Klostermedizin und Naturheilkunde sind im Trend. Wie hängen aber Christentum und Medizin zusammen?
Cornel Dora: Wurde früher jemand krank, war es lange Zeit Aufgabe der Familie, diese Person zu pflegen. Erste Vorläufer von Spitälern gab es bei den Römern, wobei es dort vor allem um die Versorgung der Wunden der Soldaten ging. Als das Christentum aufkam, änderte sich das. Die Erzählung vom Barmherzigen Samariter im Neuen Testament beispielsweise ruft zur Nächstenliebe auf und erinnert daran, dass alle für ihre Mitmenschen verantwortlich sind. Es ist also Teil des christlichen Fundamentes, für Kranke und Arme da zu sein.
Cornel Dora
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Welche Rolle spielte das Kloster St. Gallen?
Cornel Dora: Das Kloster St. Gallen hatte ein grosses Einflussgebiet sowie den medizinischen Auftrag, für die Armen zu sorgen. Dabei müssen wir wissen, dass wer damals krank war mit grosser Wahrscheinlichkeit früher oder später auch arm wurde. Auf dem St. Galler Klosterplan von 825 waren eine Armenherberge, zwei Häuser für Aderlass und Baden, ein Ärztehaus für Operationen sowie ein Heilkräutergarten vorgesehen. Die Menschen im Umfeld des Klosters fanden hier auch Fachpersonal. Im 10. Jahrhundert war Notker, der Arzt aus St. Gallen, weit herum bekannt – er wirkte auch am Hof Ottos des Grossen. Zu Notker dem Arzt gibt es dazu zahlreiche Überlieferungen in der Stiftsbibliothek wie etwa jene des Herzogs von Bayern, der Notker testen wollte und ihm den Urin seiner gesunden Zofe statt seines eigenen gab. Nach der Untersuchung verkündete Notker, es sei ein Wunder geschehen, der Herzog erwarte ein Kind.
Das klingt eher nach einer Legende.
Cornel Dora: Ja, das mag sein. Aber, ob Legende oder nicht, belegen solche Überlieferungen, dass damals schon bekannt war, dass man im Urin eine Schwangerschaft ablesen konnte.
Welche weiteren medizinischen Handschriften sind in der Stiftsbibliothek erhalten?
Cornel Dora: Wir haben Überlieferungen von antiken und frühmittelalterlichen Rezept- und Arzneibüchern. Dazu gehört etwa das Liber Medicinalis, ein medizinisches Handbuch des römischen Gelehrten Quintus Serenus Sammonicus. Die Werke aus dieser Zeit zeigen auf, wie die Medizin bis ins Frühmittelalter mit Magie durchdrungen war. Gemäss dem Liber Medicinalis galt etwa das Wort Abrakadabra als Mittel gegen Malaria. Man schrieb das Wort auf eine Karte und wiederholte es immer wieder, wobei man jedes Mal einen weiteren Buchstaben wegliess. So wie das Wort sollte auch die Krankheit verschwinden.
Im Juni wird in der Stiftsbibliothek die Vereinigung für europäische traditionelle Medizin (TEM) gegründet. Wieso fasziniert uns traditionelle Medizin wie Klostermedizin bis heute?
Cornel Dora: Die heutige moderne Medizin ist wirkungsorientiert. Es gibt einen Wirkstoff, der die jeweilige Krankheit ganz gezielt bekämpft, möglichst ohne Nebenwirkungen. Viele Krankheiten sind aber komplexer und komplizierter. Im Mittelalter war die Medizin zwar weniger wirkungsvoll, sie schaute aber gemäss der damals verbreiteten 4‑Säfte-Lehre immer ganzheitlich auf den Menschen. Die Theorie ging davon aus, dass die Gesundheit des Menschen davon abhing, ob die vier Säfte Blut, Schleim (Phlegma), gelbe Galle (Cholera) und schwarze Galle (Melancholie) im Gleichgewicht waren. Basierend darauf bekamen die Erkrankten dann keinen einzelnen Wirkstoff, sondern einen Medikamentencocktail, welcher der oder dem Kranken insgesamt helfen sollte.
Sie sagen also, dass der ganzheitliche Ansatz heute zu kurz kommt?
Cornel Dora: Ich denke, dass der ganzheitliche Ansatz für viele Menschen heute zu kurz kommt und die traditionelle Medizin diesbezüglich positiv etwas beitragen kann. Es geht nicht darum, eine Ideologie zu pflegen, sondern das Potenzial dieses alten Wissens ergänzend zur sehr leistungsfähigen modernen Medizin zu nutzen. Dank unserer historischen Sammlung passen die Stiftsbibliothek und die Europäische Vereinigung für TEM gut zusammen.
