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Wie geht Beten mit Kindern?

Ich kann mich gut an meine eige­nen ersten Gebets­er­fah­run­gen erin­nern. Meine Eltern haben mit meiner Schwes­ter und mir jeden Abend «I ghöre es Glögg­li» gesun­gen. Dieses Lied hat mir Halt gege­ben, beson­ders die Zeile «de lieb Gott im Himmel  wird au bi mir si». Ich war froh, dass Gott bei mir ist, wenn das Licht gelöscht wurde.

Im Primar­schul­al­ter hatte ich ein schwei­zer­deut­sches Hörspiel auf Kasset­te, das ich mir sehr oft ange­hört habe: «Die Aben­teu­er des Tom Sawy­er und Huck­le­ber­ry Finn». Die gruse­li­ge Szene nachts auf dem Fried­hof, während der die beiden Verbre­cher beob­ach­ten, hat mir immer wieder Schau­er über den Rücken gejagt. Die beiden Buben haben Angst und Finn fragt Tom mit klap­pern­den Zähnen: «Kannst Du beten?» Tom verneint und stimmt dann doch das Lied an, das ihm abends Halt gibt: «I ghöre es Glöggli».

Ein Schatz im Herz

Auswen­dig gelern­te Gebe­te und Lieder helfen Kindern (und Erwach­se­nen) in vielen Situationen, zu Gott zu spre­chen. Ein kurzes Tisch­ge­bet vor dem Essen kann schon mit klei­nen Kindern einge­übt werden. Die häufi­ge Wieder­ho­lung des glei­chen Gebe­tes oder Liedes macht das Lernen leicht. So wird das Gebet verin­ner­licht und zu einem Schatz im Herzen. Nicht umsonst heisst auswen­dig lernen im Engli­schen «lear­ning by heart», im Fran­zö­si­schen «apprend­re par cœur». Auch Gebe­te wie das «Vater unser» können mit Kindern gespro­chen werden. Selbst wenn sie noch nicht alles erfas­sen, sind sie doch stolz darauf, dass sie mitbe­ten können. Es gibt mehre­re gute Erklä­rungs­bil­der­bü­cher für ein erstes Verständ­nis dieses Gebe­tes. Genau­so wich­tig scheint mir, dass Kinder lernen, ihre Erleb­nis­se zu erzäh­len und in Worte zu fassen, was sie bewegt. So erfah­ren sie Gott und Jesus als ein DU, dem sie alles anver­trau­en können. Z. B. haben wir mit unse­ren Kindern einan­der beim Gute-Nacht-Sagen die Frage gestellt:

– Wofür möch­te ich Gott heute danken?

– Worum möch­te ich Gott heute bitten?

Zur Ruhe kommen lassen

Unse­re Erfah­rung ist, dass dieses Ritu­al Kinder und Erwach­se­ne zur Ruhe kommen lässt und beim Einschla­fen hilft. Wir werden uns bewusst, wenn ein Erleb­nis noch nicht verar­bei­tet ist und unse­ren Schlaf stören könn­te. Ich nenne dies das freie Gebet und versu­che es auch im Reli­gi­ons­un­ter­richt mit den Kindern zu üben. Viele Kinder haben gros­sen Spass daran. Gebe­te dürfen nicht zum Zwang werden. Kindern soll nicht das Gefühl gege­ben werden, dass sie etwas leis­ten müssen, damit Gott zufrie­den gestellt wird. Ein solches Gottes­bild würde Kinder belas­ten und nicht zu inne­rer Ruhe führen. Wenn ein Gebet frei­wil­lig ist, kann es von Herzen kommen.

Kurze, kind­ge­rech­te Gebe­te finden Sie z. B. im Buch Margot und Lea Käss­mann, Du gibst immer auf mich acht. Mit Kindern beten, empfoh­len ab 4 Jahren, 2019. Oder: Das Vater­un­ser den Kindern erzählt, Georg Schwi­kart, 2014.

Danie­la Grem­min­ger
Seel­sor­ge­rin Katho­li­sche Kirche Uzwil und Umgebung

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

Veröf­fent­li­chung: 9. August 2023

Stefan Hollenstein vor einem Saurer-Bus aus dem Jahr 1955.

Er sucht Lösungen

Stefan Hollen­stein lebt den christ­li­chen Glau­ben seit seiner Kind­heit. Vor zwei Jahren wurde er zum Präsi­den­ten des Kirchen­ver­wal­tungs­ra­tes Amden ­gewählt. Obwohl er das Amt nie ­ange­strebt hat, tritt er im Septem­ber zur Wieder­wahl an.

Hoch oben über dem Walen­see sitzt Stefan Hollen­stein in seinem Büro in Amden. Über den Tele­fon­hö­rer gib er einem Ange­stell­ten exak­te Anwei­sun­gen. Der Betriebs­lei­ter des Auto­be­trie­bes Weesen-Amden (AWA) hat an diesem sonni­gen Vormit­tag viel zu tun. Auf den Stras­sen herrscht reger Betrieb, die Gegend gilt als Wander­pa­ra­dies. Viele Auswär­ti­ge und Einhei­mi­sche nutzen die AWA. «Wir haben genug Arbeit. Eigent­lich woll­te ich keine weite­ren Verpflich­tun­gen einge­hen», sagt Hollen­stein und spricht damit sein Ehren­amt an: Der 39-Jährige wurde Ende 2020 in einer Ersatz­wahl zum Präsi­den­ten des Kirchen­ver­wal­tungs­ra­tes (KVR) Amden gewählt. Damit gehört Hollen­stein zu den jüngs­ten KVR-Präsidenten im Bistum St. Gallen. Zuvor war er Mitglied im KVR bezie­hungs­wei­se Vizepräsident.

Tags­über fährt er die Busse oder erle­digt im Betrieb die Admi­nis­tra­ti­on. An den Wochen­en­den wieder­um stehen oft kirch­li­che Termi­ne an. Ohne die Unter­stüt­zung seiner Frau und der 12 Ange­stell­ten im Geschäft sowie der KVR-Mitglieder wäre das Pensum nicht mach­bar, so Hollen­stein. Und dennoch sagt er: «Jeder, der kann, soll einen Beitrag leis­ten. Leider sind immer weni­ger Menschen bereit, ihre Frei­zeit zu opfern.»

Vakan­zen besetzen

Zu seinem Amt kam der gebür­ti­ge Mühl­rüt­ner eher unfrei­wil­lig. Er sei zwar mit dem katho­li­schen Glau­ben gross gewor­den, habe diesen immer schon gelebt – Hollen­steins Vater war während 26 Jahren selber KVR-Mitglied – und habe sich schon immer in der Kirche enga­giert. «Aber ich woll­te nie in den Kirchen­ver­wal­tungs­rat. Ich konn­te mir das über­haupt nicht vorstel­len», sagt Hollen­stein. Warum aber beklei­det er das Amt nun doch? Der Grund für den Sinnes­wan­del ist einfach. Wie in vielen ande­ren Gemein­den auch, hatte der Kirchen­ver­wal­tungs­rat in Amden Mühe, Frei­wil­li­ge zu finden. So «rutsch­te» Hollen­stein 2019 als Mitglied in den KVR und schliess­lich in das Amt des Präsi­den­ten. «Als sich niemand für das Amt melde­te, war für mich klar: Wir müssen eine Lösung finden.»

