Leserfrage: Ghosten – Darf man das?

«Wenn man mich nicht kennt, dann mach ich, was ich will. Die seh ich ohne­hin nie wieder», sag ich mir. Wenn ein ­Kontakt aber plötz­lich und abrupt abge­bro­chen wird, reden wir vom Ghos­ting. Jemand verschwin­det wie ein Geist. Das Tele­fon wird nicht abge­nom­men. Die E‑Mails blei­ben unbe­ant­wor­tet. Wo Vertraut­heit war, bleibt Irritation.

Warum jemand ghos­tet? Die Grün­de sind zahl­reich: Respekt­lo­sig­keit und Egois­mus, Faul­heit oder Feig­heit, Furcht vor der Konfron­ta­ti­on. Manche Ghos­ten­de sind unfä­hig für eine direk­te Kommu­ni­ka­ti­on oder unfä­hig für Vertrau­en und Bezie­hung. Gefühl­s­ar­mut oder Arro­ganz können weite­re Grün­de sein. Welcher dieser Grün­de jeweils auch zugrun­de liegt, sie sind alle schlecht. Da mag Ghos­ting ober­fläch­lich salon­fä­hi­ger gewor­den sein, die Moti­ve dahin­ter sind es nicht. Reflexion, Feed­back und Ausein­an­der­set­zung mitein­an­der könn­ten einen weiter­brin­gen und verän­dern. Doch wo der Kontakt so schnell abbricht, schwin­det die Chan­ce, es ein ande­res Mal besser zu machen.

Im Karus­sell der Fragen

Wer geghos­tet wird, fragt sich selbst, was man falsch gemacht hat. Man fragt sich, ob man den ande­ren falsch wahr­ge­nom­men hat. Es ist schwer, von dem Karus­sell der Fragen wie «Warum meldet er sich nicht mehr?» oder «Warum tut sie mir das an?» herun­ter­zu­stei­gen. Je nach Inten­si­tät der Bezie­hung kann das lang­zei­tig seeli­sche Verlet­zun­gen hinter­las­sen. Ob man mit Ärger und Wut, Verbit­te­rung oder Verge­bung reagiert, wird zu einer Heraus­for­de­rung. Die Frage, warum das passiert ist, bleibt unbe­ant­wor­tet. In der Geschich­te vom klei­nen Prin­zen wird gemahnt: «Du bist zeit­le­bens für das verant­wort­lich, was du dir vertraut gemacht hast.» Wo zuvor Vertrau­en war, bleibt es schwer zu ertra­gen, wenn es an Antwort und Verant­wor­tung fehlt. Mit der Zeit und durch Gesprä­che mit besse­ren Freun­den und Freun­din­nen mag die Erkennt­nis kommen, dass es nicht an mir lag. Bis dahin erhal­te ich mir meine Würde, dass ich nicht das Schlech­te mit Schlech­tig­keit beantworte.

Sich wieder begegnen

Was hilft? Eine gewis­se Vorsicht, wie schnell ich jeman­den ins Vertrau­en ziehe, zu wem ich Freund­schaft pfle­ge und mit wem ich intim werde. «Dein Vertrau­ter sei nur einer unter tausend.» (Sir 6,6). Es hilft zu akzep­tie­ren, dass Ghos­ting nicht bloss schlech­ter Stil ist, sondern schlecht für alle Seiten ist. Da ist eben nicht nur die Rück­sicht­lo­sig­keit, welche die Verlet­zun­gen in Kauf nimmt, sondern sind auch die nega­ti­ven Folgen für einen selbst. Ob man jeman­den ghos­ten darf? Man darf schon. Gut wird es nicht sein. Eine Antwort, warum ein Kontakt been­det wird, ist ja nicht schwer. Klüger wäre, keine Antwort schul­dig zu blei­ben, denn wir wissen nicht, ob wir uns nicht doch irgend­wann wieder über den Weg laufen. Aber keine Antwort wird immer eine schlech­te Antwort sein.

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Text: Cars­ten Wolfers, Diakon in Sevelen

Bild: zVg

Veröf­fent­li­chung: 14. August 2025

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