1993 firmte Bischof Otmar Mäder in der Pfarrei Speicher-Trogen-Wald zum ersten Mal Jugendliche im Alter von 18 Jahren – eine absolute Premiere im Bistum St. Gallen. «Für uns ging es von Anfang an darum, Jugendliche ernst zu nehmen», so Pfarrer Josef Manser.
Drohbriefe, Beschimpfungen und emotionale Voten bei den Pfarreiversammlungen – Pfarrer Josef Manser erinnert sich noch gut an die Reaktionen, als das Seelsorgeteam die Pfarrei mit ihrer innovativen Idee konfrontierte: «Uns war es wichtig, dass das Experiment Firmung ab 18 von der ganzen Pfarrei mitgetragen wird. Als Matthias Angehrn und ich unsere Idee bei der ersten Pfarreiversammlung vorgestellt haben, gingen die Emotionen hoch. Manche Eltern fürchteten, dass sich mit dem neuen Modell niemand mehr firmen lässt.» Doch bald stellte sich heraus, dass es auch viele Befürworter gab. Grünes Licht gab es auch vom Bistum: «Bevor wir die Idee der Pfarrei vorstellten, holten wir das Einverständnis des damaligen Bischofs Otmar Mäder ab», so Josef Manser, «ich erlebte bei ihm eine grosse Offenheit für unser Experiment. Er liess uns machen.»
Pfarrer Josef Manser wagte 1993 zum ersten Mal das Experiment Firmung ab 18.
Sich den Lebensfragen stellen
Als junger Kaplan hatte Josef Manser in Flawil Firmungen von Primar- und Oberstufenschülerinnen und ‑schülern erlebt. «Das waren immer schöne Gottesdienste und die Verantwortlichen waren sehr kreativ», erinnert er sich, «aber die Kinder und Jugendlichen waren noch zu wenig reif, um sich ernsthaft mit diesem Sakrament auseinanderzusetzen und selbstständig dafür zu entscheiden. Man macht es, weil es alle machen oder weil die Eltern es einem raten.» Und: Viel zu oft seien die Firmgeschenke im Fokus gestanden. «In mir wuchs das Bewusstsein, dass Kirche in der Hinführung zum Glauben neue Wege suchen muss.» Im Alter von siebzehn und achtzehn Jahren ständen Jugendliche an einem anderen Punkt: «Sie sind in der Lehre oder an einer weiterführenden Schule und werden dort mit ganz anderen Erfahrungen konfrontiert. Sie müssen sich den grossen Lebensfragen stellen. Gerade in dieser Lebensphase ist es wichtig, jungen Menschen zu vermitteln: Du bist ein göttlicher Mensch. Du darfst Du mit deinen Erfahrungen sein. Du darfst zu dir finden.»
Besonderes Wir-Gefühl
Die Verantwortlichen machten sich daran, den ersten Firmweg zu konzipieren. «Wir hatten durchaus auch Zweifel, ob wir auf dem richtigen Weg sind. Wir hatten schlaflose Nächte», hält Josef Manser fest. Doch der Mut zahlte sich aus: Für den ersten Firmweg meldeten sich etwa achtzig Prozent der angeschriebenen Jugendlichen an. «Die Jugendlichen der ersten Jahrgänge wussten, dass sie Teil von etwas Neuem sind. Das sorgte für ein besonderes Wir-Gefühl.» Er habe schnell gelernt, dass man die jungen Menschen nicht unterschätzen sollte: «Es haben sich manche für den Firmweg angemeldet, mit denen ich nie gerechnet hätte.»
Selbstständiges Ja
Ein entscheidender Moment sei das Gespräch der Jugendlichen mit dem Bischof, dem Firmspender, gewesen: «Bisher hatte Bischof Otmar bei diesen Gesprächen immer Kinder vor sich, jetzt waren es junge Erwachsene. Er wurde mit anderen und zum Teil kritischen Fragen konfrontiert. Seine erste Reaktion nach dem Gespräch zu mir: Die sind noch nicht für die Firmung bereit. Doch dann wuchs doch das Bewusstsein, dass er es mit jungen Menschen zu tun hat, die sich differenziert mit dem Glauben auseinandersetzen und selbstständig Ja zur Firmung sagen.»