Geleb­te Traditionen

Wenn Stefan Hollen­stein in die Zukunft blickt, freut er sich. Die Kirch­ge­bäu­de sind in einem guten Zustand und die Reor­ga­ni­sa­ti­on des Seel­sor­ge­teams ist auf gutem Weg. Die Orgel erstrahlt nach einer Revi­si­on wieder in neuem Glanz. Hollen­stein fühlt sich wohl in Amden. «Wir haben eine leben­di­ge Kirch­ge­mein­de und die Tradi­tio­nen werden gelebt», sagt er, verschweigt aber nicht, dass auch in seiner Wohn­ge­mein­de die Gottes­diens­te heute nur noch spär­lich und vor allem von älte­ren Menschen besucht werden. «Wir müssen einen Weg finden, die Tradi­tio­nen der Vergan­gen­heit mit der Moder­ne zusam­men­zu­brin­gen.» Dies sei eine gros­se Heraus­for­de­rung und seine wohl gröss­te Aufga­be. Stefan Hollen­stein wird sich dieser stel­len. Am 10. Septem­ber stehen im Kanton St. Gallen die Erneue­rungs­wah­len in den Kirchen­ver­wal­tungs­rat an, und für den 39-Jährigen ist klar: Er wird noch­mals kandidieren.

Text und Bild: Ales­sia Paga­ni
Veröf­fent­li­chung: 2. August 2023

Von teuren Autos geblendet

Die Fach­stel­le info­Sek­ta bekommt mehr Anfra­gen zu klei­nen, unbe­kann­ten Grup­pen. Dazu tragen auch Digi­ta­li­sie­rung und Sozia­le Medi­en bei: Besorg­te Eltern melden sich, weil sich ihre Söhne von Online­kur­sen und umstrit­te­nen Vorbil­dern wie Andrew Tate blen­den lassen.

Gros­se Gemein­schaf­ten wie jene der Zeugen Jeho­vas, viele klei­ne und unbe­kann­te Gemein­schaf­ten, aber auch Konzep­te, die vor allem jungen Männern Erfolg verspre­chen: Der neue Jahres­be­richt von info­Sek­ta zeigt, welche Themen die Zürcher Fach­stel­le für Sekten­fra­gen im vergan­ge­nen Jahr beschäf­tigt hat. Diese hat 2022 rund 3000 Bera­tungs­kon­tak­te verzeich­net, der Bera­tungs­be­darf ist damit unge­bro­chen. Zwei Drit­tel davon bezo­gen sich auf rund 300 klei­ne­re Grup­pen. «Viele sind eher unbe­kannt und erschei­nen selten in den Schlag­zei­len», heisst es im Jahres­be­richt. Darin lässt sich beispiels­wei­se auch der Leidens­weg drei­er Ausstei­ge­rin­nen aus der Grup­pe Koma­ja, «die Gemein­schaft der Erleuch­te­ten» des Grün­ders und Leiters Fran­jo Mili­ce­vic alias Guru Maka­ja nach­le­sen. Gemäss seiner Lehre «Verliebt­heit als geis­ti­ge Metho­de» wird Sex zur Befrei­ung von alten Mustern und zur Über­win­dung des Ego eingesetzt.

Eige­ne mora­li­sche Vorstellungen

«Bereits vor 30 Jahren, als wir mit unse­rer Arbeit began­nen, spie­gel­ten die Anfra­gen die Viel­falt der Welt­an­schau­ungs­land­schaft wider», sagt Susan­ne Schaaf von info­Sek­ta. Diese Pulve­ri­sie­rung habe im Rahmen der Indi­vi­dua­li­sie­rung nun aber noch zuge­nom­men. Während früher exoti­sche Gemein­schaf­ten wie die Hare-Krishna-Bewegung oder die Orga­ni­sa­ti­on von Bhag­wan oder auch auffäl­li­ge Grup­pen wie Fiat Lux Inter­es­se geweckt hätten, stehe heute oft die Selbst­op­ti­mie­rung im Zentrum. «Es geht dabei um Fragen, wie man sein Poten­zi­al ausschöp­fen kann, um erfolg­reich und glück­lich zu werden», sagt sie. Expli­zit im Jahres­be­richt erwähnt wird ein Phäno­men, das vor allem junge Männer betrifft. Es handelt sich um die mani­pu­la­ti­ve Sogwir­kung von umstrit­te­nen Schu­lungs­an­ge­bo­ten und Multi-Level-Marketing-Systemen wie von der Online-Finanz­akademie IM Mastery Acade­my  oder von soge­nann­ten Influen­cern. Letz­te­res sind Perso­nen, die in den Sozia­len Medi­en einen hohen Bekannt­heits­grad haben und dadurch ande­re beein­flus­sen. Die jungen Menschen kommen eben­falls über die Sozia­len Medi­en mit den entspre­chen­den Platt­for­men und Perso­nen in Kontakt. «Im vergan­ge­nen Jahr hatten wir vermehrt Anfra­gen von besorg­ten Eltern, weil sich der Sohn einem solchen System zuge­wandt hatte und unzu­gäng­lich für Kritik und Warnun­gen gewor­den war», sagt Susan­ne Schaaf. «Die Vertre­ter der Syste­me treten betont lässig und selbst­be­wusst auf, lassen sich vor teuren Autos oder am Pool ablich­ten. Sie vermit­teln die Botschaft, dass es einfach sei, sein eige­ner Herr zu sein, selbst­be­stimmt arbei­ten zu können und schnell viel Geld zu verdie­nen.» Als Beispiel nennt sie den ehema­li­gen Kick­bo­xer und Influen­cer Andrew Tate, der einer brei­ten Öffent­lich­keit durch seine frau­en­feind­li­chen Aussa­gen bekannt gewor­den ist. «Sein Erfolg bei vielen jungen Männern könn­te damit zusam­men­hän­gen, dass er das Bild eines vermeint­lich star­ken Mannes vermit­telt. Dieser lässt sich von nieman­dem etwas vorschrei­ben und lebt nach eige­nen mora­li­schen Vorstel­lun­gen, unab­hän­gig und angst­frei», sagt sie.

An enges Milieu verlieren

Doch wie geht die Fach­stel­le vor, wenn sie Anfra­gen zu klei­ne­ren oder unbe­kann­ten Grup­pen bekommt? «In solchen Fällen recher­chie­ren wir, sich­ten die Website und Video­clips der Orga­ni­sa­ti­on, setzen uns mit dem Lehr­ge­bäu­de ausein­an­der und suchen nach perso­nel­len Verflech­tun­gen, um eine erste Einschät­zung machen zu können», sagt Susan­ne Schaaf. Info­Sek­ta stehe auch mit ande­ren Fach­stel­len in der Schweiz, Deutsch­land und Öster­reich im Austausch. Dieses Netz­werk könne bei den Recher­chen sehr hilf­reich sein. In einem weite­ren Schritt gehe es dann um eine umfas­sen­den Ausle­ge­ord­nung mit den Ange­hö­ri­gen. Wie soll man mit einem Fami­li­en­mit­glied umge­hen, das in ein sekten­haf­tes Milieu abge­drif­tet ist? Wie weit kann man in seiner Argu­men­ta­ti­on gehen, ohne die Bezie­hung zu gefähr­den? Wohin mit der Angst vor dem Verlust des gelieb­ten Menschen? «Die Mecha­nis­men sind bei klei­nen Grup­pen oft ähnlich wie bei bekann­ten Orga­ni­sa­tio­nen», sagt sie und fügt an: «Die Proble­me der Ange­hö­ri­gen sind über all die Jahre ähnlich geblie­ben. Sie verlie­ren einen gelieb­ten Menschen an ein enges Milieu.»

