Ende Oktober fand im Bundeshaus die Frauensession statt. An dieser setzten sich der Schweizerische Katholische Frauenbund und die Evangelischen Frauen Schweiz dafür ein, dass Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz wählen und abstimmen dürfen. Die katholischen St.Gallerinnen und St.Galler verfügen auf kirchlicher Ebene schon länger über diese Rechte.
Fast ein Viertel der Bevölkerung der Schweiz hat keinen Schweizerpass und kann bei politischen Fragen nicht oder nur sehr eingeschränkt mitentscheiden», schreibt der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) in einer Medienmitteilung zur Frauensession Ende Oktober 2021. An dieser forderte der SKF gemeinsam mit den Evangelischen Frauen Schweiz (EFS) das Stimm- und Wahlrecht auf nationaler Ebene für Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz nach fünf Jahren Aufenthalt unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Mit der Forderung wurde ein Thema aufgegriffen, das seit Jahren regelmässig zu hitzigen Diskussionen führt. Jüngst etwa im St.Galler Kantonsrat, der das kommunale Ausländerstimmrecht im Juni mit einer Zweidrittelmehrheit ablehnte – dies obwohl sich die St.Galler Regierung dafür ausgesprochen hatte.
Sich auch zur Wahl stellen
Etwas anders sieht die Situation bei den Kirchen aus. Viele von ihnen erteilen bereits heute Nicht-Schweizern und Nicht-Schweizerinnen innerhalb der landeskirchlichen Strukturen das Stimm- und Wahlrecht. Im Kanton Thurgau etwa sind ausländische Katholikinnen und Katholiken stimm- und wahlberechtigt, sofern sie erwachsen sind und mindestens eine B‑Bewilligung besitzen. Möglich wurde dies durch die neue Landeskirchenverfassung, die im Juni 2021 angenommen wurde. Davor konnten sie sich erst für das Stimm- und Wahlrecht eintragen, wenn sie seit fünf Jahren in der Schweiz wohnten. Der Katholische Konfessionsteil des Kantons St.Gallen hat das Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer bereits vor 15 Jahren eingeführt, aktiv und passiv. Das bedeutet, dass Personen ohne Schweizer Pass nicht nur wählen und abstimmen dürfen, sondern sich auch zur Wahl stellen können. «Die Katholische Bevölkerung stimmte der neuen Verfassung, die seit 2007 in Kraft ist, mit überwältigendem Mehr zu», erinnert sich Thomas Franck, Verwaltungsdirektor der Katholischen Adminis-tration. Lediglich zwei kritische Voten habe es zuvor im Katholischen Kollegium gegeben. «Man fürchtete Nachteile aus dem Rechtsunterschied zu den Politischen Gemeinden und zum Staat. Ebenso verwies man auf die Möglichkeit zur Ein-bürgerung von ausländischen Kirchenmitgliedern», sagt er und fügt an: «In der Kirche gibt es nur Getaufte, keine Ausländerinnen und Ausländer.» Zudem sei es positiv, wenn die Vielfalt im Gottesvolk auch in den Kirchgemeindebehörden abgebildet werde.
Zwei mit ausländischem Pass
Doch wie hat sich das Stimmrecht für Ausländerinnen und Ausländer auf das Engagement in kirchlichen Gremien und Ämtern ausgewirkt? Im Katholischen Kollegium des Kantons St.Gallen haben derzeit nur zwei von 180 Mitgliedern eine ausländische Staatsangehörigkeit. Eine Übersicht, wie viele Personen mit ausländischem Pass sich in den Kirchenverwaltungen engagieren, gibt es laut Franck nicht. «Das Ausländerstimmrecht hilft aber sicher mit, Personen für ein Amt zu gewinnen, da potenziell mehr Menschen dafür in Frage kommen», sagt er. Allerdings sei der Anteil von Kirchgemeindebehördenmitgliedern mit ausländischer Staatsangehörigkeit im Ver-hältnis zu ihrem Anteil der Kirchenmitglieder unterdurchschnittlich.
Forderungen überreicht
Die Diskussionen auf nationaler Ebene werden künftig allenfalls auch die Parlamente beschäftigen. Der fehlende Zugang zu politischen Rechten für Einwohnerinnen und Einwohner ohne Schweizer Staatsbürgerschaft in Kombination mit einer rigiden Einbürgerungspolitik beeinträchtige auf lange Sicht die Qualität der demokratischen Ordnung in der Schweiz, schreibt der SKF. Die Schweizer Demokratie müsse über die politische Teilhabe der ständigen Bevölkerung ohne Schweizer Staatsbürgerschaft gestärkt werden. Die Forderungen, die an der Frauensession diskutiert und beschlossen wurden, werden nun Parlament und Bundesrat überreicht. (nar)
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