Für Pfarrer Josef Manser geht es darum, Jugendliche ernst zu nehmen.
Offenheit der Jugendlichen
Für Josef Manser gehe es darum, Jugendliche ernst zu nehmen. Ein Firmweg sei ein Dienst an den Jugendlichen: «Und zwar völlig absichtslos.» Eines hat ihn schon beim ersten Firmweg beeindruckt: «Die Offenheit der Jugendlichen. Es war ihnen ein Bedürfnis, über den Glauben und ihre persönlichen Fragen zu sprechen. Für diese ist ja sonst nirgends Platz.» Der Firmweg müsse jungen Menschen Räume eröffnen. «Der Firmweg ist so etwas wie ein Gefäss. Wie spannend die Programminhalte sind und ob irgendwelche besonderen Referenten eingeladen werden, ist meist zweitrangig», weiss er, «in den Feedbacks kam immer klar zum Ausdruck, dass die Jugendlichen es geschätzt haben, über ihre Fragen zu sprechen.» Und bei manchen prägen laut Josef Manser diese Erfahrungen langfristig das Bild von Kirche und Glauben. Bis heute habe er Kontakt zum einen oder andern Jugendlichen, der vor dreissig Jahren beim Firmweg mitmachte.
Ein Erfolgsmodell
Nach Speicher-Trogen-Wald starteten bald auch die Pfarreien Uzwil, Flawil, Herisau, Rorschach-Rorschacherberg mit dem Experiment Firmung ab 18. Und bald kamen weitere Pfarreien dazu. Bischof Ivo Fürer, ab 1994 Nachfolger von Bischof Otmar Mäder, entschied im April 2003, «Firmung ab 18» für das ganze Bistum einzuführen. «Er war persönlich vom Modell Firmung ab 18 überzeugt, aber die Grundlage dafür war, dass dieser Entscheid vom Seelsorge- und vom Priesterrat mitgetragen wird.» Firmung ab 18 ist ein Erfolgsmodell – nicht nur im Bistum St. Gallen: Inzwischen haben auch einige andere deutschsprachige Bistümer das Firmalter heraufgesetzt.
Wieso entscheiden sich junge Erwachsene für die Firmung? Und wie erleben sie den Firmweg mit den regelmässigen Treffen und den gemeinsamen Ausflügen? Darüber haben fünf Firmandinnen und ein Firmand der Firmgruppe in Buchs mit dem Pfarreiforum diskutiert.
Cecilia, Sara und Joanna, wieso habt ihr euch für den Firmweg entschieden?
Cecilia Weidmann (17): Das ist eine etwas spezielle Geschichte. Ich und Sara haben uns draussen vor der katholischen Kirche in Buchs getroffen. Wir waren beide nicht ganz sicher, ob wir die Firmung machen wollen. Daher diskutierten wir allgemein über Glauben und die Firmung. Als wir nach dem Gespräch hochschauten, hatten sich die Wolken wie zu einem Kreuz geformt. Es war ein Zufall, für uns aber ein Zeichen, dass wir die Firmung machen sollten.
Sara Brozvic (18): Unsicher waren wir, weil wir zu diesem Zeitpunkt nicht mehr so viel mit dem Glauben zu tun hatten. Das ist alleine schon dadurch der Fall, dass es in der Lehre keinen Religionsunterricht mehr gibt.
Joanna Auer (18): Ich bin eine sehr rationale Person, die stark an die Wissenschaft glaubt. Trotzdem denke ich, dass es etwas Übermenschliches gibt, das nicht greifbar ist. Ich erhoffe mir, dass ich durch den Firmweg den Zugang dazu bekomme. Ausserdem will ich dadurch dem Glauben in meinem Leben mehr Raum geben. Wie Cecilia und Sara es schon gesagt haben, war man früher durch den Religionsunterricht automatisch näher an den Themen Religion und Glaube dran, hat sich aber mittlerweile etwas davon entfernt.
Sara Brozvic/ Cecilia Weidmann: «Wir waren zunächst unsicher, ob wir uns firmen lassen wollen, weil wir nicht mehr so viel mit dem Glauben zu tun hatten.»Joanna Auer: «Ich bin eine rationale Person, die stark an die Wissenschaft glaubt. Trotzdem denke ich, dass es etwas Übermenschliches gibt, das nicht greifbar ist.»
Also ist es für euch die Annäherung an den Glauben, die den Firmweg ausmacht?