→ Jahres­be­richt sowie Infos zu Selbst­hil­fe­grup­pen und Präven­ti­on auf www.infosekta.ch

Text: Nina Rudni­cki
Bild: pixabay.com
Veröf­fent­li­chung: 25. Juli 2023

Das Recht auf Wind in den Haaren

Mit einer Velo-Rikscha und einem Team von 28 ehren­amt­li­chen Pilo­tin­nen und Pilo­ten ­ermög­licht der Rorscha­cher Paul Zünd Hoch­be­tag­ten Ausfahr­ten zu deren ­Lieb­lings­or­ten. Das Schöns­te daran sei, miter­le­ben zu können, wie seine Fahr­gäs­te aufblü­hen, sagt der ­Reli­gi­ons­päd­ago­ge. Seine Leiden­schaft für’s Velo­fah­ren entdeck­te er einst als Velokurier.

Zum Velo­fah­ren bin ich erst spät gekom­men», sagt Paul Zünd, der bei der Katho­li­schen Kirche der Regi­on Rorschach für das Ressort Erwach­se­ne zustän­dig ist. Im Schat­ten des Parks vor der Herz-Jesu-Kirche hat er seine Rikscha parkiert, mit der er regel­mäs­sig Senio­rin­nen und Senio­ren ausfährt. «Als 12-Jähriger habe ich zwar gear­bei­tet und mir von dem Geld ein Renn­ve­lo gekauft. Danach wurde ich aber erst mal ein rich­ti­ger Töff­libueb», sagt der 51-Jährige. Zum Velo­fah­ren brach­te ihn in seinen Zwan­zi­ger­jah­ren schliess­lich ein Freund, der vorschlug, dass sie beide doch Velo­ku­rie­re werden soll­ten. Später leite­te und baute er unter ande­rem den Velo­ku­rier Die Flie­ge in St. Gallen aus. «Das Gefühl, auf dem Velo mit der Umwelt und den Menschen verbun­den zu sein, faszi­niert mich bis heute. Es gibt keine Glas­schei­be dazwi­schen und ich bin in einer Geschwin­dig­keit unter­wegs, in der ich mich auf das Gesche­hen um mich herum einlas­sen kann», sagt er.

Ausfahrt zum Hochzeitstag

Dieses Gefühl, auszu­fah­ren, den Wind in den Haaren zu spüren, unter­wegs spon­tan Bekann­ten zu begeg­nen: Das sollen mittels der Rikscha auch die Fahr­gäs­te von Paul Zünd erle­ben. Vor vier Mona­ten hat er daher das Rikscha-Projekt gestar­tet und ein Team von 28 ehren­amt­li­chen Pilo­tin­nen und Pilo­ten zusammengestellt. 

An diesem Vormit­tag trifft er das Ehepaar Elfi und Peter Künz­le aus Rorschach. Die beiden sind um die 80 Jahre alt und eigent­lich selbst täglich auf dem Velo unter­wegs. Da die Katho­li­sche Kirche der Regi­on Rorschach aktu­ell auf ihrer Home­page mit neuen Fotos verschie­de­ne Projek­te vorstellt, haben sich die beiden bereit­erklärt, als Foto­mo­del­le bei einer Tour dabei zu sein. «Ausser­dem haben wir gera­de unse­ren 57. Hoch­zeits­tag gefei­ert. Wir fanden, aus diesem Anlass könn­ten wir uns gut auf etwas Neues wie eine Rikscha-Fahrt einlas­sen», sagt Elfi Künz­le. Sie fügt an, sie freue sich vor allem darauf, in der Natur zu sein und den Fahrt­wind zu spüren.

Teil des Glücks sein

Elfi und Peter Künz­le nehmen in der Rikscha Platz und befes­ti­gen den Anschnall­gurt. Paul Zünd steigt hinter ihnen auf den Sattel und tritt in die Peda­le. Maxi­mal 15 Kilo­me­ter pro Stun­de schnell wird er fahren. Ein elek­tri­scher Motor unter­stützt ihn dabei. Die Rikscha hat er über den Verein «Radeln ohne Alter Schweiz» gemie­tet. Elfi und Peter Künz­le sind in Rorschach gut vernetzt und haben viele Bekann­te. Schon nach weni­gen Metern wird klar, worin der Vorteil einer solchen Ausfahrt liegt: Ein Winken hier, ein paar Zuru­fe dort und immer wieder wird das Ehepaar von Bekann­ten auf dem Velo oder im Auto über­holt. «Miter­le­ben zu können, wie meine Fahr­gäs­te unter­wegs aufblü­hen, und Teil ihres Glücks zu sein, ist das Schöns­te für mich als Pilot», sagt Paul Zünd. In den Alters- und Pfle­ge­hei­men spre­che man bei dieser Art der Tages­ge­stal­tung von Aktivierung.

Die Rück­mel­dun­gen, die Paul Zünd und sein Team von den Betreuungs- und Pfle­ge­fach­per­so­nen erhal­ten, sind posi­tiv. Den Fahr­gäs­ten sei anzu­mer­ken, wie gut ihnen die Ausfahrt getan habe. Mitt­ler­wei­le machen das Senio­ren­zen­trum La Vita in Gold­ach, das Alters­heim Rorschach und das Haus zum Seeblick im Rorscha­cher­berg bei dem Projekt mit. Im Durch­schnitt 20 Buchun­gen für seine Rikscha-Ausflüge erhält Paul Zünd von diesen im Monat. Ein bis zwei Stun­den dauert eine Fahrt und führt zu Lieb­lings­or­ten der jewei­li­gen Fahr­gäs­te. «Eine Frau wünsch­te sich zum Beispiel einmal eine Tour zum Hotel Bad Horn, um dort am See etwas zu trin­ken», sagt Paul Zünd. Und ein Ehepaar woll­te noch einmal zu jenem Haus fahren, in dem es gelebt hatte. Manch­mal komme es aller­dings auch vor, dass ein Fahr­gast zu unru­hig sei oder aus verschie­de­nen Grün­den die Fahrt nicht genies­sen könne. «In solchen Situa­tio­nen kehre ich um und brin­ge die Person zurück», sagt er.

Eine eige­ne Rikscha kaufen

«Recht auf Wind im Haar», so hat Paul Zünd sein Rikscha-Projekt benannt. Erfun­den habe er diese Bezeich­nung aber nicht. Viel­mehr sei es ein welt­weit bekann­ter Spruch unter Rikscha­fah­re­rin­nen und ‑fahrern. Seit Anfang Juli ist auch klar, wie es mit dem Projekt weiter­geht. Das Pasto­ral­team hat sich einstim­mig für den Kauf einer Rikscha ausge­spro­chen und möch­te das Projekt nach den Sommer­fe­ri­en weiter­füh­ren. Nun liegt der Ball bei der Geschäfts­lei­tung und dem Kirchen­ver­wal­tungs­rat. Letz­te­rer muss für einen Kauf einen ausser­or­dent­li­chen Kredit sprechen.

Elfi und Peter Künz­le kehren derweil mit Paul Zünd an den Start­punkt zurück. Sie hatten Spass und Paul Zünd verspricht ihnen beim Abschied noch­mals eine rich­ti­ge Tour – ganz ohne Kame­ras. Er selbst wird sich am Abend auf sein Velo schwin­gen und nach Hause fahren. Ein Auto besitzt er nicht. «Auf dem Velo unter­wegs zu sein ist für mich der perfek­te Ausgleich», sagt er. «Mehr brau­che ich nicht.»

Text: Nina Rudni­cki
Bilder: Ana Kontou­lis
Veröf­fent­li­chung: 24. Juli 2023

Das Recht auf Wind in den Haaren

Wer gerne den Wind in den ­Haaren spürt, fährt ohne: Sonst schützt die ­Fahr­gäs­te aber ein Dach vor dem Wetter. Paul Zünd befes­tigt es an der Rikscha.

