Das Theater St. Gallen bringt zwei Stücke zum Thema Tod auf die Bühne. Bei beiden spielt die Schauspielerin Diana Dengler eine tragende Rolle. Die Proben verlangten ihr einiges ab.
Diana Dengler kommt mit dem Velo. Sie wirkt angespannt, hat nur kurz Zeit. «Ich komme direkt von der Probe. Es sind intensive Tage», sagt sie. Ab November spielt die in St. Gallen wohnhafte Schauspielerin die Hauptrolle im Stück «Die Ärztin» am Theater St. Gallen. Ab Dezember übernimmt sie zudem eine Rolle in «Gott» nach dem Erfolgsautor Ferdinand von Schirach. Beide Stücke bringen das Thema Tod und Selbstbestimmung auf die Bühne. Themen, die Diana Dengler wichtig sind, die ihr aber auch einiges abverlangen: «Die Proben sind anders als sonst. Sie kosten mehr Kraft.» Man befasse sich acht Stunden am Tag mit der Thematik. «Das muss man aushalten können.» Dengler spielt mit einem Ensemble von zehn beziehungsweise neun Personen jeglichen Alters. Die Ältesten sind an die 90 Jahre alt, die Jüngsten knapp volljährig. «Bei allen löst die Thematik etwas aus.»
Gemeinsam erfahren
In den Stücken geht es um Fragen wie: Darf man seinem Leben ein Ende setzen, wenn man dessen überdrüssig ist? Wer entscheidet, wann ich sterben darf und wie der Tod auszusehen hat? Oder: Wo sind die Grenzen meiner Selbstbestimmung? Die Themen sind Dengler nicht fremd. Sie hat selber bereits zwei Menschen beim Sterbeprozess begleitet. «Ich habe Respekt vor diesen Themen. Aber es sind Themen, die unweigerlich zum Leben gehören», sagt sie.

Trotz der Schwere der Kost: Für die 55-Jährige haben die beiden Theaterstücke auch etwas Befreiendes. «Man wird nicht alleine gelassen mit den Themen, hat einen gemeinsamen Rahmen. Einen geteilten Raum. Es ist wie bei einem Gottesdienst in der Kirche. Es ist ein gemeinsames Erfahren. Man teilt Freud und Leid miteinander.»
Verstehen lernen
Diana Dengler hofft und wünscht sich, dass die beiden Theaterstücke nachhaltig wirken. «Dass sie eine Diskussion in der Bevölkerung auslösen.» In den Stücken werden immer mehrere Positionen und Meinungen vertreten. «Alle Positionen werden respektvoll behandelt und es gibt kein Schwarz und Weiss. Die verschiedenen Meinungen haben Platz. Es geht also darum, sich Gedanken zu machen und sich selbst zu reflektieren.» In den beiden Stücken geht es auch um den Zwiespalt zwischen beruflichen Verpflichtungen und persönlichen Ansichten. Um Meinungsverschiedenheiten. Darum, das Gegenüber zu akzeptieren. Dass es im Leben unterschiedliche Ansichten gibt, ist Diana Dengler klar. Man müsse lernen, das Gegenüber zu verstehen und diesem zuzuhören. «Alles ist im Wandel. So auch die Kirche oder der Tod. Wissen macht es einfacher zu verstehen. Halbwissen schafft eine aggressive Haltung.» Um die Zuschauerinnen und Zuschauer auch nach dem Theaterbesuch nicht mit dem Thema alleine zu lassen, sind Gesprächsreihen mit Expertinnen und Experten geplant. Denn: Egal wie man zum Tod steht und welche Meinung man über Sterbehilfe hat: Das Wichtige ist, darüber zu reden. Die Themen betreffen uns alle.
Text: Alessia Pagani
Bild: Regina Kühne
Veröffentlichung: 5. November 2023