Joanna Auer: Für mich ist es auch das Gemeinschaftserlebnis. Man kommt mit vielen unterschiedlichen Menschen zusammen. Ich finde es schön, dass man sich austauschen kann. Ich gehe an die Kantonsschule und habe im Alltag meistens einfach mit meinen Freunden zu tun. Durch den Firmweg konnte ich Personen kennenlernen, die eine Lehre machen. Da bespricht man auch einmal andere Themen. Eindrücklich fand ich diesbezüglich auch, dass wir während unserer Firmreise Einblicke in Institutionen für Menschen am Rande der Gesellschaft erhalten haben und mit Betroffenen diskutieren konnten.
Sara Brozvic: Das fand ich auch sehr spannend. Zudem haben wir auch selbst bei Aktionen wie dem Rosenverkauf am Fastenaktionstag mitgeholfen. Anders als Joanna sind Cecilia und ich aber erst nach der Firmreise mit einem Firm-Weekend in den Firmweg eingestiegen. Ich glaube, das Firm-Weekend war thematisch etwas gedrängter als die Firmreise, weil wir alles in zwei Tagen nachholen mussten, wofür die anderen eine Woche lang Zeit gehabt haben.
Cecilia Weidmann: Ja, im Wesentlichen ging es darum, uns über unseren Glauben auszutauschen. Das fand ich sehr spannend. Ich habe gemerkt, dass zwar alle an denselben Gott glauben, aber auf unterschiedliche Art und Weise.
Joanna Auer: Genau. Es ist mega spannend zu sehen, wie die verschiedenen Personen den Glauben im Alltag unterschiedlich leben. In unserer Firmgruppe gibt es einige, die jeden Tag beten und regelmässig in Gottesdienste gehen, und für andere ist das nicht so wichtig.
Habt ihr mal gezweifelt, ob der Entscheid für den Firmweg richtig war?
Sara Brozvic: Bei mir gab es solche Momente. Vor allem wenn ich während meiner Ausbildung zur Fachfrau Gesundheit eine strenge Woche hatte und dann noch am Wochenende ein Treffen für den Firmweg bevorstand. Aber die Treffen haben sich jedes Mal gelohnt.
Cecilia Weidmann: Ich mache ebenfalls eine Lehre als Fachfrau Gesundheit und hatte diese Gedanken auch. Ich glaube ausserdem, man ist hin und wieder in Bezug auf den Firmweg unsicher, weil man denkt, man kann ja auch alleine glauben, ohne irgendwo teilzuhaben. Aber es ist dann eben doch besser, wenn man Teil einer Gruppe ist.
Joanna Auer: Bei mir gab es diesen Moment auch, vor allem weil man mit dem Firmweg ja Verpflichtungen eingeht. Die Firmtreffen sind etwas Schönes. Aber trotzdem sind sie auch leicht mit Druck verbunden, im Sinne von «Ihr müsst das machen, damit ihr gefirmt werdet». Dann denke ich mir, wie du Cecilia gerade auch gesagt hast, Glaube ist so etwas Persönliches, da sollte mir ja niemand etwas vorgeben. Aber Grund, mich nicht firmen zu lassen, waren diese Überlegungen nie.
Wie hat sich durch den Firmweg eure Sicht auf Kirche und Glaube verändert?
Joanna Auer: Da komme ich nochmals auf die Gassenküche zurück. Wir haben durch den Firmweg viele Einblicke erhalten, was die Kirche alles macht. Kirche besteht nicht einfach nur aus Gottesdiensten, die bei vielen Jugendlichen vielleicht ein Gefühl der Langeweile auslösen. Kirche ist vielfältig. Das fand ich schön zu entdecken.
Cecilia Weidmann: Bei mir ist es eher, dass ich selber gemerkt habe, woran ich glaube. Dieser Prozess hat am Firm-Weekend angefangen, als ich mit Sara über meinen Glauben redete. Obwohl wir befreundet sind, war das bislang nie Thema.
Sara Brozvic: Ich sehe durch den Firmweg, was Kirche auch noch ist und wie wichtig schon kleine Gesten sind. Kirche besteht nicht nur aus Bibellesen, sondern wie im Fall der Gassenküche auch daraus, sich für andere einzusetzen.
Eindrücke vom Firmweg Buchs
Simon, Yaritza und Serena, wie war das bei euch, hattet Ihr Aha-Erlebnisse in Bezug auf Kirche und Glaube?