Mit einer Velo-Rikscha und einem Team von 28 ehren­amt­li­chen Pilo­tin­nen und Pilo­ten ­ermög­licht der Rorscha­cher Paul Zünd Hoch­be­tag­ten Ausfahr­ten zu deren ­Lieb­lings­or­ten. Das Schöns­te daran sei, miter­le­ben zu können, wie seine Fahr­gäs­te aufblü­hen, sagt der ­Reli­gi­ons­päd­ago­ge. Seine Leiden­schaft für’s Velo­fah­ren entdeck­te er einst als Velokurier.

Wer gerne den Wind in den ­Haaren spürt, fährt ohne: Sonst schützt die ­Fahr­gäs­te aber ein Dach vor dem Wetter. Paul Zünd befes­tigt es an der Rikscha.

Zum Velo­fah­ren bin ich erst spät gekom­men», sagt Paul Zünd, der bei der Katho­li­schen Kirche der Regi­on Rorschach für das Ressort Erwach­se­ne zustän­dig ist. Im Schat­ten des Parks vor der Herz-Jesu-Kirche hat er seine Rikscha parkiert, mit der er regel­mäs­sig Senio­rin­nen und Senio­ren ausfährt. «Als 12-Jähriger habe ich zwar gear­bei­tet und mir von dem Geld ein Renn­ve­lo gekauft. Danach wurde ich aber erst mal ein rich­ti­ger Töff­libueb», sagt der 51-Jährige. Zum Velo­fah­ren brach­te ihn in seinen Zwan­zi­ger­jah­ren schliess­lich ein Freund, der vorschlug, dass sie beide doch Velo­ku­rie­re werden soll­ten. Später leite­te und baute er unter ande­rem den Velo­ku­rier Die Flie­ge in St. Gallen aus. «Das Gefühl, auf dem Velo mit der Umwelt und den Menschen verbun­den zu sein, faszi­niert mich bis heute. Es gibt keine Glas­schei­be dazwi­schen und ich bin in einer Geschwin­dig­keit unter­wegs, in der ich mich auf das Gesche­hen um mich herum einlas­sen kann», sagt er.

Eigent­lich sind Elfi und Peter Künz­le selbst täglich mit ihren Velos unter­wegs. Zu ihrem 57. Hoch­zeits­tag gönnen sie sich aber eine Ausfahrt mit der Rikscha.

Ausfahrt zum Hochzeitstag

Dieses Gefühl, auszu­fah­ren, den Wind in den Haaren zu spüren, unter­wegs spon­tan Bekann­ten zu begeg­nen: Das sollen mittels der Rikscha auch die Fahr­gäs­te von Paul Zünd erle­ben. Vor vier Mona­ten hat er daher das Rikscha-Projekt gestar­tet und ein Team von 28 ehren­amt­li­chen Pilo­tin­nen und Pilo­ten zusam­men­ge­stellt. An diesem Vormit­tag trifft er das Ehepaar Elfi und Peter Künz­le aus Rorschach. Die beiden sind um die 80 Jahre alt und eigent­lich selbst täglich auf dem Velo unter­wegs. Da die Katho­li­sche Kirche der Regi­on Rorschach aktu­ell auf ihrer Home­page mit neuen Fotos verschie­de­ne Projek­te vorstellt, haben sich die beiden bereit­erklärt, als Foto­mo­del­le bei einer Tour dabei zu sein. «Ausser­dem haben wir gera­de unse­ren 57. Hoch­zeits­tag gefei­ert. Wir fanden, aus diesem Anlass könn­ten wir uns gut auf etwas Neues wie eine Rikscha-Fahrt einlas­sen», sagt Elfi Künz­le. Sie fügt an, sie freue sich vor allem darauf, in der Natur zu sein und den Fahrt­wind zu spüren.

Teil des Glücks sein

Elfi und Peter Künz­le nehmen in der Rikscha Platz und befes­ti­gen den Anschnall­gurt. Paul Zünd steigt hinter ihnen auf den Sattel und tritt in die Peda­le. Maxi­mal 15 Kilo­me­ter pro Stun­de schnell wird er fahren. Ein elek­tri­scher Motor unter­stützt ihn dabei. Die Rikscha hat er über den Verein «Radeln ohne Alter Schweiz» gemie­tet. Elfi und Peter Künz­le sind in Rorschach gut vernetzt und haben viele Bekann­te. Schon nach weni­gen Metern wird klar, worin der Vorteil einer solchen Ausfahrt liegt: Ein Winken hier, ein paar Zuru­fe dort und immer wieder wird das Ehepaar von Bekann­ten auf dem Velo oder im Auto über­holt. «Miter­le­ben zu können, wie meine Fahr­gäs­te unter­wegs aufblühen, und Teil ihres Glücks zu sein, ist das Schöns­te für mich als Pilot», sagt Paul Zünd. In den Alters- und Pfle­ge­hei­men spre­che man bei dieser Art der Tages­ge­stal­tung von Aktivierung.

Die Rück­mel­dun­gen, die Paul Zünd und sein Team von den Betreuungs- und Pfle­ge­fach­per­so­nen erhal­ten, sind posi­tiv. Den Fahr­gäs­ten sei anzu­mer­ken, wie gut ihnen die Ausfahrt getan habe. Mitt­ler­wei­le machen das Senio­ren­zen­trum La Vita in Gold­ach, das Alters­heim Rorschach und das Haus zum Seeblick im Rorscha­cher­berg bei dem Projekt mit. Im Durch­schnitt 20 Buchun­gen für seine Rikscha-Ausflüge erhält Paul Zünd von diesen im Monat. Ein bis zwei Stun­den dauert eine Fahrt und führt zu Lieb­lings­or­ten der jewei­li­gen Fahr­gäs­te. «Eine Frau wünsch­te sich zum Beispiel einmal eine Tour zum Hotel Bad Horn, um dort am See etwas zu trin­ken», sagt Paul Zünd. Und ein Ehepaar woll­te noch einmal zu jenem Haus fahren, in dem es gelebt hatte. Manch­mal komme es aller­dings auch vor, dass ein Fahr­gast zu unru­hig sei oder aus verschie­de­nen Grün­den die Fahrt nicht genies­sen könne. «In solchen Situa­tio­nen kehre ich um und brin­ge die Person zurück», sagt er.

Paul Zünd ist mit seinen Fahr­gäs­ten mit maxi­mal 15 Kilo­me­tern pro Stun­de auf den ­Velo­we­gen unter­wegs. Immer im Einsatz sind Glocke und Geschwindigkeitsanzeige.

Eine eige­ne Rikscha kaufen

«Recht auf Wind im Haar», so hat Paul Zünd sein Rikscha-Projekt benannt. Erfun­den habe er diese Bezeich­nung aber nicht. Viel­mehr sei es ein welt­weit bekann­ter Spruch unter Rikscha­fah­re­rin­nen und ‑fahrern. Seit Anfang Juli ist auch klar, wie es mit dem Projekt weiter­geht. Das Pasto­ral­team hat sich einstim­mig für den Kauf einer Rikscha ausge­spro­chen und möch­te das Projekt nach den Sommer­fe­ri­en weiter­füh­ren. Nun liegt der Ball bei der Geschäfts­lei­tung und dem Kirchen­ver­wal­tungs­rat. Letz­te­rer muss für einen Kauf einen ausser­or­dent­li­chen Kredit sprechen.

Elfi und Peter Künz­le kehren derweil mit Paul Zünd an den Start­punkt zurück. Sie hatten Spass und Paul Zünd verspricht ihnen beim Abschied noch­mals eine rich­ti­ge Tour – ganz ohne Kame­ras. Er selbst wird sich am Abend auf sein Velo schwin­gen und nach Hause fahren. Ein Auto besitzt er nicht. «Auf dem Velo unter­wegs zu sein ist für mich der perfek­te Ausgleich», sagt er. «Mehr brau­che ich nicht.»