Simon Tinner (17): Eigentlich nicht. Ich ministriere seit meiner 1. Kommunion und bin stark mit der Kirche in Kontakt. Mein Bild über die Kirche habe ich mir schon vor dem Firmweg gemacht, es hat sich jetzt nicht verändert. Aber ich würde sagen, mein Bild von Kirche und Glaube hat sich bestätigt und noch etwas intensiviert.
Yaritza Brisita (17): Bei mir ist es genauso. Durch den Firmweg bin ich einfach näher bei Gott, alleine dadurch, dass wir uns an den Treffen regelmässig über den Glauben ausgetauscht haben. Das geht im Alltag sonst eher unter. Mir war bewusst, dass die Kirche viele verschiedene Dinge macht, aber nicht, wie vielfältig diese sind und was etwa Seelsorgende alles leisten. Ich mache eine Ausbildung zur Assistentin Gesundheit und Soziales. Als einer unserer Bewohner der Einrichtung, für die ich arbeite, ins Spital kam, besuchte ihn dort ein Seelsorger. Er redete mit ihm und hielt seine Hand. Ich fand das so schön zu sehen und vor allem zu merken, wie gut ihm das tat.
Serena Rei (17): Ich schliesse mich Simon und Yaritza an. Die Kurse haben mich näher zu Gott gebracht. Aber meine Sicht auf die Kirche hat sich nicht verändert.
Der Ausflug ins Kloster Einsiedeln und der Besuch in der Gassenküche haben Yaritza Brisita und Serena Rei während des Firmwegs mitunter am meisten beeindruckt.Simon Tinner: «Für mich ist die Firmung der nächste Schritt und gehört einfach dazu.»
Was war euer Grund, euch für den Firmweg zu entscheiden?
Yaritza Brisita: Ich habe mich für den Firmweg entschieden, weil ich getauft bin und die Erstkommunion gemacht habe. Die Firmung ist jetzt wie der nächste Schritt. Auch in meiner Familie sind alle gefirmt und ich möchte später einmal in der Kirche heiraten. Für mich gehört die Firmung also einfach dazu.
Serena Rei: Auch für mich war es einfach klar, dass ich mich firmen lassen möchte. Ich bin Italienerin und meine Familie ist sehr katholisch. Zuerst überlegte ich, ob ich mich in Italien firmen lassen möchte, weil das dort schon früher möglich ist als hier mit 18 Jahren. Aber dann stand die Lehrstellensuche an und es wäre zu viel gewesen. Daher habe ich mich für den Firmweg ab 18 entschieden.
Simon Tinner: Auch für mich ist die Firmung der nächste Schritt und gehört einfach dazu. Ich möchte mein ganzes Leben bei der Katholischen Kirche mit dabei sein und mit Gott in Verbindung sein.
Das klingt nicht danach, als ob ihr jemals am Firmweg gezweifelt habt?
Serena Rei: Nein, am Firmweg selbst habe ich nicht gezweifelt. Aber verunsichert hat mich, ob ich von meinem Arbeitgeber im Bereich Detailhandel die freien Tage bekommen würde, die ich für den Firmweg brauchte, und ob sich alles, also Firmweg und Ausbildung, vereinbaren lässt.
Yaritza Brisita: Ich habe mich schon im Vorfeld gefragt, ob ich immer Lust oder Zeit haben werde, an den Treffen teilzunehmen. Aber Zweifel waren das nicht wirklich, denn die Firmung ist etwas, das ich machen will.
Simon Tinner: Es gab auch bei mir Momente, in denen es zum Beispiel gelegener gewesen wäre, für eine Prüfung an der Kantonsschule zu lernen oder etwas anderes zu machen, statt abends an ein Firmtreffen zu gehen. Für mich ist aber klar, dass ich die Firmung machen möchte. Ausserdem redet man an den Treffen über Dinge, die sonst im Alltag eher untergehen, und es gibt einem jedes Mal neue Denkanstösse, wenn man hier ist.
Was hat euch während des Firmwegs am meisten überrascht? Was war spannend?
Simon Tinner: Spannend am Firmweg ist definitiv, andere und neue Einblicke zu bekommen, wie zum Beispiel in den Alltag von Personen am Rande der Gesellschaft. Wir haben über Suchtproblem diskutiert oder darüber, wie es ist, in der Schweiz von Armut betroffen zu sein. Eindrücklich war, dass wir direkt mit Betroffenen reden konnten.