Text: Nina Rudnicki

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­licht: 21.07.2023

Von Religiösem verabschieden

Ob Rosen­krän­ze, Kreu­ze, Medail­len oder Reli­qui­en: Räumt man das Haus oder die Wohnung von Ange­hö­ri­gen, hält man diese Gegen­stän­de oft in der Hand. Doch wohin damit?

Auch reli­giö­ser Geschmack verän­dert sich», sagt Jürg Wüst, Seel­sor­ger in Gommis­wald. «Es gibt Bilder oder Statu­en, die etwa den Eltern sehr wich­tig waren. Der nach­fol­gen­den Gene­ra­ti­on gefal­len sie aber nicht mehr wirk­lich oder sie hat dafür keine Verwen­dung.» Damit spricht Jürg Wüst einen Punkt an, vor dem Ange­hö­ri­ge häufig stehen, wenn sie beispiels­wei­se das Haus ihrer Eltern räumen: Darf man reli­giö­se Gegen­stän­de einfach entsor­gen? Oder gibt es Alter­na­ti­ven dazu? Auch das SRF berich­te­te in einem Beitrag über das Bistum Basel vor eini­ger Zeit darüber, dass in vielen Kirchen anonym und absicht­lich reli­giö­se Gegen­stän­de depo­niert würden. «In der Seel­sor­ge­ein­heit Ober­see kommt das nur selten vor», sagt Jürg Wüst. Viel­mehr sei bekannt, dass man reli­giö­se Gegen­stän­de offi­zi­ell den zustän­di­gen Pfar­rei­mit­ar­bei­ten­den über­ge­ben könne. «Wich­tig ist, dass keine reli­giö­sen Gefüh­le verletzt werden», sagt er. Viele Perso­nen seien daher froh, wenn sie erfah­ren würden, dass die abge­ge­be­nen Gegen­stän­de wieder­ver­wer­tet werden können. In seiner Seel­sor­ge­ein­heit würden diese an verschie­de­ne Kirchen in Südost­eu­ro­pa weiter­ge­ge­ben.  «Nur weil den Menschen hier etwas nicht mehr gefällt, muss das nicht pauschal für alle Länder gelten.»

Spen­den und weitergeben

Josef Manser ist Pfar­rer in der Seel­sor­ge­ein­heit Gaster. Er erzählt, dass er stets einen klei­nen Vorrat an Rosen­krän­zen und Bibeln habe, die bei ihm abge­ge­ben wurden. «Manch­mal kommt es vor, dass mich Perso­nen nach solchen Gegen­stän­den fragen. Dann gebe ich diese weiter.» Dass Dinge bei der Kirche oder beim Pfar­rei­heim anonym depo­niert werden, erle­be er selten. Häufi­ger erhal­te er hinge­gen Anfra­gen, was man mit reli­giö­sen Gegen­stän­den tun könne. Zudem empfiehlt er die Möglich­keit, Gegen­stän­de wie Kerzen­stän­der und Kerzen, Statu­en, Heili­gen­bil­der, Kreu­ze, Kreuz­weg­ta­feln, Reli­qui­en, Rosen­krän­ze und Medail­len an die Osteu­ro­pa­hil­fe «Triumph des Herzens» zu spen­den. Der Haupt­sitz befin­det sich in Zuzwil, eine Geschäfts­stel­le in Einsie­deln. Auch an der Tonhal­len­stras­se 50 in Wil gibt es laut Manser ein Sammel­la­ger, das jeweils am Mitt­woch und Sams­tag von 9 bis 11 Uhr geöff­net hat.

Mit Erin­ne­rung und Dank

Im Kirchen­recht CIC 1171 heisst es: Heili­ge Sachen, die durch Weihung oder Segnung für den Gottes­dienst bestimmt sind, sind ehrfürch­tig zu behan­deln und dürfen nicht zu profa­nem oder ihnen frem­dem Gebrauch verwen­det werden, selbst dann nicht, wenn sie Eigen­tum von Privat­per­so­nen sind.  Josef Manser erwähnt als Beispiel Andachts­ge­gen­stän­den. «Sie sind geseg­net, und Menschen haben eine persön­li­che Bezie­hung dazu. Von daher fällt es meist schwer, diese Dinge zu entsor­gen. Trotz­dem finde ich, müssen wir uns auch da von gewis­sen Dingen tren­nen.» Er selbst schmeis­se diese nicht einfach offen in einen Abfall­sack, sondern verab­schie­de sie etwa mit einem Gebet, mit Erin­ne­run­gen und Dank oder packe sie ein. «Ausser­dem dürfen wir nicht verges­sen, dass reli­giö­se Dinge ledig­lich ein Verweis auf Gott und sein Wirken sind», sagt er. «Wenn keine subjek­ti­ve Bezie­hung zum Gegen­stand mehr besteht, ist die Segens­wir­kung nicht mehr da. Statu­en, Bilder, Amulet­te zu vereh­ren, wäre Aberglaube.»

Text: Nina Rudni­cki
Bilder: pixabay.com
Veröf­fent­li­chung: 21. Juli 2023

Pompös, aber auch innig

Der neue Domor­ga­nist Chris­toph Schön­fel­der sagt, was ihn am ­Orgel­spie­len faszi­niert und wieso er ­dafür von München nach St. Gallen ­gezo­gen ist.

Abends, wenn die Kathe­dra­le in St. Gallen ihre Türen für die Öffent­lich­keit schliesst, setzt sich Chris­toph Schön­fel­der jeweils an die Orgel und übt. «Es ist die Zeit, in der ich mich ohne Neben­ge­räu­sche auf das Instru­ment einlas­sen und es kennen­ler­nen kann», sagt der neue Domor­ga­nist. Der 31-Jährige hat die Stel­le Anfang August ange­tre­ten. Im vergan­ge­nen Jahr hat er sich dafür gegen 26 Mitbe­wer­ben­de durch­ge­setzt. In der Kathe­dra­le befin­den sich die zwei histo­ri­schen Bossard-Orgeln sowie die Kuhn-Orgel von 1968. Für Chris­toph Schön­fel­der war das ein Grund, sich in St. Gallen zu bewer­ben und dafür seine Stel­le als Dozent für Litur­gi­sches Orgel­spiel und Orgel­im­pro­vi­sa­ti­on an der Hoch­schu­le für Musik und Thea­ter in München aufzugeben.

Was Mensch­sein ausmacht

Was faszi­niert ihn an dem pompö­sen Instru­ment? «Klar, je mehr Regis­ter man zieht, desto mäch­ti­ger erklingt die Orgel», sagt er und fügt an: «Gleich­zei­tig ist es aber auch ein sehr inni­ges und feines Instru­ment mit vielen verschie­de­nen Klang­far­ben.» Als Orga­nist fühle er sich wie ein Diri­gent, dessen Orches­ter die Orgel ist. «Mit der Zeit lernt man dieses Orches­ter sehr gut kennen. Setzt man sich dann aber an eine ande­re Orgel, ist das so, als ob man mit einem komplett neuen Orches­ter arbei­tet», sagt er. Das Orgel­spie­len ist für Chris­toph Schön­fel­der auch ein Weg, sich mit dem Thema «Mensch­sein» ausein­an­der­zu­set­zen. Viele der Kompo­nis­ten wie etwa Bach, Reger oder Messiaen würden in ihren Werken Gottes­be­geg­nun­gen beschrei­ben. «Es geht um Themen wie Glau­be, Zwei­fel und Hoff­nung. Als Musi­ker, der ein neues Stück einstu­diert, setzt man sich also auto­ma­tisch mit diesen gros­sen Fragen der Mensch­heit ausein­an­der und damit, was der Kompo­nist mit dem Stück sagen will», sagt er.

Von den Eltern inspiriert

Für die Orgel begeis­tert sich Chris­toph Schön­fel­der seit seiner Kind­heit. Aufge­wach­sen ist er im bayri­schen Lands­hut. Seine Eltern sind Orga­nis­ten bezie­hungs­wei­se Kirchen­mu­si­ker. «Ich sass schon als Fünf­jäh­ri­ger in der Kirche, sah meinem Vater beim Spie­len zu und wuss­te, dass ich das auch machen will», sagt er. Später studier­te er Orgel, katho­li­sche Kirchen­mu­sik und Klavier in München und gewann zahl­rei­che Orgel­im­pro­vi­sa­ti­ons­wett­be­wer­be. Die Freu­de bei seiner Fami­lie über­wiegt, dass Chris­toph Schön­fel­der für die neue Stel­le nun nach St. Gallen gezo­gen ist. Bei seinem Antritts­kon­zert als neuer Domor­ga­nist am 24. Septem­ber 2023 in der Kathe­dra­le werden sie auch mit dabei sein. Er sagt: «Mit der neuen Stel­le ist für mich ein Traum in Erfül­lung gegan­gen. Ich kann sowohl an der Diöze­sa­nen Kirchen­mu­sik­schu­le in St. Gallen unter­rich­ten als auch bei der musi­ka­li­schen Mitge­stal­tung der Litur­gie Teil sein.»

Text: Nina Rudnicki

Bild: zVg. / Matthi­as Jud

Veröf­fent­li­chung: 16. Juli 2023

Leserfrage: Warum gibt es Kirchturmkreuze mit zwei Balken?

Das Kreuz ist ein wich­ti­ges christ­li­ches Symbol für den Tod und für die Hoff­nung auf ein Leben ganz bei Gott. Es gibt über zehn Vari­an­ten von Kreu­zen: 1. Andre­as­kreuz, 2. Anto­ni­us­kreuz oder T(au)-kreuz, 3. Grie­chi­sches Kreuz, 4. Jeru­sa­lem­kreuz, 5. Kardi­nal­s­kreuz, 6. Klee­blatt­kreuz, 7. Latei­ni­sches Kreuz, 8. Malteser- oder Johan­ni­ter­kreuz, 9. Papst­kreuz, 10. Petrus­kreuz und Doppelkreuze.

Auf Kirchen sind manch­mal Doppel­kreu­ze zu sehen; so etwa auf dem Kirch­turm von Schä­nis, wo ich als Pfar­rer neu tätig bin. Neben der Pfarr­kir­che steht das Kreuz­stift. Über die Schweiz hinaus bekannt ist das Klos­ter Einsie­deln; beide Türme tragen ein Doppel­kreuz. Ein Doppel­kreuz weist darauf hin, dass im Gottes­haus eine Kreuz­re­li­quie aufbe­wahrt wird, also ein Teil­chen vom angeb­li­chen Kreuz, an dem Jesus Chris­tus gestor­ben ist. Nach der Legen­de hat Kaise­rin Hele­na, die Mutter von Kaiser Konstan­tin I., nach 325 bei ihrer Reise ins Heili­ge Land dieses Kreuz gefun­den. Die Kirche gedenkt am 3. Mai der Auffin­dung des Kreu­zes, und am 14. Septem­ber feiert sie das Fest Kreuzerhöhung.

Bei Dorf­brand zerstört

Reli­quia­re, Gefäs­se für Kreuz­par­ti­kel, wurden aus Jeru­sa­lem meis­tens doppel­ar­mig ausge­führt, um die Authen­ti­zi­tät der Reli­quie und deren Herkunft zu bekräf­ti­gen. Das doppel­bal­ki­ge Kreuz ist entstan­den aus dem Quer­bal­ken und dem darüber ange­brach­ten Kreuz­ti­tel «Jesus von Naza­reth, König der Juden» (INRI = Iesus Naza­re­nus, Rex Iudae­orum). Darum zeich­nen sich Orte, an denen Kreuz­par­ti­kel sind, oft durch ein Kreuz mit zwei Balken aus. Leider ist die Kreuz­re­li­quie in Schä­nis beim Dorf­brand 1610 zerstört worden.

Bedeu­tung des Kreuzes

Doppel­kreu­ze erlang­ten während den Kreuz­zü­gen eine beson­de­re Bedeu­tung. Der Zugang zu den heili­gen Stät­ten war versperrt. Chris­ten mach­ten gros­se Anstren­gun­gen, mithil­fe der Kreuz­rit­ter wieder frei­en Zugang nach Jeru­sa­lem zu bekom­men. Es gelang ihnen kurz­fris­tig. Aber die inne­re Zerstrit­ten­heit der euro­päi­schen Fürs­ten war hinder­lich. Also begnüg­te man sich damit, Kreuz­re­li­qui­en zu verehren.

Egal, welche Form ein Kreuz hat, wich­tig ist, was ein Kreuz­zei­chen im Menschen weckt: Wir Chris­tin­nen und Chris­ten verbin­den das Kreuz mit dem Leben, Ster­ben und Aufer­ste­hen Jesu. Das Kreuz steht einer­seits für das Leiden, aber mehr noch für die univer­sel­le, kosmi­sche, heilen­de und alles verbin­den­de Liebe, welche Gott schenkt. Das Kreuz verbin­det Erde und Himmel, und im Glau­ben verbin­det es Menschen miteinander.

Text: Josef Manser, Pfar­rer Seel­sor­ge­ein­heit Gaster

Veröf­fent­li­chung: 11.07.2023

Leser­fra­gen an info@pfarreiforum.ch

«Da steckt viel Beziehung drin»

Wer im hohen Alter zuhau­se wohnen möch­te, ist oft auf Betreu­ung ange­wie­sen. Was es braucht, um faire und nach­hal­ti­ge Care-Migration zu ermög­li­chen, zeigt ein Caritas-Projekt.

Frau Michel, was ist die ­Heraus­for­de­rung in der ­Betreu­ung von Senio­rin­nen und Senioren?

Gudrun Michel: Das Modell der Cari­tas ist die Live-in-Betreuung. Dies bezeich­net die Form der Betreu­ung, bei der die Betreu­ungs­per­son im Haus­halt der zu betreu­en­den Person lebt. Dieses Modell ist sehr indi­vi­du­ell und es steckt viel Bezie­hungs­ar­beit darin. Zudem gibt es im Gegen­satz zur Pfle­ge keine klare Defi­ni­ti­on dazu, was Betreu­ungs­ar­beit ist. Im Prin­zip gehört hier alles dazu, was Senio­rin­nen und Senio­ren in ihrem Alltag unter­stützt wie Einkau­fen, den Haus­halt erle­di­gen, Kochen aber auch gemein­sam Mittag essen und spazie­ren. Daher ist es wich­tig, die Erwar­tun­gen an die Betreu­ung gut zu bespre­chen und dabei auch stets die Mach­bar­keit und die Einhal­tung der Arbeits­zeit im Auge zu behalten.

Gudrun Michel, Leite­rin Caritas-Care

Cari­tas vermit­telt Betreu­ungs­per­so­nen aus Osteu­ro­pa in die Schweiz, neu auch ins Bistum St. Gallen. Wie kommt das?

Gudrun Michel: Ein Haupt­grund ist der Wandel der Gesell­schaft. Wir werden immer älter, was bedeu­tet, dass auch die fragi­le Lebens­pha­se länger wird. Sehr viele hoch­alt­ri­ge Perso­nen brau­chen nur in ihren letz­ten zwei bis drei Lebens­jah­ren Pfle­ge, können davor aber lange Zeit gut zuhau­se leben, sofern sie im Alltag unter­stützt werden. Nun nimmt der Wunsch zuhau­se wohnen zu blei­ben zu, aber auch die Einsam­keit im Alter. Nicht alle haben ein Fami­li­en­netz, das die Betreu­ungs­auf­ga­ben über­neh­men kann. Hier kommen die Betreu­ungs­per­so­nen aus Osteu­ro­pa zum Zug, auch wegen des Fachkräftemangels.