Serena Rei: Mir gefiel das Firm-Weekend und der Besuch in St. Gallen bei der Gassenküche am besten. Für mich war es aber auch überraschend und schön zu sehen, dass es so viele verschiedene Einstellungen zum Thema Glaube in unserer Firmgruppe gibt. Trotz der Unterschiede sind wir alle auf demselben Weg. Ausserdem war ich am Anfang schüchtern und zurückhaltend. Dass nun alle locker miteinander reden, zeigt für mich, dass in der Gruppe ein Zusammenhalt entstanden ist.
Yaritza Brisita: Eine der schönsten Erlebnisse war für mich definitiv der Ausflug ins Kloster Einsiedeln. Die Grösse und Schönheit und die Gespräche mit den Mönchen haben mich beeindruckt. Wie Serena war auch ich am Anfang des Firmwegs sehr zurückhaltend. Aber nach und nach lernt man die verschiedenen Menschen und ihre Einstellungen kennen. Dass alle so offen sind und «sich selbst zu öffnen» gar nicht so schlimm ist, hat mich dann doch überrascht.
15 bis 20 Fälle bearbeitet die Ombudsstelle des Bistums St. Gallen im Jahr. «Ursachen für Konflikte sind oft ungeklärte Rollen oder Zielvorgaben», sagt Ombudsperson Kathrin Hilber. Das Angebot steht kirchlichen Mitarbeitenden und freiwillig Engagierten zur Verfügung.
«Viele, die mit uns Kontakt aufnehmen, melden sich relativ spät», sagt Kathrin Hilber, «die Konfliktdynamik ist schon weit vorangeschritten und die Not deshalb gross. Wenn möglich, versuchen wir, in solchen Fällen auch den Erstkontakt innerhalb 24 Stunden zu realisieren.» Für die Betroffenen sei es zunächst mal wichtig, dass ihnen jemand zuhört. «Als Ombudsperson können wir keine Wunder vollbringen. Wir unterstützen als Coach. Unsere Rolle besteht darin, zu beraten und Mut zu machen. Wir möchten die Ratsuchenden befähigen, wenn immer möglich ihren Konflikt selber zu lösen. Vorgesetzte haben meist keine Freude dran, wenn Ombudspersonen auftreten.» So probieren sie zum Beispiel verschiedene Verhaltensmöglichkeiten aus und besprechen, welche unterschiedliche Dynamiken damit ausgelöst werden.
Tino Bentele, Kathrin Hilber und Alexandra Gloor (v. links) haben ein offenes Ohr für kirchliche Mitarbeitende und Freiwillige.
Ungeklärte Fragen
«Bis jetzt haben sich praktisch alle Berufsgruppen, die im kirchlichen Umfeld tätig sind, gemeldet: Priester, Seelsorgerinnen und Seelsorger, Messmerinnen und Mesmer, Reinigungskräfte …», so Kathrin Hilber. Die Ombudsstelle steht auch für freiwillig Engagierte offen. «Von diesen hat sich bis jetzt kaum jemand gemeldet», sagt Kathrin Hilber, «denn freiwillig Engagierte legen meist ihr Ehrenamt nieder, wenn sie unter einem Konflikt leiden.» Etwas beobachtet Kathrin Hilber bei ihren Ratsuchenden immer wieder: «Die Menschen, die zu mir kommen, brennen für die Kirche. Trotz der Konflikte stellen sie ihre Berufung nicht infrage.» Oft komme es zu Konflikten, weil einiges zu wenig genau geklärt ist: Wer hat welche Kompetenzen? Was steht genau im Stellenbeschrieb? «Immer wieder geht es auch um die Erfahrung, nicht gehört zu werden, oder es fehlt an echter Wertschätzung.» Manchmal umfasst ein Fall einfach nur ein Beratungsgespräch am Telefon, manchmal trifft man sich zu mehreren Terminen. Was auf der Ombudsstelle besprochen wird, ist vertraulich. «Jeder Schritt passiert nur mit dem Einverständnis des Klienten. Wir beraten unabhängig und neutral. Die Ombudsstelle ist niemandem gegenüber zu einer Auskunft verpflichtet und entscheidet selbst, ob und in welcher Form sie tätig sein will.» Wird es gewünscht, leitet die Ombudsperson ein Gespräch mit allen Betroffenen ein. Durch ihre Arbeit als Ombudsfrau sei ihr bewusst geworden, was für ein besonderes System das duale Kirchenmodell sei: «Dass das Miteinander von kirchlichen und staatskirchenrechtlichen Gremien funktioniert, hängt von den konkreten Personen ab.» Kirchliche Mitarbeitende haben meist zwei Vorgesetzte – den Bischof und die Kirchenverwaltung.