Viele Care-Migrantinnen und ‑Migran­ten arbei­ten hier unter prekä­ren Bedin­gun­gen. Was macht Cari­tas anders?

Gudrun Michel: Als wir mit dem Projekt vor über zehn Jahren star­te­ten, war es unser Ziel, ein nach­hal­ti­ges Care-Angebot aufzu­bau­en. Konkret bedeu­tet das, die Abwan­de­rung von Fach­kräf­ten in den Herkunfts­län­dern zu verrin­gern und faire Arbeits­be­din­gun­gen zu schaf­fen. Wir arbei­ten mit der Cari­tas in Rumä­ni­en und der Slowa­kei zusam­men. Alle, die als Betreu­ungs­per­son in der Schweiz arbei­ten, blei­ben bei der Cari­tas in ihren Herkunfts­län­dern einge­bun­den. Sie arbei­ten eini­ge Wochen in der Schweiz und kehren dann an ihren Arbeits­platz zuhau­se zurück. Der wich­tigs­te Punkt ist, dass sie in beiden Ländern beglei­tet werden. In der Schweiz werden sie durch die Einsatz­lei­ten­den, also diplo­mier­te Pfle­ge­fach­kräf­te, unter­stützt. Mit diesem Modell heben wir uns von ande­ren Orga­ni­sa­tio­nen ab.

Wie finden Sie Klien­tin­nen und Klien­ten für Cari­tas Care, und wie die Betreuungspersonen?

Gudrun Michel: Eini­ge Perso­nen stos­sen bei Recher­chen im Inter­net selbst auf unser Ange­bot. Ande­re werden über die Alters­stel­len in den Gemein­den, Spitex, Haus­arzt­pra­xen oder Spitä­ler auf uns aufmerk­sam gemacht. Am Tele­fon bespre­chen wir dann die Rahmen­be­din­gun­gen. Anschlies­send besucht eine unse­rer Fach­kräf­te die Person zuhau­se. Poten­zi­el­le Klien­tin­nen und Klien­ten müssen sich bewusst sein, dass in der Schweiz Betreu­ungs­leis­tun­gen privat finan­ziert werden müssen. Pfle­ge­leis­tun­gen, welche in der Regel von einer Spitex-Organisation geleis­tet werden, werden hinge­gen über die Kran­ken­kas­sen abge­rech­net. Die Betreu­ungs­per­so­nen kommen wie gesagt über die Cari­tas in den Herkunfts­län­dern zu uns. Die meis­ten haben eine Ausbil­dung in der Alten­pfle­ge oder Sozi­al­ar­beit absolviert.

Eine gute Ausbil­dung garan­tiert aber noch nicht, dass es bei der Live-in-Betreuung auch zwischen­mensch­lich passt.

Gudrun Michel: Genau, das ist eine Heraus­for­de­rung. Zusam­men in einem Haus­halt zu leben, erfor­dert viel Sensi­bi­li­tät und Bezie­hungs­ar­beit. Das benö­tigt Offen­heit von beiden Seiten. Wenn es nicht passt, suchen wir Lösun­gen. In weni­gen Fällen muss schon mal eine Betreu­ungs­per­son ausge­tauscht werden. Umso wich­ti­ger sind die Abklä­run­gen, Unter­stüt­zung und Rück­spra­chen, die Cari­tas Care durch die diplo­mier­ten Pfle­ge­fach­per­so­nen sowohl den Klien­tin­nen und Klien­ten als auch den Betreu­ungs­per­so­nen bietet. In Zukunft wird es gene­rell eine Heraus­for­de­rung sein, Betreuungs- und Care-Arbeit in unser immer älter werden­den Gesell­schaft sicher­zu­stel­len. Es wird Ansät­ze wie unse­re für die Unter­stüt­zung zuhau­se brauchen.

Faire Betreu­ung Im vergan­ge­nen Jahr arbei­te­ten 37 Betreu­ungs­per­so­nen der rumä­ni­schen Caritas-Organisation Alba Iulia in der Schweiz. Hinzu kamen 17 Betreu­ungs­per­so­nen von Cari­tas Spis in der Slowa­kei. In der Schweiz sind gemäss Cari­tas Care 620 000 älte­re Menschen auf Betreu­ung ange­wie­sen. Viele von ihnen wünschen sich, so lang wie möglich zuhau­se wohnen zu blei­ben. Nach­hal­ti­ge und faire Lösun­gen in Bezug auf Care-Migration haben aller­dings ihren Preis. Im Schnitt 7000 Fran­ken kostet etwa die soge­nann­te Live-in-Betreuung von Cari­tas Care.

Text: Nina Rudnicki

Bilder: zVg.

Veröf­fent­li­chung: 27. Juli 2023

«Die Reise ist jetzt doppelt so weit»

Nach 18 Stun­den Reise mit dem Zug ist Maria (59) am Ziel in Wein­fel­den TG: Die ­Slowa­kin arbei­tet im Auftrag von Cari­tas jeweils für sechs Wochen als Betreue­rin bei Eva – im Wech­sel mit einer ande­ren Betreue­rin. Dank Maria kann die pfle­ge­be­dürf­ti­ge Senio­rin weiter­hin in ihrem Haus blei­ben. Doch wie fair ist dieses Modell?

Ich arbei­te seit 13 Jahren als Betreue­rin im Ausland», sagt Maria beim Gespräch mit dem Pfar­rei­fo­rum in Wein­fel­den. Wir sitzen im Garten. Mit dabei ist Simo­ne Keller, bei Cari­tas Schweiz verant­wort­lich für die Betreue­rin­nen und Betreu­er aus Osteu­ro­pa. Eva, bei der Maria als Betreue­rin arbei­tet, hat gera­de Besuch von einer Freun­din. Maria erzählt von ihrer Heimat: Sie kommt aus einem Dorf mit 500 Einwoh­nern in der Ost-Slowakei – nur 40 Kilo­me­ter entfernt von der ukrai­ni­schen Gren­ze. Den Ausbruch des Kriegs in der Ukrai­ne hat sie haut­nah mitbe­kom­men. Maria hat die Bilder immer noch vor Augen: «Das Dorf und die Umge­bung waren voll mit Autos von Menschen, die aus der Ukrai­ne geflüch­tet sind.» Maria schätzt ihre Arbeits­stel­le in der Schweiz. Doch die Reise und der Wech­sel zwischen zwei Kultu­ren und Menta­li­tä­ten falle ihr zuneh­mend schwe­rer. «Früher habe ich einfach die Koffer gepackt und dann ging’s los. Jetzt kostet mich das schon mehr Ener­gie. Habe ich alles einge­packt und an alles gedacht? Ist das Haus abge­schlos­sen?» Während Maria in der Schweiz ist, ist ihr Haus leer. «Meine Kinder sind erwach­sen, ich lebe alleine.»

Beim Inter­view in Wein­fel­den spricht Care-MigrantinMaria (59) über das Pendeln zwischen ihrer Heimat Slowa­kei und der Ostschweiz und somit zwischen zwei Kulturen.