Innovativer Schritt
2017 haben das Bistum St. Gallen und der Katholische Konfessionsteil die Ombudsstelle eingerichtet. «Das war im kirchlichen Bereich ein innovativer Schritt», sagt Kathrin Hilber. Die ehemalige St. Galler Regierungsrätin ist seit Anfang an dabei. Sie wird unterstützt von Tino Bentele, Wittenbach, und Alexandra Gloor, Buchs. «Die Betroffenen sollen auswählen können und zudem sind mit der Juristin Alexandra Gloor noch weitere Kompetenzen vertreten. Oft sind bei unseren Fällen schnell juristische Fragen im Spiel.» Fünfzehn bis zwanzig Fälle bearbeitet die Ombudsstelle im Jahr. Laut Kathrin Hilber, die auch Erfahrung als Ombudsfrau von anderen Institutionen mitbringt, ist das überraschend wenig. «Woran das liegt, lässt sich schwer sagen. Ich vermute, dass die Hemmschwelle, sich zu melden, bei vielen noch gross ist.» Sie ermutigt alle, die Ombudsstelle auch präventiv in Anspruch zu nehmen. «Oft lassen sich Konflikte für alle Beteiligten viel einfacher lösen, wenn man sich professionell beraten und begleiten lässt, bevor sich eine negative Dynamik in Gang gesetzt hat.»
Anliegen werden gehört
Alle zwei Jahre treffen sich die Ombudspersonen mit ihren Auftraggebern, dem Bistum und dem Katholischen Konfessionsteil. «Beobachten wir, dass gewisse Themen immer wieder vorkommen, dann machen wir unsere Auftraggeber darauf aufmerksam, wo Handlungsbedarf besteht.» Das können zum Beispiel das Angebot von Weiterbildungen oder Anpassungen bei den Anstellungsbedingungen sein. «Auch bei diesen Gesprächen erlebe ich die kirchlichen Verantwortungsträger als offen und konstruktiv. Wir werden mit unseren Anliegen gehört.» Die Ombudsstelle des Bistums St. Gallen wird schweizweit wahrgenommen: Jüngst hat Kathrin Hilber von einem anderen Bistum den Auftrag erhalten, das Konzept für eine Ombudsstelle zu entwickeln.
Eine eigene Reportage machen, einmal selber Fake News verbreiten sowie die Medienstadt St. Gallen entdecken: Das ermöglicht die neue Ausstellung im Kulturmuseum St. Gallen – und möchte dabei die Medienkompetenz der Besucherinnen und Besucher stärken.
Das Kloster St. Gallen, das Rathaus, die Stickereibörse, der Marktplatz, die Fürstabtei und das Homeoffice: Per Projektor erscheinen auf der Wand der «St. Galler Arena» im Kulturmuseum St. Gallen einstige und aktuelle Orte, die für die Medienstadt St. Gallen wichtig waren und sind. Durch Pilger, die ins Kloster kamen, gelangten etwa Neuigkeiten aus ganz Europa nach St. Gallen. Noch heute ist der Stiftsbezirk als Unesco-Welterbe Treffpunkt für Gläubige aus aller Welt. Die Stickereibörse um 1900 wurde auch als Schwatzbörse bezeichnet, da sie Raum für Klatsch und Stadtgespräche bot. Heute geht, wer sich informieren möchte, vielleicht in ein Café mit Zeitungsauswahl oder tut dies gleich von zu Hause aus via Homeoffice im Internet.
Rückzug in die St. Galler Arena
Nach einer Stunde Rundgang durch die neue Ausstellung «Auf der Suche nach der Wahrheit – Wir und der Journalismus» im Kulturmuseum ist die «St. Galler Arena» der ideale Ruheort, um sich das Gesehene noch einmal durch den Kopf gehen zu lassen und mit Eindrücken aus St. Gallen abzuschliessen. In dunkler, ruhiger Atmosphäre laden Stühle zum Hinsetzen ein. Bei einigen handelt es sich um sogenannte Ereignisstühle. Wer sich dort niederlässt, findet seitlich befestigte Tafeln, die jeweils eines von neun St. Galler Ereignissen aufgreifen. Dazu gehören etwa die Osterkrawalle 2021 in St. Gallen. Thematisiert wird, wie Social Media und Pandemie ineinandergriffen. Ein weiterer Ereignisstuhl erzählt die Geschichte der Kindsmörderin Frieda Keller, die Empörung über das Todesurteil sowie das Medienecho um 1900 zur sozialen Benachteiligung der Frau. Das frühste thematisierte Ereignis in der Medienstadt St. Gallen fand aber vor der Erfindung des Buchdrucks statt. Es ist das Schicksal der Stadtheiligen Wiborada, die eingeschlossen in eine Zelle als Inklusin lebte. 926 wurde sie bei einem Überfall der Ungarn auf die Stadt erschlagen. Die Menschen und die Schätze des Klosters konnten dank ihrer Warnung aber in Sicherheit gebracht werden. Ihre Geschichte ist handschriftlich festgehalten und beinhaltet wichtige Informationen zu jener Zeit.
Auf die Suche nach der Wahrheit begibt sich, wer die aktuelle Ausstellung im Kulturmuseum besucht. Das Ganze funktioniert interaktiv und beginnt mit einem Begrüssungsfilm.
Sich in Quellenkritik üben
Doch wieso sind diese St. Galler Ereignisse exemplarisch für die Mediengeschichte und die Ausstellung «Auf der Suche nach der Wahrheit – Wir und der Journalismus»? «Derzeit erleben wir die historische Veränderung im Journalismus sehr stark mit», sagte dazu Museumsdirektor Peter Fux an der Medienorientierung im März. Medienkompetenz und Quellenkritik würden immer wichtiger, um sich in der Flut aus Nachrichten zurechtzufinden. Genau dies sei das Ziel der Ausstellung: Sie soll aufzeigen, wie Medienschaffende arbeiten und die Besucherinnen und Besucher und gerade auch Jugendliche dafür sensibilisieren, wie und wo sie sich informieren und mit Informationen umgehen. Die Ausstellung funktioniert stark interaktiv. Die Besucherinnen und Besucher checken sich mittels Badge ein und schlüpfen während ihres Museumsaufenthalts in verschiedene Rollen. Im Burger-Spiel können sie beispielsweise Fake News verbreiten und versuchen, mittels übler Gerüchte ein Burger-Restaurant in den Ruin zu treiben. Je besser sie das tun, desto mehr Punkte gibt es. Eine weitere Station ist etwa der Newsroom. Dieser ist als Escape-Room gestaltet. Man lässt sich dort als Team einschliessen und kommt erst wieder frei, wenn man verschiedene Rätsel gelöst, eine journalistische Geschichte recherchiert und diese veröffentlicht hat. Das Spiel dauert rund 20 Minuten.
Die Holocaust-Debatte im Fall Jagmetti und die Enthüllung der Panama Papers sind zwei von vielen Medienereignissen, die an der Ausstellung thematisiert werden.
Die Wunderkammer entdecken
Ergänzt wird die Ausstellung durch verschiedene Medienereignisse wie das Frauenstimmrecht, die Pandemie und den Ukraine-Krieg. Zu sehen sind auch Interviews mit Journalistinnen und Journalisten, die über ihre Arbeit berichten. Spannend wird es zudem in der Wunderkammer. Dort sind verschiedene technische Entwicklungen zu sehen, von den ersten Tontafeln mit Keilschrift über alte Telefone, Kameras und Computer bis hin zu einem Tisch voller verschiedenster St. Galler Zeitungen, wie es sie um 1900 gab. Zum Schluss, beim Check-out nach dem Museumsbesuch, folgt eine Überraschung: Wer seinen Badge einwirft, bekommt einen Presseausweis ausgedruckt. Je nach Punktestand hat man den Status Praktikum, freie Mitarbeit, Redaktion oder Chefredaktion erreicht.
→ Infos zu Ausstellung und Rahmenprogramm: www.kulturmuseumsg.ch
Das Projekt hinter der Ausstellung: Hinter der Wanderausstellung «Auf der Suche nach der Wahrheit – Wir und der Journalismus» steht der Verein journalistory.ch. Dieser entstand 2017 durch das gleichnamige Oral-History-Projekt. Initiiert wurde es vom Westschweizer Filmemacher Frédéric Gonseth. Anlass der Vereinsgründung war die bevorstehende Abstimmung über die «No Billag»-Initiative. Diese wollte die Empfangsgebühr für Radio und Fernsehen abschaffen. → www.suchewahrheit.ch
Text: Nina Rudnicki
Bilder: Regina Kühne
Veröffentlichung: 30. März 2023
Pfarrblatt im Bistum St.Gallen Webergasse 9 9000 St.Gallen