Gelern­te Hochbauzeichnerin

Ursprüng­lich mach­te Maria eine Ausbil­dung zur Hoch­bau­zeich­ne­rin und arbei­te­te bis zum Fall des Eiser­nen Vorhangs in diesem Beruf. Dann war sie auf dem Gemein­de­amt tätig. «Es war immer mein Traum, ins Ausland zu gehen», sagt sie. Via Pfle­ge­kurs des Roten Kreu­zes findet sie den Einstieg in die Pfle­ge­ar­beit. Zwölf Jahre lang ist sie in Wien und Nieder­ös­ter­reich tätig. «Da frag­te mich eine Kolle­gin, die in Wein­fel­den als Betreue­rin für die Cari­tas tätig ist, ob ich nicht Lust hätte, in die Schweiz zu kommen und mich mit ihr abzu­wech­seln», erzählt sie. «Zunächst habe ich gezö­gert, aber als ich gehört habe, dass es eine Probe­zeit gibt, habe ich mir gesagt: Das schaffst du und dann kannst du immer noch entschei­den.» Simo­ne Keller von Cari­tas Schweiz ergänzt: «So wie bei Maria ist es eigent­lich selten. Meis­tens vermit­teln uns die Partner-Organisationen in der Slowa­kei und Rumä­ni­en die Betreue­rin­nen und Betreu­er.» Die Kolle­gin, die Maria auf die Stel­le in Wein­fel­den aufmerk­sam mach­te, ist heute auch die Betreue­rin, mit der sich Maria im 6‑Wochen-Rhythmus abwechselt.

Kontakt via WhatsApp

Maria schätzt ihre Arbeit und sie mag die Schweiz. «Ich erle­be die Menschen hier als selbst­be­wusst.» Die Menschen in der Slowa­kei könn­ten sich davon eine Schei­be abschnei­den. Mari­as prag­ma­ti­sche Grund­ein­stel­lung blitzt im Gespräch immer wieder auf. «Die Reise zwischen meiner Heimat und meinem Arbeits­ort in der Schweiz ist jetzt fast doppelt so lang», sagt sie, «dafür kümmert sich die Cari­tas um den ganzen Papier­kram und das Recht­li­che. In Öster­reich war ich selbst­stän­dig tätig und auf mich gestellt.» Sie habe den Wech­sel nie bereut. «Selbst­ver­ständ­lich vermis­se ich ab und zu meine Heimat, meine Freun­din­nen, die Kinder … Aber auch wenn ich stän­dig in der Slowa­kei wäre, würde ich meine Kinder nicht täglich sehen.» Whats­App sei Dank stehe sie mit ihnen in regel­mäs­si­gen Kontakt und bekom­me viel vom Alltag ihrer Fami­lie und Freun­de mit. «Der Sechs-Wochen-Rhythmus ist für meine Kinder und meine Freun­din­nen ganz normal.» Weih­nach­ten und Ostern im Ausland zu verbrin­gen – für viele Betreue­rin­nen oft eine schwe­re Zeit. Doch auch damit geht Maria entspannt um: «Es war für mich gar nicht so schlimm, Weih­nach­ten und Ostern bei Eva zu verbrin­gen, zuhau­se wäre ich dann viel­leicht allei­ne gewe­sen.» Wenn es so laufe wie jetzt, könne sie sich gut vorstel­len, noch bis zu ihrer Pensio­nie­rung als Betreue­rin im Ausland tätig zu sein.

Sprach­li­che Barrieren

Als Betreue­rin hilft Maria ihrer Klien­tin bei der Körper­hy­gie­ne, sie kümmert sich um den Haus­halt, erle­digt Einkäu­fe und leis­tet ihr Gesell­schaft. «Ich schät­ze es, dass ich sehr selbst­stän­dig arbei­ten kann.» Während der sechs Wochen, die Maria jeweils in Wein­fel­den verbringt, lebt sie im Haus von Eva. Die Arbeits­zei­ten sind genau gere­gelt und einmal in der Woche hat Maria einen frei­en Tag. Doch wo Menschen zusam­men­le­ben, kommt es auch zu Reibe­rei­en und Konflik­ten. «Die meis­ten Konflik­te entste­hen, weil gegen­sei­ti­ge Erwar­tun­gen unaus­ge­spro­chen sind und es oft schwer fällt, sich auf eine gute Weise abzu­gren­zen», weiss Simo­ne Keller. Maria nickt zustim­mend. Momen­te, in denen Eva launisch reagiert oder mit ihrer Situa­ton über­for­dert sei, gehö­ren zum Alltag. «Es kann nicht jeder Tag Sonn­tag sein. Wenn immer möglich, versu­che ich humor­voll mit solchen Situa­tio­nen umzu­ge­hen», so Maria. «Ich weiss natür­lich, dass ich so etwas nicht persön­lich nehmen darf, aber trotz­dem verlet­zen solche Äusse­run­gen.» Oft helfe ihr auch eine Haltung, die ihr ihre Mutter beigebracht habe: «Nega­ti­ve Wort­mel­dun­gen sind nicht mehr als ein Zug, der bei einem Ohr hinein­fährt und beim ande­ren wieder hinaus.» Simo­ne Keller ergänzt: «Es wird genau geprüft, welche Betreue­rin zu welcher Kundin oder welchem Kunden passt. Das Mensch­li­che muss stim­men.» Cari­tas klärt auch genau ab, ob die Situa­ti­on und die gesund­heit­li­che Verfas­sung der Klien­tin­nen und Klien­ten für das Betreu­ungs­mo­dell geeig­net ist.

Aus der Zeitung vorlesen

Maria und Eva hätten schnell einen Draht zuein­an­der gefun­den. Dazu beigetra­gen hat auch Lili – Evas Katze, Maria hat sie auf Anhieb ins Herz geschlos­sen. Nur sprach­lich gibt es manch­mal Schwie­rig­kei­ten: Maria spricht zwar flies­send Schrift­deutsch, doch Eva versteht sie oft nicht. Schmun­zelnd erzählt Maria eine Episo­de aus ihrem Alltag: «Ich lese ihr täglich aus der Zeitung vor. Wenn ich sie frage: Verste­hen Sie mich?, schüt­telt sie den Kopf. Aber sie meint: Das ist egal, lesen Sie weiter.» Betreue­rin und Klien­tin prägen sich gegen­sei­tig und im Ideal­fall lernen sie vonein­an­der. «Was ich auch schon von Betreue­rin­nen gehört habe: Ihre Kinder sagen zu ihnen: Wir merken, dass du wieder da bist – jetzt gibt es stän­dig Salat als Vorspei­se. Das ist in der Slowa­kei und Rumä­ni­en nicht üblich.» Umge­kehrt brin­gen Betreue­rin­nen bestimm­te Gewür­ze aus ihrer Heimat mit ober über­ra­schen an Weih­nach­ten mit einem Gulasch.

Mit Abschied konfrontiert

Bevor Maria in die Schweiz wech­sel­te, hat sie zwei Jahre lang ihre Mutter zuhau­se in der Slowa­kei gepflegt – diese starb mit 94 Jahren. In der Slowa­kei sei es noch immer häufig, dass älte­re Menschen von ihrer Fami­lie gepflegt werden und möglichst lange zuhau­se blei­ben. Als Betreue­rin hat Maria schon mehr­mals erlebt, dass sie ihre Klien­ten bis zum letz­ten Tag beglei­tet hat. Die stän­di­ge Konfron­ta­ti­on mit Ster­ben und Tod sei für sie trotz­dem nicht einfa­cher gewor­den. Sie zuckt mit den Achseln und lächelt. «Aber ich habe nun mal diesen Beruf gewählt, ich muss mich dem stel­len.» Was mit ihr sei, wenn sie mal hoch­be­tagt sei, daran möch­te sie jetzt nicht zu viel nach­den­ken: «Mein Motto ist: Es kommt, wie es kommt. Es lohnt sich nicht, sich darüber Gedan­ken zu machen.»

Text: Stephan Sigg

Bilder: Ana Kontoulis

Veröf­fent­li­chung: 22. 06. 2023

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